Ist die Kritik an Qatar rassistisch?

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harry52
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Ist die Kritik an Qatar rassistisch?

Beitrag von harry52 »

Wir, Deutschland und andere aus dem Westen,
sind angeblich rassisitisch, weil wir Qatar so stark kritisieren. Das hört man aktuell sehr oft aus Qatar und anderen arabischen Staaten.

Aber ist das wirkich so?
Meine Meinung dazu ist, dass Rassismus sicherlich bei manchem Kritiker eine Rolle spielt und ja, es gibt auch bei uns im Westen viele Rassisten. Aber der Vorwurf ist insgesamt falsch.

Lasst uns doch mal darüber nachdenken,
was wir kritisieren und ob wir das nur bei den Arabern tun.


1. Frauenrechte und Emanzipation.

Die Wahrheit ist doch, dass wir das auch bei uns immer wieder zum Thema machen und das seit mehr als 100 Jahren.

Man denke an den Kampf fürs Frauenwahlrecht, gegen das Abtreibungsverbot, gegen Frauenhandel, ....
Tausende Dinge, darunter auch kultureller Art wurden in den westlichen Staaten kritisiert und führten zu Veränderungen. Man könnte riesige Romane darüber schreiben, was alles kritisiert und geändert wurde.

Gerade ist Alice Schwarzer 80 Jahre alt geworden,
die seit 60 Jahren das zum Thema gemacht hat und sie hat meist Deutschland und nicht Arabien kritisiert.

Aktuell sind auch die USA diesbzgl. stark in der Kritik,
weil dort in einigen Staaten die Abtreibung wieder verboten wurde und man denke an Trump, der massiv und völlig zu Recht für seinen Rassismus und seine "Frauenfeindlichkeit" kritisiert wurde.
...

2. Niedrige Löhne, geringer Arbeitsschutz...
Liebe Araber, das Thema ist ähnlich wie das Thema "Frauen" ständig Anlass für Kritik auch bei uns. Auch mit dem Thema kann man ganze Bibliotheken füllen.

Auch das ist eine falsche Anschuldigung,

zu behaupten, wir würden nur die Araber kritisieren.

3. Korruption:
Korruptionsvorwürfe gibt es ständig im Westen und auch gegen westliche Politiker, Funktionäre, Unternehmer... Beckenbauer und Blatter waren auch dvon betroffen. Nicht nur Putin, Russland und Qatar wurden kritisiert. Das stimmt einfach nicht!

4. Kritik an Kultur:
gibt und gab es massiv auch an Kultur in westlichen Staaten. Ein paar Stichworte: Todesstrafe und Waffenbesitz in den USA, Fast Food, Plastik, Froschschenkel, Stierkampf, Alkohol und andere Drogen, die zur Kultur gehören, Kindererziehung durch Prügel, .....

Es gibt und gab auch bei dem Thema massenhaft Kritik an alten Sitten und Gebräuchen.
"Gut gemeint" ist nicht das Gleiche wie "gut gemacht".
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Der Neandertaler
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Re: Ist die Kritik an Qatar rassistisch?

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo harry.
harry52 hat geschrieben:Wir, Deutschland und andere aus dem Westen,
sind angeblich rassisitisch, weil wir Qatar so stark kritisieren. Das hört man aktuell sehr oft aus Qatar und anderen arabischen Staaten.
NA ja, rassisitisch würd ich das nicht zwingend nennen, aber ein wenig moralische Arroganz schwingt im Hintergrund schon mit. Der Ton macht die Musik! Wir beurteilen diese Länder immer aus und mit unserer Sicht.

Einerseits regieren wir nicht immer unzweideutig - wir üben Kritik etwa an den Machenschaften dieser Herrschaftsformen, betreiben aber Handel mit diesen Ländern.
Fressen kommt also vor der Moral?!?

Andererseits ist die Wahrnehmung einer Minderheit (oder auch nur einer ökonomischen Minderheit) eine andere ... eine etwas radikalere Sichtweise. Ein Polizist, der eine Gruppe afrikanisch aussehender Jugendlicher kontrolliert, wird immer (vielleicht zutreffende) sachliche Gründe (etwa Erfahrungswerte) anführen. Wohingegen die Jugendlichen dieses schon als auf Stereotypen und äußerlichen Merkmalen basierendes Agieren bzeichnen werden - als "Racial Profiling".
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
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harry52
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Re: Ist die Kritik an Qatar rassistisch?

Beitrag von harry52 »

Der Neandertaler hat geschrieben: Sonntag 4. Dezember 2022, 14:11 Einerseits regieren wir nicht immer unzweideutig - wir üben Kritik etwa an den Machenschaften dieser Herrschaftsformen, betreiben aber Handel mit diesen Ländern.
Fressen kommt also vor der Moral?!?
Ja, das hört man immer wieder, aber diese Kritik hat mehrere Schwächen:

Erstens:
Wenn wir Handel treiben, weil diese Länder Güter besitzen, die wir in der benötigten Menge nicht in Demokratien bekommen können, dann wäre was die Alternative?

a) Einmarschieren?
Den Monarchen oder den Diktator stürzen, eine Demokratie errichten (was oft nicht funktioniert), oder gleich das Land zur Kolonie machen und die Güter stehlen?

Das hat man früher gemacht,
aber das ist nicht nur enorm teuer, sondern auch blutig.

b) Darauf verzichten?
und was hat das dann für Folgen? Wir sehen ja jetzt schon nur bzgl. des Russland Embargos, wie das die Ärmeren trifft und wie problematisch das für unsere Demokratie ist.

Wenn der komplette Westen auf sämtliche Rohstoffe: [
wie Erdgas, Erdöl, seltene Erden, Kupfer, Gold, Lithium, Aluminium, Holz .... und auch auf die tausende Produkte verzichtet, die man aus Diktaturen importiert, dann??? Was dann??? Hast Du dir das mal überlegt, was das für Folgen hätte?

Zweitens:
Wenn man nicht den Verstand verloren hat, kann man nicht sämtliche Diktaturen boykottieren. Das wäre der totale Zusammenbruch der Weltwirtschaft und das würde auch keineswegs für mehr Sicherheit und weniger Blutvergießen sorgen.

Und "Wandel durch Handel" ist auch nicht komplett gescheitert.
Wir sollten nicht übersehen, dass viele Diktaturen beendet wurden. Denke an Länder wie Griechenland, Spanien, Polen, Tschechien, Estland, .... Gastarbeiter aus Spanien, Urlaub in Spanien, Handel mit Spanien... war nicht so falsch.

Drittens:
Wie oben schon aufgezählt, kritisieren wir Homophobie, Ungleichheit von Frauen, schlechte Arbeitsbedingungen, inhumane Kultur wie Stierkampf, mangelnde Demokratie .... keineswegs nur in Qatar.

Wir haben all das auch bei uns seit vielen Jahrzehnten kritisiert
und das oft mit dem Erfolg, dass sich viel verändert hat. Wir reden nicht mit gespaltener Zunge, weil wir sogar viel viel viel öfter bei uns über solche Dinge reden, als bei anderen.
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garfield336
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Re: Ist die Kritik an Qatar rassistisch?

Beitrag von garfield336 »

Rassistisch nicht, trotzdem ist das ganze Auftreten extrem dämlich.

Was hat es gebracht, ausser Hohn und Spott und diplomatischen Spannungen?
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harry52
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Re: Ist die Kritik an Qatar rassistisch?

Beitrag von harry52 »

Was in Russland gescheitert ist,
ist doch, dass wir viel zu wenig das Putin Regime kritisiert haben. Wir haben zugeguckt, wie Putin sämtliche kritische Medien verboten hat, wie er Morde begangen hat, Kriege geführt hat ... und auch den hybriden Krieg gegen uns.

Wie Putin rechte Parteien unterstützt hat, ständig im RT gehetzt und gelogen hat....

Wir waren zu unkritisch.
Wir haben 2006 nicht auf Litwinenko gehört, viele Jahre auch nicht auf Kasparow, Chordorkowski.... und nicht auf die Esten, Letten, Polen, Ukrainer...
"Gut gemeint" ist nicht das Gleiche wie "gut gemacht".
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harry52
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Re: Ist die Kritik an Qatar rassistisch?

Beitrag von harry52 »

garfield336 hat geschrieben: Montag 5. Dezember 2022, 15:04 Rassistisch nicht, trotzdem ist das ganze Auftreten extrem dämlich.
Jein.
Das mit der Binde hatten sich sieben Fußballverbände ausgedacht und das Handzeichen wirkt jetzt dämlich, weil wir ausgeschieden sind.

Die Briten sind ganz begeistert von ihrer Mannschaft.
Total begeistert. Die werden gerade wie Helden gefeiert und dass sie bei der Binde eingeknickt sind, ist kein Thema.
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garfield336
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Re: Ist die Kritik an Qatar rassistisch?

Beitrag von garfield336 »

harry52 hat geschrieben: Montag 5. Dezember 2022, 15:15 Jein.
Das mit der Binde hatten sich sieben Fußballverbände ausgedacht und das Handzeichen wirkt jetzt dämlich, weil wir ausgeschieden sind.

Ich fand es sofort dämlich.
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harry52
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Re: Ist die Kritik an Qatar rassistisch?

Beitrag von harry52 »

garfield336 hat geschrieben: Montag 5. Dezember 2022, 15:04 Was hat es gebracht, ausser Hohn und Spott und diplomatischen Spannungen?
Kann sein, aber Du hast mit Sicherheit nicht
mit Frauen und Homosexuellen aus den arab. Staaten geredet, die sich ein anderes Arabien wünschen.

Die gibt es ja auch.
Es gibt da auch eine Doku von ZDFInfo (bzw. eine auch von der BBC) über solche Frauen. Die lieben unseren Westen, viele sind sogar in den Westen geflohen.

Mit wem hast Du
aus dieser Gruppe gesprochen und was sagen die?

Ich habe vor kurzem auch beinen Bericht aus Saudi Arabien gesehen
und dort dürfen Frauen viel mehr als noch vor 10 Jahren und die sagen zu uns im Westen: Mehr Kritik!!! Mehr Druck!!!

Die wollen nicht, dass wir die Klappe halten, weil es peinlich ist und angeblich nichts bringt.

Und guck mal auf die Frauen im Iran,
die ihre Kopftücher verbrennen und ihr Leben riskieren, nur um so zu leben wie bei uns in den westlichen Demokratien.

Woher haben die das denn,
dass ein Land auch anders sein kann. Dass es 'Länder gibt, wo Frauen gleich und frei sind.

Woher wissen die das?

Antwort: Aus dem Westen! Aus dem Internet! Sind wir der Westen wirklich so peinlich und gescheitert?

Und was ist mit China?
Woher wissen die, die dort demonstrieren, dass man mit Corona auch anders umgehen kann? Antwort: siehe oben!
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Der Neandertaler
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Re: Ist die Kritik an Qatar rassistisch?

Beitrag von Der Neandertaler »

harry, erstens bezog ich meine Antwort nicht direkt "nur" auf Qatar. Zweitens: die Alternativen zum Durchsetzen unseres ökonomischen Handelns, sind mir durchaus bewußt. Ebenso, daß diese in der heutigen, globalen Welt kaum duchführbar sind. Aber es kommt eben auf den einerseits erhobenen moralischen Zeigefinger im Zusammenspiel mit dem wirtschaftliche Handeln ... dem Tun an.
Daß der Gas-Liefervertrag zwischen Quátar und Deutschland gerade zum jetzigen Zeitpunkt (so kurz nach der moralischen, emotional geführten Kritik) öffentlich gemacht wurde, ... wohl kein Zufall?!?

Ich fand diese Kritik schon immer etwas überzogen ... heuchlerisch.
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
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Der Neandertaler
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Re: Ist die Kritik an Qatar rassistisch?

Beitrag von Der Neandertaler »

harry52 hat geschrieben:[*]]Was in Russland gescheitert ist,
ist doch, dass wir viel zu wenig das Putin Regime kritisiert haben. Wir haben zugeguckt, wie Putin sämtliche kritische Medien verboten hat, wie er Morde begangen hat, Kriege geführt hat ... und auch den hybriden Krieg gegen uns.

Wie Putin rechte Parteien unterstützt hat, ständig im RT gehetzt und gelogen hat....

Wir waren zu unkritisch.
Wir haben 2006 nicht auf Litwinenko gehört, viele Jahre auch nicht auf Kasparow, Chordorkowski.... und nicht auf die Esten, Letten, Polen, Ukrainer...
harry, als Ergänzung dazu fallen mir immer Martin Niemöllers Worte ein:
  • "Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
    Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
    Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter.
    Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte."
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
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