Schauen wir uns doch mal das genau an:
http://www.zeit.de/2013/10/Steinbrueck- ... dat-Fehler
Vortragshonorare, Kanzlergehalt, Pinot Grigio, ein Hedgefonds-Manager als Internet-Berater, Eierlikörgate, Peer-Blog, Stefan Raab – inzwischen summiert sich die Liste von Peer Steinbrücks Patzern auf sieben. Und das sind nur die bekannt gewordenen.
Peer Steinbrück, das war der Mann, der Deutschland zusammen mit Angela Merkel erfolgreich durch die Finanzkrise steuerte. Damals hatte man den Eindruck, dass Steinbrück eher der stärkere Teil des Duos sei. Ein Mann, der es mit Merkel aufnehmen könnte.
Und jetzt? Verfolgt das Publikum staunend, wie der einstige Krisenmanager kein Fettnapf auslässt und fragt sich: Wie kann das bloß sein?
Auch Steinbrück selbst staunt. Über die Kritik, die ihm entgegenschlägt. Denn der Mann hat sich ja gar nicht geändert. Schon als Finanzminister waren Steinbrücks Ausfälle berüchtigt. Einmal hörte er morgens in den Nachrichten, im Finanzministerium werde ein Plan B zur Bankenrettung vorbereitet. "Wer hat da wieder gequatscht?", fuhr Steinbrück erbost seine Leute an. Und musste sich belehren lassen: "Das waren Sie, Herr Minister." Ihm war entfallen, dass er selbst ein Interview zum Thema gegeben hatte.
Zwei Dinge allerdings haben sich geändert: Der Scheinwerfer ist größer geworden. Und der Apparat, der den Mann umgibt, ihn auch mal schützt, ist kleiner geworden. Falls man überhaupt von einem Apparat sprechen kann. Ja, hat der Mann denn keine Berater?, mag man sich angesichts der Pannenserie fragen. Die Antwort lautet: Doch, aber womöglich die falschen.
Als Gerhard Schröder 1998 Kanzlerkandidat der SPD wurde, da arbeitete die Kampa bereits seit fast einem Jahr. Als Steinbrück Ende September 2012 verfrüht und über Nacht zum Kandidaten ausgerufen wurde, weil der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier sich bei Journalisten verplappert hatte, da war angeblich schon seit einem halben Jahr klar, dass alles auf Steinbrück hinauslaufen würde. Trotzdem hatte niemand ein Umfeld vorbereitet.
Um den Kandidaten tobte längst die Honorardebatte, als Steinbrück endlich ein "Vertrauter" an die Seite gestellt wurde. Der aber war gar kein Vertrauter, sondern der frühere Sprecher von Gerhard Schröder und Klaus Wowereit, Michael Donnermeyer, der nach einem Ausflug in die Privatwirtschaft auf Jobsuche war. Steinbrück kannte er nicht sehr gut.
Zum Thema Geld, das war bald klar, hätte der Kandidat eigentlich nichts mehr sagen dürfen. Donnermeyer jedoch autorisierte ein Interview, in dem
Steinbrück verkündete, der Bundeskanzler verdiene zu wenig. Dann ließ der Kandidat verlauten, einen Wein für weniger als fünf Euro trinke er nicht. Seitdem ist Donnermeyer der Erste, den alle anschauen, wenn ein Sündenbock gesucht wird. Und das passiert jetzt öfter.
Auch untereinander schieben sich die Mitglieder aus Steinbrücks sogenanntem Team inzwischen gern die Verantwortung für Fehler zu. Im Reitsport gibt es den Spruch: Lauter Weltmeister an der Bande, und der einzige Idiot sitzt auf dem Pferd. So ähnlich ist es mit Steinbrücks Team. Jeder lässt durchblicken, wie es laufen könnte. Wenn die anderen nicht so unfähig wären.
Weil Steinbrück Steinbrück toll findet, sucht er gern Leute aus, die er entweder von früher kennt, oder Leute, die ihm ähnlich sind. Bei Donnermeyer, der sehr selbstbewusst auftreten kann, vermutete Steinbrück, er sei ein Profi. Matthias Machnig, Wirtschaftsminister von Thüringen und einst Leiter der SPD-Kampa von 1998, strahlt ein Selbstbewusstsein aus, das sich hinter dem von Steinbrück kaum verstecken kann. Mit Hans-Roland Fäßler, einem ehemaligen Journalisten, ist Steinbrück seit 25 Jahren persönlich befreundet. Zum Wahlkampfexperten macht ihn das nicht.
Als der Peer-Blog auftauchte, verbreitete Fäßler in Berlin, das sei seine Idee gewesen. Damit war das Instrument als angeblich unabhängige Unterstützer-Plattform schon erledigt. Als Nächstes tauchte die leidige Frage nach dem Geld auf. Steinbrück erklärte, er kenne die Finanzierer des Blogs nicht, sein Sprecher sagte, er kenne sie doch. Als der Peer-Blog wegen angeblicher Hacker-Angriffe eingestellt wurde, wollte man deshalb lieber gar nicht wissen, wer die Hacker bezahlt hatte.
Steinbrück habe ein Problem mit Frauen, hieß es zu Beginn seiner Kandidatur. Doch anstatt sich mit jungen, kompetenten Beraterinnen zu umgeben, hat Steinbrück einen Stab ausgewählt, der seine Schwächen verstärkt. So wird jeder Versuch einer Attacke auf die Kanzlerin, jeder Versuch, in das Vakuum zu dringen, das die Wendekanzlerin hinterlässt, zu einem missglückten Comeback.
So wie die Reise nach England, mit der Steinbrück seine Finanzkompetenz wieder in den Vordergrund stellen wollte. Donnermeyer wollte in den Urlaub fahren, in Berlin waren Winterferien. Wegfahren wollten auch die beiden anderen Steinbrück-Berater Heiko Geue, der Steinbrück früher als Abteilungsleiter im Finanzministerium diente, und seine Büroleiterin Sonja Stötzl. Denn Frau Stötzl ist nicht nur Mitarbeiterin von Peer Steinbrück, sondern auch die Partnerin von Geue, für die Patchwork-Familie war es die einzige Möglichkeit, gemeinsam Ferien zu machen. Am Ende fuhren alle Berater in den Urlaub – und der Kandidat reiste allein nach England. Die Pressebegleitung übernahm ein Juniormitarbeiter.
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Die Lernkurve ist flach, aber keine Horizontale
"Die haben alle Erfahrung in Harvard, aber keiner hat Erfahrung im Wahlkampf", sagt einer, der seinen Namen nicht genannt wissen möchte, über das Wahlkampfteam.
Der Ruf des Kandidaten als souveräner Krisenmanager ist erschüttert. Wie soll Steinbrück Deutschland regieren, wie Europa eine Richtung geben, wenn er nicht einmal sein Team in den Griff bekommt, geschweige denn sich selbst? Kein Wunder, möchte man meinen, dass Stefan Raab nun als Moderator für das Kanzler-Duell im Gespräch ist.
Eigentlich ist der ProSieben-Plauderer nun fast nicht mehr zu verhindern – dank Steinbrück. Der hätte eigentlich nur sagen müssen, den Moderator auszusuchen sei Sache der Sender – und schon hätte man sich hinter den Kulissen mit dem Kanzleramt auf eine Lösung ohne Raab verständigen können. Das wäre die raffinierte Variante gewesen. Man hätte auch die offensive Variante wählen und Nein sagen können – nur hätten sich die Steinbrück-Leute dann mit dem Kanzleramt vorher abstimmen müssen. Was sie nicht taten. So wurde eine Steilvorlage für die Kanzlerin daraus. Steinbrück musste zurückrudern.
Die Lernkurve ist bislang flach, aber keine Horizontale. Michael Donnermeyer, der bereits zum zweiten Mal kurz vor dem Abschuss stand, darf bleiben, ihm soll aber eine Vertreterin zur Seite gestellt werden, eine Referentin ergänzt seit Kurzem das Team. Vor allem aber soll das Wahlkampfteam zur Hälfte weiblich werden. Außer Parteimitgliedern wie Manuela Schwesig sind hierfür unter anderem die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel sowie die Präsidentin des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung, Jutta Allmendiger, im Gespräch.
Doch auch wenn das Team endlich aufhören sollte, den Kandidaten zu demontieren, ein Problem bleibt: Steinbrück hat sich so sehr in sein Selbstbild als Klartexter verguckt, der eine ewig ungefähre Kanzlerin vor sich hertreibt, dass er gar nicht mehr merkt, wo der Klartext endet und die Torheit beginnt. Dass der größere Scheinwerfer nicht nur böse ist, sondern in einer Demokratie eine legitime Funktion hat, nämlich die Kandidaten- und dann Kanzlerwerdung eines Politikers auszuleuchten – dieser Einsicht verweigert sich Steinbrück bislang bewusst. Während er seinen inhaltlichen Positionswechsel, etwa in der Steuerpolitik, mit einer Lernkurve begründet, beharrt er darauf, sich in seinem Auftreten nicht verbiegen lassen zu wollen. Ich bin, wie ich bin, ich bleibe authentisch – mit dieser Haltung ist schon Kurt Beck an der Herausforderung gescheitert, in eine neue, größere Aufgabe hineinzuwachsen.
Steinbrücks Agieren wirkt wie die Trotzreaktion eines Mannes, der spürt, dass es mit seiner Beinfreiheit in Wirklichkeit nicht weit her ist, und der sich auf diese Art einen Ausgleich verschafft. Denn Druck kommt nicht nur von der Öffentlichkeit, sondern auch vom Parteichef. Die Rollenbeschreibung der kommenden sieben Monate bis zur Wahl sieht vor, dass Sigmar Gabriel dem Kandidaten dient und sich Steinbrück nicht weiter um die Spiegelstriche im Wahlprogramm kümmert, sondern den Leuten zeigt, wie das Deutschland künftig aussehen soll, das von der SPD regiert wird. Eigentlich. Doch Gabriel taugt nicht zum Diener, und Steinbrück beschleichen langsam Zweifel.
Gabriel seinerseits sieht, dass es nicht läuft und er die Dinge in die Hand nehmen muss. Hinter den Kulissen tobt ein Kampf um Einfluss, der mithilfe von copy and paste ausgetragen wird. Gabriel bekommt von Steinbrück schlank formulierte Kapitelchen zum Wahlprogramm – und schickt darauf fette Texte zurück, gern doppelt so lang wie die Vorlage, in wichtigen Passagen neu verfasst.
Steinbrück weiß: Wenn zur Vorstandssitzung am kommenden Montag die politischen Kernaussagen des SPD-Wahlkampfes öffentlich debattiert werden, muss seine Beinfreiheit erkennbar sein.
Ein Programm aus der Feder von Gabriel würde prima zu einem Wahlkampf der sozialen Gerechtigkeit passen. Aber nicht zu Steinbrück. Diesen Webfehler kann kein Wahlkampfteam beseitigen. Womöglich ist auch das eine Ursache für die rätselhaften Fehler: Steinbrück ahnt, dass er für das, was kommt, der falsche Mann ist.
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Ich würde mich schämen für Deutschland, wenn Steinbrück Kanzler werden würde.
Aber ich denke, er wird noch ca 2 bis 4 mal patzen und sich entschuldigen...