Doktor Schiwago hat geschrieben:(06 Jul 2016, 21:04)
Du findest also die Diskriminierung von Angehörigen der russischen Minderheit, die eine eigene Meinung haben und die NATO nicht gut finden, in Ordnung?
Weil sie ihr Menschenrecht auf Meinungsfreiheit in einem EU-Staat wahrnehmen?
Da haste jetzt die Aussage aber gewaltig zusammengeschnipselt und neu gruppiert bis sie einen völlig anderen Sinn ergab. Respekt.
Vielleicht war sie aber auch etwas undeutlich, aber das ist behebbar.
Die Position der russischen Minderheit zu NATO ist erstmal eher Symptom, nicht Thema der Erörterung und selbstverständlich auch jedermanns freie Entscheidung.
Die Frage ist aber, wo und mit welcher Intention wird sie gemacht und warum wird sie ungefiltert übernommen. Warum erreichen die lettischen Medien (die ja möglicherweise eine Gegenposition erläutern) die Leute nicht? Diese Diagnose hat die Autorin in dem Artikel ja u.a. auch gestellt, ich habe sie übernommen.
Deswegen nochmal der Kern: Nicht die Ablehnung der NATO ist das Problem, sondern die Tatsache, das diese von Moskau vorgegeben und kritiklos übernommen wird. Ich würde mir als verantwortlicher Lette die Frage stellen: Gibt Moskau vor, das die Existenz Lettlands nicht richtig ist - übernehmen die selben Personen das dann genau so?
Damit möchte ich Diskriminierung nicht rechtfertigen. Mitgliedschaft (und nichts anderes ist Staatsbürgerschaft im Prinzip) heißt aber eben Rechte und Pflichten. Und dazu gehört für mich ein klares Bekenntnis zu meinem Staat und seinen Organen.
Ich stelle mir da eher ein Europa vor, in dem:
- eine wehrhafte Demokratie so ziemlich alles erlaubt (natürlich im Rahmen der Regeln geordneten Zusammenlebens) - außer ihrer eigenen Zerstörung.
- Nationalismen so weit überwunden sind, dass Menschen nicht andere danach bewerten, welcher Volksgruppe sie angehören - mein bester Freund ein Tscheche und mein bester Feind ein Deutscher sein kann,
- auswärtige Mächte, seien es die USA, Russland oder China oder sonst wer, zwar gehört werden, aber keine Macht haben, Meinungen zu formen,
- Probleme in der EU-Familie gelöst werden oder in demokratischer Form - aber eben von innen und nicht auf Betreiben dritter, auch Austritt möglich ist - siehe Brexit,
- in wirtschaftlicher, politischer und militärischer Selbstbestimmung demokratisch legitimierte Politiker frei von Nationalismus agieren,
- mit den Nachbarn auf Basis international vereinbarter Ordnung Frieden möglich bleibt,
- ...
Ich stelle mir gerade vor, was hier los wäre, wenn man Angehörige der türkischen Minderheit hier in Deutschland diskriminieren würde, weil sie Erdogan gut finden und nicht als Despoten und Diktator sehen, weil ihnen das türkische Medien so sagen.
Ja, die Deutschtürken sind vielleicht ein ganz guter, wenn auch nicht immer zu 100% treffender Vergleich.
Wenn diese Erdogan gut finden, das ist das erst einmal ein innenpolitisches türkisches Problem und hat für Deutschland keine Auswirkung. Wenn diese massenhaft - aus Ankara vorgegeben - versuchen auf die Deutsche Politik Einfluß zu nehmen, dann ist das ein deutsches Problem.
Offensichtlich ist dies aber nicht der Fall. Siehe Völkermordbeschluß Armenien. Zwar hat Erdogan und die veröffentlichte Meinung in der Türkei getobt, aber das hat weder die türkischen Abgeordneten in den deutschen Parteien in ihrer Haltung beeinflusst, noch die haben die türkischen Verbände in Deutschland in die Richtung positioniert.
Heißer scheinen mir da schon die diversen Dschihadisten, Salafisten und sonstigen ...isten, die es definitiv auf unsere demokratische Grundordnung abgesehen haben. Da muss no tolerance gelten...
Ich hoffe, das jetzt etwas klarer gestellt zu haben und möchte darauf verweisen, dass historisch:
- die Nichtloyalität von Minderheiten immer zu Problemen für die Minderheit und/oder den Staat und meistens zu vielen Opfern geführt hat,
- Minderheiten, die auf ihrem Status beharren, gleichzeitig aber dem Gesamtstaat loyal gegenüberstehen, da deutlich bessere Erfahrungen gemacht haben,
- die mögliche Veränderbarkeit von Grenzen meist der Anfang von Kriegen war, insbesondere auch der beiden Weltkriege.