schokoschendrezki » Di 18. Sep 2012, 20:16 hat geschrieben:
Hier geht es bei "Anspruch" aber nicht um meinen persönlichen Geschmack sondern - umgekehrt -
um den Anspruch des Künstlers an sich selbst, an sein Werk und an sein Publikum. Und der ist sowohl bei Rushdie als auch bei Seidl zweifelsfrei vorhanden und bei den Machern des Schmähvideos eben nicht. Völlig unabhängig von der Frage, ob dieser Anspruch tatsächlich auch eingelöst wird oder nicht und von der Frage des technschen und/oder künstlerischen Niveaus.
Aha, und wie will man
das denn bitte messen?
Das liegt doch vollkommen im Auge des Betrachters. Der Autor wird immer eine Begründung finden bzw. einen Anspruch konstruieren. Selbst die Schauspieler im Streifen des Anstoßes denken wahrscheinlich sie hätten eine künstlerisch anspruchsvolle Leistung abgeliefert...
Wenn ein "Künstler" in einem Theater ein Kreuz in eine Flasche steckt und in selbige hinein uriniert, dann soll da irgendwo ein "Anspruch" ans Publikum stecken?
Oder wenn ein Typ einen gekreuzigten Frosch ausstellt?
All diesen "Künstlern" gemeinsam ist, dass es ihnen zuvorderst ums Verletzen von Gefühlen von Menschen geht, deren Überzeugung sie selbst nicht verstehen und nicht teilen können.
Obwohl ich für die Lösung b) (Toleranz) plädiere halte ich von dieser Art "Künstler" persönlich wenig bis nichts. Denn religiöse Überzeugungen sind nun mal
Herzens- und nicht
Kopfangelegenheiten.
Diese menschliche "Schwäche" lässt sich halt bestens ausnutzen um billig verletzende Witze machen zu können und Gefühle von Menschen in den Schmutz zu ziehen, denen man sich überlegen fühlt. Seidl fühlt sich ganz sicher nicht als Christ. Und der Flaschenpisser auch nicht.
Zu solchen Aktionen braucht es auch keinen großen Intellekt, nur eine Menge Arroganz, sowie Respekt- und Gewissenlosigkeit.
Da es keine objektiven Wahrheiten in Herzensangelegenheiten gibt kann man -meiner Meinung nach- auch keine roten Linien definieren, ohne dass diese Definition die eigenen persönlichen Ansichten widerspiegeln.
Vielleicht ein Beispiel?
Dürfte der Film
Submission" Ihrer Meinung nach die Zensoren passieren, oder müsste auch dieser Film indiziert werden?
Und wie würden Sie Ihre Entscheidung begründen?
Einem Sender wie arte zu unterstellen, einen Beitrag, der potenziell Probleme mit Christen hervorruft zu senden, einen potenziell islamkritischen jedoch nicht, ist ein ziemlich starker Vorwurf und sollte schon irgendwie belegt werden.
Es war zwar sehr polemisch formuliert, aber es war eine ernstgemeinte Frage an Sie:
Glauben Sie (...), dass Arte einen äquivalenten Film über eine mit einem Koran masturbierende Muslima drehen würde?
Ich halte es für völlig undenkbar, und liefere Ihnen gerne als Indiz für meine These die Tatsache, dass der Film "Submission" bislang auf Arte
nicht gezeigt wurde und wohl auch niemals werden wird, obwohl er immerhin zur Ermordung seines Regisseurs geführt hat und vom Stil her durchaus in die "Kurzschluss"-Reihe von Arte passen würde.
Man lässt die Finger davon...
schokoschendrezki hat geschrieben:Die Verfilmung des Persepolis-Comics etwa, die zu etlichen Drohungen von seiten islamischer Länder führte, wurde mehrfach auf arte gezeigt.
Stimmt, den Film habe ich sogar gesehen und bin begeistert von ihm!
Kann aber beim besten Willen nicht verstehen, warum Islamisten was dagegen hatten -außer, dass er sich halt für freiheitliche Werte einsetzt und eine Provokation gegen das iranische Mullah-Regime darstellt.
Der Film ist zwar melancholisch, vermittelt aber eine tiefe menschenfreundliche Botschaft und ganz sicher keine blasphemische.
Also kein Vergleich zu Seidls Intellektuellenporno.
Jedenfalls nach meinem persönlichen künstlerischen Anspruchsdenken.
De gustibus non est disputantum - lassen wir also besser die Finger von Zensur!
