Zunder schrieb :
Die Frage der "Sozialadäquanz" ist ein zu weites Feld, um hier darauf näher einzugehen.
Wenn aber seit Bestehen der BRD mehr als 60 Jahre lang die Zwangsbeschneidung bei Kindern, die, wenn sich nicht in Kliniken durchgeführt wird, immerhin unter § 224 StGB fällt und somit zu den Offizialdelikten zählt, unbeanstandet blieb, darf man zumindest bezweifeln, daß sie als sozial inadäquat gelten muß.
Das darf man. Allerdings begründbar auch, sie könnte überhaupt sozial adäquat sein. Die soziale Interaktion findet nämlich in einem überwiegend sozialen Umfeld statt, in dem eine zwangsweise Beschneidung als sozial inadäquat verstanden wird. Insofern sei die Frage gestattet, ob hier eine soziale Segregation angestrebt wird ?
Daß sich die Frage nach dem "Wohl des Kindes", wenn überhaupt, dann erst retrospektiv beantworten läßt, kommt gar nicht erst zur Sprache.
Bereits aus der üblichen, der Regel entsprechenden Beschneidungspraxis ohne Betäubung, läßt sich der Schaden bemessen : Verlust des kindlichen Urvertrauens durch eine für es spontane, unerwartete und extreme Zuführung von Schmerz, dessen Grund es nicht nachvollziehen kann. Hier spricht man von einem Traumata, welches absehbar psychologische und neurologische Folgen ( erhöhte Schmerzempfindlichkeit, Schmerzgedächtnis des Körper ) hat. Und : Bestimmte Einschränkungen beim späteren autoerotischen Gebrauch und dem Spektrum der natürlichen Empfindungsfähigkeit, werden damit zementiert.
Ein religiöser Muslim oder Jude wird es eher als seinem Wohl zuträglich empfinden, wenn er im Kindesalter beschnitten wurde, ein areligiöser möglicherweise nicht. Apodiktisch zu behaupten, die Beschneidung widerspräche generell dem Kindeswohl, ist Unfug.
Das ist es nicht. Maßstab kann hier nicht der Grad einer Gewöhnung oder Verdrängung sein, sondern die objektive Wegnahme von Möglichkeiten. Eine Wegnahme von Möglichkeiten kann immer zu einer inneren Abwägung mit Möglichkeiten führen die andere besitzen, sowie daraus schlussfolgernd zu seelischen Problemen. Das angeblich dies nicht stattfände, ist ein Teil der Verdrängung, ein Ammenmärchen - und wurde bereits von Putzke und Kelek bei Will aus deren Erfahrungen mit Betroffenen widerlegt.
Daß es im § 1631 Abs.2 um Bestrafung geht und nicht um einen mehr oder weniger schmerzhaften Initiationsritus, der eben nicht als Strafe vollzogen wird, unterschlägt das Gericht, indem es sich nur auf Satz 1 beruft und somit die Intention des Gestzes manipuliert
Maßstab kann hier nicht die subjektive Absicht der agierenden Erwachsenen sein, diese ist insbesondere einem Baby / Kleinkind nicht vermittelbar. Für das Kind ist es ein gewaltsamer, schmerzhafter und seelisch belastender Eingriff - siehe oben.
Die eigene Entscheidung über die Religionszugehörigkeit findet nicht in der Vorhaut statt.
Das Argument ist vollkommener Schwachsinn.
Mitnichten. Das rigorose Beharren auf der Tradition der Zwangsbeschneidung läßt plausibel den Schluss zu, es besteht mitnichten ein Interesse daran Bedingungen zu schaffen, die dem Kind später die kompetente Möglichkeit läßt zu wählen. Die Zwangsbeschneidung ist somit Beginn einer Indoktrination, aus der heraus sich ein so beeinflusster Mensch nur äußert schwer bis gar nicht mehr lösen kann. Davon abgesehen stigmatisiert sie ihn, auch wenn er die Religionsgemeinschaft verläßt.
Dem Recht auf körperliche Unversehrtheit wird in Abwägung gegen andere Grundrechte ein Gewicht verliehen, das ihm in nicht-religiösen Fällen durchaus nicht beigemessen wird, vom eher läppischen Ohrstechen über die weniger läppische Korrektur von Segelohren bis hin zur Knochenmarkspende, die einem Kind von Eltern durchaus rechtmäßig abgenötigt werden kann, auch wenn dieser Eingriff deutlicher risikoreicher ist als eine Beschneidung.
Es macht müde, immer wieder die gleichen und unzählige Male beantworteten Relativierungen zu lesen ..
Freundliche Grüße, schelm
Denk ich an D in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht, Heinrich Heine.