franktoast » Heute 13:00 hat geschrieben:
Ok, grundsätzlich ist so ein Modell ja erstmal interessant. Wenn ich das richtig verstehe, gibt es zB. eine Art zentrale Plattform, die womöglich in staatlichem Auftrag gehosted wird. Dort kann jeder Bildungsinhalte hochladen, die dann jeder Bürger nutzen kann. Nutzt ein Bürger den Inhalt, gibt es Kohle für den Hochlader. Besteht ein Bürger eine Prüfung, bekommt er mehr Grundeinkommen. Dazu hätte ich mal ein paar Fragen. Ich will keiner dieser sein, die sich einfach dumm stellen und alles an dem Vorschlag kritieren, aber ich will mögliche Lösungsansätze hier mal nicht nennen, da du so womöglich nicht mehr darüber nachdenkst und eine bessere Lösung fändest.
1. Wie viel Kohle gibt es für den Anbieter? Unterschiedliche Angebote benötigen unterschiedlich viel Aufwand, diese zu erstellen. Ich könnte mir vorstellen, dass der Staat dies bestimmen müsste. Je mehr ein Angebot nützt, desto mehr Geld gibt es. Wie viel ein Angebot tatsächlich nützt, wäre aber schwer feststellbar. Ich mach zB. einen Brainfuck(Programmiersprache)-Kurs mit, den ich auch bestehe. Diese Programmiersprache wird aber nirgends ernsthaft eingesetzt und dann?
2. Wie erhält man ein höheres Grundeinkommen? Ich meine, wenn ein Java-Programmierer einen Java-Kurs nach dem anderen macht und sonst nichts, dann wird er einen Kurs nach dem anderen locker bestehen. Womöglich müsste er bei manchen Angeboten den Lehrstoff gar nicht anschauen und einfach die Prüfung machen?
3. Von welcher Höhe beim Grundeinkommen reden wir? Was wäre das minimale und maximale Grundeinkommen einer erwachsenen Person? Wie sieht es mit Kindern aus?
4. Wie steigt das Grundeinkommen? Nach jedem bestandenen Kurs? Kommt es auch drauf an, wie man den Kurs besteht? Gäbe es auch sowas wie ein bestandenes Schuljahr?
5. Wäre es auch denkbar, dass jeder Kurs auch etwas Geld kostet?
Das sind durchaus keine leichten Fragen. Aber fangen wir mal an:
1.
Grundsätzlich soll es von der Seite des Staates keine Wertung geben, ob ein Lehrinhalt wichtig ist oder nicht.
D.h. alle Lehrinhalte sollen gleichwertig sein. Allerdings gibt es natürlich eine Hierarchie. Wissen baut aufeinander auf. D.h. höhere Mathematik kann man nicht lernen, wenn man nicht vorher rechnen lernt.
Wenn es ein solches System aber gibt, dann könnte auch die Wirtschaft selbst Prämien verteilen für gewisse Lehrinhalte. D.h. wenn ein Unternehmen dringend Java-Programmierer braucht, dann könnten solche Unternehmen auf relevante Lehrinhalte eine Zusatzprämie auszahlen, wenn jemand die Prüfung darin besteht. So hätte die Wirtschaft eine lenkende Funktion, was die Ausbildung der Bürger angeht.
Letztlich wissen die Bürger jedoch auch sehr genau, was die Unternehmen wollen. Die Ausschreibung für Jobs definieren ja klar, was jemand lernen muss, damit er einen solchen Job bekommt. Und Leute mit Jobs werden weit mehr haben, als andere, die nur ihr Grundeinkommen erhalten.
Zu den Anbietern. Die Höhe ihrer Vergütung muss so angesetzt werden, dass der Staat einerseits geringe Kosten hat und anderseits das Interesse der Anbieter dennoch groß genug ist, dass genügend qualitativ hochwertige Inhalte entstehen. Aber das regelt letztlich der Markt. Ist die Vergütung zu gering, wird sich keiner finden, der Angebote erstellt.
Ich habe keine Bedenken, dass sich das mit der Zeit auf ein effizientes Niveau einpendeln würde.
(Aber wie gesagt, als internationales Projekt ist das viel leichter zu stemmen.)
2.
Die Idee ist ja, dass es zwar verschiedene Kurse gibt, aber letztlich die Prüfung vergleichbar sein muss. D.h. wenn es verschiedene Anbieter eines Lehrprogramms - "JAVA - mein erstes Hello-World-Programm" gibt, dann zählt es für einen Bürger nur einmal, wenn er die betreffende Prüfung dazu ablegt, mit der die Kompetenz nachgewiesen wird. D.h. in dem Fall wird er wohl ein Hello-World ähnliches Programm schreiben müssen.
Wenn er dann auch andere Kurse dazu noch extra belegt, dann bringt ihm das kein höheres Grundeinkommen. Es geht also nur um die Kompetenzen, die man sich aneignet. Der Bildungsfortschritt wird belohnt, nicht das lernen an sich. Es geht also um Erfolg und Leistung und nicht nur darum sich zu bemühen.
3.
Das ist eine interessante Frage. Es wäre nämlich sehr einfach ein solches Grundkommen ganz allmählich einzuführen. Zunächst könnte man mit einem kleinen Taschengeld beginnen. Im Laufe der Zeit erhöht man den Faktor für die Umrechnung von Bildungsstand in Grundeinkommen. Zugleich ändert man das aktuellen Sozialsystem. Stück für Stück würde das Grundeinkommen die heutigen Sozialleistungen ersetzen. (Arbeitslosengeld,HIV,BaföG, Rente(?), usw.)
Zeitgleich kann man auch den Arbeitsmarkt flexibilisieren. Man braucht keine Mindestlöhne, wenn die Bürger ein Bildungsgrundeinkommen erhalten.
4.
Mit jedem Bildungsfortschritt steigt das Grundeinkommen. Allerdings wird das sicher nicht immer gleich spürbar sein. Das wird allmählich im Laufe des Lebens höher.
Sehr klar ist ein solches System für gut definierbare Fächer, wie Mathe, Naturwissenschaften, Softwareentwicklung, Ingenieurwesen usw. Dort gibt klare Kriterien. Jede Kompetenz soll dabei einzeln geprüft werden, deshalb gibt es nur bestanden oder nicht. Es wäre aber auch eine Skala denkbar. Letztlich kann sich so etwas nur natürlich herausbilden - heute darüber zu sprechen ist pure Spekulation. Es ist vieles denkbar.
5.
Ich halte nicht viel davon, für digitale Bildung Geld zu verlangen. Digitale Bildungsinhalte müssen nur einmal erstellt werden - dann macht es keinen Unterschied, ob sie 1000 mal oder 1Mio mal abgerufen werden. Es entstehen für die Ersteller keine weiteren Kosten. Und der Gesellschaft insgesamt (besser noch der Menschheit) dient es viel mehr, wenn mehr Menschen sich bilden. Dadurch steigt die Wirtschaftsleistung - und das sollte es wert sein.