SirToby hat geschrieben:(31 May 2016, 21:01)
1. Das mag ja alles sein, dass der Westen und Russland beide rechtswidrig handeln können und dies auch tun. Wobei ich den Eindruck habe, dass der Westen ab und an zwar rechtswwidrig handelt, aber im grossen und ganzen schon dem Recht verhaftet ist, während man in Russland das Recht als eine leere Hülle betrachtet, die man nach Belieben dehnen und strecken kann, weil der Westen es angeblich ja genauso mache. Und bevor Sie wieder loslegen: Ich weiss, von Russland aus betrachtet, ist das genau umgekehrt zu sehen.
Wenn Russlands grösstes Ziel war, die Ukraine nicht im West-Militärbloc zu sehen, kann man nur sagen: Herzlichen Glückwunsch, genau das ist schon geschehen! Selbst viele russischstämmige Ukrainer betrachten R mittlerweile als Feind, wie man in Mariupol gesehen hat.
2. Das würde ich nicht sagen. Bisher ist einfach noch kein Verbündeter so stark geworden wie die USA. Ich schätze Sie kennen Brezinski, der wird ja immer gerne von Antiamerikanern dazu missbraucht, um zu "beweisen", dass die USA Russland einkreisen und zerstückeln wollen. Das würde in seinem Buch "Einzige Weltmacht" stehen. Steht da zwar nicht drin, aber ihm wird allgemein ein grosser Einfluss auf die Aussenpolitik zugeschrieben: Deswegen will ich mal kurz ein wirkliches Zitat aus seinem Buch widergeben S.109:
"1. Das Engagement der USA für die Sache der europäi-
schen Einigung ist vonnöten, um die moralische
und Sinnkrise, die Europas Lebenskraft geschwächt
hat, wieder wettzumachen, um den weit verbreiteten
Verdacht der Europäer, Amerika wolle letztendlich
gar keine wirkliche europäische Einheit, zu entkräften
und um dem europäischen Unterfangen die notwen
-
dige Dosis demokratischer Begeisterung einzuflößen.
Dies erfordert ein klares Bekenntnis Amerikas, Eu-
ropa als seinen globalen Partner zu akzeptieren. "
Ob alle in der US-Regierung das genauso sehen, kann ich natürlich nicht sagen. Aber ich würde schon sagen, dass die am. Politik im Ganzen darauf abzielt.
Die Suezkrise war übrigens genau das Gegenteil am. Dominanz. GB und F haben gegen den Willen der US-Regierung gehandelt, wie 2 Zottel, die nicht auf die Mutter hören wollen. Die USA standen damals international ziemlich blamiert da.
3. Es gibt genug Leute im Westen, auch innerhalb von Regierungen, die das Treiben der Sauds anprangern. Das Kritik an Unrechtsstaaten dagegn aus Russland kommt, wäe mir neu, die arbeiten sich hauptsächlich an uns ach so verlogenen Demokratien ab.
4. Das "böse" Russland? Die Frage ist ob überhaupt Russland geachtet und respektiert werden will. Bisher verfährt Putin eher nach der Methode: "Mögen sie uns nur hassen, solange sie uns fürchten"
Was hat die Krimannexion denn für Russland gebracht?
- Das ukrainische "Brudervolk" ist für RU verloren
- Die NATO war im Dornröschenschlaf bis Putin sie wachgeküsst hat.
- Die EU, immerhin der wichtigste Kunde Russlands, überlegt sich jetzt, wie sie von russischen Gas loskommen kann.
- die russische Wirtschaft ist am röcheln
- der Vertrauensverlust weltweit
Das alles haben die Russen nicht den USA, der EU oder der NATO zu verdanken, sondern sich selbst.
-
1.
Die Historie zeigt, dass es immer wieder Phasen gibt, in denen geltenden Vereinbarungen gecrashed werden. Ich denke, dass wir gerade an so einer Stelle stecken (und das nicht erste seit 2014).
Heute ist es das (Völker)Recht, früher waren es irgendwelche religiösen Regeln oder geltende Vorstellungen.
Am Ende entwickeln sich Ordungsrahmen und sie werden wieder zerstört/angepasst.
Russland und der Westen (natürlich die anderen Player wie China) werden derzeit einfach damit leben müssen, dass das Völkerrechtsverständnis von 1990 heute nicht mehr so existiert.
Wir sind in einer Phase, wo Grenzen ausgetestet bzw. durch neumodische Interpretationen umgedeutet werden.
Wenn es gut läuft, einigt man sich auf neue/geänderte Rahmen oder eine Art "Ab jetzt machen wir es wieder wie früher".
Das Recht in Russland eine leere Hülle ist, ist eine nicht haltbare Behauptung.
Russland hat eine sehr lange Rechtshistorie. Das müssen sie auch, denn die toben schon seit Jahrhunderten mitprägend durch die europ. Geschichte.
Dieses Büchlein hat mich ua. auch zu dem Thema sehr begeistert:
Kriegssplitter: Die Evolution der Gewalt im 20. und 21. Jahrhundert von Herfried Münkler
https://www.amazon.de/Kriegssplitter-Di ... gssplitter
Man muss zwar am Anfang auch ne Menge Philosophie "erdulden", aber Münkler gibt unglaublich viele anregende Gedanken auf den Weg.
2.
In diesem Zitat steht gerade nicht, dass man einen Partner auf Augenhöhe oder gar einen dominanten Partner akzeptiert (oder gar fördert).
Vielmehr ist es eine Bewertung vom Stand aus, dass Europa diesen gleichen oder höheren Stand gerade nicht inne hat.
Also die USA haben GB (Und damit auch Frankreich) die Pistole auf die Brust gesetzt und sie habe sich durchgesetzt.
http://www.misesde.org/?p=10055
3.
Mich musst du nicht überzeugen, dass Russland außenpolitisch eher pragmantisch denn moralisch unterwegs ist. Das habe ich auch nirgends abgestritten.
Ich möchte nur darstellen, dass dieser pragmatische Weg für so ziemlich alle Länder der Normalfall ist und der so genannte Westen da kein Positivbeispiel ist.
Das ist vor allem dafür wichtig, um die Kritik des Westens an anderen Dingen einzuordnen.
Entscheidend ist am Ende, was man tut und nicht was man sagt.
Zb. wird Saudi Arabien von Deutschland massiv unterstützt. Wie lange noch hängt heute sicher viel mehr damit zusammen, welche Vor- und Nachteile das bringt und nicht damit, dass die Saudis unfreundliche Gesellen sind.
Das es hier im Gegensatz zu anderen Ländern eine lautere Debatte um solche Themen gibt stimmt natürlich, aber einen nennenswerten außenpolitischen Einfluss haben diese Debatten eher nicht.
Ggf. kann sich daraus so ein Einfluss entwickeln, wenn es in politische Münze umgewandelt werden könnte, aber gerade wir dürfen deshalb nicht den Fehler machen und uns(den Westen) sanfter bewerten.
Frei nach Goethe: "Ach, welch ein Unterschied ist es, ob man sich oder die andern beurteilt."
4.
Russland will einfach ernst genommen werden.
Das Russland von 2006 hatte keinen Stand. Deren Interessen wurden nicht berücksichtigt, weil sie zu schwach waren, diese Berücksichtigung zu erwirken.
a.
Das ukrainisch Brudervolk ist für Russland nicht verloren. Dort herrscht politisches Chaos und das kann zu vielem führen.
Das letzte Mal wurde die orangene Revolution auch nicht unbedingt zum Erfolgsmodell
(Ein weiterer Verweis dazu auf die Brüdervölker Frankreich und Dtl)
b.
Nach Russlands Leseart war die NATO vorher hochaktiv (erweiterung) und die sind selber vor allem deshalb angesprungen, weil sie die Ukraine auf dem Weg in die Nato sahen (wofür ja auch einiges spricht)
Insofern hat die Nato für Russland nie geschlafen.
EDIT:
Dazu ganz "frisch":
http://www.latimes.com/opinion/op-ed/la ... story.html
Russia's got a point: The U.S. broke a NATO promise
c.
Das überlegen die schon sehr lange. Mit dem Ergebnis, dass die Mengen der Energieimporte eigentlich immer gewachsen sind.
Die Diversifizierung überlegen übrigens auch beide Seiten. Ein Ergebnis ist zb. dass China mittlerweile vor Dtl. der größte Abnehmer Russlands von Energie ist.
Die Unabhängigkeit in Europa wird am eher über erneuerbare Energien bekommen als über LPG-Lieferung aus Übersee oder Pipelines durch Konfliktgebiete erreichen..
d.
Das ist eine Übertreibung.
-3,7% 2015 und ggf. nochmal -2% 2016 sind kein Röcheln.
Das ist eine Wirtschaftskrise. Nicht mehr aber auch nicht weniger.
e.
Will ich nicht bestreiten (vor allem im Westen)
Dagegen steht aber zb. ein deutlich höhere Bereitschaft, die russischen Interessen zu berücksichtigen. Russland ist wieder auf der internationalen Bühne als eigenständige Partei unterwegs.
Das hat seinen Preis (ua. Furcht bei den Balten und Natoaufrüstung), aber eben auch seine Vorteile.