An dieser Stelle möchte ich allen Interessierten einen Einblick in das Leben einer anderen Person gewähren. Das Spiel ist ein philosophisch - politisches Gedankenexperiment und besteht aus einer Geschichte, die sich um das Leben eines irrealen Menschen dreht, dem sie am Ende der Geschichte bei einer Entscheidung helfen sollen. Hier gibt es zwar keine Spaßgarantie, doch ich finde die Idee spannend. Die Geschichte entspringt dem Reich meiner Imaginationen, aber das macht sie nicht weniger wahr. Ich hoffe mir gelingt es, einen nachvollziehbaren Charakter zu formen. Einige Stunden gebe ich mir dafür. Es ist vorteilhaft, wenn man sich etwas in den Protagonisten hineinversetzen kann.
Auf geht’s

Anton war ein wenig anders. Das war jetzt so, während er sinnierend in Selbstreflexion in seinem Wohnzimmer auf- und abschritt; und auch früher schon im Kindergarten, wo er am liebsten alleine war. Die anderen Jungen spielten mit der neuen Autorennbahn und Anton hätte diese auch gerne ausprobiert, jedoch ahnte er bereits, dass sie kaputt sein würde bevor er dazu kam und tatsächlich geschah es dann auch so. Die Erzieherinnen hatten seinen Rat ignoriert. Er kannte solche Loopingbahnen bereits, ebenso wie die Tatsache, dass man damit ein wenig umgehen können sollte. Nichts für Kinder, die sich wie Tiere verhielten um auch mal ein paar Runden zu fahren.
In der Schule lernte er seine ersten, richtigen Freunde kennen. Zusammen waren sie eine Gruppe von vier Leuten, die sich gerne von den anderen Chaoten fernhielt. Nach der Grundschule jedoch zog Anton in ein ländlich gelegenes Haus, zu weit entfernt von seinen Freunden um einen dauerhaften Kontakt in dieser Form aufrechterhalten zu können. Neue Freunde zu finden war schwer und er geriet mit dem Typen in Streit, der die Drogen vertickte. Anton spielte fortan viele Videospiele. Die Schule war ihm egal. Das war nur der Ort, an dem man zu seinem Geburtstag beglückwünscht wurde indem man festgehalten und mit einem Zirkel abgestochen wurde. Der Ort an dem man gedemütigt wurde. Und vor allem war es jedem egal. Die Lehrer bekamen ja höchstens mal mit, wie jemand etwas gemobbt wurde. Wie schlimm sollte das schon sein.
Nach der Orientierungsstufe sollte er die Hauptschule besuchen. Jedoch fand Anton das daneben und fand sich dann wenigstens in der Realschule wieder. Ursprünglich wollte er doch einmal naturwissenschaftliche Arbeiten durchführen und die Hauptschule war dafür nicht der richtige Wegbereiter. Geophysik wäre doch toll. Antons Noten jedoch wurden immer schlechter.
Die Schule war für ihn einfach die Hölle und jede Zeit, in der er diese vergessen konnte war die bessere Zeit.
Sogar Mädchen hatten es schon auf ihn abgesehen: „Den kannst du ruhig schlagen, der wehrt sich nicht.“
Wie es halt so ist, wurde Anton philanthropischer Misanthrop. Er mochte ja eigentlich Menschen, aber er erwartete auch ein wenig; und das brachte Enttäuschungen mit sich.
Was war die Ursache? Verhielt er sich so falsch? Es war nicht richtig andere zu schlagen – oder etwa doch? War es nötig sich zu verstellen, damit man den Wunschvorstellungen anderer entsprach?
Nein. Der Verstand wird ja mit der Zeit reifer, das Innewerden der Dinge verändert sich stets und man sollte dabei bleiben, wer man wirklich ist. Ein Original. Keine schlechte Kopie von anderen.
Die Menschen mit denen Anton sich noch befreundete waren immer nur Bekannte, mit denen man mal etwas machen konnte. Die Zeit rieb sich an Anton wie eine Feile an Holz. Er machte seine Schulabschlüsse und ging seiner Wehrpflicht nach. Beim Bund fanden ihn irgendwie die meisten cool, weil er den Feldwebeln ordentlich den Marsch blies, manchmal einfach nur, weil er es nicht akzeptierte unangemessen angesprochen zu werden. Anton rechnete immer mit fiesen Bestrafungen, aber so oder so hatte wohl keiner Lust ihn am Wochenende in der Kaserne zu lassen.
Irgendwie zog das Leben an Anton vorüber. Seine Versuche eine Ausbildung abzuschließen scheiterten. Er ließ sich einfach nichts gefallen. Die Zeiten waren seit der Schule einfach vorbei. Es ging nicht mehr. Das Problem: Die Vorgesetzten saßen am längeren Hebel. Natürlich hatte ein Azubi Rechte, aber mal ehrlich: Wenn jmd. einen Azubi loswerden will, ist das gar kein Problem und andernfalls wäre die Atmosphäre im Betrieb auch alles andere als toll und was hätte er sich so noch gefallen lassen müssen. Kein Mensch war mehr oder weniger wert als er.
Schließlich wurde Anton auch von Depressionen geplagt. Er akzeptierte einfach alles was geschah. Der Tod eines Familienangehörigen war kaum mehr als ein Schulterzucken wert. Er hatte sich immer gesagt, er wäre besser als die anderen. Ein echter Edelmensch. Ehrvoll und mit reinem Gewissen. Eine wichtige Regel für ihn, die ihm den gewollten Abstand zu gewöhnlichen Menschen einbrachte. Wie hätte er so irgendjemanden ein Produkt verkaufen können, das nichts taugt, nur, weil es sich im Lager wundstand? Eine unehrenhafte Tat. Natürlich ging es ihm letztlich in keinem Betrieb gut.
Sein letztes Arbeitsangebot war dann besonders furchtbar. Zweimal hatte er den womöglich zukünftigen Chef getroffen. Alles war abgesprochen worden. Doch der Vertrag war eine Beleidigung:
„Alle vorherigen Absprachen gelten als nichtig…. absolutes Stillschweigen zu bewahren … Geheimnisverrat nach § ……“
Der Job basierte auf Mindestlohn, forderte jedoch, dass viele entstehende Kosten selbst getragen werden müssten. Mit Arbeitslosengeld 2 hätte man weit mehr verdient.
Es war so viel falsch gelaufen. Woran lag das?
Anton war immer bemüht ein guter Mensch zu sein. Etwas das andere gewöhnlich nicht von sich behaupten konnten. Auch nicht als diese Leute einfach weitergingen, als seine Mutter, mit dem kleinen Anton an der Hand, geschlagen wurde. Anton war sich überhaupt sicher, noch nie einem guten Menschen, wie er ihn definieren würde, begegnet zu sein. So viele Hoffnungen und Träume waren zerstört worden. Der kleine naive Strohhalm, dass die Politiker schon alle Missstände beseitigen würden, war nicht vorhanden, wie er schnell begriff, als er sich früher mal damit befasste.
Wie konnte man nur glauben, dass „die da oben“, sich für eine bessere Welt einsetzten würden.
Das Gegenteil war der Fall.
Er fühlte sich verraten. Die Menschen waren seine Feinde. Ihn selbst als Menschen zu bezeichnen wäre für ihn eine Beleidigung gewesen. Den Begriff Edelmensch hingegen könne man schon erwarten. Anton erinnerte sich an seinen Lieblingsfilm „Königreich der Himmel“ und an dem darin vorkommenden Satz „Was für ein Mann ist ein Mann, der nicht die Welt verbessert?“
Er erschuf eigene Gesellschaftssysteme und überprüfte die Bestehenden.
Es war offensichtlich, dass Menschen nur Tiere sind. Es ginge am Ende des Tages nur um Egoismus und Profit. Sie wollen eine Gesellschaft nicht, um zusammen großes zu erreichen, sondern nur, weil sie selbst davon profitieren wollen. Ähnlich wie bei den Hyänen beispielsweise. Fast zwangsweise musste dabei jeder Edelmensch ins Elend getrieben werden, da solche sozialer waren, was Menschen ausnutzen konnten. Was für ein Irrglaube, der Mensch würde sich durch Vernunft und Logik vom Tier unterscheiden. Man müsse doch kein Genie sein um zu begreifen, dass das was in dem Land geschieht, nichts mir Vernunft zu tun hat.
Das bestehende politische System, alleine auf Deutschland bezogen, war eine wahnsinnige Perversion der Unterdrückung und des Schwachsinns.
Der Zyklus des Konsums mit seiner geplanten Obsoleszenz. Das bedienen an irdischen Ressourcen wie von einem kalten Buffet (Wünschen sie noch ein wenig Öl auf ihrem Eisen?), wohl einfach, weil die Natur ja nicht klug genug ist um Geld dafür zu nehmen. Das jämmerliche Bildungswesen zur Markttauglichmachung des Humankapitals. Die Kriegstreiberei um Länder und Wirtschaften zu destabilisieren und zu kontrollieren und die Kinder die dabei neben ihren toten Eltern zurückbleiben. Die Anbetung des Wirtschaftswachstums. Die Korruption. Das Bankensystem. Der Verrat an das Volk.
Seine Liste und seine Ausarbeitungen hätten Bücher füllen können. Warum war das alles so und was könnte er dagegen tun? Und für wen überhaupt? Sicher nicht für den jämmerlichen Genschrott auf den Straßen. Sein Hass wurde immer größer. Beängstigend groß.
Er ließ sich untersuchen. Es hieß er sei ein vorbildlicher Mensch. Die Messungen des Gehirns waren gut und Anton fand es witzig wie es sich anfühlte, als die Messkörper auf seinem Kopf gelegt wurden. Als wenn ihm Kaugummis auf den Kopf gedrückt würden. Die Hirnaktivität sei außergewöhnlich hoch, was jedoch in dem jungen Alter schon mal vorkommen könne. Die Antidepressiva wären nicht nötig gewesen und doch nahm Anton sie ein. Er beließ es jedoch bei einer großen Packung, da er keine Veränderungen merkte.
Und so überlegte er eines Tages, was er noch von dem Leben erwartete. Selbstmord? Warum? Warum sollte er sich umbringen obwohl andere sein Leben ruinierten? Das könnte den Menschen so passen. Ein perfektes Verbrechen oder? Er hatte sein gesamtes Leben nachvollzogen. Jede Entwicklung war logisch und kausal unvermeidlich. Er war gesund, die Menschen hatten ihn lediglich gelehrt sie zu hassen. Er sah mehrere logische Wege für seine Zukunft. Keiner ging gut für ihn aus. Wie auch? Wäre es logisch zu denken, dass er sich bald ein Haus kaufen und eine Familie gründen könne? Anton wusste, dieses Mal, würde er sich wehren. Seine Regeln waren ihm heilig, doch konnte er mit ihnen gar einen Mord rechtfertigen? Ja.
Er war am Überlegen ob er die Kanzlerin anschreiben sollte. 1,7 Millionen €uro würde er als Zeichen des guten Willens anerkennen. Er könne garantieren, dass so am Ende alle etwas davon hätten. Er würde sich fortan bemühen eine bessere Welt zu schaffen. Würde sein Angebot abgelehnt, wäre das auch in Ordnung. Er hätte es wenigstens versucht und außerdem könnte er ggf. später sagen, er hätte ja gewarnt.
Es wäre andernfalls auch ein leichtes, als halbwegs intelligente Lebensform in diesem System beträchtliche Schäden anzurichten ohne sich dafür verantwortlich zeigen zu müssen. Er wusste durchaus wie man unentdeckt bliebe. Und wenn er auch im Zweifelsfall noch seine Unterwäsche in die Mikrowelle legen müsste.
Andere Dinge wären noch simpler. Manche Kontinente geben alleine schon 100.000.000 Dollar dafür aus, eigeschleppte Flora oder Fauna auszumerzen. Anton hatte schon ein paar tolle Ideen, was man so alles über die Grüne Grenze mitbringen könnte und sich in Europa pudelwohl finden würde. Aber diese Idee war wenig optimal. Es könnten unvorhergesehen Dinge geschehen, welche die Mission eventuell erfolglos machen würden. Außerdem fand er es nicht besonders befriedigend noch amüsant, obwohl manche Tiere tödliche Krankheiten auslösen könnten.
Am Ende war er eher unzufrieden mit seinen Ideen. Weiterhin wäre es immer falsch jemanden zu töten. Wollte er am Ende noch auf seine Gebote verzichten? Er respektierte alles und jeden, hasste jedoch gewisse Handlungen. Wäre Rache vielleicht doch das Richtige? Wäre es nicht Gerecht? Rache kann sich gut anfühlen. Gewalt kann zum Guten genutzt werden. Und was waren Menschen ihm noch wert? Nicht mehr als sein eigenes Leben jedenfalls, dass er vor so vielen Jahren schon verlor. Er wäre auch nett. Er könnte auch Politiker jagen. Vielleicht wäre es gut sie in der noch heißen Asche ihrer Familien ersticken zu lassen. Ist doch netter als jahrelange Folter, wie er sie ertragen musste während sich alles zum Schlechten wandte und sich niemand einen Dreck darum scherte. Aber nein. Zu grausam, wenn auch befriedigend. So etwas hätte ihm wohl schon gereicht. Zufrieden hätte er sich gleich mitverbrennen können. Vielleicht sollte er aber auch erstmal einfach Hassbotschaften im Internet verbreiten. Nur um sich daran zu freuen, wenn jmd. darauf anspringt und ihn fortan im Auge behalten wolle, was ebenfalls schon Gelder verschlingen würde.
Anton lag im Bett und überlegte. Aber ihm fiel nicht ein, wie er seine Zukunft gestalten sollte. Er war sich ziemlich sicher, dass es kaum mehr etwas geben würde, was ihn begeistern könne. Für dieses verdorbene Leben, sollte er sich doch aber vor dem Abschied, wenigstens bedanken. Oder?
Versuchen sie sich in Antons Lage zu versetzen. Was sollte er tun? Welche Handlung wäre realistisch?
Es geht eigentlich gar nicht um Antworten, sondern darüber nachzudenken.
Antworten oder Feedback wäre hier (für mich) dennoch nicht verkehrt bzw. wäre interessant für mich zu lesen, ganz gleich welcher Art sie sein mögen.
Jetzt habe ich immerhin den ganzen Abend darin versenkt