ThorsHamar » Fr 20. Jul 2012, 10:31 hat geschrieben:
Das klingt eigentlich ganz vernünftig, aber es gibt in Deinem Text imho zwei gravierend, grundlegend falsche Prämissen:
1. Wachstum als eine Basisdefinition des Kapitalismus bedeutet in der Endkonsequenz immer nur Eines: MEHR Gewinn erwirtschaften!
Qualitatives Wachstum, wie Du es beschrieben hast, also anders gesagt "Technologieverbesserung" ist eine rein technische Komponente und hat mit dem notwendigen Wachstum im Kapitalismus nur in sofern zu tun, als bessere Technologien dazu dienen KÖNNEN ( eben nicht müssen), Gewinn zu vergrössern.
Manche Technologien verhindern z.B. maximale Gewinne und werden deshalb mit gewaltigem ideologischem Aufwand von Lobbyisten verhindert.
Mehr Gewinn bedeutet nicht "prozentual mehr Gewinn" sondern es bedeudet 10 % Gewinn bei Preis X ist eben mehr als 10 % Gewinn bei Preis Y, wenn X > Y. Soweit so einfach. Wenn ich durch technologische Verbesserung etwas produziere, dass besser ist, kann ich einen höheren Preis verlangen und mache mehr Gewinn.
Du hast natürlich Recht, dass einzelne Gruppen bestimmte technologische Fortschritte verhindern wollen, weil sie ihr eigenes Geschäft gefährden. Dieses Problem löst die Marktwirtschaft ganz gut, so lange es genügend Akteure gibt, die in der Lage sind, mit neuer Technologie selbst ein Geschäft zu machen.
Erzielter Gewinn muss aber immer von jemand Anderem bezahlt werden!!!!! IMMER!
Das stimmt, aber es zwingt Dich meistens niemand, eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Vielleicht hast Du das entsprechende VWL 101 Kapitel auch gelesen: In einem (theoretischen) System perfekten Wettbewerbs sind die ökonomischen Gewinne gleich Null. Erzielt eine Firma mit einem Produkt viel Gewinn, ist der Anreiz für andere Firmen hoch, auch in den Markt einzutreten und einen Teil der Gewinne für sich abzuknapsen. Die Summe der Gewinne dürfte dabei sinken.
In der Praxis funktioniert das auch ganz gut, wie man am Markteintritt Apples in den Markt der Mobiltelefone sieht.
Und genau an dieser Stelle geraten für eine Grundsatzdiskussion über den Kapitalismus die technologischen Werte in den Hintergrund.
Kapitalismus funktionierte bis "neulich" immer gleich, egal ob technologisch mit Dampfmaschine oder Internet.
Wobei der böse Kapitalismus nicht ganz unschuldig daran ist, dass wir von der Dampfmaschine zum Internet gekommen sind.
Jetzt, seit ein paar wenigen Jahren, kommt lediglich und scheinbar eine neue Qualität hinzu, nämlich das Offensichtlichwerden der bis dahin weitgehend im Verborgenen agierenden Banken.
Die mangelhafte Regulierung des Finanzsektors ist ein echtes Problem, keine Frage. Es ist aber weniger ein Problem des Kapitalismus an sich, wenn in Deutschland doch in großem Maße staatseigene Banken sich mit Staatsschulden verspekuliert haben.
Mein Vorschlag:
Früher wurden in extremen Krisen Kriege inszeniert und danach ein ( Soft)Reset des Systems gestartet, bis zur nächsten sog. Krise.
Ironischerweise hast Du in einem Aspekt recht: Unser zum Glück in Frieden vereintes Europa hat das Problem, dass ihm der externe Aggressor fehlt, gegen den es sich vereinen müsste um so schließlich zu einem Bundesstaat zu werden. Vielleicht ist das die unintendierte Folge der Geschichte: Wir haben Krieg aus Europa verbannt und damit die Einigung Europas unmöglich gemacht.