Die Frage danach, wer ein BGE bekommen darf, lässt sich doch leicht beantworten. Jeder, der heute Anspruch auf Hartz IV haben könnte, hat auch Anspruch auf das BGE.
Das Denkmodell dazu ist: Im Wesentlichen wird das Bedürftigkeitsprinzip durch das Bedarfsprinzip ersetzt.
Und dann gleich die nächste konkrete Antwort: Was genau ist der Bedarf?
Hartz IV regelt im Wesentlichen die Existenzgrundsicherung, so wie diese auch vergleichbar in der Steuergesetzgebung geregelt ist.
Als Bedarf wird hier aber die umfassendere Bedarfsregelung aus dem Steuerrecht verwendet - hier hinkt die Sozialgesetzgebung aufgrund der Bedürftigkeitsannahme etwas hinterher!
Wer meint, er könnte als persönlichen Bedarf vielleicht so einige Milliönchen geltend machen, vergisst, dass es um den Bedarf an Existenzgrundsicherung geht, und nicht um den Bedarf ein Lottomillionär sein zu wollen.
Dann wurde zurecht angemerkt, dass es durchaus höhere Bedarfe geben kann - nämlich beispielsweise wenn eine Behinderung vorliegt o.ä.. Nur - man mache sich klar, dass dies für einen recht kleinen überschaubaren Personenkreis gilt. Mit einer guten pauschalierten BGE-Regelung hingegen kann man locker 80-95% der normalen Situationen abfangen, wahrscheinlich sogar noch ein wenig mehr.
Auch heute kommen die restlichen Sondergruppen nur über Sonderregelungen über die normalen Regelungen von Hartz IV an die weitergehenden Hilfen heran. Das würde sich damit auch nicht ändern - allerdings ist der Aufwand, beispielsweise eine Behinderung einmalig nachzuweisen, relativ gering gegenüber dem was heute die Bedürftigkeitsregelung an Regelungsaufwand erfordert.
Wir haben heute kein Schlaraffenland, und auch in einer BGE-Gesellschaft sind nicht alle Probleme gelöst - allerdings bietet der Wechsel auf eine BGE-GEsellschaft die Chance, dass man doch eine ganze Menge stringenter, besser, kostengünstiger, effizienter und effektiver organisieren kann.
Nehmen wir mal zum Vergleich wieder das Bedarfsprinzip in der Krankenversicherung - da hilft die gesetzliche Krankenversicherung den Grundbedarf an medizinischer Leistung finanziell abzusichern. Nicht aber das Einbettzimmer, die Spielekonsole, die Chefarztbehandlung und und und. Und eine Brust-OP übernimmt die Krankenkasse im allgemeinen eben auch nicht - im speziellen aber schon, wenn es eine klare medizinische Indikation gibt. Das wäre bezogen auf die Existenzgrundsicherung entsprechend vergleichbar - wer klar eine Indikation dafür hat, eine höhere Grundsicherung zu brauchen als Otto-Normalo mit seiner Frau Monika Mustermann, der bekommt die höhere Existenzgrundsicherung auch.
Einige andere Beiträge haben dann das Thema Reichtum bzw. fehlenden Reichtum adressiert - nun, man KANN diese Frage mit der Existenzgrundsicherung durch geschickte Finanzierungsansätze mit adressieren - allerdings habe ich die Befürchtung, je mehr Problemstellungen man mit diesem einen Instrument adressieren will, desto unwahrscheinlicher ist es, dass überhaupt Veränderungen kommen. Deshalb wäre mir wohler, es gäbe einen einfachen Finanzierungsansatz. Ob über die Mehrwertsteuer, eine vergleichbare Sozialabgabe, oder auch über Regelungen über das Einkommen - da kann man munter streiten. Mit der Kernfragestellung der Existenzgrundsicherung hat das aber weniger zu tun.
Als ein Thema wurde genannt, dass wenn man die heutigen Regelungen alle durch das BGE ersetzen würde, die finanziellen Mitteln bei einer Coronakrise schlechter wären als heute. Das muss aber nicht so sein - denn auch mit einem BGE kann es ein Kurzarbeitergeld weiterhin geben. Allerdings wäre dessen Finanzierung relativ gesehen einfacher, weil das BGE ja ein höherer Anteil des Kurzarbeitergeldes wäre, und das wäre schon bezahlt. Als Kurzarbeitergeld in Krisensituationen müsste also relativ gesehen nur ein kleinerer Teil finanziert werden. (Wobei das Gesamtfinanzierungsvolumen natürlich gleich bleibt)
Wenn gesellschaftlich gewollt, kann auch das Arbeitslosengeld weiterhin bestehen bleiben - es wäre aber anders organisiert. Relativ gesehen wäre es günstiger, weil der Existenzgrundsicherungsteil des ALG 1 über das BGE finanziert wäre, weshalb das eigentliche ALG 1 deutlich presiwerter wäre. (Auch hier wieder: Absolut gesehen ändert das am Gesamtfinanzierungsbedarf nichts - es ist nur effektiver und effizienter organisiert)
Heute ist beim Bedürftigkeitsprinzip ein Problem, dass wenn man lange genug Arbeitslos wird, man sein bis dato erarbeitetes Vermögen weitgehend einsetzen muss, bevor man Hartz IV bekommt. Lieber @jack000: mache dir klar, sollte dir das drohen, musst du heute ganz real wesentliche Teile deines Vermögens aufgeben, bevor man dich an Hartz IV ranlässt. Mit dem Bedürftigkeitsprinzip würde sich das ändern - so gesehen wäre es dann für dich kein Nachteil, sondern real ein Vorteil. (Das ist mit ein Grund, warum ich es für eine relativ elegante Lösung halten würde, das BGE zumindest in Teilen über Vermögensabgaben zu finanzieren......dann müsste das eigene Vermögen sehr wohl eingesetzt werden, aber ob es in Gänze drauf geht, wäre vom Zeitraum abhängig......)
@Occham:
Der Gedankengang, dass gearbeitet werden muss - klingt schnell richtig. Ist er aber nicht. Denn dieser Gedankengang, so verlockend und schnell er gedacht, gesprochen oder geschrieben ist, führt in der Folge dazu, dass die Grenzen zur Arbeitspflicht und schliesslich zur Zwangsarbeit sich fliessend gestalten. Und Zwangsarbeit - ich denke, das sollten wir alle gemeinsam ablehnen.
Dazu kommen die berechtigten Themenstellungen, die auch Precht wie unter anderem oben aufgeführt:
will man eigentlich dass jedem Bürger ( egal ob er arbeitet oder nicht, bedürftig ist oder nicht) eine Existenzgrundsicherung zugestehen??? , andererseits alleine schon bei der Definition von Arbeit beginnen die Probleme so Precht:
" Die meisten von uns verwechseln Arbeit mit Erwerbsarbeit , dass sind nämlich zwei paar Schuhe, etwa Ehrenamt oder Erziehungsarbeit werden in unserer Gesellschaft noch sehr mangelhaft wert geschätzt, dazu kommen die eigentlich als "systemrelevant" betrachteten Berufe die irrwitzige Weise bis auf einige Ausnahmen durchweg schlecht entlohnt werden, hinzu kommt es liegt zwar in der Natur des Mensch zu
arbeiten, zu gestalten und zu verändern aber sicherlich nicht 8 oder mehr Stunden am Tag in einem Büro herum zu sitzen und dafür Geld zu bekommen".
Offensichtlich gibt es noch viele, die in ihrer Denkweise noch nicht so weit sind, dass sie jedem eine Existenzgrundsicherung zugestehen. Nur muss man sich klar darüber werden, dass dies konkret bedeutet, dass man sich auf Kriegsfuss mit der Menschenwürde begibt. Das ist im Übrigen in der Rechtsprechung des BVerfG immer wieder auch ein Thema - wobei das BVerfG auch einen wichtigen Kontrapunkt setzt: Menschen, die sich nicht fair gegenüber der Gesellschaft verhalten, können nicht per se damit rechnen, dass ihnen mehr als das Allernötigste zugesprochen wird. ABER: Das Allernötigste steht auch diesen zu!
Berücksichtigt man diese Rechtssprechung, dann kann man durchaus ein BGE so organisieren, dass abgestuft wirkt - also Menschen die offensichtlich faul sind anders behandeln, als der überwiegende Teil, der einfach nur ab und an mal Pech hat. In der Krankenversicherung nach dem Bedarfsprinzip gilt das im Übrigen auch: Wer bescheisst, bekommt den Versicherungsschutz abgesprochen.
Darüber hinaus aber gibt es auch Lebenssituationen, in denen nicht beschissen wird, und sogar gearbeitet wird - die aber nur derzeit nicht entlohnt werden! Und zwar deshalb nicht, weil diese Arbeitssituationen nicht in unseren Geldkreislauf integriert sind. Genau wie es Precht sagt, trifft dies zu einem überwiegenden Teil gerade Eltern und dabei meist Frauen, es trifft ehrenamtliche Arbeit, und es trifft zum Teil auch unseren Umgang mit den systemrelevanten Berufen in der Pflege etc......
Auch hier spricht das nicht wirklich gegen ein BGE, sondern eher dafür. Denn mit einem BGE wären solche Tätigkeiten zumindest mal in den Geldkreislauf integriert - auch wenn dies keine faire oder marktwirtschaftliche Lösung ist. Wenn heute Mann und Frau arbeiten gehen, und dann Frau ein Kind bekommt, dann hat die Frau genau kein Einkommen, wenn sie zu Hause bleibt. Denn: An Hartz IV kommt sie nicht ran - der Mann verdient zu viel. Es wird dann finanziell so getan, als würden wir über ein Familieneinkommen sprechen - tatsächlich aber wird das Geld erst mal nur auf das Konto überwiesen, was der Mann besitzt - und der Arbeitgeber hat auch mit der Frau keinen Vertrag. Würde die Frau hingegen bedingungslos die Existenzgrundsicherung bekommen, wäre das Geld, was wirklich ihr zusteht, was auf ihr Konto überwiesen wird, und ihr Geld ist.
Natürlich kann man sich heute als Ehepaar auch schon so organisieren - man kann ein gemeinsames Konto führen, und der Mann kann sein Einkommen als Familieneinkommen sehen......kann. Ist aber gesellschaftlich nicht wirklich so eingerichtet, sondern nur von Mannes gnädiger Denkweise abhängig. Und das, obwohl bei der Frau steuerrechtlich sogar ein eigenes Existenzminimum zugerechnet wird. Im Kopf trennen das die meisten nicht mehr. Es wäre gut, wenn das gesellschaftlich anders organisiert wäre!
Was würden diese Überlegungen bedeuten?
Ein BGE nach dem Bedarfsprinzip in Höhe der Existenzgrundsicherung ist gesamtgesellschaftlich erst mal weitgehend finanziell neutral. Da einige Ungereimtheiten des heutigen Sozial- und Steuerrechts aber begradigt würden, würde sich ein gewisser finanzieller Mehrbedarf ergeben, der sich im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich bewegen wird. Solche Beträge sind aber durchaus verkraftbar - zumal sie in Teilen durch effizientere Prozesse im Sozialrecht gegen gerechnet werden können.
Trotzdem würden solche Reformen einiges ganz praktisch verändern - insbesondere, wenn man an die Veränderungen denkt, die ich im Umgang von Familien mit dem Einkommen angesprochen habe. Faktisch hätte der Mann ein niedrigeres Netto, dazu aber ein eigenes Existenzgrundeinkommen und die Frau hätte auch ein eigenes. Die Konsumfähigkeit der Familie würde sich unterm Strich nicht viel anders darstellen als heute - aber die Wertschätzung der Arbeit der Frau und des Mannes würden sich neu einjustieren.
Viele weitere Fragestellungen hängen dann aber konkret davon ab, wie man das BGE finanziert. Und die Einnahmeseite bringe ich in diesen schon recht umfangreichen Beitrag nicht auch noch mit rein, wenn man meinen kleinen Ausflug weiter oben bezüglich der Vermögensabgabe verzeiht....