Watchful_Eye hat geschrieben:(16 Jan 2018, 20:56)
Ich frage mich seit der Flüchtlingskrise häufig: In welchem Maße darf eine Nation "an sich" denken bzw. darf man als Wähler eines Nationalstaates an seine eigene Nation denken?
Uneingeschränkt. Diese Frage stellt sich nämlich nur, wenn man eine stringente westliche Menschenrechtsdefinition zugrunde legt. In jedem nicht westlichen Land stellt sich diese Frage in der Form nicht.
Daraus lässt sich auch die Frage ableiten, ob Menschen, die die westliche Menschenrechtsdefinition nicht anerkennen, Schutz durch diese beanspruchen können.
Es gibt ja diesen häufig kritisierten Trump-Ausspruch "America First!". Meines Erachtens ist diese Kritik auch berechtigt, symbolisiert es doch das übermäßig national-egoistische Handeln Trumps. Auch impliziert er fälschlicherweise, in der Vergangenheit habe Amerika nicht im auf den eigenen Vorteil bedacht gehandelt. Meinem Eindruck nach existiert allerdings kein Staat auf der Welt, welcher dies nicht zumindest im weiteren Sinne tut.
Ich sehe nicht wirklich, wo Trump "national-egoistisch" handelt.
Wenn wir 100%ig "global utilitaristisch" denken würden, wäre im Anbetracht globaler Armut bereits der bescheidenste Luxus eines Deutschen schwierig zu rechtfertigen. Wir müssten wohl einen sehr großen Teil unseres BIPs, möglicherweise über die Hälfte, in Entwicklungshilfe investieren. Schon das Konzept der Grenzziehung wäre schwierig zu rechtfertigen, da es in letzter Konsequenz bedeutet, nationale, mit dem Staat verbundene Privilegien zu sichern. Auch wäre es problematisch, zu versuchen, bei Verhandlungen mit anderen Staaten "das Maximum" herauszuholen, denn wir hätten dann ja als Weltbürger zu denken und nicht mehr als Deutsche.
Ich glaube der Diskurs wurde hier von links und rechts so atomisiert und zerrieben, dass wir das große Ganze nicht mehr sehen.
1) Das Geschwafel von Fluchtursachenbekämpfung: Machen wir bereits, nennt sich Globalisierung und wird von rechts wie links massiv angegriffen. Wenn SPD, Grüne und Linke behaupten, von der neoliberalen Agenda bleibe immer weniger für die Menschen hier, dann haben sie auf den einen Seite recht, Kritisieren das aber zu unrecht, weil es das ist, was sie proklamieren. Wo ist das Geld hin? China und Indien, wo in den letzen 30 Jahren ca. 1,3-1,5 Mio Menschen aus der absoluten Armut gehoben wurden. Stichwort trickle down funktioniert nicht: Ja wenn man trickle down auf nationaler Ebene in internationalen Märkten betrachtet, ist das ein Messfehler.
2) Nationale Grenzziehung und Privilegien entstehen aus dem Wertefundament, das den Reichtum erst möglich macht. Von daher ist es rational, dieses Wertegerüst durch Grenzen zu schützen.
3) nach der Logik sagt Trump erstmal: Schluss mit Armutsbekämpfung, die amerikanische Mittelschicht wurde genug geschröpft.
Ein solches Handeln, in dieser Extremform gedacht, würde wohl schon alleine spieltheoretisch in eine Katastrophe führen, weil sich ausländische Bürger und Staaten natürlich mutmaßlich nicht unserem strikt globalen Denken anschließen würden. Es scheint auch insofern falsch, als dass wir hierzulande bereits ein weit überdurchschnittlich hohes Niveau an gesellschaftlicher Kohärenz und Stabilität erreicht haben, welches sich bei unbegrenzter Migration und Umverteilung nicht aufrechterhalten ließe.
Der Gedankengang erschließt sich mir nicht. Wenn Menschen vollkommen utilitaristisch und rational handeln würden, dann hätte die ganze Welt unsere Rechte- und Werteordnung bereits übernommen.
Daher scheint es mir eine Frage der richtigen Abwägung zu sein; und nach welchen Kriterien ist hier vorzugehen? Wie sehr dürfen wir unser eigenes Land bevorzugen und ab wann wirds, ethisch gesehen, eklig? Ist "nationales" Denken ein relativer Begriff? Sollte ein Wähler die Wahl seiner Partei in erster Linie am Wohl der eigenen Nation ausrichten oder eher am Wohl der gesamten Welt? Im Falle Deutschlands auch am Wohle Europas?
Ich würde von mir sagen, das Wohl meiner eigenen Nation schon am stärksten zu gewichten (dafür ist die Regierung schließlich auch zuständig), dann kommt Europa und dann der Rest der Welt. Das ist vermutlich auch normal. Aber ist es ethisch zu rechtfertigen und wenn ja, wie?
Ja dürfen wir / alle anderen, weil in den UN-Menschenrechtskonventionen nicht nur Individualrechte, sondern auch ein Kollektives Selbstbestimmungsrecht der Völker steht. Das ist eigentlich das einzige, was mich an der aktuellen Debatte richtig anpisst, dass die EU den Osteuropäern ihren Willen aufzwingen will. Die Entscheidung 2015 wurde nur von den Staatschefs von Frankreich, Deutschland und Österreich abgesprochen und bei diesen liegt nur auch die Verantwortung.
Meine Ansicht zu 2015 ist nach wie vor, dass Merkels Entscheidung ethisch richtig war, aber praktisch total verkackt wurde. Es hätte kontrolliert werden müssen. Der Diskurs um die Flüchtlinge ist nur deshalb so toxisch, weil massiv Straftaten von einer kleinen Gruppe der Flüchtlinge / Migranten begangen wurden.
Die 3 explosiven und medienwirksamen Fälle hätten verhindert werden können:
1) Anis Amri: Ellenlanges Strafregister, abschiebepflichtig, early warning signals, alles da.
2) Hussein K.: In Griechenland und dem Iran vorbestraft und pikanter Weise im Zuge der Generalamnesty nach Merkels Grenzöffnung aus dem griechischen Gefängnis rausgelassen.
3) Eric X.: Im Heimatland vorbestraft wegen Mord, was auch der Fluchtgrund ist (soweit ich mich erinner, kein Bock zu googlen).
PS: Hallöchen erstmal
