Forstbewirtschaftung und Walkingstöcke

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NMA
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Forstbewirtschaftung und Walkingstöcke

Beitrag von NMA »

Jetzt muss ich endlich mal was ganz anderes loswerden. "10 Jahre Bayerische Staatsforsten" bringen mich gerade darauf:
http://www.baysf.de/de/medienraum/theme ... tstag.html

Gerichtet ist das an die vielen (allzu oft mit Gehstöcken für ihren Waldspaziergang bewaffneten) Bewohner von Stadtrandlagen, die an Forste angrenzen.
Oftmals – immer wieder in Beiträgen aus heimischen Lokalzeitungen, dort gerne in Leserbriefen – findet man diese Leute, die sich über die Bewirtschaftung der Forste beschweren; dass der Forst so ja gar nicht mehr schön sei und die Waldarbeiten mit den Harvestern dem Naturschutz zuwiderlaufe und das doch alles ganz unmöglich sei, die armen Tiere und Pflanzen und diese Monsterharvester und diese brutalen Schneisen ... Teils lauthals wurde da schon gewettert, da viele dieser Leute einfach Zeit haben, in "ihrem" Wald ihrem Gehsport zu fröhnen und oftmals noch viel Energie übrig haben; gemäß ihres Status' des wohlhabenden Halbbildungsbürgertums. Mich würde es nicht wundern, wenn manche Freizeitwutbürger mit ihren Stöcken gegen im Forst arbeitende Harvesterfahrer vorgehen.

Das Wort "Forst" möchte ich an dieser Stelle einmal betonen. Denn die bewaldeten Flächen, auf denen es uns allen so gut gefällt zu spazieren und Sport zu treiben ist, gerade in Stadtrandlagen, selten ein Wald, sondern ein Forst. Das bedeutet, dass dies Bewirtschaftsungsflächen sind, nicht anders als ein Weizenfeld oder eine Kuhweide. Die "Waldwege" heißen offiziell und als topographische Signatur auf unseren Karten auch sehr häufig "Wirtschaftswege". Ich weiss nicht, wem das schon mal aufgefallen ist. Sie sind dann natürlich sehr oft noch als "Wanderwege" ausgewiesen.

Denn es ist so: Es handelt sich da meist nicht um naturnahe Wälder, an denen dreist für IKEA Raubbau betrieben wird, ganz respektlos gegenüber dem ästethischem Empfinden von Walkingsportlern aus der Best-Ager-Generation, sondern vielmehr sind es Wirtschaftsflächen, in welchen Freizeitsport und das Flanieren an guter Luft geduldet und dazu eingeladen wird.

Die Forste sind ein sehr wertvoller Naturraum mit allem drum und dran, was man so kennt. Aber sie dienen der Bewirtschaftung und der gemeine Best-Ager nimmt ja – so aufgeklärt wie er ist und sich bisweilen selbstgerecht in Lokalzeitungen zu Wort meldet – auch gerne Möbel aus deutschem Holz, statt aus Mahagoni aus Brasilien oder IKEA-Spannplatten aus Weißrussland.

Diese Forstflächen, die sich gleichzeitig gewinnbringend und im Sinne nachhhaltiger Rohstoffnutzung bewirtschaften lassen und dabei auch noch Lebensraum für Tiere und Stockgänger sind, werden übrigens von den Harvestern nicht "vergewaltigt", wie es auch schon hieß.
Ein Beispiel aus dem Nürnberger Reichswald: Aus einem Gespräch mit einem Forstwirt weiß ch, dass das Arbeitspensum, für welches früher von 200 Waldarbeitern einen Sommer lang gearbeitet, gewütet, gestört, zertrampelt und vergewaltigt wurde :rolleyes: , schafft heute ein Harvester in 4 Tagen. Diese Arbeitsfläche (Meist Ausdünnung, weniger einfach Kahlschlag, der auch seine nicht der Gewaltverherrlichung geschuldeten Hintergründe hat) wird danach 10 Jahre in Ruhe gelassen.

Also liebe stockschwingenden Best-Ager: Wenns euch in den Forsten, in welchen Freizeitnutzung geduldet wird, nicht gefällt, geht aufs Laufband. Dann braucht ihr nicht wegen böser Monsterharvester heuchlerisch hyperventilieren. Wenn man keine Ahnung hat ...
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Re: Forstbewirtschaftung und Walkingstöcke

Beitrag von Dingo »

Sind es denn nur Nordic Walker, die sich unwissend/uninformiert aufregen, oder auch Jogger und "normale" Spaziergänger ganz ohne Stöcke?
Ich bin ein Flüchtlingskind.

Sollten weiterführende Links auf Seiten, die ich verlinke, zu Inhalten führen, die als Gewaltaufruf verstanden werden könnten, so mache ich mir diese ausdrücklich nicht zu eigen.
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Re: Forstbewirtschaftung und Walkingstöcke

Beitrag von Corella »

...nichts anderes als ein Weizenfeld... oder ...wertvoller Lebensraum...

Kommt mir nicht ganz glatt, worauf Du hinaus möchtest.
Auch Weizenfelder waren mal Lebensraum: Kornrade, -blume, Klatschmohn, Wachtel, Wachtelkönig...
Die Intensivierung hat s geplättet und im Forst läuft s auch darauf hinaus. Indirekt trägt diesen Prozess auch der Harvester. Alles weitere ist komplizierter.
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NMA
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Re: Forstbewirtschaftung und Walkingstöcke

Beitrag von NMA »

Das eine schließt das andere nicht aus. Abgesehen davon, dass auch ein Weizenfeld ein wertvoller Lebensraum sein kann – Ein Forst kann viel viel mehr beherbergen und das obwohl Harvester am Werk sind und obwohl er ein Naherholungsziel für so viele Menschen ist. Die Tatsache, dass in einem Forst Forstwirtschaft betrieben wird, hat nichts mit Raubbau oder Naturzerstörung zu run. Darauf will ich hinaus. Und eben das viele selbsternannte Bildungsbürger sich über etwas beschweren, wovon sie keine Ahnung haben. Wenn Leser hierraus mitnehmen, dass ein Forst ein Forst ist und kein Naturschutzgebiet, dann wäre ich schon weitgehend zufrieden.


@Dingo
Die 58-jährigen sportiven Walking-Damen aus dem Bildungsbürgertum mit ihrem BMW X3 sind eben das Sinnbild für diese Leute, die nicht wissen, wovon sie reden, aber sich zu Naturschützern aufschwingen.

Naja. Dieses Thema, oder Forstwirtschaft im Allgemeinen, interessiert hier halt keinen. Ist zu speziell und peripher. Trotzdem wollte ich das mal loswerden
Zuletzt geändert von NMA am Freitag 9. Oktober 2015, 20:58, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Forstbewirtschaftung und Walkingstöcke

Beitrag von Corella »

NMA » Fr 9. Okt 2015, 19:57 hat geschrieben:Das eine schließt das andere nicht aus. Abgesehen davon, dass auch ein Weizenfeld ein wertvoller Lebensraum sein kann – Ein Forst kann viel viel mehr beherbergen und das obwohl Harvester am Werk sind und obwohl er ein Naherholungsziel für so viele Menschen ist. Die Tatsache, dass in einem Forst Forstwirtschaft betrieben wird, hat nichts mit Raubbau oder Naturzerstörung zu run. Darauf will ich hinaus. Und eben das viele selbsternannte Bildungsbürger sich über etwas beschweren, wovon sie keine Ahnung haben. Wenn Leser hierraus mitnehmen, dass ein Forst ein Forst ist und kein Naturschutzgebiet, dann wäre ich schon weitgehend zufrieden.


@Dingo
Die 58-jährigen sportiven Walking-Damen aus dem Bildungsbürgertum mit ihrem BMW X3 sind eben das Sinnbild für diese Leute, die nicht wissen, wovon sie reden, aber sich zu Naturschützern aufschwingen.

Naja. Dieses Thema, oder Forstwirtschaft im Allgemeinen, interessiert hier halt keinen. Ist zu speziell und peripher. Trotzdem wollte ich das mal loswerden
Wir Naturschützer sind mit dem Forst nicht zufrieden, wobei ich im Detail und mit Gewähr nur für Hessen sprechen kann. Das hat vor allem damit zu tun, dass in den Natura2000-Gebieten business as usual betrieben wird und die Prospekte der Schutzbemühungen bisher reines Blendwerk darstellen.
Bildungsbürger gibt es in vielen Ausrichtungen. Bezüglich des polyphonen Gewünsches müssten wir da schon auf den Einzelfall eingehen :-)
Wenn es Dich interessiert und hier sonst niemanden, kannst Du ja in Rollen schlüpfen.
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