Clark » Di 12. Mär 2013, 01:48 hat geschrieben: Bislang hat sich noch kein Roma geäussert, dass er einen Staat will. Kennen Sie einen?
Muninn » Di 12. Mär 2013, 03:43 hat geschrieben: Vermutlich meinen Sie, daß Sie nicht wissen ob es diesen Wunsch von Seiten der Roma gibt.
Soviel Mühe kostet es gar nicht, sich über die Minderheit der Sinti und Roma in Europa, die derzeit soviele Diskussionen auslöst, zu informieren.
Ich fange mal an:
Zunächst ist am 8. April (also nicht lange hin) der "Internationale Tag der Sinti und Roma", an diesem Tag fand 1971 der erste Welt-Roma-Kongress in London statt, und es wird deutschland- und europaweit eine ganze Reihe von Informationsveranstaltungen und (vermutlich auch) Sendungen in den Medien bzw. Beiträge in Internet-Blogs und -Foren geben.
Es gibt in Deutschland zahlreiche Selbstorganisations- und Unterstützergruppen, sowohl von Sinti und Roma selbst als auch von "gemischten" Gruppen. Beispielhaft sei hier nur "Amaro Drom" genannt ("Interkulturelle Jugendselbstorganisation von Roma und Nicht-Roma", http://www.amarodrom.de)
Hier in diesem Forum natürlich besonders interessant: Sinti und Roma in nationalen oder europäischen politischen Strukturen. Da sieht es leider sehr mau aus. Bis 1999 war der spanische Roma Juan de Dios Ramírez Heredia für die spanischen Sozialisten Mitglied des EU-Parlaments. Dann gibt es noch die beiden Ungarinnen Lívia Járóka und Viktória Mohácsi, die als Roma-Frauen und Abgesandte der Fidesz-Partei in der konservativen EVP-Fraktion (Europäische Volkspartei), also gemeinsam mit CDU & Co im EU-Parlament sitzen. Letztere ist allerdings Anfang 2012 ausgewandert, und zwar nach gleich nach Kanada (bezeichnend für ganz Europa, wie ich finde).
Bleibt also einzig Lívia Járóka, die - anders als man vielleicht denken könnte - alles andere als eine "Alibi-Kanditatin" der Órbán-Partei ist. Bekannt wurde ihr Name unter anderem durch einen extrem rassistisch-sexistischen Parlaments-Disput mit dem Abgeordneten der bulgarischen ultra-nationalistischen Partei Ataka.
In ihren allerjüngsten Äußerungen beispielsweise greift sie unter anderem das Verhalten der französischen Sozialisten auf, die in der Abschiebepraxis im Vergleich zu Sarkozy (der übrigens selbst ungarischer Abstammung ist) kaum einen Unterschied machen. Die europäische Roma-Minderheit ist in Frankreich ein Spielball politischer Grabenkämpfe geblieben.
Wie groß etwa der Irrtum ist, bei den Sinti und Roma wie selbstverständlich eine homogene - oder überhaupt durchgängig vorhandene - politisch-soziale Haltung vorauszusetzen, geht aus einem der wenigen Interviews und Äußerungen von Járóka hervor, die in Deutsch verfügbar sind (leider noch von 2009): http://www.taz.de/!31106/. Es ist deutlich ablesbar, dass verantwortungsbewussten Vertretern der Minderheit die eigenen Defizite durchaus bewusst sind.