Also vorneweg - ich habe nichts gegen die Schuldenbremse. Prinzipiell ist es ein Mittel, um Ausgabewut der öffentlichen Hand durch Verknappung in den Griff zu bekommen.
Trotzdem habe ich so meine Zweifel, dass die Mehrheit der Deutschen sich ausreichend sachlich mit der Schuldenbremse auskennt, um diese wirklich bewerten zu können.
Ein typisches Argument von vielen Befragten zum Thema ist beispielsweise, dass man selbst ja auch Haushalten müsste und nicht alles auf Pump kaufen kann....
Das ist zwar richtig - nur leider der falsche Vergleich. Denn der normale Bürger finanziert sich größere Anschaffungen vor allem im Alter von ca. 20-40 - kann dann noch bis zur Rente abbezahlen, und lebt danach mit möglichst wenig Restschulden. Neue Kredite zur Rentenzeit bekommt der normale Bürger nur noch in sehr bescheidenem Umfang mit recht endlichen Laufzeiten, weil die Banken wissen, dass der Betreffende größere Schulden kaum mehr zurückzahlen kann. Da fehlt es an Einnahmen, und es fehlt schlicht und einfach an Lebenszeit.
Bei Staaten ist das etwas anders. Die Einnahmeseite der öffentlichen Haushalte geht nicht in Rente, die geht einfach weiter - und das auch in mindestens gleicher Höhe, aufgrund der Inflation, der Lohnentwicklung etc. etc. etc. steigt das sogar tendenziell.
Der Staat nimmt meist Schulden mit Laufzeiten von 7, 10, 15 und 30 Jahren auf. Und bisher ist es bei deutschen Schuldpapieren des Staates auch so, dass der Staat diese immer und immer wieder bedient. Und es gibt auch kurzfristig keinen erkennbaren Grund, warum das anders sein sollte.
Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern auch in den anderen Industrieländern - und deren Schuldenquote ist teilweise um Faktoren höher, als die Schuldenquote von Deutschland. Warum also ausgerechnet Deutschland ein Problem mit der Finanzierung haben soll, ist nicht so richtig klar, wenn man genauer darüber nachdenkt. Zumindest nicht bei Schuldenquoten deutlich unter 100%.
Bei Privatpersonen ist es so, dass man Kreditfinanzierte Investitionen überwiegend in jüngeren Jahren tätigen soll - auch da wieder, weil es in späteren Jahren nur noch bei wenigen Investitionen sehr wahrscheinlich ist, dass der Betroffene diese zurückzahlen kann, so dass es sich für den Investor lohnt.
Beim Staat ist das aus den oben genannten Gründen anders - sinnvolle Investitionen (also zumindest all die, die eine Rendite wahrscheinlich sein lassen) sollten getätigt werden, weil sonst die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft gefährdet ist.
Und von diesen sinnvollen Investitionen mit ziemlich sicherer Rendite gibt es derzeit viele die notwendig wären.
Beispielsweise Investitionen in die Infrastruktur, Straßen, Schiene, Digitalisierung, Transformation der Wirtschaft in Richtung erneuerbarer Energien etc. etc. etc.....und auch der soziale Wohnungsbau ist durchaus eine sinnvolle Investition und entlastet sogar durch seine Mietpreisdämpfende Wirkung deutliche Teile der Bevölkerung.
Aber auch Investitionen in das Militär scheinen derzeit sinnvoll zu sein.
Aktuell können wir uns diese Investitionen aber nicht so recht leisten. Und die Idee, dass wir dann doch Sozialabbau machen sollten, damit wir mehr Geld für Investitionen haben....überzeugt mich nicht wirklich. Klar - Fehlentwicklungen bekämpfen - das ist sicher richtig und wichtig. Nur - wie viele Brücken werden wir damit bauen können, zumal die Bekämpfung des Sozialmissbrauchs selbst erst mal zusätzliches Geld kostet....also ran an die Rente? Runter mit der Absicherung bei Krankheit und Pflege? Weg mit der Arbeitslosenversicherung? Und statt Sozialhilfe mehr Penner auf den Straßen? Mehr Bettler, Drogenkriminalität, horizontales Gewerbe und und und? Die Menge an Polizei, die wir dann aufstocken müssen, um den Wohlstand der anderen zu erhalten - könnte teuer werden, und ist auch keine wirkliche Investition.
Muss man also doch ran an die Schuldenbremse?
Nicht unbedingt. Erst mal könnte der Staat seine Mittel auch intelligenter einsetzen. Statt direkter Investition auch öfter mal Anschubfinanzierungen. Oder sogar nur gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, die Investitionen in die richtige Richtung lenken. Das kostet erst mal nur ein Gesetz - und noch keine Steuergelder. Und die Wirtschaft kann man auch in Schwung bringen, indem man bürokratische Hürden abbaut.
Und von dieser Art intelligenter Politik gibt es einiges, was man anders machen könnte als heute. Und es gibt immer wieder auch Themen, die in anderen Ländern erfolgreich anders gestaltet werden - mit weniger Bürokratie, und höherem Nutzen. Man muss also nicht alles neu erfinden - man darf ruhig mal abkupfern....
Und auch höhere Steuern und Sozialabgaben wären ein wirksames Mittel, um mehr Spielraum für Investitionen zu schaffen - ohne dass man die Schuldenbremse antastet. Allerdings immer auch mit Nebenwirkungen, die man bedenken muss. Aber eine Zuckersteuer beispielsweise halte ich für überfällig....wenn auch nicht dafür, neue Brücken zu sanieren sondern aus anderen Gründen.
Doch bei allem positiven was ich prinzipiell der Schuldenbremse abgewinnen kann - die aktuelle Ausgestaltung derselben erscheint mir wenig hilfreich zu sein. Wenn wir jetzt ganz toll sparen, aber in 20 Jahren dann aufgrund maroder Infrastruktur nicht mehr Wettbewerbsfähig sind, dann haben wir zwar vielleicht wenig Schulden, wahrscheinlicher ist dann aber, dass wir auch deutlich weniger Einnahmen haben, weil in eine marode Infrastruktur sich moderne Industrien nicht ansiedeln.
Vorschläge für eine Reform gibt es ja mehrere - ich denke, dass das Thema spätestens nach der nächsten Bundestagswahl auch wieder auf dem Tisch liegt, und dann auch angegangen wird. Hoffentlich bleibt dann die Schuldenbremse - und wird nicht abgeschafft, sondern nur intelligent reformiert.