Adler » So 5. Mai 2013, 13:58 hat geschrieben:
Zum einen beschreibt der Verfassungsbegriff oder Rechtsstaatsbegriff keine direkte Ratifizierung durch das Volk vor. entsprechend gilt es ersteinmal die gängigen Definitionen der Begriffe herauszuarbeiten.
Ganz genau! Dazu zitiere ich mich ausnahmsweise mal selbst (-> S. 5):
Defintion einer Verfassung:
Als Verfassung wird das zentrale Rechtsdokument oder der zentrale Rechtsbestand eines Staates, Gliedstaates oder Staatenverbundes (vgl. Vertrag über eine Verfassung für Europa) bezeichnet. Sie regelt den grundlegenden organisatorischen Staatsaufbau, die territoriale Gliederung des Staates, die Beziehung zu seinen Gliedstaaten und zu anderen Staaten sowie das Verhältnis zu seinen Normunterworfenen und deren wichtigste Rechte und Pflichten. Die auf diese Weise konstituierten Staatsgewalten sind an die Verfassung als oberste Norm gebunden und ihre Macht über die Normunterworfenen wird durch sie begrenzt. Die verfassunggebende Gewalt geht in demokratischen Staaten vom Staatsvolk aus.
http://de.wikipedia.org/wiki/Verfassung
Demgemäß ist das Grundgesetz eine vollwertige Verfassung, auch wenn sie erhebliche Mängel wie die bisher fehlende demokratische Legitimation aufweist. Auch dass sie anfangs als Provisorium gedacht war und erhebliche Lücken aufwies, ändert daran nichts. Infolge zahlreicher nachträglicher Änderungen wurden die Lücken inzwischen gefüllt.
Darüber, ob das Grundgesetz auch den letzten Satz der Verfassungsdefinition erfüllt, dass in demokratischen Staaten die Staatsgewalt vom Volk ausgeht, mag man unterschiedlicher Ansicht sein; es ändert aber nichts daran, dass das Grundgesetz eine Verfassung ist - die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland auch wirklich ein demokratischer Staat ist, ist nicht Gegenstand dieses Themenstrangs.
Ich bin aber auch der Ansicht, dass die Verfassung mit dem Namen Grundgesetz endlich durch eine Volksabstimmung demokratisch legitimiert oder über Artikel 146 GG durch eine neue Verfassung ersetzt werden sollte.
Es kommt ja nicht darauf an, ob auf der Verfassung ausdrücklich das Etikett "Verfassung" klebt, sondern darauf, ob in ihr alle Grundbestandteile enthalten sind, die sie zu einer Verfassung machen. Ob sie nun Mängel wie z.B. die oben beschriebenen aufweist, ändert dann nichts mehr an ihrer Eigenschaft als Verfassung, sondern sagt nur noch etwas darüber aus, ob es eine "gute" oder eine mangelhafte Verfassung ist und dem entsprechend reformiert oder ersetzt werden sollte. Aber auch das ist nicht das Thema dieses Themenstrangs!