Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

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Troh.Klaus
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Troh.Klaus »

DarkLightbringer hat geschrieben:(29 Oct 2021, 23:10)
Die polnische Exil-Staffel 303 hat in der Luftschlacht um England die meisten Abschüsse erzielt.
Der Widerstand ist nicht zu unterschätzen.
Ganz klar - beim gerade ausgebrochenen "Dritten Weltkrieg" wird die EU den Kürzeren ziehen. Keine Chance gegen die polnische Luftwaffe.
Polen macht das einzig richtige und bietet dem Operettendiktator die Stirn anstatt in Deckung zu gehen und lieber am Technokraten-Projekt der Selbstermächtigung zu basteln.
So ist es. Es geht die EU genau gar nichts an, wie die Polen ihren Staat intern organisieren. Selbst wenn sie eine absolute Monarchie mit König Jaroslaw an der Spitze gründen und Homosexuelle wie in Saudi-Arabien oder dem Iran mit dem Tode bedrohen würden. Polen steht gegen Lukaschenko, gegen Putin und, vor allem, gegen NS2. Das rechtfertigt einfach alles.
Seriös geht anders.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Troh.Klaus hat geschrieben:(30 Oct 2021, 00:17)

Ganz klar - beim gerade ausgebrochenen "Dritten Weltkrieg" wird die EU den Kürzeren ziehen. Keine Chance gegen die polnische Luftwaffe.
Könnte sein. Man sollte den französischen Wahlkampf jedenfalls genau beobachten.
So ist es. Es geht die EU genau gar nichts an, wie die Polen ihren Staat intern organisieren. Selbst wenn sie eine absolute Monarchie mit König Jaroslaw an der Spitze gründen und Homosexuelle wie in Saudi-Arabien oder dem Iran mit dem Tode bedrohen würden. Polen steht gegen Lukaschenko, gegen Putin und, vor allem, gegen NS2. Das rechtfertigt einfach alles.
Aus diesen Worten spricht Kampfgeist.
Oder, wie es in einem NATO-Spot heißt: "We are strong, we are Allies".
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

sünnerklaas hat geschrieben:(30 Oct 2021, 00:16)

Was hat es Polen gebracht? Der Zweite Weltkrieg endete in Polen erst 1949. Mit dem fluchtartigen Rückzug der Briten nach dem ersten sowjetischen Atomtest.
Sicher, die Frucht der Freiheit kam erst sehr viel später, mit dem Ende des Jaruzelski-Regimes.
Aber die legendäre Staffel 303 hat ihren Beitrag geleistet. Und welches Imperium steht noch?
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Haegar hat geschrieben:(29 Oct 2021, 14:14)

Dann zitieren wir mal genau was Barnier will:

"Schon im Juli hatte Barnier in der Tageszeitung "Le Figaro" erklärt, was er unter diesem "Schutzschild" versteht: Er fordere ein Einwanderungs-Moratorium von drei bis fünf Jahren nach Frankreich"

https://www.diepresse.com/6032163/barni ... -aushebeln

Um die Präsidentschaft zu gewinnen zieht er die Fremdenangst-Jokerkarte.
Sollte vernünftige Franzosen nicht unbedingt überzeugen, weil dann ja noch weitere "nationale" Ideen aufkommen könnten: zB. Todesstrafe für 5 Jahre nur für Polen...moment hatten wir in Deutschland auch mal... :eek:
Was Du mit dem Begriff Technokraten ausdrücken willst ist mir schon klar, kannst es aber stecken lassen.
Wird der extreme Rand genau so wieder machen, um Stimmung gegen die bürgerliche liberale Mitte bei den "Arbeiter" zu schaffen.
Ich sehe mit der neuen deutschen Regierung da eher Potenzial der Vertiefung der EU näher zu kommen, als mit Merkel.

Genug OT:
Polen hat mit der gesetzlichen Legitimation der sog. push-backs erneut seine vertraglichen Verpflichtungen gebrochen. Dürften die nächsten Sanktionen seitens des EuGH anstehen.
Mit der "Vertiefung" sind keine Wahlen zu gewinnen, zumal wenn dieser Begriff mit Problemen verbunden wird oder mit der "Vermeidung" von Themen.

Der ehemalige EU-Kommissar Barnier mag diese oder jene "Schilde" wollen und natürlich ist dieser Kandidat nicht gerade ein Robert Habeck.
Aber eines ist doch auch klar, in jeder Demokratie wird es immer zwei Meinungen geben und einen gewissen Pluralismus in einem Mehrparteien-System. Bedeutet, es können gar nicht alle Robert Habeck sein und das Volk wird regelmässig um sein Votum gebeten.

Der Begriff der Technokratie lässt sich auch sorgsam umschreiben:
Eines steht fest: Die Bürger haben immer mehr den Eindruck, dass „Europa“ eine bürkokratische, seelenlose Maschinerie ist, die nur in einem unverständlichen und rein wirtschaftsbezogenen Jargon miteinander spricht und ihre Regeln um jeden Preis nach dem Prinzip „Wer bezahlt, entscheidet!“ durchsetzt.
https://www.welt.de/debatte/kommentare/ ... ieben.html

Passt ja zum aktuellen Disput, nicht wenige argumentieren genau so - wer zahlt, hat recht.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von JJazzGold »

DarkLightbringer hat geschrieben:(30 Oct 2021, 13:19)

Mit der "Vertiefung" sind keine Wahlen zu gewinnen, zumal wenn dieser Begriff mit Problemen verbunden wird oder mit der "Vermeidung" von Themen.

Der ehemalige EU-Kommissar Barnier mag diese oder jene "Schilde" wollen und natürlich ist dieser Kandidat nicht gerade ein Robert Habeck.
Aber eines ist doch auch klar, in jeder Demokratie wird es immer zwei Meinungen geben und einen gewissen Pluralismus in einem Mehrparteien-System. Bedeutet, es können gar nicht alle Robert Habeck sein und das Volk wird regelmässig um sein Votum gebeten.

Der Begriff der Technokratie lässt sich auch sorgsam umschreiben:
https://www.welt.de/debatte/kommentare/ ... ieben.html

Passt ja zum aktuellen Disput, nicht wenige argumentieren genau so - wer zahlt, hat recht.
Lassen wir die polnische EU Abgeordnete Rósa Thun zu Wort kommen.

Das Bußgeld in Höhe von einer Million Euro täglich werde in Polen unterschiedlich aufgenommen, sagt die Europaabgeordnete Róza Thun, die polnische Gesellschaft sei eben zutiefst gespalten.
Eine Hälfte sieht sie immer noch hinter der rechtsnationalen Regierung von Ministerpräsident Morawiecki, die die Wut auf Brüssel befeuert. Aber die andere Hälfte, die Opposition, habe die große Hoffnung, dass die EU den Abbau des Rechtsstaats in ihrem Land verhindert.

"Die andere Hälfte wird sagen, es ist eben die Europäische Union, die die Unabhängigkeit unserer Gerichte garantiert und wird sagen: Gott sei Dank, dass das jemand tut. Das ist für Polen und nicht gegen Polen."

https://www.tagesschau.de/ausland/europ ... h-109.html

Ich würde es auch begrüßen, wenn in einem, zum Glück fiktiven, analog gelagerten Fall in Deutschland die EU derart reagieren würde.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt

https://www.youtube.com/watch?v=9FBu2rVuXGI
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

JJazzGold hat geschrieben:(30 Oct 2021, 14:57)

Lassen wir die polnische EU Abgeordnete Rósa Thun zu Wort kommen.

Das Bußgeld in Höhe von einer Million Euro täglich werde in Polen unterschiedlich aufgenommen, sagt die Europaabgeordnete Róza Thun, die polnische Gesellschaft sei eben zutiefst gespalten.
Eine Hälfte sieht sie immer noch hinter der rechtsnationalen Regierung von Ministerpräsident Morawiecki, die die Wut auf Brüssel befeuert. Aber die andere Hälfte, die Opposition, habe die große Hoffnung, dass die EU den Abbau des Rechtsstaats in ihrem Land verhindert.

"Die andere Hälfte wird sagen, es ist eben die Europäische Union, die die Unabhängigkeit unserer Gerichte garantiert und wird sagen: Gott sei Dank, dass das jemand tut. Das ist für Polen und nicht gegen Polen."

https://www.tagesschau.de/ausland/europ ... h-109.html

Ich würde es auch begrüßen, wenn in einem, zum Glück fiktiven, analog gelagerten Fall in Deutschland die EU derart reagieren würde.
Tja, was soll ich dazu sagen... Wenn die Opposition mit diesem Narrativ so in den Wahlkampf 2023 gehen möchte, kann und wird sie das tun. Ist ja eben auch deren Sache. Die werden schon eigene Spezialisten haben, die Plakate und Slogans gestalten können.
Ich persönlich halte einen solchen PR-Ansatz für äußerst ungünstig und würde empfehlen, die Erfolge der anderen "Hälfte" mal genau zu analysieren.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Troh.Klaus »

DarkLightbringer hat geschrieben:(30 Oct 2021, 00:44)
Aus diesen Worten spricht Kampfgeist.
Oder, wie es in einem NATO-Spot heißt: "We are strong, we are Allies".
Gewiss doch.
Aber Allies? Eher nicht.
Seriös geht anders.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Troh.Klaus hat geschrieben:(30 Oct 2021, 16:31)

Gewiss doch.
Aber Allies? Eher nicht.
Eher schon. Polen stellt Truppen, Von der Leyen nicht.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Marmelada »

Troh.Klaus hat geschrieben:(30 Oct 2021, 00:17)
...
So ist es. Es geht die EU genau gar nichts an, wie die Polen ihren Staat intern organisieren. Selbst wenn sie eine absolute Monarchie mit König Jaroslaw an der Spitze gründen und Homosexuelle wie in Saudi-Arabien oder dem Iran mit dem Tode bedrohen würden. Polen steht gegen Lukaschenko, gegen Putin und, vor allem, gegen NS2. Das rechtfertigt einfach alles.
Natürlich geht das die EU etwas an, denn es widerspricht fundamental den Mitgliedskritierien, denen Polen beim Beitritt zugestimmt hat und die EU ist immer noch kein Sozialamt für aufstrebende Autokratien.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Das Duell zwischen Kommission und polnischer Regierung wird von den jeweiligen Hardlinern entschieden werden.

Im Gegensatz zum Justizminister des Landes ist Morawiecki eigentlich ein Gemäßigter, der dem Kompromissgedanken - Geld gegen Auflösung der Disziplinarkammer - zustimmen könnte.
In der Eskalationsstufe würde das jedoch als Schwäche ausgelegt werden.

Und auf der anderen Seite wird die Kommission von den Fraktionen im EU-Parlament getrieben, die sogar klagen wollen.
Auch hier würde ein Kompromiss als Schwäche ausgelegt werden.

Die Eskalation kennt also nur Sieger oder besser gesagt Siegerposen, denn faktisch geht es zu Lasten Europas und Polens.
Das lässt sich aber semantisch anders darstellen.
Der polnische Machtkampf ist auch zu einem europäischen geworden.
https://www.zeit.de/politik/ausland/202 ... ettansicht
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von JJazzGold »

DarkLightbringer hat geschrieben:(30 Oct 2021, 16:25)

Tja, was soll ich dazu sagen... Wenn die Opposition mit diesem Narrativ so in den Wahlkampf 2023 gehen möchte, kann und wird sie das tun. Ist ja eben auch deren Sache. Die werden schon eigene Spezialisten haben, die Plakate und Slogans gestalten können.
Ich persönlich halte einen solchen PR-Ansatz für äußerst ungünstig und würde empfehlen, die Erfolge der anderen "Hälfte" mal genau zu analysieren.
Das werden Sie in Polen den betreffenden Polen empfehlen müssen. Ich habe keinen Anteil am polnischen Wahlkampf.
Interessant fand ich die Einschätzung der polnischen EU Abgeordneten. Die wird wissen, von was sie spricht.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Vongole »

Und weiter geht's mit der Aushöhlung der Menschenrechte:
Es war ein neuer Tiefpunkt der polnischen Politik, als ultrakonservative Fanatiker im Parlament am Donnerstagabend den "Stop LGBT"-Gesetzentwurf begründeten: Er soll Polens Schwulen, Lesben und anderen sexuellen Minderheiten alle Regenbogenparaden sowie öffentliches Auftreten verbieten.
Der Mitautor Krzysztof Kasprzak verglich das Eintreten sexueller Minderheiten für ihre Rechte mit dem Marsch zur Macht von SA und NSDAP Anfang der 1930er-Jahre. Ihr Wirken sei auf die Zerstörung der Familie gerichtet und gleichrangig mit einer Terrorkampagne, wie sie früher Faschisten und Kommunisten durchgeführt hätten. Kasprzak und seine Mitstreiterin Kaja Godek ließen kein Schauermärchen über Homosexuelle aus, etwa, dass sie Kinder vergewaltigten und missbrauchten.
https://www.sueddeutsche.de/meinung/pol ... -1.5452494
Und da soll die EU zuschauen? Nein!
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Marmelada »

Vongole hat geschrieben:(30 Oct 2021, 16:53)

Und weiter geht's mit der Aushöhlung der Menschenrechte:

Und da soll die EU zuschauen? Nein!
Vor allem verstehe ich immer weniger, woraus sich eigentlich die Feindschaft gegen Russland speist. So ein "Stop LGBT"-Gesetzentwurf ist doch astreine Putin-Politik.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Marmelada hat geschrieben:(30 Oct 2021, 16:45)

Natürlich geht das die EU etwas an, denn es widerspricht fundamental den Mitgliedskritierien, denen Polen beim Beitritt zugestimmt hat und die EU ist immer noch kein Sozialamt für aufstrebende Autokratien.
Das ist eine politisch wenig bedeutsame Formel, der die andere Formel entgegensetzt wird - das EuGH-Urteil sei rechtswidrig und daher nicht wirksam.
Der Vertrag von 2003 kann nicht durch Selbstermächtigung und ohne Legitimation erweitert werden.

Jede Ausdrucksformel ist für sich genommen hübsch, wenn man so will, aber so lange man keine Kanonenboote einsetzen will, ist nicht alles machbar.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Vongole hat geschrieben:(30 Oct 2021, 16:53)

Und weiter geht's mit der Aushöhlung der Menschenrechte:

Und da soll die EU zuschauen? Nein!
Was sollte die EU denn machen, um eine Parlamentsdebatte zu verhindern - neue Bußgelder fantasievoll begründen, die von eigenen Mitteln abzuziehen wären oder etwas robusteres?
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Troh.Klaus »

Marmelada hat geschrieben:(30 Oct 2021, 16:45)
Natürlich geht das die EU etwas an, denn es widerspricht fundamental den Mitgliedskritierien, denen Polen beim Beitritt zugestimmt hat und die EU ist immer noch kein Sozialamt für aufstrebende Autokratien.
Für DLB ist nur wichtig, dass Polen in Opposition zu NS2 steht. Wäre der "Operetten-Diktator" Lukaschenko aus welchen Gründen auch immer ebenfalls dagegen, wäre er ein guter Mann. Demokratie und Rechtstaatlichkeit sind für DLB nur Schmuck am Nachthemd. Kann man machen, wenn's grad mal passt. Muss aber nicht.
Seriös geht anders.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Troh.Klaus hat geschrieben:(30 Oct 2021, 17:37)

Für DLB ist nur wichtig, dass Polen in Opposition zu NS2 steht. Wäre der "Operetten-Diktator" Lukaschenko aus welchen Gründen auch immer ebenfalls dagegen, wäre er ein guter Mann. Demokratie und Rechtstaatlichkeit sind für DLB nur Schmuck am Nachthemd. Kann man machen, wenn's grad mal passt. Muss aber nicht.
Da muss DLB ein wenig insistieren...
Zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gehört unabdingbar die Anerkennung freier und fairer Wahlen, denn besonders in diesen drückt sich Legitimation aus.
Auch dann, wenn uns eine Partei in einem Mehrparteien-System nicht gefallen mag.

Dass die EU gegen Nordstream 2 machtlos ist, ist ein anderes Thema.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Wähler »

Dieser feine juristische Konflikt wird sich wohl noch länger hinziehen:
Badische Zeitung 25. Juni 2021 Verfassungsrichter kritisiert das Vorgehen des EuGH bei der Justizkontrolle in Polen
https://www.genios.de/document?id=BADZ_ ... t&offset=0
"Doch 2018 hatte sich der EuGH - in einem Urteil zur Situation in Portugal - doch eine Kontroll-Kompetenz für die Rechtsstaatlichkeit in den EU-Staaten verschafft. Er stützte sich dabei auf Artikel 2 des EU-Vertrags, in dem die Rechtsstaatlichkeit als gemeinsamer Wert der EU erwähnt ist. "Aus einer vagen Formulierung hat der EuGH einen präzisen Maßstab zur Rechtsstaatskontrolle entwickelt", monierte Voßkuhle...
Um Konflikte zwischen dem EuGH und nationalen Verfassungsgerichten einzuhegen, schlug Voßkuhle einen Kompetenzgerichtshof vor. Dieser könne zu einem Drittel mit EuGH-Richtern und zu zwei Dritteln mit nationalen Verfassungsrichtern besetzt sein"
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Troh.Klaus »

DarkLightbringer hat geschrieben:(30 Oct 2021, 18:27)
Zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gehört unabdingbar die Anerkennung freier und fairer Wahlen, denn besonders in diesen drückt sich Legitimation aus.
Auch dann, wenn uns eine Partei in einem Mehrparteien-System nicht gefallen mag.
Faire und freie Wahlen sind eine conditio sine qua non für Demokratie und Rechtstaatlichkeit. Ja. Aber damit ist es nicht getan.
Seriös geht anders.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Kohlhaas »

DarkLightbringer hat geschrieben:(30 Oct 2021, 18:27)

Da muss DLB ein wenig insistieren...
Zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gehört unabdingbar die Anerkennung freier und fairer Wahlen, denn besonders in diesen drückt sich Legitimation aus.
Auch dann, wenn uns eine Partei in einem Mehrparteien-System nicht gefallen mag.
Zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gehört zu allererst mal, dass Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gewahrt werden und dass man sie nicht unter Berufung auf freie und faire Wahlen abschaffen kann. Es geht überhaupt nicht um Sympathien für eine bestimmte Partei.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Wähler hat geschrieben:(30 Oct 2021, 18:30)

Dieser feine juristische Konflikt wird sich wohl noch länger hinziehen:
Badische Zeitung 25. Juni 2021 Verfassungsrichter kritisiert das Vorgehen des EuGH bei der Justizkontrolle in Polen
https://www.genios.de/document?id=BADZ_ ... t&offset=0
"Doch 2018 hatte sich der EuGH - in einem Urteil zur Situation in Portugal - doch eine Kontroll-Kompetenz für die Rechtsstaatlichkeit in den EU-Staaten verschafft. Er stützte sich dabei auf Artikel 2 des EU-Vertrags, in dem die Rechtsstaatlichkeit als gemeinsamer Wert der EU erwähnt ist. "Aus einer vagen Formulierung hat der EuGH einen präzisen Maßstab zur Rechtsstaatskontrolle entwickelt", monierte Voßkuhle...
Um Konflikte zwischen dem EuGH und nationalen Verfassungsgerichten einzuhegen, schlug Voßkuhle einen Kompetenzgerichtshof vor. Dieser könne zu einem Drittel mit EuGH-Richtern und zu zwei Dritteln mit nationalen Verfassungsrichtern besetzt sein"
Eben, alles nicht so einfach. Aber das wollen die Hardliner so nicht hören.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Troh.Klaus hat geschrieben:(30 Oct 2021, 18:35)

Faire und freie Wahlen sind eine conditio sine qua non für Demokratie und Rechtstaatlichkeit. Ja. Aber damit ist es nicht getan.
Richtig, aber man kann diesen wichtigen Punkt nicht einfach weglassen, um strittige Feinheiten galanter aussehen zu lassen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Kohlhaas hat geschrieben:(30 Oct 2021, 18:36)

Zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gehört zu allererst mal, dass Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gewahrt werden und dass man sie nicht unter Berufung auf freie und faire Wahlen abschaffen kann.
Weder in Polen noch in Deutschland werden Richter direkt vom Volk gewählt, die Parlamente aber schon.
Deswegen ist das in Verbindung mit allgemeinen Menschenrechten das Wichtigste und hierin entscheidet sich ganz wesentlich, ob alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht oder nicht.
Es geht überhaupt nicht um Sympathien für eine bestimmte Partei.
Wer von Parteien spricht, wird Parteien meinen. So wäre jedenfalls meine Interpretation.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Kohlhaas »

DarkLightbringer hat geschrieben:(30 Oct 2021, 19:53)

Weder in Polen noch in Deutschland werden Richter direkt vom Volk gewählt, die Parlamente aber schon.
Deswegen ist das in Verbindung mit allgemeinen Menschenrechten das Wichtigste und hierin entscheidet sich ganz wesentlich, ob alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht oder nicht.
In Polen ist irgendwann die Entscheidung getroffen worden, sich zu den geltenden Bedingungnen der EU anzuschließen. Das war zweifellos eine demokratische Entscheidung. Auch wenn sie vielleicht nicht in direkter Demokratie gefällt worden ist. Du zündest eine Nebelkerze, wenn Du jetzt auf die Formel "direkt vom Volk gewählt" abstellen willst. Bundeskanzler und Regierungsmitglieder werden in Deutschland auch nicht direkt vom Volk gewählt. Trotzdem erfolgt das nach demokratischen Prinzipien.
Wer von Parteien spricht, wird Parteien meinen. So wäre jedenfalls meine Interpretation.
Die EU-Kommission hält nicht deshalb Geld zurück, weil sie etwas gegen die PiS hat. Sie tut es, weil in Polen Rechtsstaatsprinzipien missachtet werden. Mit Parteien hat das also nichts zu tun. Bestenfalls insoweit, als die PiS derzeit für sich das Recht in Anspruch nimmt, Rechtsstaatsprinzipien missachten zu dürfen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

Kohlhaas hat geschrieben:(30 Oct 2021, 20:04)

In Polen ist irgendwann die Entscheidung getroffen worden, sich zu den geltenden Bedingungnen der EU anzuschließen. Das war zweifellos eine demokratische Entscheidung. Auch wenn sie vielleicht nicht in direkter Demokratie gefällt worden ist. Du zündest eine Nebelkerze, wenn Du jetzt auf die Formel "direkt vom Volk gewählt" abstellen willst. Bundeskanzler und Regierungsmitglieder werden in Deutschland auch nicht direkt vom Volk gewählt. Trotzdem erfolgt das nach demokratischen Prinzipien.
2003 war aber auch schon Artikel 5 im Vertrag enthalten, den ja alle unterschrieben haben.
Eine spätere Neuinterpretation nach Gutdünken war nie vorgesehen.
Die EU-Kommission hält nicht deshalb Geld zurück, weil sie etwas gegen die PiS hat. Sie tut es, weil in Polen Rechtsstaatsprinzipien missachtet werden. Mit Parteien hat das also nichts zu tun. Bestenfalls insoweit, als die PiS derzeit für sich das Recht in Anspruch nimmt, Rechtsstaatsprinzipien missachten zu dürfen.
Die polnische Regierung hat umgekehrt auch nichts gegen die CDU-Mitgliedschaft der Kommissionspräsidentin.
Sie hält die Schikanen gegen Polen jedoch für ungesetzlich.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

DarkLightbringer hat geschrieben:(30 Oct 2021, 20:34)
(...)
Die polnische Regierung ... hält die Schikanen gegen Polen jedoch für ungesetzlich.
Nun muß sie damit nur noch vom EuGH Recht bekommen. Den erkennt sie ja an, wenn sie ihn schon anruft. Und so lange gibt' kein Geld.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

H2O hat geschrieben:(30 Oct 2021, 21:11)

Nun muß sie damit nur noch vom EuGH Recht bekommen. Den erkennt sie ja an, wenn sie ihn schon anruft. Und so lange gibt' kein Geld.
Es heißt, die Kommission will einen Teil des zustehenden Geldes anbieten, wenn die Regierung wenigstens die Disziplinarkammer auflöst.

https://www.zeit.de/politik/ausland/202 ... ettansicht

Theoretisch könnte man ins Geschäft kommen.
Es gibt aber auf beiden Seiten nicht nur Krämerseelen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Atue001 »

Es wird unterm Strich nach einem Kompromiss gesucht werden, der beiden Seiten die Gesichtswahrung irgendwie zulässt.
Die PiS hat ja schon zugestanden, dass sie die Zusammensetzung der Disziplinarkammern auch anders regeln könnte....bleibt nur abzuwarten, wie lange es dauert, bis sie ihren Juniorpartner überzeugt.....

Nur wenige in der EU haben ein Interesse an einem ausufernden Konflikt zwischen Polen und dem Rest der EU.
Es spricht auch nichts dagegen, dass in Polen gilt, dass Polnisches Recht EU-Recht bricht - solange es halt nicht zu einem Konflikt kommt. Das gilt im Übrigen nicht nur für Polen, sondern auch beispielsweise für Deutschland.

Die PiS wollte und will Einfluss auf die Justiz bekommen -da wurden ihr die Grenzen aufgezeigt. Die PiS kann sich aber auch damit anfreunden, dass sie einfach nur an der Regierung bleibt.....die letzte Justizreform braucht es dafür gar nicht.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

Nein, EU-Recht muß immer über nationalem Recht stehen. Ansonsten sind weitere Kabbeleien schon vorgezeichnet. Ich denke ganz einfach an solche Dinge wie Freizügigkeit, mein Recht auf Eigentum in Polen und grenzüberschreitende Geschäfte und Unternehmungen, Arbeitsrecht...

Anfreunden kann ich mich mit dem Verbot für Werbung für gleichgeschlechtliche Ehen; wenn diese Lebensentwürfe stillschweigend geduldet werden, sie rechtlich Bestand haben, dann halte ich Demonstrationen nach dem Muster einer Love-Parade für entbehrlich. Nicht genehmigungsfähig in Polen. Damit könnte ich leben. Oder mit einem strengen Werbeverbot für Abtreibungen in Polen, wenn Schwangerschaftsabbrüche auf Wunsch der Schwangeren grundsätzlich möglich sind... und sie von medizinisch ausgewiesenen Fachkräften nach psychologischer Beratung der Schwangeren durchgeführt werden. Einfach kurz mal eben Abtreibung... das macht auch mir zu schaffen.

Ich meine, daß solche Dinge eher verhandlungsfähig sind, schon weil sie auch in anderen EU-Ländern umstritten sind. Kann aber auch sein, daß ich als alter Mensch diese Dinge mit den Augen eines alten Menschen sehe, und die jungen Leute mich dafür verprügeln würden... ;)
odiug

Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von odiug »

H2O hat geschrieben:(31 Oct 2021, 06:40)

Nein, EU-Recht muß immer über nationalem Recht stehen. Ansonsten sind weitere Kabbeleien schon vorgezeichnet. Ich denke ganz einfach an solche Dinge wie Freizügigkeit, mein Recht auf Eigentum in Polen und grenzüberschreitende Geschäfte und Unternehmungen, Arbeitsrecht...

Anfreunden kann ich mich mit dem Verbot für Werbung für gleichgeschlechtliche Ehen; wenn diese Lebensentwürfe stillschweigend geduldet werden, sie rechtlich Bestand haben, dann halte ich Demonstrationen nach dem Muster einer Love-Parade für entbehrlich. Nicht genehmigungsfähig in Polen. Damit könnte ich leben. Oder mit einem strengen Werbeverbot für Abtreibungen in Polen, wenn Schwangerschaftsabbrüche auf Wunsch der Schwangeren grundsätzlich möglich sind... und sie von medizinisch ausgewiesenen Fachkräften nach psychologischer Beratung der Schwangeren durchgeführt werden. Einfach kurz mal eben Abtreibung... das macht auch mir zu schaffen.

Ich meine, daß solche Dinge eher verhandlungsfähig sind, schon weil sie auch in anderen EU-Ländern umstritten sind. Kann aber auch sein, daß ich als alter Mensch diese Dinge mit den Augen eines alten Menschen sehe, und die jungen Leute mich dafür verprügeln würden... ;)
Das Recht auf Information ist nicht zu verwechseln mit "Werbung" im Fall der Schwangerschaftsabbrüche.
Weil darum geht es doch.
Keiner "wirbt" für Abtreibungen.
Wenn eine Frau sich für eine Abtreibung entscheidet, dann tut sie das aus einer Notlage heraus und nicht, weil das so ein Jux ist und gerade Hip unter Youngsters.
Abtreibungen sind keine Modeartikel.

Zu deinen andren Punkten: du willst halt nicht von homosexuellen Lebensstil in deinem Privatleben belästigt werden.
Arroganz des weißen alten Manns ... gut, kann man so halten, ist aber deine Privatsache.
In anderen Worten: dann schau halt weg ... schalt die Gloze aus, wenn über den Christopher Street Day berichtet wird, lies den Artikel über die Love Parade eben nicht, geh nicht in die einschlägigen Lokale .... steht dir frei.
Aber du kannst diesen Menschen nicht verbieten, ihre Lebenseinstellung öffentlich zum Ausdruck zu bringen.
Dieses Recht steht dir eben nicht zu.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

odiug hat geschrieben:(31 Oct 2021, 07:46)
(...)
Aber du kannst diesen Menschen nicht verbieten, ihre Lebenseinstellung öffentlich zum Ausdruck zu bringen.
Dieses Recht steht dir eben nicht zu.
Tja, so gesehen lebe ich gern in Polen! :D
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von odiug »

H2O hat geschrieben:(31 Oct 2021, 07:52)

Tja, so gesehen lebe ich gern in Polen! :D
Das glaube ich dir gerne ... man merkt es auch, dass du auf dem Land in Polen lebst :p
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Misterfritz »

H2O hat geschrieben:(31 Oct 2021, 07:52)

Tja, so gesehen lebe ich gern in Polen! :D
Dir wird aber in Deiner pommerschen Pampa kaum etwas von solchen Aktivitäten zu Augen kommen - genauso wenig wie in Deutschland in abgelegenen Gegenden wie Rhoen, Hunsrück oder Bayerischer Wald.
Das Salz in der Suppe des Lebens ist nicht Selbstdisziplin, sondern kontrollierte Unvernunft ;)
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

odiug hat geschrieben:(31 Oct 2021, 08:06)

Das glaube ich dir gerne ... man merkt es auch, dass du auf dem Land in Polen lebst :p
In der pommerschen Pampa gibt es anscheinend keine Denkverbote. ;)
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

Misterfritz hat geschrieben:(31 Oct 2021, 08:07)

Dir wird aber in Deiner pommerschen Pampa kaum etwas von solchen Aktivitäten zu Augen kommen - genauso wenig wie in Deutschland in abgelegenen Gegenden wie Rhoen, Hunsrück oder Bayerischer Wald.
Sind die Menschen dort auch liebenswürdig? Na ja, nochmal umziehen ist nicht! Nur wenn's hier politisch weh tut.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

odiug hat geschrieben:(31 Oct 2021, 08:06)

Das glaube ich dir gerne ... man merkt es auch, dass du auf dem Land in Polen lebst :p
Kann ich nur gut finden; "körperliche Arbeit an frischer Luft hat noch nie jemandem geschadet..." so meine längst verstorbene Nachbarin aus ihrem Leben als Mitglied im BDM.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DevilsNeverCry »

DarkLightbringer hat geschrieben:(26 Oct 2021, 08:48)

Das mag sein, es stört hier auch niemanden, wenn der Richterwahlausschuss mit Politikern besetzt ist oder wenn ein Richter CDU- oder SPD-nah ist, Parlamentsmehrheiten sich doch irgendwie abbilden oder wenn ein Verfassungsrichter mit dem Regierungschef zu Abend isst.

Ein mittleres Skandälchen ergab sich jedoch, als ausgerechnet eine Extremistin mit Zweidrittelmehrheit in Mecklenburg-Vorpommern als Verfassungshüterin durchgewunken wurde.

https://www.welt.de/debatte/kommentare/ ... terin.html

Das mit der Disziplinarkammer ist, glaube ich, überdacht worden oder wird überdacht.

Die Justizreform ist in Polen über Jahrzehnte debattiert worden. Man wollte Korruption verhindern und auch die Lustration umsetzen, also Richter absetzen, die noch vom Ancient Regime eingesetzt worden waren.
Durch den Einfluß des Parlamentes hat nun aber die Majorität großen Einfluß, was für die PO ein Nachteil ist. Darüber wird fraglos gestritten.

Nun, die Güte der Gewaltenteilung der EU-Institutionen ist gleichfalls umstritten, von verschiedenen Seiten. Dann müsste man also sagen, die Kommission kann gerne außerhalb der Mitgliedsstaaten weiter machen.
Richtig. Weil hier keine Institutionen geschaffen werden die unliebsame Richter aus dem Weg räumen.
Und wieder richtig, diese Richter können noch so CDU-nahe, SPD-nahe oder Grüne-nahe sein, in Deutschland ist eine Dominanz einer Partei des Bundesverfassungsgerichts ausgeschlossen. In Polen ist das theoretisch gesehen möglich.

Das die PIS solche Institutionen überhaupt erschaffen konnte die unliebsame Richter los werden soll, zeigt das Polen eine defekte Demokratie ist. Eine Mehrheit sollte keiner politischen Elite das Recht geben die Judikative zu usurpieren.
In Deutschland ist das wie gesagt nicht möglich. Nur die Hälfte der Richter werden von einem Richterwahlausschuss gewählt (der vom Bundestag zusammen gesetzt wird) oder vom Bundesrat. Das wurde nicht mal von heute auf morgen von einer Partei wie der PIS entschieden. Das kam von den Urvätern unserer Verfassung um so etwas wie 33-45 zu verhindern. Und wie unsere Geschichte zeigt, es klappt. So etwas kann man von PIS-Polen nicht behaupten.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DevilsNeverCry »

Marmelada hat geschrieben:(30 Oct 2021, 16:57)

Vor allem verstehe ich immer weniger, woraus sich eigentlich die Feindschaft gegen Russland speist. So ein "Stop LGBT"-Gesetzentwurf ist doch astreine Putin-Politik.
Kulturell sind sich diese 2 Staaten näher als man denkt.

- beide slawisch
- beide gehören demselben Sprachraum an. Das ist wie mit Deutschland und England zu vergleichen
- beide in ihrer Mehrheit konservativ was Homosexualität oder Feminismus angeht (zumindest vom westeuropäischen Standpunkt aus)
- beide gehen mit harter Hand gegen illegale Einwanderer aus muslimischen Ländern vor. Polen ist hier sogar noch härter, da es sich generell gg muslimische Einwanderer sträubt

Diese Diskrepanz hat überwiegend imperiale Gründe. In Russland möchten die Eliten mindestens die Ukraine und Belarus dem russischen Mutterland anschließen. Ein paar PIS Polen und vor allem die rechts von der PIS würden wohl gerne die Grenze Richtung Osten verschieben. Mindestens auf pre -1939 Zustand. Dann gehören Galizien, Wolhynien, Iwano-Frankiwsk, Brest und Hrodna Großpolen wieder an.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

DevilsNeverCry hat geschrieben:(31 Oct 2021, 10:35)

Richtig. Weil hier keine Institutionen geschaffen werden die unliebsame Richter aus dem Weg räumen.
Und wieder richtig, diese Richter können noch so CDU-nahe, SPD-nahe oder Grüne-nahe sein, in Deutschland ist eine Dominanz einer Partei des Bundesverfassungsgerichts ausgeschlossen. In Polen ist das theoretisch gesehen möglich.

Das die PIS solche Institutionen überhaupt erschaffen konnte die unliebsame Richter los werden soll, zeigt das Polen eine defekte Demokratie ist. Eine Mehrheit sollte keiner politischen Elite das Recht geben die Judikative zu usurpieren.
In Deutschland ist das wie gesagt nicht möglich. Nur die Hälfte der Richter werden von einem Richterwahlausschuss gewählt (der vom Bundestag zusammen gesetzt wird) oder vom Bundesrat. Das wurde nicht mal von heute auf morgen von einer Partei wie der PIS entschieden. Das kam von den Urvätern unserer Verfassung um so etwas wie 33-45 zu verhindern. Und wie unsere Geschichte zeigt, es klappt. So etwas kann man von PIS-Polen nicht behaupten.
In beiden Systemen spielt Parteipolitik und Parlamentseinfluß sehr wohl eine Rolle. Und die Sitzverteilung in den Parlamenten bzw. der Regierungsauftrag hängt natürlich vom Wähler ab. Wenn sich drei verschiedene Parteien zusammentun müssen, ist das naheliegenderweise anders als wenn das nicht der Fall ist.
In einem haben die Verteidiger der polnischen Justizreform Recht: In Deutschland hat Parteipolitik einen großen Einfluss auf die Besetzung höchstrichterlicher Positionen, und Politiker spielen bei der Wahl der Richter zum Bundesverfassungsgericht sogar eine größere Rolle, als dies gegenwärtig in Polen der Fall ist, denn Bundestag und Bundesrat wählen die Richter, die dann die Regierung und die Parlamentsmehrheit kontrollieren. Wahr ist zudem auch, dass viele höchstrichterliche Posten unter Beteiligung der Justizminister besetzt werden.
https://www.bpb.de/internationales/euro ... tigen-kann

Unabhängig davon stehen die Forderungen des EuGH juristisch auf wackligen Füßen.
Aber man hat faktisch die Macht, so wie die polnische Regierung in Polen faktisch die Macht hat.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Kohlhaas »

Atue001 hat geschrieben:(30 Oct 2021, 23:21)

Es wird unterm Strich nach einem Kompromiss gesucht werden, der beiden Seiten die Gesichtswahrung irgendwie zulässt.
Die PiS hat ja schon zugestanden, dass sie die Zusammensetzung der Disziplinarkammern auch anders regeln könnte....bleibt nur abzuwarten, wie lange es dauert, bis sie ihren Juniorpartner überzeugt.....

Nur wenige in der EU haben ein Interesse an einem ausufernden Konflikt zwischen Polen und dem Rest der EU.
Es spricht auch nichts dagegen, dass in Polen gilt, dass Polnisches Recht EU-Recht bricht - solange es halt nicht zu einem Konflikt kommt. Das gilt im Übrigen nicht nur für Polen, sondern auch beispielsweise für Deutschland.

Die PiS wollte und will Einfluss auf die Justiz bekommen -da wurden ihr die Grenzen aufgezeigt. Die PiS kann sich aber auch damit anfreunden, dass sie einfach nur an der Regierung bleibt.....die letzte Justizreform braucht es dafür gar nicht.
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass in diesem Streit noch ein Kompromiss möglich ist. Das ist inzwischen zu grundsätzlich geworden und betrifft jetzt vor allem den Anspruch der PiS, dass polnisches Recht Vorrang vor EU-Recht haben solle. Das wird die EU unter keinen Umständen akzeptieren, denn das würde letztlich den Bestand der EU infrage stellen. Solange es um Einzelfragen ging, waren Kompromisse noch möglich. Selbst über die Disziplnarkammer hätte man noch reden können. Jetzt geht das nicht mehr.

Zudem steht die Auseinandersetzung auch noch vor dem Hintergrund, dass nicht nur Polen sondern auch andere Visegrád-Staaten EU-Recht infrage stellen. Ausgangspunkt war Ungarn. Ein Kompromiss mit Polen wäre jetzt das Signal an Orban, dass er gewonnen hat und ungehindert weiter machen darf. Das geht gar nicht. In Polen sind EU-Gelder ja bislang noch ziemlich anständig verwaltet und eingesetzt worden. In Ungarn dagegen schaufelt Orban sich und seinen Günstlingen hemmungslos die Taschen voll, weil er den Rechtsstaat erfolgreich ausgehöhlt hat.

Nein, da ist jetzt kein Spielraum mehr für Kompromisse. Entweder Polen hält sich an die EU-Verträge oder Polen soll die EU verlassen.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DevilsNeverCry »

DarkLightbringer hat geschrieben:(31 Oct 2021, 11:57)

In beiden Systemen spielt Parteipolitik und Parlamentseinfluß sehr wohl eine Rolle. Und die Sitzverteilung in den Parlamenten bzw. der Regierungsauftrag hängt natürlich vom Wähler ab. Wenn sich drei verschiedene Parteien zusammentun müssen, ist das naheliegenderweise anders als wenn das nicht der Fall ist.

https://www.bpb.de/internationales/euro ... tigen-kann

Unabhängig davon stehen die Forderungen des EuGH juristisch auf wackligen Füßen.
Aber man hat faktisch die Macht, so wie die polnische Regierung in Polen faktisch die Macht hat.
Richtig, dadurch das 3 Parteien - die völlig unterschiedliche politische Ansichten vertreten - erstmal auf einen Nenner kommen müssen, ist eine Usurpation der Judikative vorgebeugt.
Polen hat diesen Luxus nicht, da es keine 2 Parlamentskammern hat die zu je 50% die Richter bestimmen. Man installiert sich einfach eine Institution die unliebsame Richter abschafft.

Das ist zwar nicht Putin-Russland. Man ist aber auf gutem Weg da hin.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

DevilsNeverCry hat geschrieben:(31 Oct 2021, 14:06)

Richtig, dadurch das 3 Parteien - die völlig unterschiedliche politische Ansichten vertreten - erstmal auf einen Nenner kommen müssen, ist eine Usurpation der Judikative vorgebeugt.
Polen hat diesen Luxus nicht, da es keine 2 Parlamentskammern hat die zu je 50% die Richter bestimmen. Man installiert sich einfach eine Institution die unliebsame Richter abschafft.

Das ist zwar nicht Putin-Russland. Man ist aber auf gutem Weg da hin.
Es ist kein föderales System, von daher wäre eher ein Vergleich mit USA oder Frankreich angemessener als ein diffuser Vergleich völlig unterschiedlicher Systeme.

Auch der Vergleich mit Russland dürfte eher fragwürdig sein, ähnlich, wenn man die EU mit Russland vergleichen würde.

Dahingegen ist es aber relativ präzise, wenn Kritiker anführen, die betreffende Entscheidung einer EU-Institution befinde sich in einem wackligen Bereich.
Das sagt andererseits nicht aus, dass das föderale Rechtssystem Deutschlands irgendwie schlecht wäre, es sagt einfach gar nichts darüber aus.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von Atue001 »

Kohlhaas hat geschrieben:(31 Oct 2021, 12:16)

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass in diesem Streit noch ein Kompromiss möglich ist. Das ist inzwischen zu grundsätzlich geworden und betrifft jetzt vor allem den Anspruch der PiS, dass polnisches Recht Vorrang vor EU-Recht haben solle. Das wird die EU unter keinen Umständen akzeptieren, denn das würde letztlich den Bestand der EU infrage stellen.
Diesen prinzipiellen Konflikt haben aber nicht nur die Polen, sondern beispielsweise auch Deutschland.

Dieser Konflikt ist allerdings durchaus lösbar, solange man nationales Recht beständig so anpasst, dass es gerade nicht mit EU-Recht im Konflikt steht - und umgekehrt, indem man EU-Recht so weiterentwickelt, dass es kein grundsätzliches Problem mit den nationalen Verfassungen der Mitgliedsländer gibt.

Die EU hat keine eigene Verfassung - und schon gar kein Vertragswerk, welches gleich einer Verfassung durch die Mitgliedsländer so akzeptiert ist. Insofern sind die nationalen Grundgesetze und Verfassungen erst mal da, und auch für nationale Gerichte so lange bindend, bis für die relevanten Rechtsteile, die die EU betreffen,die nationalen Verfassungen so erweitert werden, dass in diesen Punkten das EU-Recht Vorrang hat.

Bei dieser rechtlichen Bewertung muss man sich auch klar machen, dass es ja auch durchaus mal sein könnte, dass in der EU Dinge vereinbart werden, die nicht mehr mit den Grundrechten des GG vereinbar sind. Würde man beispielsweise die Finanzierungsfragen von Medien auf der Ebene der EU klären, könnte es sehr schnell zu einem Konflikt mit dem GG kommen - und ob dann eine Mehrheit sich finden würde, um das deutsche GG anzupassen, ist mehr als fraglich. Je umfassender das EU-Recht - sowohl das Explizite als auch das Implizite (also das, das durch die Weiterentwicklung des Rechts durch Entscheidungen des EuGH zustande kommt) - sich entwickelt, desto wahrscheinlicher ist es, dass es zu Konflikten in Details mit nationalen Verfassungen kommen kann - auch deshalb, weil nationale Verfassungen immer wieder auch Teile beinhalten, die man besser nicht in den Verfassungsrang heben sollte.

Umgekehrt gilt auch: Die EU ist von Beginn an eine Meisterleistung des politischen Kompromisses. Das ist weder selbstverständlich noch auch für alle Zukunft garantiert. Aber man kann schon eine gewisse Idee haben, dass nicht gleich jede Krise die EU grundsätzlich in Frage stellen wird - es wird immer wieder kreative Leistungen geben, die neue Kompromisse ermöglichen. Die EU ist für alle Mitgliedsstaaten weitaus bedeutender, als man gemeinhin meint. Gerade auch nach dem Brexit haben doch wohl die meisten EU-Staaten erhebliche Bedenken gegen eine Auflösung der EU - solange keine attraktive Alternative vor der Tür steht. Und die ist derzeit nicht erkennbar.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

Mein Verständnis der zusammenwachsenden europäischen Gemeinschaft war schon so, daß die Mitgliedsstaaten das EU-Recht auf allen Ebenen in ihren "nationalen Rechtskörper" (der Begriff stammt bestimmt nicht aus meinem ursprünglichen Wortschatz) übernehmen. Es ist ja nun nicht so, daß die EU die eine Seite darstellt und die Mitglieder die andere. In den Institutionen der EU sind Politiker und Beamte der Mitgliedsstaaten vertreten, Abstimmungen sind im EU Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit so geschützt, daß weder die volkreichen großen Mitgliedsstaaten noch die Vielzahl der kleinen Mitgliedsstaaten leichtes Spiel mit einer Mehrheit haben. Im EU-Parlament sind die Zahlen je Mitgliedsland von vornherein so gestaltet, daß ein...Verzeihung!... Zwergstaat mit 500.000 Einwohnern 6 Parlamentarier stellt, Deutschland (83 mio) oder Frankreich (68 Mio) oder Italien (60 Mio) jeweils 96 Parlamentarier. Und in der EU-Kommission stellt jedes Mitgliedsland einen Kommissar. Man kann also sagen, daß den kleinen Staaten bewußt je Einwohner mehr Einfluß auf den Gang der Dinge zugestanden wurde als den Einwohnern der großen.

Den Auftritt Polens sehe ich aus dem Blickwinkel als geradezu maßlos an. Er beschädigt ... womöglich vorsätzlich... die EU an geschlossenen Verträgen vorbei, um eine andere EU zu bekommen als die, die zum Zeitpunkt der Ratifizierung des Mitgliedsvertrags gemeinsam angesteuert werden sollte. Da gibt es also gar nicht viel zu reden!

Und noch ein Auszug aus Wikipedia sollte hier nicht vergessen werden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Malta
  • Mit dem Vertrag von Amsterdam, dem Vorantreiben der Währungsunion und weiteren Meilensteinen war die EU eine andere Institution als 1990, als sich Malta erstmals bewarb. Auch die Standards, die für den Beitritt erfüllt sein mussten, hatten sich geändert. So mussten EU-Beitrittskandidaten vor ihrem Eintritt in die EU den Besitzstand der Gemeinschaft annehmen und die Kopenhagener Kriterien erfüllen. Hierbei wurde überprüft und evaluiert, wie kompetent sie dabei waren, das EU-Recht in ihr eigenes zu implementieren.
Wenn also mit Polen Kompromisse geschlossen werden sollen, dann müssen die auf gesellschaftspolitischer Ebene gesucht werden, aber auf keinen Fall dort, wo Unionsbürger sich plötzlich vor Gericht sehen, weil ihre "Verfehlung" in ihrem Herkunftsland womöglich Teil des Allgemeinverständnisses sind. Es darf in dem einen Mitgliedsland der EU nicht strafbar sein, was im anderen Mitgliedsland allgemein üblich ist. In diesem Fall wäre die EU der offenen Grenzen und der Freizügigkeit gescheitert!
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(01 Nov 2021, 06:39)
Den Auftritt Polens sehe ich aus dem Blickwinkel als geradezu maßlos an. Er beschädigt ... womöglich vorsätzlich... die EU an geschlossenen Verträgen vorbei, um eine andere EU zu bekommen als die, die zum Zeitpunkt der Ratifizierung des Mitgliedsvertrags gemeinsam angesteuert werden sollte. Da gibt es also gar nicht viel zu reden!
Natürlich ist er maßlos!

Ich habe in den letzten 5 bis 10 Tagen endlos irgendwelche Analysen, Reportagen und Kommentare zu den Problemen Polen-EU, Rechtsstaatlichkeit, Eu-Gelder gehört und gelesen.

Ein Problem scheint mir die weitgehende Trennung von klassischem politischem Journalismus und Wirtschaftsjournalismus zu sein. Die klassischen politischen Korrespondenten sind bei den Treffen dabei, interviewen alle möglichen bedeutsamen Leute und diskutieren in politischen Runden im TV.

Ein Blick wenigstens mal auf eine (von etlichen) wirtschaftsstatistischen Prognosen über die BIP-Entwicklung in Polen bis 2026 (nur). Bis 2030 vermutlich eine Verdopplung (!). (https://de.statista.com/statistik/daten ... -in-polen/) Kann sich jemand vorstellen, was eine Verdopplung des BIP innerhalb von 10 Jahren eigentlich bedeutet? Das soll keine Beschönigung der polnischen Politik sein. Im Gegenteil! Das soll nur eine Erklärung dafür sein, warum diese ganzen klassischen politischen Journalisten das Selbstbewusstsein, ja die Arroganz der polnischen Regierung einfach nicht verstehen. Um es ganz klar zu sagen: Wirtschaftlich jedenfalls kann Polen auch ganz ohne die EU.

Es kann nur nicht ohne Anschluss an den Binnenmarkt. Nur: Niemals wird die EU einen Ausschluss Polens aus dem Binnenmarkt befürworten. Polen ist ein Lieferland. Gerade für Deutschland. 2020 nach USA, China und Niederlande das 4. wichtigste Importland. Noch vor Frankreich.
Die polnische Regierung hat keine (wirklich gravierenden) wirtschaftlichen oder finanziellen Probleme. Sondern einmal ein innenpolitisches: Die EU-Begeisterung einer großen Mehrheit. Und einmal ein außenpolitisches: Das Verhältnis zu Russland. Ohne EU-Anschluss liegen sie isoliert neben Russland. Dass das traditionelle militärische Bündnis zu den USA auch mal brüchig werden kann, haben sie in der Trump-Ära gesehen. Die Corona-Krise hat diese Abhängigkeit noch beschleunigt. Man muss sich dazu mal mit jemanden in einem großen Logistikzentrum irgendwo um Berlin herum unterhalten. Wohin diese endlose LKW-Kolonne aus Richtung Polen eigentlich geht. Zwei Tage Grenzsperre dort und es herrscht Katastrophenalarm in Deutschland. Es betrifft gar nicht so sehr Endkundenprodukte. Sondern vor allem Industrieuzulieferzeug. Die klassischen politischen Journalisten haben kaum eine Ahnung, wie herum die Abhängigkeiten eigentlich sind. Und dann hat sich mit dem Brexit und dem steigenden Wohlstand ein gravierendes Problem Polens auch noch zumindest vermindert: Dasss der Fachkräfteabwanderung.

Also: Wenn man die Verhältnisse in und das Verhältnis zu Polen verbessern möchte ... Auf die Karte "EU-Gelder-Entzug" setzen ist oder wäre weitestgehend wirkungslos.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von DarkLightbringer »

schokoschendrezki hat geschrieben:(03 Nov 2021, 20:58)

(...)

Also: Wenn man die Verhältnisse in und das Verhältnis zu Polen verbessern möchte ... Auf die Karte "EU-Gelder-Entzug" setzen ist oder wäre weitestgehend wirkungslos.
Das mag sein.

Überdies wirft die Selbstdarstellung der EU-Institutionen als Krämer-Verein neue Fragen auf, die sonst kaum gestellt werden würden.
Wie in Hinterzimmern über die Milliarden aus Brüssel entschieden wird
https://www.welt.de/politik/deutschland ... fluss.html (Premium-Artikel)

Unterdessen geht die polnische Regierung in die Pose, die EU-Außengrenze zu verteidigen und dem Operetten-Diktator Lukaschenko die Stirn zu bieten.
Der jüngste Zwischenfall mit Uniformierten bot dazu einen weiteren Anlass.

Würde sagen, pr-technisch gibt die EU-Kommission kein gutes Bild ab.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

DarkLightbringer hat geschrieben:(04 Nov 2021, 02:23)

Das mag sein.

Überdies wirft die Selbstdarstellung der EU-Institutionen als Krämer-Verein neue Fragen auf, die sonst kaum gestellt werden würden.

https://www.welt.de/politik/deutschland ... fluss.html (Premium-Artikel)

Unterdessen geht die polnische Regierung in die Pose, die EU-Außengrenze zu verteidigen und dem Operetten-Diktator Lukaschenko die Stirn zu bieten.
Der jüngste Zwischenfall mit Uniformierten bot dazu einen weiteren Anlass.

Würde sagen, pr-technisch gibt die EU-Kommission kein gutes Bild ab.
NIcht nur die EU-Kommission, auch die deutsche Noch-Regierung. Noch-Innenminister Seehofer dankte der polnischen Regierung ausdrücklich für die Verteidigung der EU-Außengrenze. Ich habe manchmal den Eindruck, man läuft in den Entscheidungsgremien eher irgendwelchen populären Parolen nach. Man überlegt "wie das beim Bürger ankommt" :rolleyes: Man sollte als allererstes mal einen strategischen Blick auf die Gesamtlandkarten werfen. So schwierig die Zusammenarbeit mit der jetzigen polnischen Regierung auch sein mag. Erstens muss diese ja nicht auf ewig im Amt bleiben. Aber vor allem: Frankreich, Deutschland und Polen bilden geographisch zusammen den zentralen europäischen Raum. Und östlich davon befindet sich ein Riesenreich mit definitv imperialen Ambitionen und vor allem auch mit der militärischen Potenz, diese Ambitionen auch umsetzen zu können. Eindeutig und völlig zurecht kommen die meisten politischen Analysen zu den Streitigkeiten zwischen Brüssel und Warschau zu dem Schluss, dass es dabei zumindest einen Gewinner gibt, der sich momentan vergnügt die Hände reibt: Die russische Regierung.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von H2O »

Ich fasse vorstehende Beiträge zusammen: Polen braucht den Binnenmarkt, aber nicht die EU. Finde ich auch in Ordnung; ein Status Norwegen/Schweiz tut es dann auch. Und die EU kann Polen von der Liste der Geldempfänger streichen, das schafft Polen also ohne weiteres. Finde ich eine gute Lösung. Nun müssen nur noch die polnischen Mitbürger damit zufrieden sein.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von schokoschendrezki »

H2O hat geschrieben:(04 Nov 2021, 06:49)

Ich fasse vorstehende Beiträge zusammen: Polen braucht den Binnenmarkt, aber nicht die EU. Finde ich auch in Ordnung; ein Status Norwegen/Schweiz tut es dann auch. Und die EU kann Polen von der Liste der Geldempfänger streichen, das schafft Polen also ohne weiteres. Finde ich eine gute Lösung. Nun müssen nur noch die polnischen Mitbürger damit zufrieden sein.
Ja. Das werden sie nur nicht. Jedenfalls nicht mehrheitlich und nicht in den urbanen Millieus. Die sind es aber letztendlich, die für den wirtschaftlichen Aufstieg Polens in erster Linie sorgen. Und für die ist die EU-Zugehörigkeit wahrscheinlich auch nicht so sehr pragmatisch verursacht sondern einfach Teil einer weltzugewandten Kultur.

Die politischen Verhältnisse sind nun mal eben niemals klar geordnet, rechtwinklig, durchschaubar sondern verwirrend und voller Widersprüche.

Ich muss ehrlich sagen. Obwohl ich UK eigentlich und auch aus direkter Erfahrung kenne ... das Brexit-Referendum ist mir bis heute ein Rätsel, ein Mysterium geblieben. Wie ein Polexit-Referendum in Polen ausgehen würde ... daran gibts nun wirklich überhaupt keinen Zweifel.
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Re: Polexit - Der Ausstieg Polens aus der EU

Beitrag von JJazzGold »

H2O hat geschrieben:(04 Nov 2021, 06:49)

Ich fasse vorstehende Beiträge zusammen: Polen braucht den Binnenmarkt, aber nicht die EU. Finde ich auch in Ordnung; ein Status Norwegen/Schweiz tut es dann auch. Und die EU kann Polen von der Liste der Geldempfänger streichen, das schafft Polen also ohne weiteres. Finde ich eine gute Lösung. Nun müssen nur noch die polnischen Mitbürger damit zufrieden sein.
Zudem ist Polen seit 1999 Nato Mitglied. Das effektivere Mittel um den Ängsten Polens Russland gegenüber zu begegnen.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt

https://www.youtube.com/watch?v=9FBu2rVuXGI
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