Tom Bombadil » Mo 16. Mär 2015, 15:21 hat geschrieben:Ich verstehe das schon, Unité 1, ich hielte es aber für besser, wenn man religiöse Bekenntnisse entweder grundsätzlich aus der staatlichen Schule entfernt oder sie eben grundsätzlich zulässt. Ich sehe das aus der Sicht des Kindes, dem dürfte es bis zu einem gewissen Alter egal sein (weil das Abstraktionsvermögen fehlt), ob die Kopftuchträgerin ihre private Religiosität ausdrücken will oder ob da ein Kreuz an der Wand hängt. Und ob der Ausdruck der Religion noch privat ist, wenn man andere damit konfrontiert, die dem nicht aus dem Weg gehen können, bezweifle ich.
Stelle dir die Situation doch mal vor: Ein Schüler fragt die kopftuchtragende Lehrerin nach diesem, sie wird antworten, dass das Bekenntnis zu ihrem Glauben sei. - Ein Schüler fragt die augenscheinlich ohne persönliche Glaubensbekenntnisse auskommende Lehrerin nach dem Kreuz an der Wand, sie wird antworten, dass das
für unseren Erlöser, für unsere Glaubenswerte, uswusf. steht.
Warum auch sonst sollte ein religiöses Symbol an der Wand eines Klassenzimmers hängen - es hat den Anspruch, dort auch zu wirken, Normierungsdruck zu entfalten. Es ist damit wesentlich präsenter, auch wenn es Schüler nicht immer vor Augen haben. Auch wenn kleine Kinder ein geringeres Abstraktionsvermögen haben, sowas wirkt trotzdem. Die kleinen lassen sich ja auch disziplinieren mit dem Verweis darauf, dass der Weihnachtsmann alles sieht.
Oder nochmal anders: ein persönliches Symbol stellt lediglich einen Punkt im Raum möglicher Diskussionen dar. Ein gesellschaftliches Symbol hingegen begrenzt diesen von vornherein.
Und Bekenntnisse funktionieren nur öffentlich, im Privaten entfällt ihre Wirkung, denn die Menschen wissen ja um ihre Zugehörigkeit. Es geht immer um das Bekenntnis nach außen. Und hier wird ja nicht vom Beten im Unterrricht oder ähnliches geredet, sondern um ein durch Symbolik aufgeladenes Kleidungsstück.
schelm » Mo 16. Mär 2015, 16:54 hat geschrieben:
Ersteres ( das Kreuz ) ist Bestandteil unserer Kulturgeschichte, eine der Wurzeln, etwas prägendes, ob man es persönlich vertritt oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Wer weiß, wo er herkommt, der weiß auch wo er hin will. Die Essenz des Kreuzes ist heute Bestandteil unseres Wertekanons und Menschenbildes, nämlich Nächstenliebe, Vergebung, Solidarität mit den Schwachen und von Mühsal beladenen ( ... )
Das ist erstens wenigstens streitwürdig, es spricht viel mehr dafür, dass das moderne Menschenbild bei den klassischen griechischen Denkern seinen Ursprung findet. Zweitens ist die "Essenz des Kreuzes" (

) wohl Interpretationssache, je nachdem welche christliche Gemeinschaft befragt wird. Drittens ist nicht das christliche, sondern das humanistische Menschenbild für unsere Gesellschaft ausschlaggebend. Viertens ist das vollkommen unerheblich, denn ein Kreuz an der Wand ist Ausdruck des Machtanspruchs einer Religion. Da kannste noch so sehr über die Bedeutung des Christentums für den modernen Menschen sinnieren.
Man muß nicht einmal an die historische Authenzität glauben, um den Spirit dieser Message mit dem eignen humanitären Weltbild in Einklang bringen zu können, insofern existiert hier kein Dissenz zwischen Religion, Aufklärung und Staat. Was ein Grund sein mag, warum auch Atheisten Weihnachten feiern und womöglich in eine besinnliche Stimmung geraten (...)
Letzteres, das islamische Kopftuch, getragen von einer Lehrerin in einer staatlichen Schule, kann keine reine private Befindlichkeit sein, denn die Lehrerin ist auch Repräsentantin des gesellschaftlichen Wertekanons, das islamische Kopftuch hingegen ist kein Bestandteil dessen, es steht für ein überwundenes Frauenbild. außerhalb unserer heutigen Wertvorstellungen.
Der Islam und unsere Gesellschaft sind keine Antagonisten, womit eine Lehrerin mit Kopftuch selbstverständlich "
auch Repräsentantin des gesellschaftlichen Wertekanons" sein kann. Auch wenn du und Marmorkater ein gewaltiges Problem mit diesem einfachen Fakt habt.