Europa2050 » Do 28. Mai 2015, 17:11 hat geschrieben:
Nun ja, wie bei eigentlich allen Politikern gibt es wohl auch hier Licht und Schatten. Zu Licht würde ich die Korruptionsbekämpfung, das (leider erst spät begonnene) Nation Building und das geschickte Lavieren im von Putin als seinen Hinterhof gesehenen Weltgegend, Dinge, an denen seine östlichen und südlichen Kollegen gescheitert sind.
Unterdrückung, Rechtswillkür und Verhinderung einer Bürgergesellschaft stehen natürlich auf der Gegenseite und könnten der Grund für das von uns beiden gesehene Nachfolgecjaos sein. Aber ich gehe wie Du davon aus, dass er noch Genug Zeit hat um auch das in gute Wege zu leiten.
Btw.: Könntest Du als Belarusier uns Deutschen Mal den Unterschied zwischen Russen und Belarusiern in Stichpunkten erklären, wäre dankbar dafür.
Historisch gesehen hat Belarus mit Russland erstmal nur namentlich etwas zu tun, Belarus gehörte sehr lange zu Polen-Litauen, später zum Russischen Zarenreich und so weiter. Dass Belarus Russland heute so ähnlich ist und Russisch sich gegen Polnisch/Weißrussisch durchgesetzt hat liegt grob gesehen daran, dass es seit Polen-Litauen bis 1991 mit Russland vereint war und es auch hier geringfügige Russifizierung gab, in Grafiken bei Wikipedia kann man erkennen, dass die russische Sprache mit der Zeit immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. Heute ist Weißrussland komplett von Russland abhängig und wenn man nicht gerade Nachrichten guckt, sieht man gar keinen Unterschied. Im Sommer gehen wir häufiger an zwei Seen baden, wenige Kilometer voneinander entfernt, einer liegt in Weißrussland und einer in Russland, dazwischen ist keine Grenze, nicht mal eine Ausschilderung, dass der zweite See in Russland liegt haben wir, mit großer Überraschung, erst im Laufe der Zeit gemerkt, um genau zu sein genau dann, als ich mir ein Eis kaufen wollte^^ Aber wie fremdbestimmt das auch klingen mag, ich kann mir keinen besseren Lauf der Dinge vorstellen. Ich bin ein großer Befürworter dessen, dass alle Länder mit russischähnlichen Sprachen das russische als Zweitsprache lernen (die sich mit der Zeit vor der ehemaligen auf ganz natürliche Weise durchsetzt, ganz einfach weil man dann mit allen Bürgern des ehemaligen Warschauer Vertrages mehr oder weniger sprechen kann), was ja früher erfolgreich gemacht wurde, man siehe Turkmenistan. Wie du siehst ist alles, was ich dir darüber erzählen kann, weniger auf Fakten bezogen als auf meine subjektive Sicht. Im Laufe der Geschichte raste Belarus gewissermaßen darauf zu, die letzten Unterschiede wettzumachen und zu einem Teil Russlands zu werden, bis Lukaschenko eine Notbremse einlegte und, wie schon beschrieben, solche Dinge tat wie z.B. das St. Georgsband durch ein rot-grünes zu ersetzen, landesintern die stark dominante sowjetische Symbolik mit belarussischer Aufzustocken und die belarussische Sprache zu verbreiten und zu verwenden. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte Belarus auch gerne zu Russland werden können, je größer Russland ist, desto besser geht es den einzelnen Völkern, auch den Belarussen. Jedoch bin ich der festen Überzeugung (eine Diskussion darüber würde zu nichts führen), dass der planwirtschaftliche Kurs von Belarus sich als erfolgreicher erwiesen hat als der russische, daher fände ich es nicht toll, wenn Belarus z.B. heute eine Autonome Teilrepublik Russlands werden würde, ich fände es aber super, wenn es das tun könnte und genau die gleichen planwirtschaftlichen Bedingungen beibehalten könnte, die es heute hat, dann wäre es stärker in jeder Hinsicht (Wirtschaftlich, machtpolitisch...). Wie man unschwer erkennen kann, fürchte ich schwerwiegende Veränderungen in Belarus sehr. Ich verbringe dort die meisten Ferien (etwa 2 Monate im Jahr, vielleicht fällt ja auf, dass meine Darstellung eher freizeitlich ist, wenn man das so sagen kann) und es ist für mich, wenn es an nichts fehlt und man nicht arbeitet oder so, der paradisischste Ort, den man sich vorstellen kann. Wenn ich dann sehe, was aus Litauen* geworden ist, bekomme ich echte Angst, dass Belarus etwas ähnliches widerfahren könnte. Als belarussischer Staatsbürger will ich mir immer die Möglichkeit offenhalten, dorthinzuziehen (nach jedem Sommer bin ich fest davon überzeugt es so schnell wie möglich zu tun), Leute, die in Europa studiert haben, sind sehr gefragt (so weit bin ich noch nicht...), aber ich kann heute einfach noch nicht einschätzen, worauf ich mich da einlassen würde, ich kenne Belarus ausschließlich aus meinen ersten drei Lebensjahren (die wegen der fehlenden Erinnerung unbedeutend sind) und aus Ferienperspektive. Allerdings glaube ich immer mehr, dass ich mich auch bei 1/10 von dem Lohn für ein Leben in Belarus entscheiden würde, wenn man gewisse Vorzüge nicht mehr beschreiben kann, ist das wohl einfach Vaterlandsliebe.
*War schonmal jemand von euch in Litauen? Ich sehe es jährlich auf der Durchreise und für mich sieht es aus wie ein verfallenes Stückchen Sowjetunion, in der das Eis nach gar nichts schmeckt (meine größte Erinnerung

), bis auf die hochmoderne Vilnius-Innenstadt der Superreichen sieht es aus wie 1991 (was ich nur von Bildern kenne), nur ziemlich verfallen, die Hauptstraßen sind in einem solchen Zustand, dass ich mir Gedanken darüber mache, ob die heransausenden großen Steine das Auto von unten nicht beschädigen könnten. Das ist der extremste Vergleich, woran man erkennen kann, wie viel besser sich Belarus seit dem entwickelt hat.
Sturer Antikapitalist. Weil ich sehe, wie viel besser es funktioniert. Belarus, der lebende Beweis für die Überlegenheit der Planwirtschaft. Seht es euch bitte selbst an. Wir sind unermesslich stolz darauf.