Jekyll » Mi 18. Jul 2012, 19:48 hat geschrieben:Leute, schreibe ich in Suaheli, oder was?? Ich habe hier doch bereits mind.
zwei mal erläutert, was es mit diesem Beispiel mit den Verkehrstoten auf sich hat. Das war nicht als Gegenargument zu dem Vorwurf der Körperverletzung gedacht, sondern zu dem Vorwurf der möglichen, nicht beabsichtigten
Komplikationen, die bei einer Beschneidung auftreten können. Kurz: Wer meint, dass wegen solcher Komplikationen die Beschneidung verboten gehört, der müsste wegen den ungleich größeren "Komplikationen" des Straßenverkehrs (millionen Verkehrstote und zig-millionen Verletzte jährlich!) sich erst Recht für ein Verbot aussprechen. Oder anders ausgedrückt: Was nützt es einem, dass das Autofahren
an sich keine "Körperverletzung" darstellt,
aber im Endeffekt zu weitaus mehr Körperverletzungen und Todesfällen führt als alle Beschneidungen der Welt zusammengenommen?!
Versteht ihr die Pointe jetzt?
Schon klar, was Deine Intention ist. Ist auch nicht ganz ungeschickt argumentiert, zugegeben.
Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich dieses "Gegenargument" aber schnell als reines Scheinargument, da Du u.a. die Höhe der Risiken nicht korrekt miteinander vergleichst:
Wenn die
Wahrscheinlichkeit eines Kindes bei einer Autofahrt einen Unfall zu haben bei 6 Prozent läge (so hoch wie sie bei fachgerechten Beschneidungen kleiner Kinder ist), oder wenn es auch nur ein einziges Prozent wäre, dann ließe sich die Mitnahme eines Kindes tatsächlich durch nichts rechtfertigen.
(Außer bei wirklich lebenswichtigen Transporten, z.B. in die Notaufnahme).*
Zudem "übersiehst" Du geflissentlich, dass das Komplikationsrisiko-Argument nicht entkoppelt von den anderen Argumenten gegen eine Straffreiheit der Körperverletzung zu betrachten ist.
Schau mal:
Es handelt sich im Kern um eine juristische Güterabwägung.
Der einzige "Nutzen" einer Säuglings- oder Kleinkindbeschneidung liegt in der Befriedigung eines religiösen Ausübungsbedürfnisses der Eltern. Wie von der Verteidigung in Köln argumentiert.
Alle anderen "Argumente" die von Befürwortern bislang genannt wurden (und z.T. durchaus auch bestritten werden, wie z.B. die medizinischen Aspekte) würden eine Beschneidung die
unbedingt im unmündigen Alter durchgeführt werden muss nicht rechtfertigen.
Sie sind also bei dieser Güterabwägung irrelevant.
Betrachten wir mal jetzt nur die Muslime (weil diese von der Politik zu "Betroffenen" erklärt werden, was meiner Meinung nach unehrlich ist - überleg mal ob nicht dort die Heuchler sitzen, die "Islam" sagen, aber gar nicht meinen!), so zählt nicht einmal dieses einzige "Religionsausübungsfreiheit der Eltern-Argument", denn Muslime MÜSSEN eben NICHT ihre Kleinkinder aus religiösen Gründen beschneiden lassen.
Sie dürfen z.B. auch damit warten.
Kurz und bündig bedeutet das also für die Abwägung:
Dem (mit 6% signifikanten) medizinischen Komplikationsrisiko auf der einen Seite steht KEINERLEI Nutzen oder Notwendigkeit auf der anderen Seite gegenüber.
Ich sehe nicht, wo bei dieser Sachlage aus muslimischer Sicht das Problem liegen soll solange zu warten bis der Betroffene selbst alt genug ist sich informieren und entscheiden zu können.
Ein Mindestalter von 14 böte sich IMHO an.
Diese Kompromisslösung wäre Muslimen nicht versperrt und würde ihnen auch in keiner Hinsicht schaden.
Folge: Win-Win, oder wie Blindgänger meinte "ABF"!
Wer aber bei dieser Lage als Muslim dennoch an der Kleinkinder- oder Säuglingsbeschneidung (das ja seltener) festhält ist meiner Meinung nach ohne jeden Zweifel ein Fanatiker. Aus welchen tieferen oder flacheren Gründen auch immer.
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(*Worin ich Dir aber zustimme ist dass die Verkehrsopfer tatsächlich im öffentlichen Bewusstsein viel zu wenig präsent sind und ihre Zahl wirklich erschreckend hoch ist. Es wäre IMHO auch nötig einmal ehrlich zu überdenken, ob nicht ein Tempolimit auf der Autobahn dazu führen würde die Opferzahlen zu senken.)