Mindestlohn

In diesem Forum werden Themen rund um die sozialen Sicherungsysteme diskutiert.
Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Arbeitslosengeld 2 (HartzIV), Rentenversicherung, Sozialgesetzbuch.

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100wasser
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 100wasser »

SaintEx hat geschrieben: Sonntag 18. Mai 2025, 14:20
Vom Betätigungsfeld her handelt es sich bei denjenigen, die ich kenne, um Haushalts- bzw. Gartenhilfen, die allesamt keinen Stundenlohn bekommen, sondern ein festes Monatsgehalt für klar definierte Arbeitsziele. Wie viele Stunden sie dafür benötigen, spielt dabei keine Rolle.
Die Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit für Minijobber ergibt sich aus dem Mindestlohngesetz (MiLoG) und der dazugehörigen Aufzeichnungsverordnung (MiLoAufzV).
Wenn es wirklich keine Rolle spielen würde wie viele Stunden der Minijober benötigt .....wie will man dann kontrollieren ob der ML überhaupt eingehalten wird?

Also.... BITTE las gut sein!
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100wasser
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 100wasser »

3x schwarzer Kater hat geschrieben: Sonntag 18. Mai 2025, 16:17 . Aber auch eine Teilzeitkraft hat bei gleichem Stundenlohn netto einen höheren Stundenlohn als eine Vollzeitkraft.
Richtig....auch das ist ungerecht ! Aber da sind die Unterschiede des Nettogehalts eher gering.
Zuletzt geändert von 100wasser am Sonntag 18. Mai 2025, 18:36, insgesamt 1-mal geändert.
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3x schwarzer Kater
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

100wasser hat geschrieben: Sonntag 18. Mai 2025, 17:51 Richtig....auch das ist ungerecht ! Aber da ist Unterschiede des Nettogehalts eher gering.
Eine Kopfsteuer löst das Problem.
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Frank_Stein
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Frank_Stein »

Was bei der Mindestlohndebatte leider viel zu oft übersehen wird:
Am Ende zählt nicht der nominale Lohn, sondern der reale Lohn. Da wegen der geringeren Löhne im Osten auch die Lebenshaltungskosten etwas niedriger sind, ist es völlig unvertretbar, warum der Mindestlohn überall gleich hoch sein muss. Hier werden Fehlanreize gesetzt, dass der Lohnabstand zu dem Durchschnittslohn nicht hoch genug ist, was zur Folge hat, dass bei stark steigendem Mindestlohn immer mehr Menschen in den Mindestlohn rutschen und man dann die weniger leistungsfähigen Arbeitnehmer aussortiert.

Es ist immer falsch, wenn sich der Staat in die Preisbildung der Märkte einmischt.
Übergriffige Staaten haben die Eigenschaft, die Schäden, die aus ihrer Politik resultieren, dann hinterher wieder ausgleichen zu wollen, in dem man in anderen Bereichen noch tiefere Eingriffe vollführt, bis dann am Ende alles vom Staat reguliert und kontrolliert wird.

Als Bürger der Ehemaligen DDR habe ich sehr große Vorbehalte gegenüber einem zu neugierigen und übergriffigen Staat.
Ceterum censeo Carthaginem esse delendam.
It is not racism, but pattern recognition.
Wenn Linke etwas von Wirtschaft verstehen würden, wären sie nicht links.
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100wasser
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 100wasser »

Frank_Stein hat geschrieben: Sonntag 18. Mai 2025, 19:35
Es ist immer falsch, wenn sich der Staat in die Preisbildung der Märkte einmischt.
Eben.... :thumbup:
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Skull
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Skull »

100wasser hat geschrieben: Sonntag 18. Mai 2025, 09:29
Informier dich mal:

Was bekommt ein Minijobber Netto pro Stunde bei 15 Euro Mindestlohn …
Keine Ahnung.

Kein Mensch kann wissen, was welcher Minijobber in welchem Arbeitsverhältnis an Stundenlohn bekommt.

Ich gehe davon aus, dass Du nicht weisst, was meine Frau in Ihrem Mini-job Verhältnis an Stundenlohn bekommt.

mfg
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Skull »

100wasser hat geschrieben: Sonntag 18. Mai 2025, 10:09
Erschreckend wie schlecht hier viele informiert sind und dennoch vehement mitreden.

Minijobber sind von bestimmten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen befreit.

[…]

….

wenn einem das Thema wirklich interessiert kann man sowas in 20 Sekunden Googeln.
Meine Frau zahlt Lohnsteuer bei Ihrem Minijob. In Steuerklasse 6.

Und nu ?

Was möchtest DU MIR nun erklären/erzählen ?

mfg
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100wasser
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 100wasser »

Skull hat geschrieben: Sonntag 18. Mai 2025, 20:31 Keine Ahnung.

Kein Mensch kann wissen, was welcher Minijobber in welchem Arbeitsverhältnis an Stundenlohn bekommt.

:rofl: Meine Frage war : Was bekommt ein Minijobber Netto pro Stunde bei 15 Euro Mindestlohn …

kann man recht genau beantworten mein ich.....die Frage ist : mit oder ohne RV
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100wasser
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 100wasser »

Skull hat geschrieben: Sonntag 18. Mai 2025, 20:34 Meine Frau zahlt Lohnsteuer bei Ihrem Minijob. In Steuerklasse 6.

Und nu ?

Was möchtest DU MIR nun erklären/erzählen ?

mfg
Deine Frau hat also einen Minijob als Nebenjob .....also 2 Jobs.....klar zahlt man dann Steuer.

....das bringt uns hier aber kein bisschen weiter
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Skull »

100wasser hat geschrieben: Sonntag 18. Mai 2025, 21:10
Meine Frage war : Was bekommt ein Minijobber Netto pro Stunde bei 15 Euro Mindestlohn …

kann man recht genau beantworten mein ich.....die Frage ist : mit oder ohne RV
Nö. Kann man nicht.

Die meisten bekommen bei 15 Euro…eben auch 15 Euro netto. Aber eben nicht ALLE.

Auch ist es völlig egal, was wer an Netto bekommt. Es geht um den Bruttolohn.

Und Mini-Jobs sind auch nicht die REGEL. Diese Konstruktion hat der Gesetzgeber aus vielen Gründen geschaffen.

mfg
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Skull »

100wasser hat geschrieben: Sonntag 18. Mai 2025, 21:15
Deine Frau hat also einen Minijob als Nebenjob .....also 2 Jobs.....klar zahlt man dann Steuer.

....das bringt uns hier aber kein bisschen weiter
Das bringt uns nicht weiter ? :D

Weil es Dir nicht rein passt. Es gibt einige der knapp unter 7 Millionen Minijobs,
wo die Arbeitnehmer mit einem Voll- oder Teilzeitjob … einen MiniJob DAZU haben.

Das sind über 3 Millionen Menschen. :)

mfg
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100wasser
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 100wasser »

Skull hat geschrieben: Sonntag 18. Mai 2025, 09:10 Warum sollte ein Minijobber, der voll ausgebildet und gut qualifiziert ist, das denn nicht bekommen ? :?:
Qualifizierte Minijober sollen so viel Geld bekommen wie sie verdienen.
z.B .Akademiker die an der Volkshochschule noch einen Minijob als Lehrer haben, arbeiten sicherlich nicht zum Mindestlohn.
Ich spreche ja nur davon das nicht jede unqualifizierte Schüleraushilfe Anspruch auf Mindestlohn haben soll.
Die Schüleraushilfe hätte dann Netto eben mehr raus als der qualifizierte Arbeiter der für 19 Euro Brutto arbeiten geht.
Das eine derartige Ungerechtigkeiten Soziale Reibung produziert muss doch einleuchten .
Skull hat geschrieben: Sonntag 18. Mai 2025, 09:10 Wer sagt denn denn das eine Vollzeitkraftt per se besser ausgebildet ist als ein Minijobber ?
Es gibt Minijobber, die halt nur wenig Stunden arbeiten. Was aber nichts über deren Tätigkeiten und Qualifikation aussagen.

mfg
Wo hat je einer das Gegenteil behauptet?
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Gody
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

100wasser hat geschrieben: Montag 28. April 2025, 18:59 Und das ist jetzt gut?
Ich sehe jetzt keinen Vorteil darin, Branchen zurück zu hohlen, die aufgrund von Lohnkosten abgewandert sind. Erfahrungsgemäß waren das vorher auch schon Arbeitsplätze, die alles andere als attraktiv waren. Da man das ganze Personal auch gar nicht dafür finden würde, müsste man eh das meisten aufwändig Automatisieren.
Also ich wüsste nicht, warum gerade das gut sein sollte.
Wenn arme Menschen nicht in die Gänge kommen, nennt man das - Schmarotzer. Wenn reichen Menschen das passiert, nennt man das - Depressionen.
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100wasser
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 100wasser »

Gody hat geschrieben: Dienstag 20. Mai 2025, 12:45 Erfahrungsgemäß waren das vorher auch schon Arbeitsplätze, die alles andere als attraktiv waren.
Chemie, Metallindustrie, Maschinenbau und Kfz-Industrie hatten keine attraktiven Arbeitsplätze?

Genau in den Branchen wo ewig für übertriebenen Lohn, 35 Stunden Woche und mehr Urlaub gestreikt wurde, wird jetzt für erhalt der Arbeitsplätze Demonstriert......Zufall ?
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SaintEx
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Re: Mindestlohn

Beitrag von SaintEx »

100wasser hat geschrieben: Dienstag 20. Mai 2025, 13:50 Chemie, Metallindustrie, Maschinenbau und Kfz-Industrie hatten keine attraktiven Arbeitsplätze?
Genau in den Branchen wo ewig für übertriebenen Lohn, 35 Stunden Woche und mehr Urlaub gestreikt wurde, wird jetzt für erhalt der Arbeitsplätze Demonstriert......Zufall ?
Sowohl in der Chemie-, als auch in der Kfz-Industrie resultieren die gegenwärtigen Probleme mitnichten aus zu hohen Löhnen oder zu komfortablen Arbeitsbedingungen, sondern aus der weitgehend fehlenden, langfristigen Ausrichtung der jeweiligen Unternehmen bzw. Konzerne zugunsten schneller, guter Quartalsergebnisse und deren Folgen für Manager und Aktionäre. Statt nämlich die Erträge der erfolgreichen, letzten Jahre massiv für Investitionen in Zukunftstechnologien zu nutzen, wurden Dividenden und Boni "en masse" ausgeschüttet und an Geschäftsmodellen festgehalten, die selbst für Branchenlaien erkennbar ungeeignet sind, die Firmen in eine erfolgreiche Zukunft zu transferieren. In vielen, anderen Ländern aber war das möglich. Wie kommt's?
Es handelt sich hier um eine Form von Missmanagement, die im deutschen Mittelstand glücklicherweise eher die Ausnahme ist. Um so weniger ist zu verstehen, daß sich die Politik immer wieder um ein paar wenige Konzerne und deren sog. TOP-Manager kümmert, anstatt um das Rückgrat unserer Wirtschaft, den Mittelstand.
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Gody
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

JJazzGold hat geschrieben: Montag 28. April 2025, 22:32 In nahezu allen Branchen. Mag sein, dass es noch ein paar Nischenjobs gibt, bei denen man in der Anfangszeit auf EUR 12,81/h kommt.
Die Mehrheit der AN mit Abschluss/Abschlüssen verdient mehr als den Mindestlohn.
Deren AN Vertreter werden die Ansprüche hochsetzen, wenn der Mindestlohn auf EUR 15.- steigt. Das schlägt sich auf den Preis für den Konsumenten nieder. Der wiederum kauft lieber "günstig" ein.
Sie ahnen, worauf das hinausläuft?
Korrekt, auf schwindende Wettbewerbsfähigkeit deutscher Betriebe, Firmen, Konzerne.
Und in vier Jahren überbieten sich alle linken Parteien in ihrer Mindestlohnforderung.
Schon bemerkenswert, dass deine größte Sorge offenbar den Preisen im Einzelhandel gilt, nicht aber den miserablen Löhnen derjenigen, die unser Gesundheitssystem und unsere Gesellschaft am Laufen halten. In Berufen wie MFA, Pflege oder Erziehung schuften Menschen unter hoher Belastung, mit viel Verantwortung – und das für Löhne, die kaum zum Leben reichen. Wer will so einen Job heute noch machen? Die Abwanderung aus diesen Berufen ist kein Zufall, sondern Folge systematischer Unterbewertung.

Ich habe übrigens nicht gefordert, dass der Mindestlohn willkürlich politisch festgelegt wird. Im Gegenteil: Ich plädiere dafür, ihn automatisch an den verteilungsneutralen Spielraum zu koppeln – also an Produktivität und Preisentwicklung. Das wäre sachlich, planbar und wirtschaftlich ausgewogen.

Aber klar ist auch: Wenn der Ausgangspunkt dieser Anpassung unter einem armutsfesten Lohn liegt, hinkt das ganze Modell. Ein armutsfester Mindestlohn muss die Basis sein – sonst perpetuieren wir nur Armut trotz Arbeit.

Statt immer nur zu fragen: 'Was kostet das den Kunden?', sollten wir uns fragen: 'Wie viel ist uns die Arbeit von Menschen eigentlich wert?' Günstig ist nicht gleich gerecht und faire Löhne sind keine Gefahr, sondern Voraussetzung für gesellschaftlichen Zusammenhalt."
Auch die Vorstellung, dass Konsumentenverhalten allein unsere Wettbewerbsfähigkeit bedroht, wenn Löhne steigen, ist ehrlich gesagt ziemlich verkürzt. Als würde der Einzelhandel sofort wegbrechen, nur weil Produkte ein paar Cent teurer werden. So einfach funktioniert das nicht, schon gar nicht in einem hochentwickelten Wirtschaftsraum wie Deutschland, wo Faktoren wie Qualität, Verlässlichkeit und Innovationskraft eine viel größere Rolle spielen als nur der Preis.

Die Mär vom preissensiblen Kunden, der bei jeder Erhöhung ins Ausland abwandert, wird immer wieder bemüht, aber sie wird der Realität nicht gerecht. Menschen kaufen nicht automatisch 'woanders', nur weil der Mindestlohn steigt. Und selbst wenn: Wer dauerhaft nur über Billiglöhne konkurrenzfähig bleibt, hat kein Geschäftsmodell, sondern ein strukturelles Problem.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

100wasser hat geschrieben: Sonntag 4. Mai 2025, 10:31 Die Tarifautonomie hat 60 Jahre herrlich funktioniert. Unsere Jahresarbeitszeit ist so niedrig wie kaum in einem anderen Land und das bei sehr hohem Lebensstandard.
Diese romantisierte Vorstellung von der 'herrlich funktionierenden Tarifautonomie' hält einem nüchternen Blick kaum stand, spätestens seit der Agenda 2010. Die Schwächung der Gewerkschaften, der massive Niedriglohnsektor und die Zunahme prekärer Beschäftigung waren direkte Folgen politischer Eingriffe, die genau nicht auf starke Tarifbindung gesetzt haben. Wo war da die viel gepriesene Autonomie? In vielen Branchen ist Tarifbindung heute die Ausnahme, nicht die Regel, und das hat nichts mit Freiwilligkeit, sondern mit Machtungleichgewichten zu tun. Würde die Tarifautonomie funktionieren, wäre der Mindestlohn obsolet.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

100wasser hat geschrieben: Sonntag 4. Mai 2025, 22:47 Ich bin für Mindestlohn für alle Vollzeitbeschäftigten....15 Euro sind da noch zu wenig!

Aber eben nicht für jeden geringfügig Beschäftigten und jede Schüleraushilfskraft.
Du merkst schon, dass das ein Widerspruch ist, oder? Einerseits bist du für einen Mindestlohn von 15 Euro für Vollzeitkräfte, gut so. Aber gleichzeitig willst du genau die Gruppen ausschließen, die am dringendsten eine faire Lohnuntergrenze bräuchten: Minijobber, Schüleraushilfen, Teilzeitkräfte.

Wenn man am unteren Ende keine stabile Basis schafft, bröckelt das gesamte Lohngefüge, auch für die Vollzeitkräfte weiter oben. Unternehmen drücken dann systematisch Löhne, indem sie auf billigere, ungeschützte Arbeitskräfte ausweichen. Die Folge: Verdrängung, Druck auf tarifliche Jobs und zunehmende Spaltung des Arbeitsmarkts.

Ein echter Mindestlohn muss für alle gelten, sonst ist er kein Mindest, sondern ein Ausgrenzungslohn. Wer faire Löhne will, muss auch den Mut haben, die gesamte Struktur zu denken, nicht nur den oberen Rand.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

3x schwarzer Kater hat geschrieben: Dienstag 6. Mai 2025, 21:16 Es gibt keine EU-Vorgabe zur Höhe des Mindestlohns.
Es gibt sehr wohl eine EU-Mindestlohnrichtlinie (2022/2041), die klare Kriterien setzt: Der Mindestlohn soll in einem angemessenen Verhältnis zur durchschnittlichen Lohnhöhe und zur Produktivität stehen – etwa 60 Prozent des Medianlohns oder 50 Prozent des Durchschnittslohns gelten als Orientierung.

Die Richtlinie zielt genau darauf ab, dass Mindestlöhne in Europa armutsfest sind und nicht zur Lohnkonkurrenz nach unten führen. Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, diesen Maßstab schrittweise umzusetzen und regelmäßig zu überprüfen.

Es gibt keine fixe Zahl, aber sehr wohl ein klares Ziel, und Deutschland liegt mit aktuell 12,41 Euro (Stand 2024) deutlich unter der empfohlenen Schwelle. Daher ist die Forderung nach 14 bis 15 Euro keineswegs willkürlich, sondern entspricht dem europäischen Rahmen.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

sünnerklaas hat geschrieben: Freitag 9. Mai 2025, 21:45 Was auch hochproblematisch wäre. Denn nicht alle Länder haben denselben wirtschaftlichen Entwicklungsstand.
Ja deswegen sprechen die ja auch von relativen vorgaben 60% Medien 50 Durchschnitt etc. und nicht von Absoluten. :rolleyes: Ich hoffe ich muss jetzt nicht den Unterschied erklären!
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

3x schwarzer Kater hat geschrieben: Samstag 10. Mai 2025, 06:29 Netter Versuch. Es ging im Kontext um die Behauptung, die EU schreibe einen Mindestlohn in Höhe von 60% des Medianlohns vor, die du ja auch "als gesetzt" betrachtet hast.
Und die gibt es nicht. Genauso wenig wie irgendein anderes Niveau vorgeschrieben wird. Und daher gibt es von der EU eben keine Vorgabe zur Höhe des Mindestlohns. Weder relativ, noch absolut, noch wie er berechnet werden muß ( was ja auch deine Behauptung war)
Dito würde ich sagen.
Du verdrehst hier leider die Fakten. Die EU-Mindestlohnrichtlinie schreibt zwar keine absolute Zahl wie 15 Euro vor, aber sie macht sehr wohl konkrete inhaltliche Vorgaben zur Mindestlohngestaltung, darunter auch die Orientierung an 60 % des Medianlohns. Genau das ist als Referenzgröße im Gesetzestext festgehalten.

Zudem verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten, Mindestlöhne anhand klar definierter wirtschaftlicher Kriterien zu prüfen und anzupassen. Wer behauptet, die EU mache dazu keine Vorgaben, ignoriert schlicht den Inhalt der Richtlinie.
Deine Erbsenzählerei führt nirgendwohin. Du kannst das Wording gerne weiter sezieren, an der sozialen Schieflage ändert das nichts.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

Frank_Stein hat geschrieben: Sonntag 11. Mai 2025, 09:36 Mit der Einführung des Mindestlohns wurde die Büchse der Pandora geöffnet. Man fing mit einem niedrigen Mindestlohn an, um die Folgen auf dem Arbeitsmarkt überschaubar zu halten. Inzwischen hat der Mindestlohn aber eine Höhe erreicht, dass ein erheblicher Anteil in der ostdeutschen Arbeitnehmerschaft in diesem Bereich beschäftigt ist.
Für Menschen mit einer schlechten Ausbildung bzw. geringer Qualifikation oder gesundheitlichen Einschränkungen wird der Mindestlohn zunehmend zu einem Einstellungshindernis.

Dabei sollte der demografische Wandel eigentlich dadurch aufgehalten werden, dass ältere Arbeitnehmer länger auf dem Arbeitsmarkt bleiben. Der steigende Mindestlohn verhindert das leider.
Gäbe es im Osten des Landes Demonstrationen zur Verhinderung der Anhebung des Mindestlohnes, würde ich daran teilnehmen.
Interessant, dass du die Büchse der Pandora im Mindestlohn siehst, nicht etwa im flächendeckenden Niedriglohnsektor, der vor dessen Einführung Millionen Menschen trotz Vollzeit in Armut gehalten hat. Dass heute viele Ostdeutsche im Mindestlohnbereich arbeiten, zeigt doch gerade, wie lange Löhne dort systematisch gedrückt wurden, nicht dass der Mindestlohn zu hoch ist.

Zu behaupten, der Mindestlohn halte geringqualifizierte oder gesundheitlich eingeschränkte Menschen vom Arbeitsmarkt fern, ist ein Klassiker neoliberaler Rhetorik, aber das Gegenteil ist der Fall: Ein Lohn unterhalb des Existenzminimums macht Arbeit unattraktiv und verschärft soziale Ausgrenzung. Die Lösung ist nicht: Löhne senken, sondern: Qualifizieren, anpassen, unterstützen.

Auch dass ältere Menschen angeblich wegen des Mindestlohns nicht mehr arbeiten können, ist ein schräges Argument. Ältere Arbeitnehmer haben oft Erfahrung, Fachwissen und brauchen faire, angepasste Arbeitsbedingungen – keine Dumpinglöhne. Wenn ein Unternehmen jemanden nur beschäftigt, weil es ihn zu schlecht bezahlen darf, ist das kein Arbeitsplatz, sondern ein Missstand.

Und ganz ehrlich: Bei einer Demo gegen armutsfeste Löhne mitzulaufen, in einem Land mit wachsender Ungleichheit und zunehmender Erwerbsarmut, sagt einiges über dein Gesellschaftsbild aus. Der Mindestlohn ist kein Problem. Er ist unter dem herrschend Machtungleichgewicht leider Teil der Antwort.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Gody hat geschrieben: Dienstag 20. Mai 2025, 15:01 Dito würde ich sagen.
Du verdrehst hier leider die Fakten. Die EU-Mindestlohnrichtlinie schreibt zwar keine absolute Zahl wie 15 Euro vor, aber sie macht sehr wohl konkrete inhaltliche Vorgaben zur Mindestlohngestaltung, darunter auch die Orientierung an 60 % des Medianlohns. Genau das ist als Referenzgröße im Gesetzestext festgehalten.

Das wird durch wiederholte Behauptung nicht wahrer. Selbst der Europäische Rat schreibt in seiner Erläuterung zur Richtlinie, dass die Richtlinie kein bestimmtes Mindestlohniveau vorschreibt. Auch in der Richtlinie selber findet sich keine Vorgabe mit einer Orientierung an 60% des Mindestlohns. Vielleicht einfach mal die Richtlinie lesen.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

100wasser hat geschrieben: Sonntag 11. Mai 2025, 12:07 Als Folge sind die Lohnhöhe noch ungerechter als vorher oder Löhne von qualifizierten Arbeitern müssen vom Mindestlohn hoch gerechnet werden.......auf wiedersehen Tarifautonomie!
Wenn Löhne oberhalb des Mindestlohns nicht mehr deutlich besser sind, ist nicht der Mindestlohn das Problem, sondern die viel zu schwache Lohnentwicklung im mittleren Bereich. Dass qualifizierte Fachkräfte kaum mehr verdienen als Ungelernte im Mindestlohnbereich, ist Ausdruck von jahrelanger Tarifflucht und unterlassener Lohnpolitik, nicht von zu hohen Mindestlöhnen.

Und zum Thema Tarifautonomie: Die war in vielen Branchen schon lange vor dem Mindestlohn de facto ausgehöhlt. Der Mindestlohn wurde ja gerade deshalb eingeführt, weil Millionen Menschen trotz Vollzeit nicht von ihrer Arbeit leben konnten, weil Tarifverträge fehlten oder gezielt unterlaufen wurden. Der Mindestlohn ist eine Auffanglinie, kein Ersatz für gute Tarifpolitik.

Wer heute Mindestlöhne angreift, schützt nicht die Tarifautonomie, er verteidigt den Zustand, dass Menschen für 6 oder 7 Euro die Stunde schuften mussten. Und genau das sollte niemand zurückhaben wollen
Zuletzt geändert von Gody am Dienstag 20. Mai 2025, 15:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Gody hat geschrieben: Dienstag 20. Mai 2025, 14:53
Die Richtlinie zielt genau darauf ab, dass Mindestlöhne in Europa armutsfest sind und nicht zur Lohnkonkurrenz nach unten führen. Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, diesen Maßstab schrittweise umzusetzen und regelmäßig zu überprüfen.

.
Ziel erreicht. Der aktuelle Mindestlohn liegt sowohl über dem Existenzminimum als auch über der Armutsgefährdungsschwelle, als auch.

Ist sowieso nur ein Partialproblem. Aktuell arbeiten nur etwa 1,5% der SV-pflichtig Beschäftigten zum Mindestlohn.

Zudem dürften wir kaufkraftbereinigt das Land mit dem wohl höchsten Mindestlohn sein. Praktisch nirgends muss man real mehr für eine nicht vorhandene Kompetenz bezahlen.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

3x schwarzer Kater hat geschrieben: Sonntag 11. Mai 2025, 16:14 12,82€ für Menschen die kaum verwertbare Kompetenzen mitbringen halte ich für üppig. Kaufkraftbereinigt dürften wir damit das Land mit höchsten ML sein. Ein Lohnparadies für Unqualifizierte, während wir eigentlich hochqualifizierte Fachkräfte bräuchten.
Wer 12,82 Euro für 'üppig' hält, offenbart vor allem, wie weit er sich von der Lebensrealität vieler Menschen entfernt hat. Denn mit diesem Stundenlohn kommt man selbst in ländlichen Regionen kaum über die Runden und in Städten erst recht nicht. Und das bei steigenden Mieten, Energiepreisen und Lebenshaltungskosten. Arm trotz Arbeit bleibt da für viele Realität. 'Üppig' sieht anders aus.

Dass Menschen mit 'kaum verwertbaren Kompetenzen' pauschal als minderwertig dargestellt werden, ist nicht nur arrogant, sondern auch ökonomisch kurzsichtig. Gesellschaft und Wirtschaft würden ohne Reinigungskräfte, Lagerarbeiter, Pflegehelferinnen, Zusteller oder Küchenhilfen schlicht nicht funktionieren. Diese Arbeit ist nicht weniger wert, sie wird nur schlechter bezahlt.

Und zur Kaufkraft: Laut OECD und Eurostat ist der deutsche Mindestlohn nicht der höchste in Europa, wenn man ihn kaufkraftbereinigt betrachtet. Länder wie Luxemburg oder die Niederlande liegen darüber.

Wer behauptet, ein armutsfester Lohn mache Deutschland zum 'Lohnparadies für Unqualifizierte', verteidigt im Grunde nichts anderes als eine Gesellschaft, in der Menschen ausgebeutet werden dürfen, solange sie keinen Abschluss in der Tasche haben. Damit wird kein Fachkräftemangel gelöst, sondern sozialer Sprengstoff produziert. Die Kosten für den Sozialstaat werden dadurch nicht weniger werden sondern sehr viel mehr.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

Raskolnikof hat geschrieben: Montag 12. Mai 2025, 18:09 Vor ein paar Tagen sah ich eine Reportage über den größten Erdbeerbauer in Niedersachsen. Der stöhnt über den Mindestlohn in Deutschland der jetzt bei 12,82 Euro liegt. Schon jetzt sei er mit den Erdbeeren preislich nicht mehr konkurrenzfähig. Auch wenn die spanischen Erdbeeren wegen des längeren Transportweges nicht vollreif geerntet werden können und von daher häufig nicht so ein gutes Aroma haben wie die deutsche Ware werden von den verbrauchern wegen des Preises immer häufiger die deutschen Erdbeeren verschmäht. Erdbeeren sind zu einem Luxusartikel geworden.
Wenn jetzt tatsächlich der mindestlohn auf 15 Euro/Stunde angehoben werden sollte bleibe ihm nichts anderes übrig als seinen Laden zu zu machen.

Wir sind jetzt bereits das Volk mit dem höchsten Mindestlohn in Europa. Und vielen ist auch der immer noch zu wenig. Und terroristische Vereinigungen die sich Gewerkschaften verlangen noch mehr. Merkt eigentlich noch jemand wo das hinführt?
Wenn dein Erdbeerbauer nur dann konkurrenzfähig ist, wenn er seine Erntehelfer auf Dumpingniveau bezahlt, dann soll er den Laden ruhig dichtmachen, denn auf Ausbeutung basiert kein zukunftsfähiges Geschäftsmodell. Billigkonkurrenz aus Spanien funktioniert nur deshalb, weil dort teils unter miserablen Bedingungen geerntet wird.

Dass du dann auch noch Gewerkschaften als 'terroristische Vereinigungen' diffamierst, ist keine Debatte mehr, sondern eine demokratiefeindliche Entgleisung. Gewerkschaften sind verfassungsrechtlich geschützt, sie haben Rechte erkämpft, von denen du ganz selbstverständlich profitierst: Urlaub, Arbeitsschutz, Tariflöhne. Wer sie mit Terroristen vergleicht, zeigt, wie wenig er von sozialer Marktwirtschaft verstanden hat.

Und nein, Deutschland hat nicht den höchsten Mindestlohn Europas, wenn man die Kaufkraft berücksichtigt. Aber selbst wenn: Es wäre eine Errungenschaft, kein Untergangsszenario. Dass Erdbeeren dann teurer werden, ist der Preis für fair bezahlte Arbeit, und kein Grund, Armutslöhne zurückzufordern.

Wirklich gefährlich ist nicht der Mindestlohn, sondern ein Weltbild, das Menschen entwertet, sobald sie nicht billig genug sind.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

Raskolnikof hat geschrieben: Dienstag 13. Mai 2025, 00:54 Ok, für die drastische Ausdrucksweise "Terroristische Vereinigung" entschuldige ich mich. Dennoch habe ich eine Stinkwut im Bauch wenn die Gewerkschaften für ihre Mitglieder immer mehr fordern. Ich habe nur ein Beispiel genannt wohin das führt. Deutschland liegt da z.Z. an vierter Stelle mit dem Mindestlohn. Kommen die geforderten 15 Euro liegen wir an der Spitze. Der Inhaber unseres großen E-Marktes (Edeka) sagte mir, dass die breite Masse seiner Kundschaft nicht mehr bereit sei deutsches Obst und Gemüse zu kaufen, wenn das aus Spanien, Italien oder Griechenland wesentlich preisgünstiger ist. Selbst Äpfel aus Südafrika sind preisgünstiger als die deutschen Äpfel aus dem Alten Land.
Aber deutsche Bauern können nicht einfach mit ihrer Produktion ins Ausland gehen. Das machen dafür andere Industriezweige. Als Grund dafür werden immer wieder die hohen Energiepreise genannt. Ja, das ist ein Grund aber nur einer. Unsere Löhne sind aber auch daran schuld. Und die Gewerkschaften bemühen sich mit Kräften die Lohn-Preisspirale immer weiter in die Höhe zu treiben. Mir ist klar, dass in den letzten drei Jahren die Lohnsteigerung noch nicht einmal die Inflation ausglich. Aber in welchen Ländern ist das nicht so?
Der Spruch mag abgedroschen klinken; aber die fetten Jahre sind vorbei. Wir werden den Gürtel enger schnallen müssen oder um es mit den Worten Ludwig Erhards zu sagen: "Maßhalten". Dies täte den Gewerkschaften wirklich gut. Deren Forderungen sind einfach nur utopisch zu nennen.
Wenn du den Gewerkschaften 'utopische' Forderungen vorwirfst, dann ignorierst du vollkommen, dass die deutsche Arbeitnehmerschaft seit der Agenda 2010 mehr als 20 Jahre lang genau das getan hat, was du jetzt wieder einforderst: Maßhalten. Und zwar extrem. Kumuliert haben die Beschäftigten laut verschiedenen Studien seitdem auf rund 30 % Lohnwachstum verzichtet im Vergleich zu dem, was bei einer verteilungsgerechten Anpassung an Produktivität und Inflation drin gewesen wäre. Und jetzt, wo ein kleiner Teil dieses Rückstands aufgeholt werden soll, schreien plötzlich alle nach Verzicht?

Deutsches Obst ist teurer als spanisches, ja. Aber nicht wegen 'maßloser' Gewerkschaften, sondern weil dort zu Bedingungen produziert wird, die man in Deutschland hoffentlich nie wieder will: Billiglöhne, oft katastrophale Arbeitsbedingungen, Umweltzerstörung. Wer das als Benchmark nimmt, fordert nichts anderes als einen Wettlauf nach unten.

Es ist bemerkenswert, wie selbstverständlich von denen, die oben sitzen, Verzicht von denen gefordert wird, die eh schon den Großteil der Krisenlasten tragen. Maßhalten ja aber dann bitte auch bei Dividenden, bei Managementgehältern, bei Vermögenszuwächsen. Statt immer wieder nur bei den Leuten, die morgens um 5 Uhr Erdbeeren pflücken oder abends die Regale auffüllen.

Wenn diese Forderungen nach ein bisschen mehr Lohn schon als 'utopisch' gelten, sagt das mehr über den Zustand der Debatte als über die Gewerkschaften.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

Mendoza hat geschrieben: Mittwoch 14. Mai 2025, 00:31 Ziemlicher Blödsinn was du erzählst. Der Mindestlohn ist in 10 Jahren um 51% gestiegen, die Preise im Durchschnitt nur um 27%. Stand jetzt mit 12,82€ und nicht mit 15€/h. Durchschnittslöhne und Gehälter sind auch viel langsamer gestiegen als der ML.
Was du da als 'Blödsinn' bezeichnest, ist in Wahrheit nur die logische Folge jahrelanger Lohnzurückhaltung. Ja, der Mindestlohn ist seit seiner Einführung 2015 um 51 % gestiegen, aber von welchem Niveau aus? Er lag zu Beginn bei 8,50 €, was für Millionen Menschen ein legalisierter Armutslohn war. Dass man diesen Mindestlohn stärker anheben musste als Durchschnittslöhne oder Preise, ist kein Fehler, es war überfällig.

Und selbst mit 12,82 € sind wir noch nicht bei einem armutsfesten Lohn, geschweige denn bei einer verteilungsgerechten Beteiligung an der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Statistik sagt also nicht aus, dass der Mindestlohn 'explodiert' ist, sondern dass er lange Zeit systematisch zu niedrig war.

Dass Durchschnittslöhne langsamer gestiegen sind, ist übrigens kein Argument gegen Mindestlohnanpassungen, sondern ein weiteres Zeichen dafür, wie lange die Arbeitenden insgesamt zu kurz gekommen sind. Es wurde Zeit, das wenigstens unten etwas zu korrigieren. Einen Widerspruch gibt es da nicht, es sei denn, man hält Armutslöhne für ein ökonomisches Erfolgsmodell.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

Frank_Stein hat geschrieben: Mittwoch 14. Mai 2025, 18:27 Unternehmen sind nicht das Sozialamt. Sie können Menschen nicht mehr Lohn geben, als der Wert der Arbeit, der von dem Arbeitnehmer bereitgestellt wird.
Das Argument, Unternehmen könnten nur den Wert der Arbeit bezahlen, den ein Arbeitnehmer ‚bereitstellt‘, ist eine vereinfachte neoliberale Theorie, die in der Praxis längst widerlegt ist. Löhne entstehen nicht automatisch durch ‚Grenznutzen‘ oder Marktkräfte allein, sondern hängen auch von Verhandlungsmacht, Arbeitsmarktstrukturen und politischen Rahmenbedingungen ab.

Außerdem wird dabei völlig ausgeblendet, wer eigentlich die Kunden sind: Menschen, die von ihrem Lohn leben müssen. Wenn Beschäftigte schlecht bezahlt werden, fehlt ihnen Kaufkraft und das schwächt langfristig auch den Absatz für Unternehmen.
Das Deutsche Model Exportüberschuss auf Teufel komm raus durch interne Unterbewertung, geht gerade unter. Die Handelspartner schauen sich das nicht mehr tatenlos an. Wird zeit, dass das auch neoliberale Theoretiker langsam mal verstehen.

Hinzu kommt, dass durch Abschläge und Gewinnverschiebungen an stille Investoren und Anteilseigner oft erhebliche Teile des erwirtschafteten Werts vorenthalten werden, zulasten der Beschäftigten. Es ist also keineswegs so, dass der Lohn immer 1:1 den Wert der Arbeit widerspiegelt. Vielmehr wird ein großer Teil des Mehrwerts in Konzernspitzen und Finanzkreisen abgeschöpft, während die Arbeitenden am unteren Ende mit Mindestlöhnen abgespeist werden.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Gody hat geschrieben: Dienstag 20. Mai 2025, 15:25 Wer 12,82 Euro für 'üppig' hält, offenbart vor allem, wie weit er sich von der Lebensrealität vieler Menschen entfernt hat. Denn mit diesem Stundenlohn kommt man selbst in ländlichen Regionen kaum über die Runden und in Städten erst recht nicht. Und das bei steigenden Mieten, Energiepreisen und Lebenshaltungskosten. Arm trotz Arbeit bleibt da für viele Realität. 'Üppig' sieht anders aus.
Wer 40h/Woche zum ML arbeitet hat mindestens 1.600 €. Die Armutsgefährdungsschwelle (nicht Armutschwelle, die liegt noch darunter) liegt bei etwa 1.400€. Damit ist man nicht arm, wenn man Vollzeit zum Mindestlohn arbeitet.

Dass Menschen mit 'kaum verwertbaren Kompetenzen' pauschal als minderwertig dargestellt werden, ist nicht nur arrogant, sondern auch ökonomisch kurzsichtig. Gesellschaft und Wirtschaft würden ohne Reinigungskräfte, Lagerarbeiter, Pflegehelferinnen, Zusteller oder Küchenhilfen schlicht nicht funktionieren. Diese Arbeit ist nicht weniger wert, sie wird nur schlechter bezahlt.
Die arbeiten in der Regel alle nicht zum Mindestlohn. Pflegehelfer z.B. haben mindestens einen Stundenlohn von 15,50€. Auch für die anderen Beispiele wird in der Regel mehr bezahlt. wer zum ML arbeiten muss hat in der Regel ein Kompetenzproblem, dass mehr in der eigenen Person als in den Tätigkeiten.
Und zur Kaufkraft: Laut OECD und Eurostat ist der deutsche Mindestlohn nicht der höchste in Europa, wenn man ihn kaufkraftbereinigt betrachtet. Länder wie Luxemburg oder die Niederlande liegen darüber.
Hier ist die Tabelle der OECD mit den Kaufkraftparitäten
https://data-explorer.oecd.org/vis?tm=m ... ]=REF_AREA

Daraus ergeben sich für Luxemburg (15,62 €/h) und die Niederlander (14,06 €/h) folgende Mindestlöhne wenn man sie auf die deutsche Kaufkraft umrechnet:
Luxemburg 12,65 €/h
Niederlande 12,79 €/h

In beiden !ändern ist die Produktivität übrigens höher als in D.

Wer behauptet, ein armutsfester Lohn mache Deutschland zum 'Lohnparadies für Unqualifizierte', verteidigt im Grunde nichts anderes als eine Gesellschaft, in der Menschen ausgebeutet werden dürfen, solange sie keinen Abschluss in der Tasche haben.
Selbst die die keinen Abschluss haben, arbeiten zum weitaus größten Teil nicht zum Mindestlohn. Es braucht also nicht mal eine Ausbildung um mehr zu verdienen. Es reicht offensichtlich schon einfach nur willig zu sein.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 100wasser »

SaintEx hat geschrieben: Dienstag 20. Mai 2025, 14:18 Statt nämlich die Erträge der erfolgreichen, letzten Jahre massiv für Investitionen in Zukunftstechnologien zu nutzen, wurden Dividenden und Boni "en masse" ausgeschüttet und .....
Für Milliarden Investitionen im Ausland war aber noch genug Geld da......google mal was da so investiert wurde z.B. bei bei Volkswagen, Daimler, Siemens, BASF, Bayer, Continental, BMW .

Und die "fetten Dividenden" gehen auch an Fondsparer und Selbständige die für ihre Rente sparen müssen.....das sind nicht nur immer die bösen dicken Banken.

Hat aber jetzt nichts mit Mindestlohn zu tun.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 100wasser »

Gody hat geschrieben: Dienstag 20. Mai 2025, 15:20
. Dass qualifizierte Fachkräfte kaum mehr verdienen als Ungelernte im Mindestlohnbereich, ist Ausdruck von jahrelanger Tarifflucht und unterlassener Lohnpolitik, nicht von zu hohen Mindestlöhnen.

Also bist du doch dafür das wir alle Löhne vom Mindestlohn hoch rechnen?....dürfte nicht einfach werden.

Mindestlohn ist Deutschlandweit gleich , unabhängig von den Lebenshaltungskosten......von München City bis Vogtlandkreis in Sachsen.
Wie soll da eine gerechte Regelung entstehen ?

Beantworte mir mal die Frage : was müsste, deiner Meinung nach, ein Koch pro Stunde bekommen damit ein gerechter Abstand zur Schüler-Küchenaushilfe gewahrt bleibt ?
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

Frank_Stein hat geschrieben: Mittwoch 14. Mai 2025, 20:17 Einige haben noch immer nicht begriffen, dass die fetten Jahre vorbei sind.
Es gibt immer weniger zu verteilen. Viele Unternehmen kämpfen um ihr Überleben. Ganze Geschäftsbereiche werden überflüssig oder von der Niedriglohnkonkurrenz im Ausland, die inzwischen nicht nur billiger, sondern qualitativ immer besser wird, stellt unser Geschäftsmodell infrage.

Dann haben wir Millionen Migranten, die noch nicht einmal richtig deutsch können und oft nicht mal die Qualifikation haben, die man mit einem deutschen Hauptschulabschluss vergleichen könnte. Auch diese Leute wollen arbeiten, können es aber oft nicht, weil ihre Arbeitsleistung für den Arbeitgeber bzw. den Endkunden keine 30 Euro/Stunde wert ist. Das ist das Mindeste, was die an Arbeitsleistung abliefern müssen, um 15 Euro Mindestlohn zu erhalten.
Das ist der klassische neoliberale Abgesang: ‘Es gibt nichts mehr zu verteilen’, während Milliarden an Dividenden ausgeschüttet werden und Spitzenverdiener kaum zur Kasse gebeten werden. Nein – es gibt nicht zu wenig, es wird nur extrem ungleich verteilt. Und genau das ist das Problem.

Wenn Unternehmen heute ‘nicht überleben können’, weil sie keine Armutslöhne mehr zahlen dürfen, dann sollte man vielleicht nicht am Mindestlohn zweifeln, sondern an einem Geschäftsmodell, das auf Ausbeutung basiert.

Und was die Migranten angeht: Wer ernsthaft behauptet, dass jemand 30 Euro Leistung pro Stunde bringen muss, um 15 Euro Lohn zu rechtfertigen, hat offenbar ein sehr schiefes Verständnis von Wertschöpfung. Kein Mensch bringt das als Einzelner auch nicht ein Akademiker oder Manager. Wert entsteht kollektiv, und auch einfache Arbeit verdient Respekt und existenzsichernde Bezahlung. Diese Art von Abwertung ist nicht nur sozial zynisch, sondern auch ökonomisch kurzsichtig.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

Frank_Stein hat geschrieben: Mittwoch 14. Mai 2025, 21:36 Wenn jemand fleißig ist und schnell arbeitet, mag dieser hohe Stundenlohn ja gerechtfertigt sein. Aber was macht man mit denen, die in der Zeit nur die Hälfte schaffen, weil sie beispielsweise Post-Covid haben und nicht mehr so leistungsfähig sind. Auch diese Menschen sollten die Möglichkeit bekommen, einer Beschäftigung nachzugehen, aber sie dürfen den Arbeitgeber dabei nicht mehr kosten, als er mit diesen Arbeitskräften verdient.
Der Mindestlohn hat inzwischen ein Niveau erreicht, der nicht mehr weit vom Durchschnittslohn im Osten entfernt ist. Dafür ist er aber nicht gedacht. Nicht jeder Lohn muss existenzsichernd sein. Rentner, Hausfrauen oder Schüler und Studenten oder Langzeitarbeitslose müssen nicht den vollen Lohn bekommen.
Langsam wirds gruselig.

Wow. Jetzt sind wir also an dem Punkt angekommen, wo Menschen mit Post-Covid oder gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr als 'leistungsfähig genug' gelten, um überhaupt einen existenzsichernden Lohn zu verdienen? Was für ein Menschenbild steckt da bitte dahinter? Wer nicht rennt, fliegt raus? Willkommen im Sozialdarwinismus 2.0.

Und dann auch noch die Behauptung, nicht jeder Lohn müsse existenzsichernd sein, ernsthaft? Wer so argumentiert, fordert de facto eine Billigkaste aus Rentnern, Schülern, Kranken und Langzeitarbeitslosen, die man nach Belieben ausbeuten kann, weil sie angeblich keinen 'vollen Lohn' wert seien. Das ist nicht marktwirtschaftlich, das ist feudal.

Wenn der Mindestlohn in manchen Regionen an den Durchschnittslohn heranreicht, ist das kein Zeichen von 'zu viel Gerechtigkeit', sondern von struktureller Schieflage. Die Lösung ist nicht: den Mindestlohn absenken, damit die anderen weiter mies verdienen, sondern endlich das gesamte Lohnniveau anheben.

Denn wenn wir anfangen, den Wert eines Menschen daran zu bemessen, wie viel er in der Stunde rausholt, können wir uns als Gesellschaft gleich mit abschaffen.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Arizona »

Gody hat geschrieben: Dienstag 20. Mai 2025, 16:27 Langsam wirds gruselig.

Wow. Jetzt sind wir also an dem Punkt angekommen, wo Menschen mit Post-Covid oder gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr als 'leistungsfähig genug' gelten, um überhaupt einen existenzsichernden Lohn zu verdienen? Was für ein Menschenbild steckt da bitte dahinter? Wer nicht rennt, fliegt raus? Willkommen im Sozialdarwinismus 2.0.

Und dann auch noch die Behauptung, nicht jeder Lohn müsse existenzsichernd sein, ernsthaft? Wer so argumentiert, fordert de facto eine Billigkaste aus Rentnern, Schülern, Kranken und Langzeitarbeitslosen, die man nach Belieben ausbeuten kann, weil sie angeblich keinen 'vollen Lohn' wert seien. Das ist nicht marktwirtschaftlich, das ist feudal.

Wenn der Mindestlohn in manchen Regionen an den Durchschnittslohn heranreicht, ist das kein Zeichen von 'zu viel Gerechtigkeit', sondern von struktureller Schieflage. Die Lösung ist nicht: den Mindestlohn absenken, damit die anderen weiter mies verdienen, sondern endlich das gesamte Lohnniveau anheben.

Denn wenn wir anfangen, den Wert eines Menschen daran zu bemessen, wie viel er in der Stunde rausholt, können wir uns als Gesellschaft gleich mit abschaffen.
Der User behauptete ja in einem früheren Post nicht jeder Lohn muss existenzsichernd sein. Also Lohnkostübernahme auf Steuerzahlerkosten ( Aufstocker) ist nach der Logik völlig ok und überhaupt warum geben sich die Leute nicht mit einem Apfel , einem Ei und Kästchen Merci als "Lohn" zufrieden? :? Azubis und Minijobber als billiges Arbeitsvieh sozusagen.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 100wasser »

Gody hat geschrieben: Dienstag 20. Mai 2025, 16:27

Wow. Jetzt sind wir also an dem Punkt angekommen, wo Menschen mit Post-Covid oder gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr als 'leistungsfähig genug' gelten, um überhaupt einen existenzsichernden Lohn zu verdienen?
Nein.... eben genau andersrum wird ein Schuh raus.

Unternehmen sind Gewinnorientiert und nicht ehrenamtlich ...darauf können wir uns wohl einigen.

Warum sollte ein Unternehmer noch jemand einstellen der ein Handikap hat ( alt, schwach ,keine Schulbildung u.s.w) wenn er für das gleiche Geld gut ausgebildete Leute bekommen kann ?
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 100wasser »

Arizona hat geschrieben: Dienstag 20. Mai 2025, 17:03 Azubis und Minijobber als billiges Arbeitsvieh sozusagen.
Azubis kosten dem Unternehmen sowieso mehr Geld als sie einbringen ....außerdem sind sie vom Mindestlohn ausgenommen .
Und Minijobber bekommen keine Aufstockung....... also auch irrelevant.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

3x schwarzer Kater hat geschrieben: Freitag 16. Mai 2025, 14:21 Niemand muss in München oder Stuttgart wohnen, wenn man sich das Leben dort nicht leisten kann. Abgesehen davon dürfte man dort Jobs zum Mindestlohn mit der Lupe suchen. Selbst hier in einer Kleinstadt mit 15k Einwohnern kriegt man bei Norma fürs Regal einräumen 15€/Stunde.
Ein typischer Whataboutismus, der systemische Probleme auf individuelle Entscheidungen abwälzen will.

Wenn du dir dein Leben nicht leisten kannst, bist du halt selbst schuld. Dann zieh halt um. Such dir was Billigeres. Aber wehe du willst dann über niedrige Löhne reden, dann heißt es plötzlich, du willst zu viel.

Erstens: Menschen wohnen nicht einfach aus Jux in teuren Städten wie München oder Stuttgart. Da sind oft Familie, Betreuung, medizinische Versorgung, Studienplätze oder schlicht der Job selbst. Nicht jeder kann oder will sein Leben wie ein Möbelstück durch die Republik verschieben, nur um irgendwo als Statistik zu beruhigen.
Menschen können ihre Existenz wie ein Netflix-Abo kündigen. Wer so redet, hat entweder keine Ahnung vom echten Leben, oder ein erschreckend kaltes Menschenbild

Zweitens: Dass es irgendwo 15 €/h bei Norma in Hintertupfingen gibt, ändert nichts daran, dass Millionen Menschen systematisch unterbezahlt sind. Eine Ausnahmestelle in einer Kleinstadt als Gegenbeweis zur Realität am Arbeitsmarkt anzuführen, ist ungefähr so sinnvoll wie zu sagen: "Ich kenn einen, der bei Lotto gewonnen hat, also gibt’s keine Armut."
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

100wasser hat geschrieben: Sonntag 18. Mai 2025, 10:09 Minijobber sind von bestimmten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen befreit.
Sie würden die 15 Euro Mindestlohn quasi Netto bekommen wogegen ein Vollzeitarbeiter ca. 20 Euro Brutto verdienen müsste um 15 Euro Netto zu kassieren. Eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit, wie ich meine .....wenn einem das Thema wirklich interessiert kann man sowas in 20 Sekunden Googeln.
Das ist so ein typisches Halbwissen-Argument, das sich ungerecht anhört, aber bei genauerem Hinsehen völlig in sich zusammenfällt

Keine Rentenpunkte (außer man zahlt freiwillig), kein Arbeitslosengeldanspruch, keine Absicherung im Krankheitsfall ab Tag 1, keine echte Perspektive auf Weiterentwicklung, keine Tarifbindung – und oft instabile Beschäftigung.
Ich würde sagen das Brutto Netto Scheinargument ist damit hinfällig.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Wähler »

Es geht wohl um gut 1 Million regelmäßig beschäftigte Mindestlohnbezieher in einem sich verringernden Niedriglohnsektor.
Zahl der Niedriglohnjobs deutlich gesunken – 1,1 Millionen weniger Spiegel 6. Februar 2024
https://www.spiegel.de/wirtschaft/sozia ... 09da6b8e01
"Deutschlandweit wurden im vergangenen April den Angaben zufolge 2,4 Millionen Jobs exakt mit dem damals gültigen gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro vergütet. Das entspricht 6,2 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse, für die der Mindestlohn gilt. Die meisten lagen darüber. In gut einer Million Fälle lag der rechnerische Stundenverdienst darunter. Dabei handele es sich aber nicht automatisch um Verstöße gegen das Mindestlohngesetz, erläuterten die Statistiker. Nicht alle Regelungen des Gesetzes, wie etwa Praktika, könnten trennscharf in der Statistik abgegrenzt werden."
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

Frank_Stein hat geschrieben: Sonntag 18. Mai 2025, 19:35 Was bei der Mindestlohndebatte leider viel zu oft übersehen wird:
Am Ende zählt nicht der nominale Lohn, sondern der reale Lohn. Da wegen der geringeren Löhne im Osten auch die Lebenshaltungskosten etwas niedriger sind, ist es völlig unvertretbar, warum der Mindestlohn überall gleich hoch sein muss. Hier werden Fehlanreize gesetzt, dass der Lohnabstand zu dem Durchschnittslohn nicht hoch genug ist, was zur Folge hat, dass bei stark steigendem Mindestlohn immer mehr Menschen in den Mindestlohn rutschen und man dann die weniger leistungsfähigen Arbeitnehmer aussortiert.

Es ist immer falsch, wenn sich der Staat in die Preisbildung der Märkte einmischt.
Übergriffige Staaten haben die Eigenschaft, die Schäden, die aus ihrer Politik resultieren, dann hinterher wieder ausgleichen zu wollen, in dem man in anderen Bereichen noch tiefere Eingriffe vollführt, bis dann am Ende alles vom Staat reguliert und kontrolliert wird.

Als Bürger der Ehemaligen DDR habe ich sehr große Vorbehalte gegenüber einem zu neugierigen und übergriffigen Staat.
Fassen wir zusammen... Märchen vom allwissenden Markt, Panik vor dem "übergriffigen Staat", und als rhetorische Nebelkerze noch der DDR-Vergleich, sobald es um Mindeststandards geht.

das liberale Gruselkabinett: Wer Mindestlöhne will, steht schon mit einem Bein in der Planwirtschaft, richtig? Was für eine absurde Überdramatisierung. Der Mindestlohn ist kein Symbol für Staatswillkür, sondern eine demokratisch legitimierte Schutzmauer gegen Lohn-Dumping und Armut trotz Arbeit also das mindeste, was eine funktionierende Marktwirtschaft braucht, um überhaupt gesellschaftliche Akzeptanz zu behalten.

Und diese Ost-West-Nummer ist auch durch: Menschen in Ostdeutschland haben dasselbe Recht auf einen armutsfesten Lohn wie alle anderen. Lebenshaltungskosten sind nicht halb so günstig, wie ständig behauptet wird und wer z. B. in Leipzig, Jena oder Dresden wohnt, zahlt heute fast westdeutsche Mieten bei immer noch niedrigeren Einkommen. Die Idee, Mindeststandards regional zu staffeln, ist nichts anderes als eine Einladung zum Sozialdumping.

Und dann dieses Märchen vom 'realen Lohn': Als ob Armut relativ besser wird, wenn alle im Umfeld auch wenig haben. Das ist neoliberale Romantik vom Prekariat. Wer arbeitet, soll gut leben können, überall.

Wenn du Angst vor dem übergriffigen Staat hast, dann kämpf gegen Überwachung und autoritäre Tendenzen, nicht gegen Löhne, die Menschen vor der Armut retten. Den Mindestlohn mit DDR-Staatskontrolle gleichzusetzen, ist ungefähr so realistisch wie das Argument, eine Schulpflicht sei der erste Schritt zur Zwangsarbeit.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Wähler »

Frank_Stein hat geschrieben: Sonntag 18. Mai 2025, 19:35 Es ist immer falsch, wenn sich der Staat in die Preisbildung der Märkte einmischt.
Mindestlöhne gibt es fast überall in Europa. In Deutschland geht es in der aktuellen Debatte um die Höhe des Mindestlohn. Seit der Einführung des Mindestlohnes will nur noch eine Minderheit den Mindestlohn abschaffen.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Gody hat geschrieben: Mittwoch 21. Mai 2025, 10:13
Aber wehe du willst dann über niedrige Löhne reden, dann heißt es plötzlich, du willst zu viel.

Auch die eigene Lohnentwicklung hat man zu einem einem guten Teil selbst in der Hand indem seine Kompetenzen erhöht und anbietet was andere brauchen.
Und auch hier kann man sich einen anderen Arbeitgeber suchen, wenn man der Meinung ist zu gering entlohnt zu werden.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

3x schwarzer Kater hat geschrieben: Dienstag 20. Mai 2025, 15:15 Das wird durch wiederholte Behauptung nicht wahrer. Selbst der Europäische Rat schreibt in seiner Erläuterung zur Richtlinie, dass die Richtlinie kein bestimmtes Mindestlohniveau vorschreibt. Auch in der Richtlinie selber findet sich keine Vorgabe mit einer Orientierung an 60% des Mindestlohns. Vielleicht einfach mal die Richtlinie lesen.
Nein, durch Wiederholung wird deine Behauptung auch nicht wahrer. Es geht eben nicht um eine starre Vorschrift, sondern um eine klare Zielvorgabe in der EU-Mindestlohnrichtlinie und die lautet sehr wohl: Orientierung an 60 % des Medianlohns und 50 % des Durchschnittslohns als Referenzwerte für angemessene Mindestlöhne. Das steht nicht irgendwo, sondern explizit in Artikel 5 der Richtlinie (EU) 2022/2041.

Zitat gefällig? ‚Die Mitgliedstaaten werden ermutigt, bei der Festlegung und Aktualisierung gesetzlicher Mindestlöhne als Richtwerte Indikatoren wie 60 % des Bruttomedianlohns und 50 % des Bruttodurchschnittslohns heranzuziehen.‘
Das ist kein Zwang, aber ein politisch klarer Kompass, und genau darum geht’s.**

Diese Richtlinie ist nicht nur ein Papiertiger, sie ist bindend und muss von allen EU-Staaten umgesetzt werden. Dass Deutschland das mit seinem aktuellen Mindestlohn noch nicht erfüllt, ist also ein reales politisches Defizit. Wer das kleinredet, will nicht argumentieren, sondern Nebel werfen.

Vielleicht also wirklich einfach mal die Richtlinie lesen, bevor man sich so selbstsicher verrennt.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

3x schwarzer Kater hat geschrieben: Dienstag 20. Mai 2025, 15:20 Ziel erreicht. Der aktuelle Mindestlohn liegt sowohl über dem Existenzminimum als auch über der Armutsgefährdungsschwelle, als auch.

Ist sowieso nur ein Partialproblem. Aktuell arbeiten nur etwa 1,5% der SV-pflichtig Beschäftigten zum Mindestlohn.

Zudem dürften wir kaufkraftbereinigt das Land mit dem wohl höchsten Mindestlohn sein. Praktisch nirgends muss man real mehr für eine nicht vorhandene Kompetenz bezahlen.
Der Mindestlohn liegt nicht über der Armutsgefährdungsschwelle, jedenfalls nicht verlässlich und nicht für alle Haushaltsformen. Wer in Vollzeit 12,82 € verdient, kommt bei 40 Stunden/Woche gerade mal auf etwa 1.600 € netto – in vielen Regionen reicht das kaum für Miete, Strom, Lebensmittel und ein bisschen Würde. Und bei Alleinerziehenden oder Menschen mit Kind? Keine Chance.

Und diese 1,5 % sind eine Milchmädchenzahl: Sie ignoriert die hunderttausenden Menschen in Minijobs, Teilzeit, Leiharbeit und prekären Arbeitsverhältnissen, die unter oder knapp über dem Mindestlohn kleben, ohne echte Aufstiegsperspektive. Es geht also nicht um eine Mini-Randgruppe, sondern um strukturell verankerte Dumpinglohnbereiche.

Kaufkraftbereinigt liegen wir übrigens nicht europaweit an der Spitze, selbst das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) bestätigt das. Frankreich, Luxemburg und die Niederlande etwa liegen deutlich vor Deutschland. Und der Satz ‚nicht vorhandene Kompetenz‘ entlarvt endgültig, worum es dir geht: Es ist die alte Geringschätzung gegenüber einfacher Arbeit, Putzen, Kassieren, Pflegen, Ernten, alles Tätigkeiten, ohne die dein Alltag zusammenbräche. Aber natürlich ist es bequem, die Leute kleinzureden, statt ihnen einen fairen Lohn zuzugestehen.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Gody hat geschrieben: Mittwoch 21. Mai 2025, 12:28 : Orientierung an 60 % des Medianlohns und 50 % des Durchschnittslohns als Referenzwerte für angemessene Mindestlöhne. Das steht nicht irgendwo, sondern explizit in Artikel 5 der Richtlinie (EU) 2022/2041.
.
Ich kenne die Richtlinie natürlich. Artikel 5 beschreibt das Verfahren zur Festlegung angemessener Mindestlöhne. Dazu braucht es logischerweise Referenzwerte. Hier werden im Artikel beispielhaft 60% des Medianlohns und/oder 50% des Durchschnittslohnes genannt. Das sind jedoch lediglich Beispiele. Welche Referenzwerte ein Land nimmt, ob andere internationale oder eigene nationale bleibt jedem Land selber überlassen.
Daraus nun zu konstruieren, die Richtlinie schreibe mindest 60% des Medianlohns als ML vor ist absurd und zeigt allenfalls von mangelndem Textverständnis.

Oder um nochmal den Europäischen Rat in seiner Erläuterung zur Mindestlohnrichtlinie zu zitieren:
Ein von den Mitgliedstaaten zu erreichendes bestimmtes Mindestlohnniveau ist nach der Richtlinie jedoch nicht vorgeschrieben.
https://www.consilium.europa.eu/de/poli ... mum-wages/
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Gody
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

3x schwarzer Kater hat geschrieben: Dienstag 20. Mai 2025, 15:55 Wer 40h/Woche zum ML arbeitet hat mindestens 1.600 €. Die Armutsgefährdungsschwelle (nicht Armutschwelle, die liegt noch darunter) liegt bei etwa 1.400€. Damit ist man nicht arm, wenn man Vollzeit zum Mindestlohn arbeitet.
Diese Milchmädchenrechnung kann man vielleicht in der BWL-Erstiwoche bringen, aber nicht, wenn es um reale Lebensverhältnisse geht. Die 1.600 € netto beim Mindestlohn sind bestenfalls eine Momentaufnahme für Alleinstehende ohne Kinder, ohne Schulden, ohne hohe Miete, ohne Pflegebedarf, ohne irgendwas. Und auch das nur in günstigen Gegenden.

Die Armutsgefährdungsschwelle ist eine statistische Linie, sie berücksichtigt nicht, ob man davon real Miete, Strom, Krankenversicherung, Mobilität und gesunde Ernährung stemmen kann. In München oder Köln kannst du dir mit 1.600 € netto nicht mal ein WG-Zimmer leisten, geschweige denn ein Leben mit Teilhabe.

Und dann mal ganz konkret: Was ist mit Alleinerziehenden? Was ist mit Paaren mit Kind(ern)? Da reicht der Mindestlohn eben nicht. Der Niedriglohnsektor ist in Deutschland größer als in fast jedem anderen westlichen Industrieland und das trotz Mindestlohn. Der war von Anfang an zu niedrig und ist immer noch keine Armutsfeste untere Haltelinie.

Es geht nicht nur darum, knapp über einer willkürlichen Linie zu hängen. Es geht um die Frage: Reicht die Arbeit zum Leben, oder nicht? Wer das ernsthaft mit einem Taschenrechner wegrechnet, hat das Grundproblem nicht verstanden, oder will es gar nicht verstehen.
Die arbeiten in der Regel alle nicht zum Mindestlohn. Pflegehelfer z.B. haben mindestens einen Stundenlohn von 15,50€. Auch für die anderen Beispiele wird in der Regel mehr bezahlt. wer zum ML arbeiten muss hat in der Regel ein Kompetenzproblem, dass mehr in der eigenen Person als in den Tätigkeiten.
Die Schuld liegt in der Person“, das ist die altbekannte Arroganz derer, die meinen, persönliche Leistung sei der einzige Maßstab, obwohl sie selbst in einem System sitzen, das systematisch von den Leistungen der angeblich „Unqualifizierten“ profitiert.

Wer ernsthaft behauptet, Pflegehelferinnen würden pauschal 15,50 € oder mehr verdienen, lebt entweder in einer PR-Broschüre des Gesundheitsministeriums oder hat noch nie eine Pflegerin nach ihrer Lohnabrechnung gefragt. Und ja, viele sind auf Mindestlohn oder knapp darüber. Besonders bei privaten Trägern oder Leiharbeitsfirmen.

Dass Menschen mit Mindestlohn ein „Kompetenzproblem“ hätten, ist nichts als die plumpe Reproduktion neoliberaler Elitenmythen. Millionen Menschen arbeiten im Einzelhandel, in der Logistik, in der Reinigung, in der Gastro, in der Altenpflege, im Versandhandel, systemrelevant, aber mies bezahlt. Und nicht, weil sie dumm wären, sondern weil diese Berufe seit Jahrzehnten politisch entwertet wurden.

Wer solche Berufe mit intellektueller Geringschätzung abtut, zeigt nicht nur Empathiearmut, sondern auch, dass er nicht verstanden hat, wie viele Räder in der Gesellschaft ineinandergreifen müssen, damit er morgens überhaupt Brötchen kaufen kann.


Hier ist die Tabelle der OECD mit den Kaufkraftparitäten
https://data-explorer.oecd.org/vis?tm=m ... ]=REF_AREA

Daraus ergeben sich für Luxemburg (15,62 €/h) und die Niederlander (14,06 €/h) folgende Mindestlöhne wenn man sie auf die deutsche Kaufkraft umrechnet:
Luxemburg 12,65 €/h
Niederlande 12,79 €/h

In beiden !ändern ist die Produktivität übrigens höher als in D.
Schön gerechnet aber irreführend. Wer Mindestlöhne „kaufkraftbereinigt“ gegeneinanderstellt, um zu suggerieren, Deutschland sei hier Spitze, betreibt Augenwischerei auf Kosten der unteren Einkommen.

Warum ignorierst du alle Länder, in denen der Mindestlohn real höher ist und wo die soziale Lage trotzdem stabil bleibt? Frankreich, Belgien, Irland, Australien (außerhalb der OECD-Daten), da passt deine Rechnung plötzlich nicht mehr so gut. Selektive Datennutzung nennt man das.
Wer glaubt, man könne aus einer OECD-Kaufkrafttabelle die soziale Gerechtigkeit oder Fairness von Mindestlöhnen herauslesen, beweist vor allem eins: ökonomische Ahnungslosigkeit im Maßstab XXL. Diese Tabellen sagen nichts über Tarifbindung, Arbeitsmarktrealität, Wohnkosten, soziale Sicherungssysteme oder die Verhandlungsmacht der Beschäftigten. Frankreich hat z. B. eine gesetzliche Kopplung des Mindestlohns an die Inflation, davon können wir hier nur träumen. In Australien greift ein ganzes Netz aus branchenbezogenen Mindestlöhnen und Kontrollen, kein Vergleich zur deutschen Minimalvariante

Und wie oft der Mindestlohn tatsächlich zur Anwendung kommt, sagt so ein internationaler Vergleich rein gar nichts aus. Was nützt mir der Verweis auf ein "kaufkraftbereinigt hohes Niveau", wenn:
in Luxemburg der Mindestlohn für deutlich weniger Menschen das reale Einkommen darstellt und in Deutschland Millionen Menschen dauerhaft genau an dieser Schwelle kleben?
Selbst die die keinen Abschluss haben, arbeiten zum weitaus größten Teil nicht zum Mindestlohn. Es braucht also nicht mal eine Ausbildung um mehr zu verdienen. Es reicht offensichtlich schon einfach nur willig zu sein.
Ach so, es reicht also „willig“ zu sein? Dann haben wir's ja endlich: Armut ist kein strukturelles Problem, sondern ein Mangel an Motivation. Dass solche Phrasen immer noch ernsthaft in Umlauf gebracht werden, zeigt, wie weit manche sich aus der Lebensrealität verabschiedet haben.

Die Wahrheit ist: Millionen schuften für Niedriglöhne, oft in systemrelevanten Berufen, unter hohem Stress, mit unregelmäßigen Arbeitszeiten – und verdienen trotzdem nicht genug zum Leben. Und das liegt eben nicht daran, dass sie "nicht wollen", sondern daran, dass unser Arbeitsmarkt jahrzehntelang systematisch auf Lohndumping gebaut wurde.

Wenn es wirklich so einfach wäre, mit „Wollen“ mehr zu verdienen, bräuchten wir keine Mindestlöhne, keine Tarifverträge und auch keine Sozialpolitik. Das ist Sozialdarwinismus.
Wenn arme Menschen nicht in die Gänge kommen, nennt man das - Schmarotzer. Wenn reichen Menschen das passiert, nennt man das - Depressionen.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von 3x schwarzer Kater »

Gody hat geschrieben: Mittwoch 21. Mai 2025, 12:33 Der Mindestlohn liegt nicht über der Armutsgefährdungsschwelle, jedenfalls nicht verlässlich und nicht für alle Haushaltsformen. Wer in Vollzeit 12,82 € verdient, kommt bei 40 Stunden/Woche gerade mal auf etwa 1.600 € netto – in vielen Regionen reicht das kaum für Miete, Strom, Lebensmittel und ein bisschen Würde.
Es besteht kein Anspruch in einer bestimmten Region zu wohnen. Und der Mindestlohn

Und bei Alleinerziehenden oder Menschen mit Kind? Keine Chance.
Auch Knder von Alleinerziehenden haben einen zweiten Elternteil.
Und diese 1,5 % sind eine Milchmädchenzahl: Sie ignoriert die hunderttausenden Menschen in Minijobs, Teilzeit, Leiharbeit und prekären Arbeitsverhältnissen,
Jetzt wird es wirr. Auch Teilzeit ist eine SV-pflichtige Beschäftigung, ebenso wie Leiharbeit. Wobei Leiharbeit in der Betrachtung sowieso außen vor ist, da in der Branche mindestens 14,53€ bezahlt werden.


Kaufkraftbereinigt liegen wir übrigens nicht europaweit an der Spitze, selbst das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) bestätigt das.
Keine Ahnung was das WSI hier rechnet. Wie oben gezeigt und vorgerechnet ergibt der aktuelle Mindestlohn unter Berücksichtigung der aktuellen Kaufkraftparitäten der OECD ein anderes Bild.
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Re: Mindestlohn

Beitrag von Gody »

100wasser hat geschrieben: Dienstag 20. Mai 2025, 16:09 Also bist du doch dafür das wir alle Löhne vom Mindestlohn hoch rechnen?....dürfte nicht einfach werden.

Mindestlohn ist Deutschlandweit gleich , unabhängig von den Lebenshaltungskosten......von München City bis Vogtlandkreis in Sachsen.
Wie soll da eine gerechte Regelung entstehen ?

Beantworte mir mal die Frage : was müsste, deiner Meinung nach, ein Koch pro Stunde bekommen damit ein gerechter Abstand zur Schüler-Küchenaushilfe gewahrt bleibt ?
Als ob die Lösung sozialer Schieflagen wäre, dass wir die Löhne unten klein halten, damit die weiter oben sich nicht ‚entwertet‘ fühlen. Das ist keine Gerechtigkeit, das ist Neid nach unten.

Und diese ewige Leier mit den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten: Soll man dann auch bundesweit unterschiedliche Renten, Kindergeld- oder Grundrechte einführen? Die Lösung kann doch nicht sein, die unterste Stufe abzusenken, sondern alle Löhne systematisch nach oben anzupassen und zwar anhand des verteilungsneutralen Spielraums und basierend auf einem armutsfesten Mindestlohn.

Zum Thema Koch vs. Schülerhilfe: Wenn dein Lohn davon abhängt, dass die Aushilfe möglichst wenig bekommt, dann liegt das Problem nicht bei der Aushilfe, sondern bei einem kaputten Lohngefüge, das seit Jahren nach unten tritt, statt nach oben zu kämpfen.
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