Fairness zahlt sich aus?!

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Choelan
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Fairness zahlt sich aus?!

Beitrag von Choelan »

Was, wenn die Annahme, der Mensch sei ein Homo Oeconomicus, nicht stimmt?
http://www.zeit.de/campus/2009/01/inter ... tas?page=1

Ich finde die Ergebnisse dieser Experimente bemerkenswert, es spiegelt ziemlich deutlich den Kurswechsel in der Volkswirtschaftslehre wieder, den ich als Student auch wahrnehme. Die neuere Institutionenökonomik und Verhaltensökonomische Aspekte werden im Moment immer mehr in den Fokus gerückt - was viele alte Modelle wohl vollkommen obsolet erscheinen lässt. Mir passt es zwar nicht, aber es kann sein, dass in 5-10 Jahren sämtliche Inhalte meines Studiums veraltet sind.

Aber was bedeutet das für die Realität?
Dass die Verweise auf die "Neid-Debatte" möglicherweise eine größere Daseinsberechtigung haben als angenommen? Dass die Spaltung der Gesellschaft in arm und reich langfristig auch ökonomische Effekte haben könnte, die jetzige Wirtschaftswissenschaftler noch gar nicht vorhersehen können?


Angesichts der Experimente von Prof. Falk stellt sich die Frage, ob sich die gegenwärtige Einkommensverteilung evtl. irgendwann zu einem Boomerang entwickelt, mit dem Milton Friedman und Keynes niemals gerechnet hätten! Im Prinzip basieren sowohl (neo)Liberalismus als auch Keynesianismus auf der Annahme, dass der Mensch rational handelt und entweder durchs rationale Handeln auch automatisch die Gesellschaft profitiert, oder aber das rationale Handeln zwar wichtig ist, aber der Staat die schwächeren vor der Rationalität der Stärkeren schützen muss.

Kann man daraus Plädoyers für eine möglichst freie Marktwirtschaft ableiten (denn der Mensch ist ja sowieso altruistisch) oder kann man daraus ableiten, dass bspw. Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem Verhältnis stehen müssen, dass ihnen gegenseitige "Bestrafung" (im Spieltheorie Slang) ermöglicht? Also bspw. eine Stärkung des Streikrechtes?

Fragen über Fragen, die zwar abstrakt sind, aber doch sehr konkrete Auswirkungen haben könnten.

PS: man könnte es auch ins Philosophie Forum verschieben.
Zuletzt geändert von Choelan am Mittwoch 11. Februar 2009, 15:09, insgesamt 1-mal geändert.
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Perdedor
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Re: Fairness zahlt sich aus?!

Beitrag von Perdedor »

Choelan hat geschrieben: Kann man daraus [a)] Plädoyers für eine möglichst freie Marktwirtschaft ableiten (denn der Mensch ist ja sowieso altruistisch) oder kann man daraus [b)] ableiten, dass bspw. Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem Verhältnis stehen müssen, dass ihnen gegenseitige "Bestrafung" (im Spieltheorie Slang) ermöglicht?
a) gilt ja scheinbar nicht. Falk sagt dazu:
"Man darf das nicht mit Altruismus verwechseln! Gegenseitigkeit kann auch negative Folgen haben. Das Ultimatumspiel ist ein Beispiel dafür: Wenn der zweite Spieler zustimmt, beträgt die Summe immer zehn Euro, egal, wer wie viel bekommt. Lehnt er ab, ist alles verloren."
In den genannten Versuchen war der Mensch eben häufig genug NICHT altruistisch (der Ultimatumspieler oder der Chef haben zu wenig Geld abgegeben).

b) könnte man aus dem Artikel schließen. Denn der Mangel an Altruismus, richtete in dem Ultimatumspiel ja einen konkreten volkswirtschaftlichen Schaden an. Umverteilung wäre demnach notwendig damit überhaupt jemand etwas bekommt.

Aber war das alles im Wesentlichen nicht ohnehin schon bakannt? Ich meine mal gelesen zu haben, dass es ab einem Gini Index von >0,45 mit deutlich erhöhter Wahrscheinlichkeit zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in Staaten kommt. Und das ein Streik zunächst mal volkswirtschaftlich schädlich ist, ist wohl auch klar.

edit: Ich denke auch nicht, dass dies die bisherigen Lehren der Volkswirtschaft wirklich in Frage stellt. Die Teilnehmer handelten ja langfristig betrachtet durchaus rational. Sie wollten durch die Bestrafung einen Lerneffekt erreichen.
Zuletzt geändert von Perdedor am Mittwoch 11. Februar 2009, 19:32, insgesamt 1-mal geändert.
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beerserk
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Re: Fairness zahlt sich aus?!

Beitrag von beerserk »

Choelan hat geschrieben:Was, wenn die Annahme, der Mensch sei ein Homo Oeconomicus, nicht stimmt?
http://www.zeit.de/campus/2009/01/inter ... tas?page=1

Ich finde die Ergebnisse dieser Experimente bemerkenswert, es spiegelt ziemlich deutlich den Kurswechsel in der Volkswirtschaftslehre wieder, den ich als Student auch wahrnehme. Die neuere Institutionenökonomik und Verhaltensökonomische Aspekte werden im Moment immer mehr in den Fokus gerückt - was viele alte Modelle wohl vollkommen obsolet erscheinen lässt. Mir passt es zwar nicht, aber es kann sein, dass in 5-10 Jahren sämtliche Inhalte meines Studiums veraltet sind.

Aber was bedeutet das für die Realität?
Dass die Verweise auf die "Neid-Debatte" möglicherweise eine größere Daseinsberechtigung haben als angenommen? Dass die Spaltung der Gesellschaft in arm und reich langfristig auch ökonomische Effekte haben könnte, die jetzige Wirtschaftswissenschaftler noch gar nicht vorhersehen können?


Angesichts der Experimente von Prof. Falk stellt sich die Frage, ob sich die gegenwärtige Einkommensverteilung evtl. irgendwann zu einem Boomerang entwickelt, mit dem Milton Friedman und Keynes niemals gerechnet hätten! Im Prinzip basieren sowohl (neo)Liberalismus als auch Keynesianismus auf der Annahme, dass der Mensch rational handelt und entweder durchs rationale Handeln auch automatisch die Gesellschaft profitiert, oder aber das rationale Handeln zwar wichtig ist, aber der Staat die schwächeren vor der Rationalität der Stärkeren schützen muss.

Kann man daraus Plädoyers für eine möglichst freie Marktwirtschaft ableiten (denn der Mensch ist ja sowieso altruistisch) oder kann man daraus ableiten, dass bspw. Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem Verhältnis stehen müssen, dass ihnen gegenseitige "Bestrafung" (im Spieltheorie Slang) ermöglicht? Also bspw. eine Stärkung des Streikrechtes?

Fragen über Fragen, die zwar abstrakt sind, aber doch sehr konkrete Auswirkungen haben könnten.

PS: man könnte es auch ins Philosophie Forum verschieben.
Man muss Rationalität nicht nur auf Geldgewinn reduzieren. Denn es kann durchaus rational sein jemanden unter Geldverzicht zu bestrafen wenn einen diese Bestrafung mehr Nutzen stiftet (geistige Befriedigung) als das Geld. (Nutzentheorie)
Die experimentelle Wirtschaftsforschung beschäftigt sich halt mit solchen Sachen um Verhaltensweisen des Menschen zu erforschen.
Choelan
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Re: Fairness zahlt sich aus?!

Beitrag von Choelan »

Perdedor hat geschrieben:
a) gilt ja scheinbar nicht. Falk sagt dazu:
"Man darf das nicht mit Altruismus verwechseln! Gegenseitigkeit kann auch negative Folgen haben. Das Ultimatumspiel ist ein Beispiel dafür: Wenn der zweite Spieler zustimmt, beträgt die Summe immer zehn Euro, egal, wer wie viel bekommt. Lehnt er ab, ist alles verloren."
In den genannten Versuchen war der Mensch eben häufig genug NICHT altruistisch (der Ultimatumspieler oder der Chef haben zu wenig Geld abgegeben).

b) könnte man aus dem Artikel schließen. Denn der Mangel an Altruismus, richtete in dem Ultimatumspiel ja einen konkreten volkswirtschaftlichen Schaden an. Umverteilung wäre demnach notwendig damit überhaupt jemand etwas bekommt.

Aber war das alles im Wesentlichen nicht ohnehin schon bakannt? Ich meine mal gelesen zu haben, dass es ab einem Gini Index von >0,45 mit deutlich erhöhter Wahrscheinlichkeit zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in Staaten kommt. Und das ein Streik zunächst mal volkswirtschaftlich schädlich ist, ist wohl auch klar.

edit: Ich denke auch nicht, dass dies die bisherigen Lehren der Volkswirtschaft wirklich in Frage stellt. Die Teilnehmer handelten ja langfristig betrachtet durchaus rational. Sie wollten durch die Bestrafung einen Lerneffekt erreichen.
a)
Naja, die Sache ist ja, dass im Neoliberalismus davon ausgegangen wird, dass der "Bestrafungscharakter" automatisch durch die Entscheidung des Nachfragers für einen alternativen Anbieter zustande kommt - so rum war es gemeint. In einem vollkommen freien Markt würde so automatisch eine gewisser Gönnertätigkeit zustande kommen - wobei Altruismus da wirklich die falsche Formulierung ist.

b)
Naja...eben keine Umverteilung von Geld, sondern Umverteilung von Macht. Die Entscheidung, wieviel umverteilt wird, sollte auf Falk aufbauend ja eben nicht zentral gelenkt werden, sondern aus der individuellen Erkenntnis heraus geschehen, dass wenn man nicht freiwillig (!) umverteilt, eine Strafe wartet. Überspitzt gesagt: Statt Hartz4 Bezügen 5 Kilo Semtex für jeden Arbeitslosen.

Das Problem dass ich bei der bisherigen VWL sehe, ist dass sie eben diesen Bestrafungscharakter gar nicht versucht, zu kalkulieren. Jedenfalls die letzten 50 Jahre, mittlerweile ändert es sich. Und die Bestrafung ist ja laut Falk eben NICHT rational;
Die Versuchsteilnehmer haben sich scheinbar bewusst gegen einen geringen Gewinn und für gar keinen Gewinn entschieden, sobald sie den Eindruck hatten, dass der Gegenüber sich zu viel rausnimmt. Das ist absolut nicht das, was man vom Homo-Oeconomicus erwarten würde.
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Re: Fairness zahlt sich aus?!

Beitrag von Choelan »

beerserk hat geschrieben:

Die experimentelle Wirtschaftsforschung beschäftigt sich halt mit solchen Sachen um Verhaltensweisen des Menschen zu erforschen.
Soweit ich das sehe, haben sie aber noch keinerlei Einfluss auf die VWL genommen. Im Gegenteil, (ich lerne gerade für Mikro2) ist der perfekte Homo Oeconomicus Prämisse für so ziemlich alle Untersuchungen und Modelle zum Verhalten von Märkten. Ich hab grad nen bissl das Gefühl antiquierten Bullshit zu lernen - Micro suckt ohnehin schon derbe ;)
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Perdedor
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Re: Fairness zahlt sich aus?!

Beitrag von Perdedor »

Choelan hat geschrieben: Naja, die Sache ist ja, dass im Neoliberalismus davon ausgegangen wird, dass der "Bestrafungscharakter" automatisch durch die Entscheidung des Nachfragers für einen alternativen Anbieter zustande kommt - so rum war es gemeint.
Und wenn es keine Alternative gibt? Das war in den Experimenten ja der Fall (und in der Realität häufig genug auch).
Choelan hat geschrieben: Naja...eben keine Umverteilung von Geld, sondern Umverteilung von Macht.
Schwierig. Die Macht der Mächtigen besteht ja gerade im Wesentlichen darin, dass sie Geld haben.
Choelan hat geschrieben: [...] sondern aus der individuellen Erkenntnis heraus geschehen, dass wenn man nicht freiwillig (!) umverteilt, eine Strafe wartet.
Wenn man nicht FREIWILLIG umverteilt, wartet eine STRAFE? Klingt paradox.
Choelan hat geschrieben: Und die Bestrafung ist ja laut Falk eben NICHT rational;
Das sehe ich anders. Ich denke, die Versuchsteilnehmer setzten auf einen Lerneffekt.
Das Experiment hört da in der Realität ja nicht auf:
Vgl. (Ultimatumspiel):
Variante a):
1. Versuch: Spieler 1 bietet 2 Euro, Spieler 2 lehnt ab.
2. Versuch: Spieler 1 hat gesehen, dass er mit 2 Euro nicht durchkommt und bietet 5 Euro, Spieler 2 nimmt an.
Gewinn Spieler 2: 5 Euro.
Variante b):
1. Versuch: Spieler 1 bietet 2 Euro, Spieler 2 nimmt an.
2. Versuch: Spieler 1 hat gesehen, dass Spieler 2 sehr genügsam ist und bietet 1 Euro.
Egal was Spieler 2 nun macht, er hat auf jeden Fall weniger als bei Variante a).
Es ist also durchaus rational von Spieler 2 im ersten Fall abzulehnen, wenn er (durch bisherige Erfahrung) von einem Lerneffekt ausgeht.
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lamb of god
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Re: Fairness zahlt sich aus?!

Beitrag von lamb of god »

Als erstes irritiert mich wie der Opener bei diesem Thema auf die Namen Friedman und Keynes kommt.Weder der Eine noch der Andere haben sich mit Verteilungstheorie sowie deren individuellen und gesellschaftlichen Motivationen auseinandergesetzt. Alle beide haben zur Erklärung ihrer Modelle jeweils bestimmte Verteilungsmodelle vorausgesetzt, aber sie haben keine entwickelt. Was sie getan haben war höchstens ihr Modell im Folgenden dazu zu verwenden zu erkären zu welchem Verteilungsmodell eine Ökonomie unter Anwendung ihres eigenen tendieren kann.Bestenfalls hätten sie also ein Zirkelschlussverteilungsmodell entwickelt.

Dass die Experimente tatsächlich aussagekräftige Interpretationen über volkswirtschaftliche Vorgehensweisen zulassen wage ich zu bezweifeln. Was mir bei Diskussionen um dieses Thema immer wieder auffällt, ist dass
-die wichtigste Person bei diesen Spielen regelmäßig völlig ignoriert wird
-die Spielergebnisse ohne Sinn und Verstand extrapoliert werden

Die wichtigste Person bei all diesen Spielen ist der Spielleiter. Er gibt nicht nur die Regeln vor, sondern sorgt auch dafür, dass sie eingehalten werden. Gehen wir in die Praxis. Wir erweitern Experiment I. Es spielen nicht mehr 2 sondern ... 2Mio Spieler mit. Bevor ich weitermache ein paar Fragen.
1. Wie heißt der Spielleiter?
2. Welche möglichen Aktionen aus dem Zweispielerexperiment sind im 2Mio-spielerexperiment weiterhin gültig?

... 8)
2005 vs.2009

Hallo Oslo! Seit wann wird der Nobelpreis für einen Wahlkampf verliehen???
Choelan
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Re: Fairness zahlt sich aus?!

Beitrag von Choelan »

lamb of god hat geschrieben:Als erstes irritiert mich wie der Opener bei diesem Thema auf die Namen Friedman und Keynes kommt.Weder der Eine noch der Andere haben sich mit Verteilungstheorie sowie deren individuellen und gesellschaftlichen Motivationen auseinandergesetzt. Alle beide haben zur Erklärung ihrer Modelle jeweils bestimmte Verteilungsmodelle vorausgesetzt, aber sie haben keine entwickelt. Was sie getan haben war höchstens ihr Modell im Folgenden dazu zu verwenden zu erkären zu welchem Verteilungsmodell eine Ökonomie unter Anwendung ihres eigenen tendieren kann.Bestenfalls hätten sie also ein Zirkelschlussverteilungsmodell entwickelt.

Dass die Experimente tatsächlich aussagekräftige Interpretationen über volkswirtschaftliche Vorgehensweisen zulassen wage ich zu bezweifeln. Was mir bei Diskussionen um dieses Thema immer wieder auffällt, ist dass
-die wichtigste Person bei diesen Spielen regelmäßig völlig ignoriert wird
-die Spielergebnisse ohne Sinn und Verstand extrapoliert werden

Die wichtigste Person bei all diesen Spielen ist der Spielleiter. Er gibt nicht nur die Regeln vor, sondern sorgt auch dafür, dass sie eingehalten werden. Gehen wir in die Praxis. Wir erweitern Experiment I. Es spielen nicht mehr 2 sondern ... 2Mio Spieler mit. Bevor ich weitermache ein paar Fragen.
1. Wie heißt der Spielleiter?
2. Welche möglichen Aktionen aus dem Zweispielerexperiment sind im 2Mio-spielerexperiment weiterhin gültig?

... 8)
1.
Es sind keine direkten Forderungen, aber doch Implikationen von Friedmann und Keynes.
Friedmanns Liberalismus resultiert letzten Endes in einer Stärkung der Eigenverantwortung und dem Glauben, dass jeder alles erreichen kann.
Keynes Unterbeschäftigungsmodell resultiert in der Forderung nach einem Sozialstaat, denn dieser ist offensichtlich nötig, wenn Unterbeschäftigung der Normalzustand ist. Vollbeschäftigung vs. Unterbeschäftigung war gemeint - und diese beidem Modelle sprechen eben nicht (!) von Verteilungsgerechtigkeit!

2.
Das wird nur die Zeit zeigen können. Bisher spricht die Realität für dich. Wobei ich halt glaube, dass der verhaltensökonomische Ansatz eben einiges auf den Kopf stellt.
Im Übrigen gibt es ja bewusst keinen Spielleiter, weil man lediglich Interaktionen beobachten will. Dass allein diese Interaktionen ausreichen, um so ungefähr 2/3 der Mikroökonomik auf den Kopf zu stellen, finde ich beachtlich.
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lamb of god
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Re: Fairness zahlt sich aus?!

Beitrag von lamb of god »

Choelan hat geschrieben: 1.
Es sind keine direkten Forderungen,aber doch Implikationen von Friedmann und Keynes.
Die Argumentation ist so nicht stimmig. Danach ist de facto jeder Ökonom auch jemand der Verteilungsmodelle aufstellt. Das ist so eben nicht richtig.Anstatt hier Namen x-beliebiger Nationalökonomen zu kommen, hättest du z.B. mal die Namen von Neumann oder Nash einbringen müssen. Die haben sich nämlich tatsächlich mit sowas beschäftigt.
Choelan hat geschrieben:2.
Das wird nur die Zeit zeigen können. Bisher spricht die Realität für dich. Wobei ich halt glaube, dass der verhaltensökonomische Ansatz eben einiges auf den Kopf stellt.
Er stellt gar nichts auf den Kopf. Es ist nur der unseeligen Arroganz von Mikroökonomen zu verdanken, dass sie meinen Familienmodelle auf Volkswirtschaften übertragen zu können.
Choelan hat geschrieben:Im Übrigen gibt es ja bewusst keinen Spielleiter, weil man lediglich Interaktionen beobachten will.
Natürlich gibt es einen Spielleiter. Sowohl in den Experimenten als auch in der Realtät. Ich will es nicht in die Länge rausziehen, darum zur Beantwortung der beiden Fragen.
Der Spielleiter heißt Staat
Die Antwort auf Frage 2 lautet keine
Choelan hat geschrieben:Dass allein diese Interaktionen ausreichen, um so ungefähr 2/3 der Mikroökonomik auf den Kopf zu stellen, finde ich beachtlich.
Ich finde da gar nichts beachtlich. Wer die oben aufgeworfenen Fragen aus Experimenten wirklich realistisch beantworten will muss sich doch nicht nur mit den Teilnehmern, sondern vor allem mit den jeweiligen Randbedingungen beschäftigen. Nicht nur, dass die so gar nicht existieren ... die existierten noch nie so, weil die Akteure nämlich nirgendwo auf dem selben ökonomischen Level interagieren. Was die Experimentatoren da tun ist etwa so, alos ob ein Physiker die Fallgesetze untersuchen will, aber gleichzeitig leugnet, dass es sowas wie Gravitation überhaupt gibt. Das interessiert diese Sorte von Ökonomern aber nicht. In deren Modellen startet der halbverhungerte Afrikaner eben auf dem selben Level wie ein Bill Gates und am Ende wundern sich die Ökonomen tatsächlich darüber, warum ihre nicht selten mathematisch komplizierten Modelle immer wieder in der Praxis versagen.

Sicher kann man mit den Experimenten Indizien für die der Spezies Mensch innewohnenden Verhaltensmuster darlegen. Zur Aufstellung ökonomischer Modelle waren und sind sie aber völlig ungeeignet. Selbst das primitivste Räuber-Beuteschema beschreibt ökonomische Interaktionen besser, als die Konklusionen die aus den benannten Experimenten vorgenommen werden.
2005 vs.2009

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ralphon
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Re: Fairness zahlt sich aus?!

Beitrag von ralphon »

Die sogenannte "reine Ökonomie" wurde von Oppenheimer als der Zustand definiert, in dem beide Tauschpartner einen gleich hohen Nutzen haben - soweit wie man den Tausch objektiv bewerten kann. Wenn man Fairness quantifizieren will, muß man Methoden haben, systematische Ungleichgewichte herauszufinden. Die Experimente aus dem Eingangsbeitrag haben als Gegenstand aber die subjektive Bewertung. Du könntest damit höchstens herausfinden, wie ein Lehrgangsteilnehmer es mal ausgedrückt hat "wie man seine Leute so über den Tisch zieht daß sie die Reibung als Nestwärme empfinden".
Choelan
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Re: Fairness zahlt sich aus?!

Beitrag von Choelan »

lamb of god hat geschrieben:Die Argumentation ist so nicht stimmig. Danach ist de facto jeder Ökonom auch jemand der Verteilungsmodelle aufstellt. Das ist so eben nicht richtig.Anstatt hier Namen x-beliebiger Nationalökonomen zu kommen, hättest du z.B. mal die Namen von Neumann oder Nash einbringen müssen. Die haben sich nämlich tatsächlich mit sowas beschäftigt.
a) Ich rede von Implikationen, ich habe nie behauptet, dass Keynes oder Friedmann selber ein Verteilungsmodell entwickelt haben. In der Realität gibt es nun mal eher Keynesianisch oder eh liberal angehauchte Verteilungsmodelle. Anstatt hier also mr. Großkotz heraushängen zu lassen, kannst du auch anfangen Texte richtig zu lesen.
lamb of god hat geschrieben:Er stellt gar nichts auf den Kopf. Es ist nur der unseeligen Arroganz von Mikroökonomen zu verdanken, dass sie meinen Familienmodelle auf Volkswirtschaften übertragen zu können.
Ja. Vllt. raffen sie jetzt mal, dass sie von falschen Prämissen ausgehen. Verhaltensökonomie bricht das vllt. endlich mal auf, hat ja bloß 40 Jahre gedauert.
lamb of god hat geschrieben:Natürlich gibt es einen Spielleiter. Sowohl in den Experimenten als auch in der Realtät. Ich will es nicht in die Länge rausziehen, darum zur Beantwortung der beiden Fragen.
Der Spielleiter heißt Staat
Ja nun, im Prinzip gibt es den doch. Der Spielleiter stellt Regeln auf, die die anderen befolgen müssen. Je nach Spiel haben beide Spieler unterschiedliche Möglichkeiten, zu bestrafen und zu teilen. Der logische nächste Schritt, wäre die Reaktionen zu erforschen wenn der Spielleiter selber umverteilt. Versteh mich nicht falsch:
Ich finde die VWL partiell ziemlich unseelig (ich mag dein Stiglitz Zitat^^), aber es ist leider Realität, dass die Wirtschaftswissenschaften ziemlichen Einfluss auf unser Leben haben. Deshalb hoffe ich, dass sie zumindest die blödsinnigsten ihrer Prämissen ablegen, dazu gehört für mich der Homo Oeconomicus.



lamb of god hat geschrieben:Ich finde da gar nichts beachtlich. Wer die oben aufgeworfenen Fragen aus Experimenten wirklich realistisch beantworten will muss sich doch nicht nur mit den Teilnehmern, sondern vor allem mit den jeweiligen Randbedingungen beschäftigen. Nicht nur, dass die so gar nicht existieren ... die existierten noch nie so, weil die Akteure nämlich nirgendwo auf dem selben ökonomischen Level interagieren. Was die Experimentatoren da tun ist etwa so, alos ob ein Physiker die Fallgesetze untersuchen will, aber gleichzeitig leugnet, dass es sowas wie Gravitation überhaupt gibt. Das interessiert diese Sorte von Ökonomern aber nicht. In deren Modellen startet der halbverhungerte Afrikaner eben auf dem selben Level wie ein Bill Gates und am Ende wundern sich die Ökonomen tatsächlich darüber, warum ihre nicht selten mathematisch komplizierten Modelle immer wieder in der Praxis versagen.
Si. Wobei die Informationsasymetrie mittlerweile elementarer Bestandteil auch der Mikroökonomik ist. Aber wie so oft, traut sich kein VWLer mal weiterzudenken, was Informationsasymetrie überhaupt für Auswirkungen auf die Modelle hat ;). Dass gerade die Mikroökonomik gewaltiger Bullshit ist, weiß ich selber - das hindert mich aber nicht daran, Entwicklungen dort mitzuverfolgen - denn nichtsdestotrotz hat sie gewaltigen Einfluss auf unser Leben.


lamb of god hat geschrieben: Sicher kann man mit den Experimenten Indizien für die der Spezies Mensch innewohnenden Verhaltensmuster darlegen. Zur Aufstellung ökonomischer Modelle waren und sind sie aber völlig ungeeignet. Selbst das primitivste Räuber-Beuteschema beschreibt ökonomische Interaktionen besser, als die Konklusionen die aus den benannten Experimenten vorgenommen werden.
Sind ja noch in den Kinderschuhen^^
Zuletzt geändert von Choelan am Donnerstag 12. Februar 2009, 14:57, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Fairness zahlt sich aus?!

Beitrag von beerserk »

Choelan hat geschrieben: Soweit ich das sehe, haben sie aber noch keinerlei Einfluss auf die VWL genommen. Im Gegenteil, (ich lerne gerade für Mikro2) ist der perfekte Homo Oeconomicus Prämisse für so ziemlich alle Untersuchungen und Modelle zum Verhalten von Märkten. Ich hab grad nen bissl das Gefühl antiquierten Bullshit zu lernen - Micro suckt ohnehin schon derbe ;)
die hyperrationalität des homo oeconomicus ist zwar nicht immer gegeben aber wie schon gesagt muss nicht gerade das rational sein wo man am meisten geld bekommt. Es kommt auf den Nutzen an. Und Nutzentheorie wirst du ja dann schon gehabt haben. Bei uns in Magdeburg waren Experimente an der Tagesordnung und unser Dekan hat dafür extra ein Labor installiert an den Studenten an vielen Experimenten teilnehmen können und sich etwas dazuverdienen können.

Mikro ist halt Theorie interessanter wirds dann bei Wirtschaftspolitik.
Buchtip
Joachim Weiman "Wirtschaftspolitik" Sehr verständlich geschrieben mit vielen Beispielen aus der Realität.
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