pittbull » Fr 23. Nov 2012, 16:34 hat geschrieben:
Der Meinung der Eltern nach, ist die Beschneidung aber sehr wichtig für das Kind. Sie glauben, dem Kind damit etwas Gutes zu tun. Das Problem ist nunmal die Verletzung des körperlichen Selbstbestimmungsrechts, weshalb auch ich kindliche Beschneidung grundsätzlich kritisch betrachte. Ich bin nur deshalb kein Beschneidungsgegner, weil das Risiko, Beeinträchtigungen durch die Beschneidung zu erleiden, nur sehr gering ist. Weiterhin würde ein kindliches Beschneidungsverbot für gesellschaftlichen Unfrieden sorgen. Daher entscheide ich mich, nach Abwägung der Vor- und Nachteile, gegen ein Beschneidungsverbot.
Das Problem dabei ist, dass gerade Säuglinge nicht selbst ihre Meinung vertreten können bzw. für ihre Rechte kämpfen können, somit besteht eine besondere Verantwortung seitens des Staats, jene "Schutzbefohlenen" samt ihrer Rechte im besonderen Maße zu schützen. Während religiöse Vertreter derzeit zumeist äußerst "lautstark" ihre Unzufriedenheit/Empörung über das Urteil ausdrücken konnten, sind die Kinder mehr oder weniger hilflos, bzw. nicht in der Lage Kritik zu äußern. Selbst bei vergleichsweise harmlosen Formen der weiblichen Beschndeidung ("milde Sunna", "ritual Nick"), die in der Fachwelt als harmloser als die männliche Beschneidung eingeschätzt werden, werden die Grundrechte der Kinder vollständig anerkannt, während dies bei Jungen nicht der Fall sein soll. Diesen Verstoß gegen die Gleichberechtigung finde ich äußerst besorgniserregend.
"Im Juli 2011 ging eine Mutter mit ihrem zweijährigen Sohn in eine kinderchirurgische Praxis in München. Der Junge war bis zu diesem Tag vollkommen gesund, ihm fehlte nichts. Der Junge sollte nach dem Willen seiner Eltern in der Arztpraxis aus religiösen Gründen beschnitten werden.
Während der Narkose gab es einen Zwischenfall, das Kind ließ sich plötzlich nicht mehr beatmen. Der Sauerstoffgehalt im Blut sank ab, das Herz des Kindes hörte auf zu schlagen. Dramatische Szenen spielten sich in den folgenden Minuten ab. Die Ärzte versuchten, das Kind wiederzubeleben, verständigten den Münchner Kindernotarzt. Bei seinem Eintreffen war der kleine Körper seit mindestens zehn Minuten ohne ausreichende Sauerstoffversorgung. Die Wiederbelebung gelang, der Junge wurde im Notarztwagen in unser Krankenhaus gebracht. Dennoch, das Bewusstsein hat dieses Kind nie wieder erlangt, die Hirnschädigung durch den Sauerstoffmangel war zu stark.
Ich erzähle diese Geschichte nicht aus Effekthascherei. Ich erzähle sie, weil sie mich tief betroffen gemacht hat.
Ein gesundes Kind, das morgens - wahrscheinlich fröhlich - noch aus seinem Bett krabbelt, wird am Vormittag einer medizinisch unnötigen Narkose unterzogen und liegt am Mittag - schwerstbehindert für den Rest seines Lebens - auf unserer Intensivstation."
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-87482746.html
Meinen Sie nicht, solche drastischen möglichen Komplikationen setzen eine selbstbestimmte Entscheidung des Einzelnen quasi voraus?
Nochmal zu meiner Frage:
"Wie würden Sie sich denn fühlen, wenn Sie aufgrund einer Zwangsbeschneidung im Säuglingsalter Ihr leben lang unter den Folgen leiden müssten? Finden Sie nicht, dass generell die Kinder ein Recht auf gesunde, vollständig intakte Genitalien haben dürfen, oder gilt dieser Anspruch nur für die holde Weiblichkeit?"