Schnitter hat geschrieben:(01 Jun 2018, 12:12)
Gerichtsurteile zum Straftatbestand "Volksverhetzung" sind einfacher als zum Tatbestand "Taschendiebstahl". Es ist ein leichtes Volksverhetzung einzugrenzen, jeder Jurist kann das bestätigen.
Dass der Paragraf schwer zu fassen ist, ist unbestritten.
Der Deutsche Anwaltverein beschreibt den Tatbestand der Volksverhetzung auf seinem Portal als eher "abstraktes Gefährdungsdelikt", das sich in der Praxis deshalb oft schwer greifen lasse. Jeder Fall müsse also einzeln bewertet, entschieden und in seinen jeweiligen Kontext gesetzt werden, sagt Strafrechtler Lammer:
"Was genau war der Anlass für die Äußerung: War das jetzt reine Gehässigkeit, fand sie im Rahmen einer politischen Diskussion statt? Das und viele weitere Umstände des Einzelfalles muss man alles in die Gesamtbewertung einbeziehen."
Strafrechtler Dirk Lammer vom Deutschen Anwaltverein
Letzten Endes handele es sich bei der Volksverhetzung um einen Tatbestand, der Wertungen beinhalte. Einige würden den Tweet von Beatrix von Storch deshalb als freie Meinungsäußerung mit provokanter Zuspitzung bezeichnen, andere als Volksverhetzung.
https://www.br.de/nachrichten/faktenche ... g-100.html
Je nach politischer und gesellschaftlicher Wetterlage wird sich die Interpretation des Paragrafen also ändern.
Schnitter hat geschrieben:(01 Jun 2018, 12:12)
Du wolltest mir noch einen Link zu den ganzen Revisionsfällen liefern weil der Paragraph wäre ja "Gummi".
Wieso sollte ich das wollen? Inwiefern sollen Revisionsfälle zeigen, dass der Paragraf dehnbar ist? Dazu solltest du lieber den Paragrafen lesen und dir überlegen, was mit den Worten gemeint ist, und wie offen das alles für Interpretation ist.
Manchmal wird dann eben ein Verfahren eröffnet, manchmal nicht, manchmal kommt es zu einer Verurteilung, manchmal nicht; im Grund wird eben nach Ermessen des jeweiligen Staatsanwaltes oder Richters vorgegangen. Das Gesetz lässt sehr viel Spielraum, weil mit Begriffen und Formulierungen gearbeitet wird, die dehnbar sind.
Bei Alexander Gauland wurden die Ermittlungen ja eingestellt, obwohl wohl auch viele hier im Forum seine Äußerungen als Volksverhetzung gewertet hätten:
Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen hat ihre Ermittlungen gegen AfD-Fraktionschef Alexander Gauland wegen Volksverhetzung eingestellt. Staatsanwalt Dirk Germerodt sagte der „Heilbronner Stimme“, die Ermittlungen hätten zu keinem hinreichenden Tatverdacht geführt.
Der damalige AfD-Spitzenkandidat hatte im August 2017 bei einem Wahlkampfauftritt im thüringischen Eichsfeld gefordert, man solle die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz , „in Anatolien entsorgen“. Rund 20 Anzeigen wegen Volksverhetzung waren die Folge. Özuguz wurde als Kind türkischer Eltern in Hamburg geboren.
https://www.nrz.de/politik/afd-mann-gau ... 15711.html
Bei Beatrix von Storch waren sich namhafte Juristen sehr sicher, dass ihr Silvester-Tweet den Tatbestand der Volksverhetzung erfülle:
"Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die Aussage, eine Bevölkerungsgruppe als 'barbarische, muslimische, gruppenvergewaltigende Männerhorden' zu bezeichnen, den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt", sagt Anwalt Kilian Kost dieser Redaktion.
[...]
Auch Martin Heger, Professor für Strafrecht an der Berliner Humboldt-Universität, hält eine Verurteilung durchaus für denkbar. "Normalerweise ist der Spielraum bei politischen Aussagen groß, weil im Meinungskampf vieles erlaubt sein muss, auch wenn es derb ist", sagt er. Aber in von Storchs Beitrag werde eine Gruppe von Menschen pauschal aufgrund ihrer Religion und Herkunft diffamiert "Hier wurde grundlos eine Grenze überschritten."
https://www.morgenpost.de/politik/artic ... Tweet.html
Tja, das war wohl nix, es wurde nicht einmal ein Verfahren eröffnet.
Die Twitter-Nachricht der stellvertretenden AfD-Bundesvorsitzenden Beatrix von Storch zur Kölner Silvesternacht 2017/2018 hat keine juristischen Konsequenzen. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingestellt.
https://www.ksta.de/koeln/silvester-twe ... h-29716614
Die Kölner Polizei hat sich hier ja auch sehr exponiert und gezeigt, dass sie vor allem willens ist, gegen sekundäre Probleme vorzugehen:
Von Storch erscheint aber nicht nur als Täterin. Sie könnte auch Opfer sein – und zwar eines der Kölner Polizei. Diese hatte im Januar mit einer Strafanzeige öffentlichkeitswirksam den Vorwurf der Volksverhetzung gegen die Abgeordnete erhoben. Doch als sich der Verdacht danach in Luft auflöste, so stellt sich jetzt heraus, verschwieg sie es.
https://www.tagesspiegel.de/politik/koe ... 05342.html
Tja, das Versagen an Silvester 2015/16 war wohl sehr bitter, deswegen muss man jetzt umso mehr gegen diejenigen vorgehen, die dieses Versagen anklagen.