Cobra9 hat geschrieben:(19 Nov 2016, 11:07)
Ich glaube Du wirst eine Überraschung bei deiner Einschätzung erleben. Die USA werden wieder ihre alte US first Strategie fahren ist eher unter Trump zu erwarten und das mit einer Art und Weise, wo uns nicht gefallen wird. Ist meine Meinung nach dem Gehörten usw. von Trump und seiner Manschaft. Klar die Nationalen werden in ihren Ländern massiv an Einfluss gewinnen, wollen aber oft nur ihre Vorteile. Polen weiss das genau nur in der NATO ist das erreichbar. Frankreich ist immer so ein Wackler, aber nicht systemrelevant sicherheitspolitisch. Ich erwarte eine Umwandlung der EU, aber eher stärkere Rolle der NATO. Die USA wollen ihren Kurs fahren. Aber Trump hat auch einige Positionen bezogen die Moskau zu denken geben sollten. Wenn nur ein Teil davon eintritt würde Ich auf Abenteuer im Baltikum verzichten und mit der Ukraine eine dipl. Lösung schnell finden.
Ich habe mich bei der Erwägung der Möglichkeit eines Zusammenschlusses nationalkonservativer Kräfte unter Einschluss sowohl Russlands als auch der Ukraine (mit der Perspektive einer Beilegung des Ukraine-Konfikts sozusagen unter negativem Vorzeichen) auch weniger von der jüngsten US-Wahl leiten lassen. Welche Politik Trump in der Hinsicht fahren wird, ist doch weitgehend offen. Sondern eher von den jüngeren Entwicklungen in Europa. Dieser Ukraine-Konflikt wird zum Teil so diskutiert, als gäbe es immer noch eine Art Lagerbezug. Hier das westliche System mit Idealen wie Marktwirtschaft, Pressefreiheit, Gewaltenteilung, freie Wahlen usw. Dort das östliche System mit Merkmalen wie Planwirtschaft, Autoritarismus, Pressegleichschaltung. Und die Ukraine befinde sich in einer Transition vom einen System zum anderen bzw. werde von ihren Feinden an dieser Transition gehindert. Eine solche Welt existiert jedoch schon lange nicht mehr.
Jüngere statistische Untersuchungen (gerad erst heute früh wurde in den Nachrichten darauf eingegangen, ebenso in der aktuellen ZEIT) belegen, dass etwa in Polen oder Frankreich eine deutliche Mehrheit (mehr als 70 bzw. mehr als 60 Prozent) autoritär-populistische Ansichten vertreten wie sie ebensogut von der Putin-Partei kommen könnten. Nicht anders (bzw. noch schlechter) sieht es in Benelux, Rumänien oder Ungarn aus.
Der bekannte Politikwissenschaftler Claus Leggewi gab gestern Nachmittag in dradio Kulturfragen ein längeres Interview zur Frage der Trump-Wahl, in welchem er ganz klar zu verstehen gab, dass in Europa im wesentlichen eigentlich ähnliche Prozesse stattfinden/stattfanden wie in den USA. Der Kern der eigentlich westlich-freiheitlich-individualistisch gesinnten Bevölkerung ist inzwischen eine Minderheit von 10 bis 30 Prozent. Und das ist in Frankreich oder Polen nicht anders als in Russland oder der Ukraine. Mit gewissen Ausnahmen wie der Bundersrepublik oder Spanien, wo dieser Anteil wahrscheinlich noch nahe an der 50-Prozent-Marke liegt.
Es gibt zur Zeit eine ganze Menge Artikel zum Thema "Demokratie als Auslaufmodell", meist unter Überschriften wie "Putin, Erdogan, Trump" (Cicero). Wirklich offensichtlich ist dabei nicht unbedingt, was diese drei Herren tatsächlich jeweils in nächster Zeit vorhaben. Offensichtlich ist, dass Politiker wie Kaczynski, so russlandfeindlich wie sich gerade zur Zeit auch geben, im Grunde auch selbst Teil ebendieses Trends sind. Im Falle Russlands und der Ukraine kommt noch hinzu, dass es - anders als etwa bei sunnitisch-schiitischen Konflikten - weder eine besondere kulturelle noch eine religiöse Diskrepanz zwischen beiden Völkern gibt. Ebenso wie die katholische Kirche bei der Auflösung des Ostblocks und dem Fall des Eisernen Vorhangs in Europa eine ziemlich maßgebliche Rolle spielte, werden, davon bin ich überzeugt, die orthodoxen Kirchenoberen in der Ukraine und Russland einen Weg der Verständigung finden.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)