Vongole hat geschrieben:(15 Oct 2019, 15:25)
Nein in allen Punkten, Skeptiker.
Meinungsfreiheit beinhaltet wie jede Form der Freiheit auch den Anspruch auf Verantwortung der Gesellschaft gegenüber. Eine Gesellschaft ohne Moral, bzw. moralischen Anspruch, verliert das ethische Gefüge, das ihr Handeln bestimmt, oder bestimmen sollte.
Das gilt auch für jede Form der Kritik an anderer Meinung oder Andersdenkenden.
Niemand tritt hier für eine Gesellschaft OHNE Moral ein.
Man kann die Regierung kritisieren, aber man kann dazu nicht Frau Merkel persönlich angreifen wie z.B. Peter Boehringer: "Die Alternative zum Nicht-Widerstand gegen diese Dirne der Fremdmächte ist der sichere Bürgerkrieg, den wir ab spätestens 2018 dann verlieren werden!" Das ist ist meinen Augen keine Meinung, das ist pure Hetze und Aufstachelung zur Gewalt.
In meinen Augen auch nicht. Das dürfte durchaus als Beleidigung zu verstehen sein. Das darf man Boehringer durchaus vorhalten - auch moralisch. So what?
Man kann Flüchtlinge oder Migranten für manche ihrer Verhaltensweisen oder für begangene Verbrechen kritisieren, man kann nicht hingehen, und sie pauschal als menschlichen Bodensatz, Schmarotzer und schlimmeres bezeichnen, und sie damit derart reduzieren, dass ein Angriff auf sie schon selbsterklärbar erscheint.
Richtig, im Gegenzug darf man Menschen die eine andere Vorstellung von Migrationspolitik haben aber auch nicht als Menschen diffamieren, die andere Leute ertrinken lassen wollten. Da haben beide Seiten mächtig ausgeteilt. Wenn Du meine Beiträge richtig verstehst, wird Dir aufgefallen sein, dass ich für Abrüstung auf beiden Seiten eintrete. Toleranz ist keine Einbahnstraße. Ich habe geschrieben dass Hetze auf der einen Seite bestraft gehört, dafür aber Diffamierung und Moralisierung auf der anderen Seite abgebaut gehören. Das erscheint mir immernoch das beste Mittel für mehr Frieden in der Gesellschaft.
Man kann selbstverständlich den Klimawandel leugnen und Andersdenkende der Hysterie beschuldigen, man kann nicht hingehen und einen Kübel voller Hass über Thunberg ausgießen und sie damit physisch angreifbar machen.
Greta Thunberg ist mittlerweile eine Jugendliche und Ikone einer politischen Bewegung. Wenn man ein (damaliges) Kind in eine solche Position hievt, dann muss man sich im klaren sein, dass Interessenpolitik auf dem hohen Niveau nicht ohne Widerspruch bleibt. Hier geht es nicht um die Verlängerung der Zeit zum ins Bett gehen, hier geht es um massive Einschnitte in das Leben der Menschen. Natürlich gibt es da Gegenwind. Ich maße mir nicht an zu beurteilen ob es richtig ist ein Kind in eine solche Position zu bringen, aber dass da ein rauher Wind weht, sollte den Eltern klar gewesen sein.
Für seine Satire über Greta wurde Dieter Nuhr übrigens massiv angegangen. Wie kann man es auch wagen jemanden auf die Schippe zu nehmen, der bei Umsetzung seiner Forderungen Großteile des Wirtschaftskreislaufs der aktuellen Welt umwälzen würde, aber dafür vor lauter Respekt und Rücksichtnahme keinerlei Kritik ertragen darf? Einfach ein wunderbares Beispiel von Hypermoralisierung aus Interessenpolitik.
Und man kann m.M.n. nicht ein paar Tage nach einem Terroranschlag gegen eine vollbesetzte Synagoge und zwei unbeteiligten Mordopfern hingehen und einen Thread eröffnen und das Thema Antisemitismus mit Meinungsfreiheit verknüpfen, denn das impliziert, dass all die antisemitischen Klischees, die zum Judenhass beitragen, von der Meinungsfreiheit gedeckt sein sollten.
Vongole, wer ein Bündnis bildet, der bildet auch das Gegenbündnis. Natürlich kann man ein Bündnis gegen Antisemitismus bilden - gerne. Es hilft nur leider nicht. Einen Antisemiten wird das Bündnis nicht beeindrucken. Wenn es überhaupt irgendetwas gibt, was hilft, dann sind es Argumente/Diskussion (im leichteren Fall) oder die Anwendung von Gesetzen (im schwereren Fall). Kampfrhetorik führt in den Kampf. Ich will aber gerade nicht, dass die Türen immer dicker werden müssen, sondern dass sie irgendwann auch offen stehen können und trotzdem wird niemand umgebracht. DAS schafft man nur durch eine tolerante Gesellschaft (wie die jüdische Gemeinde zu Halle sehr richtig erkannt hat). NIEMALS entsteht aber eine tolerante Gesellschaft durch Verordnung oder Kampfrhetorik.
Eine Gesellschaft, die Meinungsfreiheit ohne Moral und Ethik praktiziert und akzeptiert, wird auch die Gesetzgebung entweder dahingehend aufweichen, Verstöße und Verbrechen in anderem Licht zu sehen und milder
zu beurteilen, oder sie wird dazu führen, dass wir drakonischere Strafen einführen müssen, weil eine derart entfesselte Gesellschaft nicht anders in den Griff zu bekommen ist.
Das Eine wie das Andere führt uns an Ende der Freiheit.
Du fällst von einem Extrem ins andere. Niemand fordert eine Gesellschaft OHNE Moral. Die gegenwärtige Diskussion in der Gesellschaft ist aber in nahezu jedem Punkt moralisch aufgeladen.
Bei der Feinstaubdebatte geht es nicht etwa um Fakten zu Grenzwerten, nein, die Menschen sterben am Staub und wer nicht einlenkt macht sich schuldig.
Wer nicht hinter der Klimapolitik steht, der ist heute schon schuldig am Millionen Toten. Kein Gedanke die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen zu diskutieren - das sind ja alles Mörder.
Gleichgeschlechtliche Ehe, natürlich geht es da nicht um Familienpolitik und befürchtete Auflösung der Ehe durch Entfall des Grundgedanken, nein, die Würde des Menschen ist gefährdet - das kann man nicht diskutieren.
Kein effektiver Grenzschutz und dadurch Ingangsetzen einer illegalen Migrationsspirale mit sehr vielen Toten im Meer und vorgelagerten Reisewegen. Aber wer es kritisiert macht sich schuldig an den Toten (der derjenige ganz nebenbei verhindern will).
Man könnte es endlos weiterführen, in fast jedem Thema der Politik läuft es nicht auf "richtig oder falsch" sondern auf "gut oder böse" hinaus.
Auf der rechten Seite hingegen begegnet man derlei Kompromisslosigkeit und Verachtung mit Gegenverachtung und teils Hass. Wer die Hoffnung auf eine sachliche Diskussion noch nicht aufgegeben hat, der findet sich in Foren wie diesem. Andere hetzen auf anderen Kanälen was das Zeug hält im Gefühl der Mehrheitsmeinung zu sein und das bestehende zu verteidigen gegen eine Clique moralisierender Realitätsverweigerer.
In diesem Klima kann man Toleranz vergessen. Dieses Klima erzeugt Militanz. Mir reicht es aber nicht aus das Elend zu verschlimmern nur um mir sagen zu können "ich war auf der richtigen Seite". Ich würde gerne das Elend verhindern.