The_Gunslinger » Do 24. Apr 2014, 19:00 hat geschrieben:
Zur zweiten Aussage: Inwiefern soll die Finanzkrise ein Produkt staatlicher Eingriffe sein? Wurden doch die Finanzprodukte, die eine Immobilienkrise überhaupt erst auslösen konnten, durch das Fehlen entsprechender Gesetze (Deregulierung) massenkompatibel gemacht.
1. Das Fehlen von Regeln ist keine Deregulierung! Deregulierung bedeutet
aktiv Regeln abzubauen.
2. Die spanische Immobilienblase wurde getrieben von billigen Geld und den spanischen Behörden, die Baugenehmigungen im Akkord ausstellten. Viele Bauprojekte waren Prestigeobjekte lokaler Politiker. In Griechenland stiegen die Ausgaben zwischen 1998 und 2009 um 150% auf 125 Milliarden €, statt die Verschuldung zu bekämpfen.
3. Der Krise ging weltweit ein längerer Zeitraum vergleichsweise niedriger realer und nominaler Zinssätze voraus. Die US-Notenbank Fed betrieb nach der geplatzten Dotcom-Blase der New Economy – die Kurse an den US-Börsen waren niedrig – eine Niedrigzinspolitik, um die US-Konjunktur zu stimulieren.
Wegen des niedrigen Zinsniveaus konnten sich untere Einkommensschichten ein Eigenheim leisten. Ermutigt durch den niedrigen Leitzins der US-Notenbank und durch die Politik (z.B Community Reinvestment Act) vergaben US-Banken Kredite mit variablem Zinssatz an Schuldner mit mäßiger Bonität. Damit wurde die Blase weiter angeheizt.
4. Die Politik klammerte aus dem Bankgeschäften zahlreiche Finanzaktuere aus. Dazu zählen Hedgefonds oder Private-Equity-Fonds oder Tochterbanken. Die Auslagerung dieser Geschäfte aus den Bankbilanzen mit Hilfe dieser „Schattenbanken“ führte dazu, dass bankaufsichtsrechtliche Regeln zur Risikostreuung und zur Absicherung durch Eigenkapital umgangen werden konnten. Gerade in Deutschland war es die Tochter der HRE, die von der Bafin nicht beaufsichtigt und für Deutschland dann zum Desaster wurde.
5. Die Landesbanken konnten hochriskante Geschäfte mit der Politik im Rücken betreiben. Haftbar war nämlich das Land. Die Landespolitiker drängten die eigenen Banken geradezu in riskante Geschäfte, weil sie mit den Gewinnen die eigenen Haushalte stopften.
6. Die Auslagerung von Risiken in Zweckgesellschaften oder auch der Handel mit Ausfallrisiken in Form von Kreditderivaten wie CDS galten damals als Ausdruck der Innovationskraft des Finanzsektors. Die Deregulierung der Finanzmärkte wurde als Beitrag zur Stärkung der US-Finanzindustrie im internationalen Wettbewerb bewertet und der Finanzsektor wurde als Wachstumsbranche gelobt. Einfache Regularien, die für normale Unternehmen bindend sind, wie Eigenkapitalvorschriften oder Bilanzierungsvorschriften wurden von der Politik gelockert.
7. Griechenland und andere Länder wurden in die EU aufgenommen, obwohl sie nicht die EU-Konvergenzkriterien erfüllten. Weiterhin hat die Politik zwischen 1999 und 2008 wissentlich sowohl die 3%-Hürde für die Nettoneuverschuldung gerissen, als auch die maximal zulässige Staatsverschuldung von 60% des BIP. Es war sogar Deutschland, dass ganz vorne dabei war und unter Schröder die Maastricht-Kriterien verletzte und de facto beerdigte.
Summa summarum hat die Politik wohlwollend die Finanzkrise aktiv provoziert, angeheizt und teilweise durch Nichtstun ermöglicht.
Es wäre nie zu derart großen Kapitalblasen in der Südperipherie gekommen, wenn die Politik nicht das Risiko entkoppelt hätte, indem sie den Markt in falsche Sicherheit gewogen hat und jahrelang Blankoschecks verteilte.
Mit dem ESM oder der indirekten Staatsfinanzierung entkoppelt man erneut das Risiko. Oder warum glaubst du, haben sich die Investoren um die letzte Griechenlandanleihe vor zwei Wochen gerissen?
Weil sie wissen, dass sie fette 4,75% bekommen bei nahezu 0 Risiko. Es haftet schließlich ganz Europa.
Das macht in der Summe drei Milliarden Euro für ein Pleiteland!