GG146 » Mi 11. Dez 2013, 18:45 hat geschrieben:
Das ist grundsätzlich richtig. Man könnte sogar die Auffassung vertreten, dass der Artikel 146 nur deklaratorischen Charakter habe, weil das Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 2 GG sowieso das Recht des Volkssouveräns beinhalte, jederzeit eine neue Verfassung zu fordern.
Allerdings sagt der Art. 146 in Verbindung mit der Präambel alter Fassung noch etwas aus: Die Verfassungsväter und -mütter wollten Grundsatzentscheidungen nur vorläufig treffen, weil die äußere Souveränität der Bundesrepublik zur Zeit des Inkrafttretens des Grundgesetzes aufgrund der Teilung und den Sachzwängen des kalten Krieges geschuldet eingeschränkt war.
Eine dieser Grundsatzentscheidungen war m. M. n. der Bann von Volksabstimmungen auf Bundesebene aus dem GG. Der kann durch die Nichtwahrnehmung des Rechts aus Art. 20 II / Art. 146 GG auch nicht nachlegitimiert werden, weil sich in jeder Abstimmung große Mehrheiten der Bevölkerung für Volksabstimmungen auf allen Ebenen aussprechen und auch die Mehrheit der Parlamentarier laut ihren Parteiprogrammen dafür eintritt.
Eine wesentliche staatsrechtliche Frage wird also derzeit nur von der Sperrminorität der CDU gegen GG - Änderungen entschieden, weil die vorläufige Legitimierung des Banns von VA`en durch den Verfassungsgesetzgeber seit 1990 nicht mehr trägt.
Unter dem Strich ist das ein staatsrechtlich absolut untragbarer Zustand, mit dem die CDU uns allen ein Kuckucksei in das europäische Nest legt. Bei der ersten größeren politischen und / oder ökonomischen Krise Europas wird sich die Vergewaltigung des Demokratieprinzips in Deutschland während des europäischen Einigungsprozesses voraussichtlich als Stolperstein erweisen.
Das sehe ich etwas anders mit dem deklatorischen Charakter des Art. 146. Denn im Gegensatz zum Artikel 20 (2) des GG, ermöglicht der Art 146 dem (gesamten) Deutschen Volk überhaupt erst mal
eine Verfassung in freier Entscheidung zu beschließen, also auf einem friedlichen und nicht revolutionären Weg, bei der "das gesamte Volk" als der Souverän die verfassungsgebende Gewalt ausübt.
Dieser (friedliche) Weg zu einer Verfassung zu kommen geht aus dem Art. 20 explizit nicht hervor, sondern er besagt, dass das Volk der Souverän ist von dem die Staatsgewalt ausgeht und zeigt auf wie es diese Staatsgewalt selbst ausüben kann. Für die Möglichkeit zu einer Verfassung zu kommen, wurde der Art. 146 ins Grundgesetz aufgenommen.
Denn ein derartiges Ausüben von verfassungsgebender Gewalt und die sich daraus ergebende demokratische Legitimation einer Verfassung durch den Souverän, ist weder bei der Ausarbeitung noch dem In Kraftsetzen des Grundgesetzes durch "das Volk" tatsächlich nie geschehen!
Daher kann man auch beim Grundgesetz eben nicht von einer Verfassung bzw. im Art 146 von einer "
neuen Verfassung" sprechen, obwohl es die selben Rechtsbereiche wie eine Verfassung organisiert und regelt.
Das Grundgesetz ist eine vorläufige verfassungsmäßige Ordnung, so wie es im Art 20 (3) i. V. mit Art.146 ausgeführt wird.
Der parlamentarische Rat hat also ganz bewusst darauf verzichtet, solche Attribute wie "neue, andere, weitere, nächste" oder ähnlich geartete in Art. 146 einzubringen, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, dass das GG doch eine Verfassung sei.
Darauf haben sogar schon die Ministerpräsidenten der westdeutschen Besatzungszonen in ihrer Antwortnote vom 10. Juli 1948 an die Militärgouverneure auf die Frankfurter Dokumente deutlich hingewiesen:
"Ein Volksentscheid würde dem Grundgesetz ein Gewicht verleihen, das nur einer endgültigen Verfassung zukommen sollte.
Die Ministerpräsidenten möchten an dieser Stelle noch einmal betonen, dass ihrer Meinung nach eine deutsche Verfassung erst dann geschaffen werden kann,
wenn das gesamte deutsche Volk die Möglichkeit besitzt, sich in freier Selbstbestimmung zu konstituieren;
bis zum Eintritt dieses Zeitpunktes können nur vorläufige organisatorische Maßnahmen getroffen werden."
Gemäß dieser Prämisse hat auch der Parlamentarische Rat gehandelt und das GG nur als "Ordnung (Gesetz) für eine Übergangszeit" ausgearbeitet, was sowohl in der Präambel a. F. (um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben), als auch in einigen Artikeln (z. B. Art. 23 (Dieses Grundgesetz gilt zunächst), Art. 146 (Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage) entsprechend zum Ausdruck kam.
Und die beiden Artikel 29 und Artikel 118 in denen es ausschließlich um Volksabstimmungen bezüglich einer Neugliederung des Bundesgebietes, also Länderzusammenführungen z.B. Berlin-Brandenburg, geht, sind im GG verankert aufgrund des "Dokumentes Nr. II" der Frankfurter Dokumente, in denen es um die Aufforderung zur Überprüfung der Ländergrenzen geht und wegen des von den Militärgouverneuren in "Dokument Nr. I" geforderten Föderalismus Prinzip und dem sicherzustellenden Rechtsschutz dieser Länder.
Die in diesen Artikeln geforderten Volksabstimmungen werden jedoch ausschließlich von und in den jeweilig betroffenen Ländern durchgeführt.
Dabei kommt zwar das in Artikel 20 (2) des GG benannte Recht auf die Ausübung der Staatsgewalt durch "Abstimmung(en)" zum tragen, allerdings nicht auf bundesweiter Ebene.
Das Abstimmungen nicht auf Bundesebene ausgeführt werden können/sollen/dürfen, geht aus dem Wortlaut des Art 20 (2) "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ...", nicht hervor.
Es bleibt also festzustellen das es im GG an keiner Stelle eine Bestimmung gibt, die
das Recht auf bundesweite Abstimmungen verweisend oder ausführend regelt oder gar untersagt.
Aber wem nützt schon ein zugestandenes Recht, welches man es dann doch nur eingeschränkt oder gar nicht ausüben darf?
Doch wohl nur denjenigen, welche die Ausübung dieses Rechtes aus Eigeninteresse um nicht Eigennutz oder Machterhalt zu sagen, seit über 60 Jahren unterbinden!