Vorweg: Bitte nicht jedes gewählte Wort, wie bspw. "arbeitsscheu", zu ernst nehmen. Danke.
Armstrong » So 28. Aug 2011, 17:21 hat geschrieben:Ein ernsthaft betriebenes Studium ist meiner Meinung nach bereits ein Vollzeitjob. Die Notwendigkeit "nebenbei" zusätzlich noch erwerbstätig zu sein, kostet viel wertvolle Zeit und Kraft fürs Studium. Insofern finde ich es richtig, dass das Bafög ein finanziell halbwegs abgesichertes Studium garantiert.
Ja, offiziell ist ein normales Studium eine Vollzeitbeschäftigung. Die Realität sieht aber etwas anders aus:
http://www.zeit.de/2011/20/C-Studienzeit
Bleiben wöchentlich also 17 Stunden und man hätte seine 40-Stunden-Woche. Das ist vielen Studenten aber zu viel. Finde gerade nicht die durchschnittliche Arbeitsstundenzahl. Stand mal im Spiegel und waren 6,nochwas, meine ich. Wie auch immer. Bei einem unterdurchschnittlichen Lohn von 10€ (obwohl man als Honorarkraft eigentlich rund das Doppelte als Student kriegen sollte) kämen sie bei 17 Stunden auf 680€ monatlich und sind damit im Jahr nur knapp über dem Steuerfreibetrag. Also etwas mehr als der Bafög-Höchstsatz, mit dem es sich ja bescheiden leben läßt. Bafög ist aber bequemer, selbst wenn man einen Job annehmen könnte, der mit seinem Studienfach zu tun hat. Die vorlesungsfreie Zeit zwischen Klausuren/Hausarbeiten und Semesterbeginn erwähne ich erst gar nicht. Ständig "Unistreß" vorzuschieben ist auch einfacher.
Die meisten, mir bekannten Bafög-Empfänger bekommen auch nur 200 - 300 € im Monat und arbeiten trotz Bafög zusätzlich noch, um sich mit 20 wenigstens mal eine kleine Studentenbude leisten zu können.
Das ist dann wohl die Strafe für die fleißigeren Eltern, wenn sie nicht den Höchstsatz bekommen. Und wer bescheiden lebt, kommt selbst in einer Stadt wie Hamburg über die Runden. Dies ist eine doppelte Bestrafung. Angenommen man bekommt für ein fünfjähriges Studium im Schnitt 250€, so sind das 15.000, also 7.500 geschenkt, weil der Staat von jedem Euro nur fünfzig Cent zurückhaben möchte. Wer die 670€ (Höchstsatz) bekommt, erhielt über 40.000 (40.200 um genau zu sein

), wovon er aber nur ein Viertel zurückzahlen muß. Sprich, der eine erhält nur ungefähr ein Drittel der Leistungen, muß aber 75% zurückzahlen.
Sollte eine Nebentätigkeit, wie es klingt, wirklich Auswirkungen auf die Studienleistung haben, hat natürlich der Bafög-Bezieher noch weitere Vorteile, wie ich gerade lesen durfte. So wird ihm, wenn er die großzügige "maximale Förderungszeit" mit 2 oder 4 Monaten unterschreitet, einen Teil seines Darlehenes erlassen, wovon ein Teil meist eh aus Kinderzuschüssen besteht, die er nicht zurückzahlen muß. Und gehört er zu den 30% besten Absolventen des Jahrganges, noch mehr.
Für die leicht überdurchschnittliche Leistung gibt es 25% Erlaß und für 4 Monate nochmal 2.560 Euro, macht also ein Achten seiner erhaltenen Summe. Er zahlt also weniger zurück als der, der 250€ erhielt und nebenbei jobben mußte und deshalb -- wie gesagt, unter Annahme, daß der Nebenjob Einfluß auf seine Leistungen hat -- durchschnittliche Noten erhielt und ggf. zwei Semester mehr benötigte. Er hat also mehr gearbeitet, weniger Geld erhalten und trotzden mehr Schulden sowie ggf. einen späteren Einstieg ins Berufsleben. Zwar sind die Regeln beim Auslands-Bafög etwas anders, aber hier hat der Arbeitsscheue ähnlich Vorteile.
Interessant wird's dann vor allem, wenn er ein un- oder schlechtbezahltes Praktikum im Rahmen seines Studiums absolvieren muß, das wirklich 40 Stunden wöchentlich benötigt und über einige Monate geht. Da müßte er Einnahmeausfälle im Nebenjob entweder durch seine Eltern, die wohl kaum als reich gelten dürften, wenn er Anspruch auf Bafög hat, oder durch Studienkredite ausgleichen. Noch mehr Schulden und/oder noch mehr Arbeit. Und wirklich bekloppt wird's, wenn dieser Student vielleicht vorher fleißig war und wie erwähnt Geld ansammelte. Hat er beispielsweise 10.000, ob nun durch Arbeit, Erbe (Arbeit seiner Verwandten) oder sonstwas, dann heißt es vom Amt, er müsse erstmal von seinem Ersparten leben bevor er einen Antrag stellen darf. Also verprasst er, obwohl er eigentlich Anspruch auf Bafög hätte aufgrund des Einkommens seiner Eltern, erstmal sein Geld, um dann anschließend die erwähnten Schulden machen zu dürfen. Wer das Geld, das er erhielt, stets zum Monatsende brav ausgegeben hat, darf sich also wieder freuen.
Kann man nur hoffen, daß der, der 250€ erhält, auch nette Eltern haben, die ihm 420€ pro Monat schenken können. Ansonsten muß er es hinnehmen, daß er mehr arbeitet und/oder mit weniger auskommt als der, der den Höchstsatz bekommt -- oder er verklagt seine Eltern. Ich behaupte einfach mal, daß letzteres die wenigsten tun würden. Und tun sie's, leidet also ihr Familienleben nachhaltig unter ihrem Wunsch, ein Studium zu absolvieren.
Als unangenehm verwöhnt und arbeitsscheu sind mir bisher fast nur solche BWL- und Jura-Studenten aufgefallen, die täglich mit dickem BMW-Cabrio vorgefahren kommen, mit Gucci-Täschchen in die Vorlesung stöckeln oder in hellblauen Polohemden mit hochgestelltem Kragen und Golfer-Outfit über den Campus stolzieren. Das sind dann meistens die Leute, die mit Papis Scheckbuch unterwegs sind und nachmittags am hauseigenen Pool liegen, während die meisten Bafög-Studenten Zeitung austragen oder im Cafe kellnern.
Die gibt's bestimmt auch. Aber ob das ansatzweise so viele sind wie Bafög-Bezieher, wage ich zu bezweifeln.
Wobei mir die Geschichte vom armen Studenten (immer Streß, kein Geld), wie es die Medien auch immer wieder gerne aufgreifen, irgendwie wie ein Märchen erscheint, wenn ich mich in Studentenvierteln umblicke. Aber das ist natürlich nur mein oberflächlicher Eindruck.
Ich mein, natürlich ist es richtig, wenn Unterschichtler auch die Möglichkeit haben, etwas Bildung schnuppern zu dürfen. Die Einrichtung des Bafögs ist ja nur das Instrument des Staates, um dieses im Grundgesetz verankerte Recht umzusetzen. Ich frag mich nur, ob das System als solche richtig ist. Man kann den Aufstieg in Deutschland aber auch durch Leistung erreichen und nicht nur auf dem gewohnt gemütlichen Wege auf Kosten der Gesellschaft.
Auch diese "maximal 20 Stunden pro Woche"-Regelung ist bescheuert wie das 400€-Limit beim Bafög. Wer 500€ verdienen könnte und damit etwas für die Volkswirtschaft tut, läßt es lieber sein und arbeitet weniger. Ich kann's ja nachvollziehen, wenn er dadurch 100€ weniger Bafög bekommen würde. Wozu arbeiten, wenn es de facto kein Geld gibt? Also Beine hochlegen. Bloß kommt das Geld in diesem Fall halt durch die Gesellschaft, während er weniger für die Volkswirtschaft tut. So ist es geregelt.
Naja, ich hör schon auf. Sonst kommt irgendein (vermutlicher armer) Schreihals gleich an und stänkert persönlich werdend herum, weil seine Lösung hinter all den Dingen nur mein Neid sein kann. Alles schon vorgekommen.
