Skull hat geschrieben:(29 Jun 2021, 08:34)
Klar, eine normiete Wohnungsmiete für alle kann man bestimmt einrechnen.
Weil AberMillionenen von Wohnungsbesitzern und Mietern da (heute) eine Leistung seitens des Staates erhalten.
Genauso wie Steuerfreibeträge.
Da kommt man dann natürlich auf Phantastillionen, die da ein BGE finanzieren sollen.
Endlich, endlich hast Du es auf den Punkt gebracht.
Eine deutlich grössere Umverteilung, die deutlich über das hinausgeht, was in der Gesellschaft akzeptiert wird.
mfg
Ich gehe mal davon aus, dass dies implizit die Bestätigung war, dass eine Existenzsicherung auch heute schon wertmäßig im Bereich 1000-1200€ für Erwachsene liegt. Insofern stimmst du dann sicherlich auch zu, dass ein potentielles BGE auf Existenzsicherungsniveau , ganz gleich wie es im Detail organisiert wäre, auch in diesen Größenordnungen liegen wird. Damit hätten wir dann schon mal endlich diese verkrampfte Diskussion rund um eine veraltete 600€ These erledigt und können uns ernsthaften Themen zuwenden. Gerne wiederhole ich dafür auch zukünftig, dass die Finanzierung von deutlich mehr als 1200€ entsprechend den derzeitigen Rahmenbedingungen eben nicht ohne massive Umverteilung stattfinden kann, für die ich (derzeit) keine Mehrheiten sehe. Wenn wir diese Diskussion allerdings noch weitere 10 Jahre führen, kannst du sicher davon ausgehen, dass wir dann allein schon aus Gründen der Inflation von Beträgen reden, die wenigstens 10% höher liegen - dann also bei wenigstens 1.100€ - 1.320€ - je nach Inflation kann es dann auch mehr sein.
Die Existenzsicherung ist auch heute schon sowohl für Zahler von Einkommensteuern, Rentner als auch Hartz IV Empfänger oder auch Kinder gesellschaftlich organisiert. Finanziert wird sie zu einem deutlichen Teil über Steuern, zu einem kleineren Teil ergänzend über die Sozialversicherungssysteme. Den allergrößten Teil erbringen aber die diejenigen, die tatsächlich ein Einkommen beziehen - weil sie die Existenzsicherung für sich und oft auch ihre Familien in Gänze oder zu einem deutlichen Teil selbst finanzieren. Wenn du auch dem zustimmen solltest, dann kannst du kaum anders als zuzustimmen, dass also das Geld für die Existenzsicherung heute im System vorhanden ist.
Wenn durch eine Umorganisation dieses Geld vor allem Transparent ausgewiesen wird, sich aber sonst Brutto für Netto nichts ändern würde, sind damit faktisch die (es sind nur) ca. 900 Mrd. - 1,2 Billionen finanziert, weil sie es heute schon sind.
Ob und in welchem Umfang bei einem Wechsel auf ein BGE noch Umverteilung hinzukommen würde, hängt vom konkreten Modell ab, und wenn es dazu kommt, dann gibt es dafür sicherlich gute Gründe.
Gründe, warum man nicht nur in Deutschland aber auch hier über die Wirkzusammenhänge der Umverteilung beständig politisch streitet, gibt es sehr viele. Wer sich die (Wahl-) Programme jeder Partei anschaut bemerkt, dass diese voll mit Themen sind, die nahezu alle Umverteilung bewirken. Insofern können wir uns gerne auch über Umverteilung unterhalten - die ist zwar eigentlich gar nicht das Kernthema hier, inhaltlich bin ich aber sofort dabei, dass Umverteilung in diesem Kontext mit eine Rolle spielen sollte.
Bezogen auf ein BGE zur Existenzsicherung wäre Umverteilungsrelevant, an welchen Stellen man im System von einer reinen Umetikettierung abweicht, also wo genau tatsächlich dann Umverteilung stattfindet. Diese Stellen sind herauszuarbeiten und dann die Gründe zu benennen, warum man dies so tun sollte, oder auch Gegenargumente zu benennen, warum das auf keinem Fall richtig wäre. Und schließlich wäre es vernünftig bei solchen Punkten auch zu benennen, wie die konkrete Finanzierung dazu aussehen soll.
Umverteilung wird gerne in der Diskussion so gebraucht, als ob diese etwas ganz schlimmes wäre - tatsächlich ist sie aber das normalste in der Welt, und wer genau hinschaut erkennt auch, dass wesentliche Teile des Wirtschaftens darauf beruhen, dass immer wieder neu umverteilt wird.
Ich benenne dann auch mal ein paar Punkte, bei denen ich BGE-relevante Umverteilungspunkte sehe:
Im Sozialrecht würde ich gerne darüber reden, ob es wirklich sinnvoll ist, dass wir Studenten zumuten in 20qm-Zimmern zu leben, während wir alleinstehenden Hartz IV Empfängern typischerweise zugestehen, dass sie Ansprüche auf Wohnraum von ca. 45-55qm haben. Hier sehe ich durchaus im bestehenden Sozialrecht die Fragestellung, ob es nicht auch Gruppen von Hartz IV Empfängern gibt, denen eine kleinere Wohnung zuzumuten wäre.
Ein weiterer Punkt ist, ob man durch ein geringfügig höheres Hartz IV bei gleichzeitiger Pauschalisierung von Leistungsansprüchen viel Bürokratie und vor allem teure und aufwendige Gerichtsverfahren einsparen kann. Bereits wenige Euros mehr und etwas mehr Pauschaliesierung könnten so bei geringen Mehrkosten zu deutlicher Entlastung der Gerichte und damit auch zu mehr sozialem Frieden beitragen.
Beim Kindergeld bzw. beim Kinderfreibetrag lohnt die Diskussion, warum es heute so organisiert ist, wie es ist. Da sind doch eine Reihe an Ungereimtheiten drin - beispielsweise der Fakt, dass man am meisten Unterstützung dann durch den Staat bekommt, wenn man ein sehr hohes Einkommen hat, diese also am wenigsten braucht.
Im Steuerrecht wäre es mal spannend darüber nachzudenken, ob der Grundfreibetrag für Bürger in München, Stuttgart und anderen Ballungsgebieten mit sehr hohen Durchschnittsmieten ausreicht, um die steuerliche Aufgabe der Steuerbefreiung des Existenzminimums zu tragen. Hier bin ich gespannt, wenn es zu entsprechenden Klagen kommt, wie die Gerichte entscheiden! Entsprechende Klagen werden schon vorbereitet.
Im Rentenrecht sehen wir heute schon wie sich der Staat regelrecht windet, um die unterschiedlichsten Aspekte der Existenzsicherung vernünftig in das Rentenrecht rein zu bekommen. Grundsicherung im Alter, Mütterrente, ... .. ...
Bei der GKV und GPV könnte man mal in die Diskussion gehen, warum der Staat aus Steuermitteln nur einen Minimalsatz für Hartz IV Empfänger bezahlt, während die Kosten auch für Hartz IV Empfänger in der GKV und GPV tendenziell eher sogar über dem Schnitt einer Kopfpauschalen liegen. Faktisch wird darüber ein Teil der GKV/PKV-Kosten nicht steuerfinanziert, sondern über die entsprechenden Abgaben. Durchaus ein Gerechtigkeits- und Umverteilungsthema, beispielsweise weil sich dadurch PKV und PPV-Versicherte nicht in gleicher Höhe an der Finanzierung der Hartz IV Kranken- und Pflegeversicherung beteiligen.
Schon allein wenn man diese Themenstellungen alle aus der Kiste Umverteilung genauer unter die Lupe nimmt, und dann feststellt, dass die Themenstellungen gewisse Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten aufweisen, stellt sich die Frage, ob eine Organisation der Existenzsicherung über diese verstreuten Mittel wirklich noch zeitgemäß ist, oder ob man nicht besser den Systemwechsel in Richtung BGE unternimmt - wenn auch dieser sinnvollerweise mit kleineren Umverteilungsfragestellungen einhergeht, die man aber eben einzeln diskutiert, sowieso mal angehen sollte.