Naja, die Steuerlast - gerade für "Besserverdiener" - war zu Kohls Zeiten ja deutlich höher, als heute ... Und den "Wutbürger" gab so früher ganz sicher auch: Er fand nur nicht "in Echtzeit" in den sozialen Medien und im Internet statt - sondern gejammert und geschimpft wurde beim Abendbrot (Stichwort: "Ekel Alfred") oder am Stammtisch.Tom Bombadil hat geschrieben: ↑Dienstag 30. April 2024, 08:47 Früher war natürlich nicht alles besser, es gab andere Probleme, die bewältigt werden mussten. RAF, Kalter Krieg, hohe Zinsen in den 80ern, hohe Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Probleme im Osten nach der Wiedervereinigung.
Man hatte aber das Gefühl, dass die beiden Helmuts und ihre Teams das irgendwie lösen könnten, man hatte das Gefühl, dass sich gekümmert wird, dass der Bürger nicht einzig und alleine die Melkkuh und sonst nur ein "Wutbürger" ist.(...)
... und abseits der damaligen "langhaarigen Parka-Trägern" (=Grüne, Friedensbewegung) "muckte" halt niemand öffentlich. Der Bürger fügte sich. Für die Politik war das natürlich ein viel angenehmeres, ungestörteres Arbeiten - was in uns den Eindruck verfestigt haben mag, die hätten besser "geführt". Tatsächlich ist uns in jenen Jahrzehnten auch vieles verborgen geblieben ...
Ich bin mir sehr sicher: Was Politik und Weltgeschehen anging, war "früher" (mein Erfahrungshorizont sind da: späte 70er, 80er, 90er) NICHTS besser (gut, einen uns vergleichbar betreffenden Krieg wie den des Herrn Putin gegen die Ukraine gab es nicht...).
Man hatte aber eine andere Distanz zum Geschehen. Wenn es in Asien ein verheerendes Erdbeben mit -zig Toten gab, stand davon zwei Tage später ein Schwarz-Weiss-Bild in der Tageszeitung. Wenn überhaupt. Heute wird jeder Pups in Echtzeit durch's Netz getrieben, direkt gefolgt von der Erregungswelle.
Was früher auch nicht besser war: (Sexualisierte) Gewalt gegen Frauen, (Sexualisierte) Gewalt gegen Kinder, allgemein Kriminalität, Diskriminierung von Gruppen und Minderheiten, Zustand der Umwelt in Deutschland (!), Sorge vor sozialem Abstieg (wer arbeitslos wurde, traute sich, derart stigmatisiert doch nicht mehr aus dem Haus ...).
Ich halte die Menschen heute aber nicht für zwangsläufig für glücklicher oder zufriedener. Die Verbesserung des "drumherum" erzeugt einfach einen gewissen Druck auf die Leute, "mitzuhalten". Früher genügte es, "Durchschnitt" zu sein. Heute muss alles "super" sein.
Die Diskrepanz zwischen dem, was den Leuten medial suggeriert wird, welches Leben sie führen sollten, was sie alles konsumieren sollten, um "dazu zu gehören" - und dem, was davon überhaupt für einen Großteil der Leute realistisch erreichbar ist, ist immer größer geworden. Früher waren die Menschen einfach mit weniger zufrieden, es herrschte mehr Bereitschaft, sich in sein Schicksal zu fügen - und "seinen Platz und er Gesellschaft" zu akzeptieren.
Nein, "besser" oder gar "sicherer" war's früher nicht. Das wurde uns aber nicht 24/7 vor Augen geführt. Heute gibt es da kein Entkommen mehr. Früher sind wir dorthin gegangen, wo es Nachrichten gab: Tagesschau, Zeitung. Heute verfolgt uns jede noch so fragwürdige "News" auf Schritt und Tritt über das Handy.