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Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 16:32
von schokoschendrezki
Selina hat geschrieben:(11 Aug 2020, 15:49)

Alles richtig. Bis auf den letzten Abschnitt: Putin in einem Atemzug mit den Rechtspopulisten Orban, Bolsonaro und Trump zu nennen, ist schon sehr gewagt. Auch gibts in Russland keinen "schier unfassbaren geistig-kulturellen Niedergang". Der autokratische Führungsstil von Putin ist schon sehr kritikwürdig, stimmt, auch seine Schwulenfeindlichkeit, stimmt, und die Medien-Gleichschaltung unter Putins Ägide, ja, alles richtig. Aber "geistig-kultureller Niedergang" ist schon noch mal einen Zacken schärfer, umfassender und so nicht angemessen. Das kann man unter "deutscher Arroganz" zusammenfassen:

https://russische-botschaft.ru/de/infor ... -russland/
Hallo Selina. Ich sag dazu nur eins: Schau dir den Film "Leviathan" von Swjaginzew an (falls du ihn nicht schon kennst). Als oskar-nominierter Film sollte das kein Problem sein. Auf der einen Seite nur eins von abertausend Beispielen dafür, was für ein geistiger Dünnschiss dieses ganze Gerede von der angeblichen Zurückgebliebenheit der russischen Kultur oder überhaupt von irgendeiner "Kultur" ist. Kunstwerke wie auch wissenschaftliche Artikel werden von Individuen fabriziert, nicht von Angehörigen irgendeiner "Kultur". Aber der Film zeigt genau dies: Den geistig-kulturellen Niedergang der Welt am Beispiel des Staates, der am ehesten dafür steht: Russland. Ergänzt werden müsste: den zivilisatorischen Niedergang. "Machtmissbrauch, Justizwillkür und eine unheilige Allianz zwischen Kirche und Staat" wie es in einer der Rezensionen dazu völlig richtig heißt. Der Film motiviert auch für die 180-Grad-Kehrtwende, die in der Kritik am politischen System Russlands nötig ist: Weg von der Stalinismus- und Staatsozialismuskritik und hin zu einer Kritik an einer rechskonservativ-nationalistisch-imperialen Politik. Die Solidarität hat den verfolgten Intellektuellen und Oppositionellen und nicht dem System Putin zu gelten.

Und das gilt genauso auch für Belarus.

Re:

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 17:29
von imp
schokoschendrezki hat geschrieben:(11 Aug 2020, 16:32)

Hallo Selina. Ich sag dazu nur eins: Schau dir den Film "Leviathan" von Swjaginzew an (falls du ihn nicht schon kennst). Als oskar-nominierter Film sollte das kein Problem sein. Auf der einen Seite nur eins von abertausend Beispielen dafür, was für ein geistiger Dünnschiss dieses ganze Gerede von der angeblichen Zurückgebliebenheit der russischen Kultur oder überhaupt von irgendeiner "Kultur" ist. Kunstwerke wie auch wissenschaftliche Artikel werden von Individuen fabriziert, nicht von Angehörigen irgendeiner "Kultur". Aber der Film zeigt genau dies: Den geistig-kulturellen Niedergang der Welt am Beispiel des Staates, der am ehesten dafür steht: Russland. Ergänzt werden müsste: den zivilisatorischen Niedergang. "Machtmissbrauch, Justizwillkür und eine unheilige Allianz zwischen Kirche und Staat" wie es in einer der Rezensionen dazu völlig richtig heißt. Der Film motiviert auch für die 180-Grad-Kehrtwende, die in der Kritik am politischen System Russlands nötig ist: Weg von der Stalinismus- und Staatsozialismuskritik und hin zu einer Kritik an einer rechskonservativ-nationalistisch-imperialen Politik. Die Solidarität hat den verfolgten Intellektuellen und Oppositionellen und nicht dem System Putin zu gelten.

Und das gilt genauso auch für Belarus.
Am Ende geht es mir um Freiheit und Wohlstand. Man muss mehr in Möglichkeiten und Entwicklungskorridoren denken. Bis hinein in die russlandkritischsten US-Thinktanks stellen sich Techniker der Macht inzwischen die Frage, wie weiter. Das Fazit der letzten zehn Jahre ist, dass Konfrontationen, Sanktionen, Vertragskündigungen weder Weißrussland noch Russland nachhaltig auf einen Kurs der Einlassung gebracht hätten. Das heißt nicht, dass diese Maßnahmen deshalb grundsätzlich in Frage gestellt würden. Die Weißrussen werden ohne eine konkrete Wohlstandsperspektive wohl eher die konservative Route gehen, für sich persönlich und kollektiv also eher vor allem Überschaubare Wahlen treffen. Das gilt für die Staatsführung in ihrem Kalkül zwischen EU, Russland, Kina im Prinzip ähnlich. Man sollte daher den Weg machbarer, wagbarer Projekte gehen, ohne von prinzipieller Kritik abzurücken. Das gilt für Russland im Grunde ähnlich. Ein paar Unterschiede gibt es da, aber die haben ihre eigene Überschrift.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 18:21
von Adam Smith
schokoschendrezki hat geschrieben:(11 Aug 2020, 15:27)

Putin und Lukaschenko stehen - gemeinsam mit Politikern wie Bolsonaro, Orbán, Kaczynski, Trump, Modi, Erdogan, Abe für einen schier unfassbaren geistig-kulturellen Niedergang. Und die AUfzählung sollte deutlich machen: Am jeweiligen Kulturkreis liegt dies wohl kaum.
Es gibt keinen aktuellen Niedergang. Der Niedergang begann mit der russischen Revolution. Putin und Orban haben einiges mit Breschnew gemeinsam, nur dass es unter Putin mehr Marktwirtschaft gibt. Mit Stalin hat Putin so gut wie gar nichts gemeinsam. Das trifft auch auf Lukaschenka zu. Es gibt auch keinen kulturellen Niedergang in den USA. Die USA dominieren die Welt kulturell sehr stark.

Aktuell gibt es Proteste in Weißrussland. Aber auch in Deutschland gibt es halt Wutbürger.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 18:22
von NicMan
Adam Smith hat geschrieben:(11 Aug 2020, 18:21)

Es gibt keinen aktuellen Niedergang. Der Niedergang begann mit der russischen Revolution. Putin und Orban haben einiges mit Breschnew gemeinsam, nur dass es unter Putin mehr Marktwirtschaft gibt. Mit Stalin hat Putin so gut wie gar nichts gemeinsam. Das trifft auch auf Lukaschenka zu. Es gibt auch keinen kulturellen Niedergang in den USA. Die USA dominieren die Welt kulturell sehr stark.

Aktuell gibt es Proteste in Weißrussland. Aber auch in Deutschland gibt es halt Wutbürger.
Die Proteste gegen eine autokratische Herrschaft in Belarus haben wenig mit deutschen Wutbürgern zu tun.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 18:30
von Adam Smith
NicMan hat geschrieben:(11 Aug 2020, 18:22)

Die Proteste gegen eine autokratische Herrschaft in Belarus haben wenig mit deutschen Wutbürgern zu tun.
In Deutschland verhalten sich die Demonstranten friedlicher als in Weißrussland. Bei den verletzten Polizisten in Berlin wurden alle Demos an dem Tag gezählt und da gab es dann einige bei der spontan Polizisten angegriffen worden sind. Von guten Demonstranten. Also nicht von den bösen Demonstranten die friedlich ohne Maske demonstrieren.

In Weissrussland gab es ja in der Nacht Angriffe auf Polizisten.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 18:34
von NicMan
Adam Smith hat geschrieben:(11 Aug 2020, 18:30)

In Deutschland verhalten sich die Demonstranten friedlicher als in Weißrussland. Bei den verletzten Polizisten in Berlin wurden alle Demos an dem Tag gezählt und da gab es dann einige bei der spontan Polizisten angegriffen worden sind. Von guten Demonstranten. Also nicht von den bösen Demonstranten die friedlich ohne Maske demonstrieren.

In Weissrussland gab es ja in der Nacht Angriffe auf Polizisten.
Aus liberaler Sicht ist Gewaltanwendung gegen ein Unrechtsregime legitim.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 18:47
von Adam Smith
NicMan hat geschrieben:(11 Aug 2020, 18:34)

Aus liberaler Sicht ist Gewaltanwendung gegen ein Unrechtsregime legitim.
Damit haben die aktuellen Probleme vor 100 Jahren angefangen. Der Zar wurde gestürzt und alles war noch halbwegs friedlich. Nur gab es dann Entwicklungen die bis heute nachwirken.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 18:49
von NicMan
Adam Smith hat geschrieben:(11 Aug 2020, 18:47)

Damit haben die aktuellen Probleme vor 100 Jahren angefangen. Der Zar wurde gestürzt und alles war noch halbwegs friedlich. Nur gab es dann Entwicklungen die bis heute nachwirken.
Im Gegenteil, damit hat die Moderne begonnen. Siehe amerikanische und französische Revolution.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 18:49
von imp
Adam Smith hat geschrieben:(11 Aug 2020, 18:30)

In Deutschland verhalten sich die Demonstranten friedlicher als in Weißrussland. Bei den verletzten Polizisten in Berlin wurden alle Demos an dem Tag gezählt und da gab es dann einige bei der spontan Polizisten angegriffen worden sind. Von guten Demonstranten. Also nicht von den bösen Demonstranten die friedlich ohne Maske demonstrieren.

In Weissrussland gab es ja in der Nacht Angriffe auf Polizisten.
So pauschal ist das doch Unsinn. Auch in Deutschland wird jede Nacht irgendwo ein Polizist bedrängt. Auch in Deutschland gibt es Gewalt gegen Polizisten und Polizeigewalt. Es gibt in Belarus jede Menge unbewaffneten Protest, auch geistig. Es gibt in Weißrussland auch jede Menge Polizeibrutalität. Alles nicht falsch, aber gibt das denn nun die Situation brauchbar wieder? Alle paar Jahre dasselbe blöde Muster: Ein paar Idealisten prügeln sich mit der Polizei und liefern dem Staatsfunk die bestellten Bilder. Die Reaktion ist brutal genug, um klarzustellen wo es lang geht und gerade noch so gebremst, dass keines der relevanten Länder irgendetwas an seiner grundsätzlichen diplomatischen Richtung ändert. Irgendwelche Signale und Proteste werden ausgetauscht; wer Wahlkampf hat, sagt irgendwas dazu.

Gäbe es ein realistisches Potential für eine Machtprobe, würde es nicht auf den nächsten Wahltag warten.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 18:54
von Adam Smith
NicMan hat geschrieben:(11 Aug 2020, 18:49)

Im Gegenteil, damit hat die Moderne begonnen. Siehe amerikanische und französische Revolution.
Damit kann alles mögliche beginnen. Die Weltgeschichte ist voll von Umstürzen.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 18:56
von NicMan
Adam Smith hat geschrieben:(11 Aug 2020, 18:54)

Damit kann alles mögliche beginnen. Die Weltgeschichte ist voll von Umstürzen.
Umso weniger kann ich deine pauschale Ablehnung vom Umstürzen nachvollziehen.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 18:57
von imp
Adam Smith hat geschrieben:(11 Aug 2020, 18:54)

Damit kann alles mögliche beginnen. Die Weltgeschichte ist voll von Umstürzen.
Noch jeder Umsturz hat sich im Recht gesehen, die ihm sinnvoll erscheinenden Mittel zu ergreifen. Die gescheiterten Umstürze erst recht. Denk nur mal an den Fenstersturz in Prag.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 19:01
von Adam Smith
NicMan hat geschrieben:(11 Aug 2020, 18:56)

Umso weniger kann ich deine pauschale Ablehnung vom Umstürzen nachvollziehen.
0,1% der bisherigen Umstürze haben funktioniert. Aus dem Grund ist die Quote besser als beim Kommunismus. Es kann sich ja was sinnvolles ergeben.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 19:02
von NicMan
Adam Smith hat geschrieben:(11 Aug 2020, 19:01)

0,1% der bisherigen Umstürze haben funktioniert. Aus dem Grund ist die Quote besser als beim Kommunismus. Es kann sich ja was sinnvolles ergeben.
Gibt es für diese Aussage eine seriöse Quelle?

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 19:04
von imp
Adam Smith hat geschrieben:(11 Aug 2020, 19:01)

0,1% der bisherigen Umstürze haben funktioniert. Aus dem Grund ist die Quote besser als beim Kommunismus. Es kann sich ja was sinnvolles ergeben.
Umstürze leben davon, dass auch Leute mitmachen oder gewährenlassen, die absehbar nichts oder wenig davon haben. Die müssen schließlich im Erfolgsfall damit rechnen, dass bestenfalls nicht alles schlechter wird und schlimmstenfalls nichts besser.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 19:05
von Adam Smith
imp hat geschrieben:(11 Aug 2020, 18:57)

Noch jeder Umsturz hat sich im Recht gesehen, die ihm sinnvoll erscheinenden Mittel zu ergreifen. Die gescheiterten Umstürze erst recht. Denk nur mal an den Fenstersturz in Prag.
Langfristig gibt es aus dem Grund z.B. Tschechien. Kurzfristig der Dreißigjährige Krieg.
Der Fenstersturz markierte den Beginn des Aufstands der böhmischen Protestanten gegen die katholischen Habsburger und gilt als Auslöser des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648).
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Zweiter ... nstersturz

Das ist aber alles Off-Topic.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 19:06
von Adam Smith
NicMan hat geschrieben:(11 Aug 2020, 19:02)

Gibt es für diese Aussage eine seriöse Quelle?
Natürlich nicht. Aber wie viele von den Umstürzen die es bisher in der Geschichte gab sind jetzt positiv zu beurteilen?

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 19:07
von Audi
NicMan hat geschrieben:(11 Aug 2020, 19:02)

Gibt es für diese Aussage eine seriöse Quelle?
Saddam, Gaddafi um aktuell zu sein. Den Menschen geht es sehr viel schlechter als vorher

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 19:10
von NicMan
Adam Smith hat geschrieben:(11 Aug 2020, 19:06)

Natürlich nicht. Aber wie viele von den Umstürzen die es bisher in der Geschichte gab sind jetzt positiv zu beurteilen?
Amerikanische Revolution
Französische Revolution
Haitianische Revolution
Die Revolutionen 89

Verstehe wirklich nicht, wo dein Problem liegt.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 19:11
von NicMan
Audi hat geschrieben:(11 Aug 2020, 19:07)

Saddam, Gaddafi um aktuell zu sein. Den Menschen geht es sehr viel schlechter als vorher
Das werden die Kurden anders sehen. Aber das ist OT.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 19:11
von Audi
NicMan hat geschrieben:(11 Aug 2020, 19:10)

Amerikanische Revolution
Französische Revolution
Haitianische Revolution
Die Revolutionen 89

Verstehe wirklich nicht, wo dein Problem liegt.
Na komm, was aktuelles

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 19:11
von NicMan
Audi hat geschrieben:(11 Aug 2020, 19:11)

Na komm, was aktuelles
Revolution in Tunesien 2011

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 19:17
von imp
Adam Smith hat geschrieben:(11 Aug 2020, 19:05)
Langfristig gibt es aus dem Grund z.B. Tschechien. Kurzfristig der Dreißigjährige Krieg.
Die Leute damals hatten mit vielem zu kämpfen: Die Kleine Eiszeit, katholisch-protestantische Gegensätze um den richtigen und den falschen Blödsinn, unerklärlich ein Komet, Inflation, Nahrungsverknappung, die Versuche des Kaisers, mehr Zentralgewalt zu bekommen und die Egoismen der lokalen Chefs. Bekommen haben sie Jahrzehnte der Plünderung und Besatzung durch jeden, der mal rein wollte. Alles recht weit weg von den Ereignissen in Weißrussland, zu dem ausgewählte Wissenschaftler, aber auch manche Nazis Weißruthenien sagen. Es gibt viele Gründe, Veränderung um Land zu wünschen. Es ist nicht zielführend, die Angst vor Veränderung zu schüren. Davon profitieren dann eher konservative Kräfte.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 19:18
von Audi
NicMan hat geschrieben:(11 Aug 2020, 19:11)

Revolution in Tunesien 2011
Was daran war positiv?
Hier Mal was zum Diktator

Der Soziologe und Erziehungswissenschaftler Hartmut Krauss betrachtete das autokratische System Ben Alis und seiner Vorgänger als das fortschrittlichste im arabisch-islamischen Raum. Er führte ein Lob des tunesischen Schriftstellers Mustapha Tlili Ben Ali auf, welcher, ohne die Beschönigung repressiver und kleptokratischer Machenschaften des Ben Ali-Klans, einräumte, dass das Regime eine gesellschaftliche Höherentwicklung bewirkte. Eine der höchsten Leistungen war der Aufbau eines fortschrittlichen Bildungssystems, welches eine gut ausgebildete Arbeitsbevölkerung in einem rohstoffarmen Land schuf. Vor allem sei die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Säkularisierung ein Beweis für die Einzigartigkeit der Entwicklung Tunesiens in Nordafrika, so dass Krauss das Land als potenziellen Vorreiter bei der Demokratisierung und kulturellen Modernisierung betrachtet.[146]

Und dannach

Sieben Jahre nach der Revolution
Das Ende der Hoffnung in Tunesien

Ihr Bruder sagt, unter dem bis 2011 herrschenden Diktator Ben Ali „gab es wenigstens noch Hoffnung, dass sich etwas ändert. Heute hat uns der Staat komplett vergessen.“

Staatspräsident Zine el-Abidine Ben Ali war vor sieben Jahren, am 14. Januar 2011, aus Tunesien geflohen. Landesweite Massenaufstände hatten ihn dazu gezwungen, ausgelöst durch die Selbstverbrennung eines Gemüsehändlers. Dessen Tod gilt als Ausgangspunkt des so genannten „Arabischen Frühlings“, seitdem haben sich etliche weitere Menschen in Tunesien auf diese Weise das Leben genommen. Eine auf den Norden des Landes beschränkte Untersuchung von Medizinern der Université de Tunis El Manar kommt jedenfalls zu diesem Ergebnis.

http://Www.tagesspiegel.de/sieben-jahre ... 49424.html
Kein gutes Beispiel.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 19:27
von NicMan
Audi hat geschrieben:(11 Aug 2020, 19:18)

Was daran war positiv?
Hier Mal was zum Diktator

Der Soziologe und Erziehungswissenschaftler Hartmut Krauss betrachtete das autokratische System Ben Alis und seiner Vorgänger als das fortschrittlichste im arabisch-islamischen Raum. Er führte ein Lob des tunesischen Schriftstellers Mustapha Tlili Ben Ali auf, welcher, ohne die Beschönigung repressiver und kleptokratischer Machenschaften des Ben Ali-Klans, einräumte, dass das Regime eine gesellschaftliche Höherentwicklung bewirkte. Eine der höchsten Leistungen war der Aufbau eines fortschrittlichen Bildungssystems, welches eine gut ausgebildete Arbeitsbevölkerung in einem rohstoffarmen Land schuf. Vor allem sei die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Säkularisierung ein Beweis für die Einzigartigkeit der Entwicklung Tunesiens in Nordafrika, so dass Krauss das Land als potenziellen Vorreiter bei der Demokratisierung und kulturellen Modernisierung betrachtet.[146]

Und dannach

Sieben Jahre nach der Revolution
Das Ende der Hoffnung in Tunesien

Ihr Bruder sagt, unter dem bis 2011 herrschenden Diktator Ben Ali „gab es wenigstens noch Hoffnung, dass sich etwas ändert. Heute hat uns der Staat komplett vergessen.“

Staatspräsident Zine el-Abidine Ben Ali war vor sieben Jahren, am 14. Januar 2011, aus Tunesien geflohen. Landesweite Massenaufstände hatten ihn dazu gezwungen, ausgelöst durch die Selbstverbrennung eines Gemüsehändlers. Dessen Tod gilt als Ausgangspunkt des so genannten „Arabischen Frühlings“, seitdem haben sich etliche weitere Menschen in Tunesien auf diese Weise das Leben genommen. Eine auf den Norden des Landes beschränkte Untersuchung von Medizinern der Université de Tunis El Manar kommt jedenfalls zu diesem Ergebnis.

http://Www.tagesspiegel.de/sieben-jahre ... 49424.html
Kein gutes Beispiel.
Selbstverständlich ist Tunesien ein gutes Beispiel. Im Freedom House Index hat es einen riesigen Sprung nach vorne gemacht. Langfristig wird sich das auszahlen. :)

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 19:29
von Audi
NicMan hat geschrieben:(11 Aug 2020, 19:27)

Selbstverständlich ist Tunesien ein gutes Beispiel. Im Freedom House Index hat es einen riesigen Sprung nach vorne gemacht. Langfristig wird sich das auszahlen. :)
Natürlich wird es sich auszahlen..die Menschen merken es gerade an erster Stelle :s

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 20:13
von Rautenberger
Audi hat geschrieben:(11 Aug 2020, 19:29)

Natürlich wird es sich auszahlen..die Menschen merken es gerade an erster Stelle :s
Warum geht es aber den Menschen in demokratischen Ländern im Schnitt wirtschaftlich besser als denen in diktatorisch regierten Ländern? Es ist aber natürlich dumm zu glauben, dass sich sofort der Wohlstand einstellt, sobald eine Diktatur gestürzt wird. Das braucht Zeit. Den Menschen in Tunesien geht es nicht wegen der Demokratie schlecht, sondern weil ein gewisser Herr Ben Ali das Land über Jahre ausgeplündert hat und es um seine Entwicklungsperspektiven betrogen hat. Dann hat er sich mit den Taschen voller Geld ins Ausland abgesetzt und es seinen Nachfolgern überlassen den Trümmerhaufen zusammenzukehren.
Eine ganz ähnliche Situation gab es in Russland: Die Verantwortung für die Misere der 1990er wurde Gorbatschow und Jelzin in die Schuhe geschoben. Demokratie und Marktwirtschaft wurde gezielt diffamiert, um den Menschen weiszumachen, dass die "harte Hand" - also Putin - besser für sie ist. Die viel größere Verantwortung trugen dabei doch Breschnew, Andropow, Tschernenko etc., die über Jahrzehnte tatenlos zugesehen haben, wie das Land wirtschaftlich zurückgefallen ist und sich dabei noch mit Phantasiestatistiken gefeiert haben.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 20:30
von Rautenberger
Audi hat geschrieben:(11 Aug 2020, 19:18)

Was daran war positiv?
Hier Mal was zum Diktator

Der Soziologe und Erziehungswissenschaftler Hartmut Krauss betrachtete das autokratische System Ben Alis und seiner Vorgänger als das fortschrittlichste im arabisch-islamischen Raum. Er führte ein Lob des tunesischen Schriftstellers Mustapha Tlili Ben Ali auf, welcher, ohne die Beschönigung repressiver und kleptokratischer Machenschaften des Ben Ali-Klans, einräumte, dass das Regime eine gesellschaftliche Höherentwicklung bewirkte. Eine der höchsten Leistungen war der Aufbau eines fortschrittlichen Bildungssystems, welches eine gut ausgebildete Arbeitsbevölkerung in einem rohstoffarmen Land schuf. Vor allem sei die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Säkularisierung ein Beweis für die Einzigartigkeit der Entwicklung Tunesiens in Nordafrika, so dass Krauss das Land als potenziellen Vorreiter bei der Demokratisierung und kulturellen Modernisierung betrachtet.[146]

Und dannach

Sieben Jahre nach der Revolution
Das Ende der Hoffnung in Tunesien

Ihr Bruder sagt, unter dem bis 2011 herrschenden Diktator Ben Ali „gab es wenigstens noch Hoffnung, dass sich etwas ändert. Heute hat uns der Staat komplett vergessen.“

Staatspräsident Zine el-Abidine Ben Ali war vor sieben Jahren, am 14. Januar 2011, aus Tunesien geflohen. Landesweite Massenaufstände hatten ihn dazu gezwungen, ausgelöst durch die Selbstverbrennung eines Gemüsehändlers. Dessen Tod gilt als Ausgangspunkt des so genannten „Arabischen Frühlings“, seitdem haben sich etliche weitere Menschen in Tunesien auf diese Weise das Leben genommen. Eine auf den Norden des Landes beschränkte Untersuchung von Medizinern der Université de Tunis El Manar kommt jedenfalls zu diesem Ergebnis.

http://Www.tagesspiegel.de/sieben-jahre ... 49424.html
Kein gutes Beispiel.
Wenn eine Autokratie stürzt, weiß man NIE, was danach kommt. Welchen Schluss soll man daraus ziehen? Lieber ewig in der Autokratie und Diktatur leben, weil es ja danach schlechter werden könnte? Völlig absurd! So würde es NIE IRGENDEINEN GESELLSCHAFTLICHEN FORTSCHRITT geben. Deine Argumentation ist zu 100% die der Putinschen Propagandamaschinerie: Ein Lob der ach so tollen "Stabilität", bloß keine Veränderung! Oder mit anderen Worten: Volk, halt die Fresse, friss die Krümel, die ich dir hingeworfen habe, und lass deine Finger von meiner Macht und meinem zusammengeklauten Reichtum!

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Dienstag 11. August 2020, 20:49
von Rautenberger
Adam Smith hat geschrieben:(11 Aug 2020, 18:47)

Damit haben die aktuellen Probleme vor 100 Jahren angefangen. Der Zar wurde gestürzt und alles war noch halbwegs friedlich. Nur gab es dann Entwicklungen die bis heute nachwirken.
Die wirklichen Probleme begannen nicht mit dem Sturz des Zaren, sondern mit dem als Oktoberrevolution bekannten Putsch der Bolschewisten. Leider haben sie es geschafft, ihren Putsch als Revolution (also von der Mehrheit des Volkes ausgehenden Umsturz) zu verklären.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Mittwoch 12. August 2020, 12:53
von schokoschendrezki
Adam Smith hat geschrieben:(11 Aug 2020, 18:21)

Es gibt keinen aktuellen Niedergang. Der Niedergang begann mit der russischen Revolution.
Lassen wir das mal. Das führt nun wirklich vom Thema weg. Das ist eine grundsätzliche geschichtsphilosophische Problematik. Ich gehöre zu den Menschen, die die beiden Weltkriege, die Shoah, den kalten Krieg, die Atombombenabwürfe, die atomare Aufrüstung, den Fall des eisernen Vorhangs, den menschengemachten Klimawandel und vieles andere zwischen der russischen Revolution und der Gegenwart für nicht ganz unbedeutsam und für nicht unmittelbar mit dieser Revolution zusammenhängend sehen.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Mittwoch 12. August 2020, 12:59
von schokoschendrezki
Rautenberger hat geschrieben:(11 Aug 2020, 20:49)

Die wirklichen Probleme begannen nicht mit dem Sturz des Zaren, sondern mit dem als Oktoberrevolution bekannten Putsch der Bolschewisten. Leider haben sie es geschafft, ihren Putsch als Revolution (also von der Mehrheit des Volkes ausgehenden Umsturz) zu verklären.
Heute ist der antibolschewistische, monarchistische, slawophile, nationalistsche, konservative russische Philosoph Iwan Iljin das erklärte Vorbild des mächtigen russischen Präsidenten Putin. Er und seinesgleichen ist heute in Russland das, was Marx und Lenin im Staatsozialismus waren. Und die orthodoxe Kirche ist in Russland wieder so mächtig wie zu Zarenzeiten. Also: Ist doch alles in Ordnung, oder? Dummköpfe!

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Mittwoch 12. August 2020, 13:13
von schokoschendrezki
Zurück zum Thema: Es ist nach wie vor ungeklärt, was es mit dieser - sicher auch propagandistisch inszenierten - Verhaftung der etwas über 30 russischen Staatsbürger in Belarus auf sich hat. Ich versuche das, einigermaßen zu verfolgen. Es handelte sich übrigens und angeblich nicht nur um russische sondern auch um ukrainische Staatsbürger. Alle Kommentare von vor Ort recherchierenden und entsprechend kenntnisreichen Journalisten lauten: Unklar. Sie wissen es nicht. Das Verhältnis von Belarus/Lukaschenko zu Russland ist schon deshalb schwierig zu beurteilen, weil das Verhältnis von Belarus/Lukaschenko zur Ukraine keineswegs so schlecht ist, wie man es angesichts des Ostukraine-Konflikts und der Rolle Russlands darin eigentlich erwarten müsste. Man muss sich schon ganz schön in die ganze Problematik vertiefen, um die Prozesse zu verstehen.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Mittwoch 12. August 2020, 14:00
von schokoschendrezki
Rautenberger hat geschrieben:(11 Aug 2020, 20:13)

Warum geht es aber den Menschen in demokratischen Ländern im Schnitt wirtschaftlich besser als denen in diktatorisch regierten Ländern? Es ist aber natürlich dumm zu glauben, dass sich sofort der Wohlstand einstellt, sobald eine Diktatur gestürzt wird.

Für Belarus stehen die DInge aber an sich gar nicht so schlecht. Der Korruptionsgrad ist viel niedriger als man es angesichts eines autokratischen politischen Systems erwarten würde. Und vor allem viel viel niedriger als in Nachbarstaaten wie Ukraine oder Moldawien. Ähnliches gilt für Infrastruktur, Gesundheitswesen, Bildungswesen. Man hat den Eindruck, die Menschen in Belarus haben begriffen, dass es sich für sie wirklich lohnen würde, die politischen Hebel umzulegen. Dass sie ohne wirklich große Probleme Anschluss finden würden. Vielleicht ist auch deshalb sowohl das politische Engagement der Opposition wie auch die Repression des Staates so groß.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Mittwoch 12. August 2020, 15:02
von Selina
schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Aug 2020, 14:00)

Für Belarus stehen die DInge aber an sich gar nicht so schlecht. Der Korruptionsgrad ist viel niedriger als man es angesichts eines autokratischen politischen Systems erwarten würde. Und vor allem viel viel niedriger als in Nachbarstaaten wie Ukraine oder Moldawien. Ähnliches gilt für Infrastruktur, Gesundheitswesen, Bildungswesen. Man hat den Eindruck, die Menschen in Belarus haben begriffen, dass es sich für sie wirklich lohnen würde, die politischen Hebel umzulegen. Dass sie ohne wirklich große Probleme Anschluss finden würden. Vielleicht ist auch deshalb sowohl das politische Engagement der Opposition wie auch die Repression des Staates so groß.
Den Hebel umlegen? Anschluss finden? An was? Von der Ukraine wurde auch immer behauptet, ein westlicher Kurs brächte Freiheit, Demokratie und Wohlstand für alle. Davon kann nicht die Rede sein; es herrschen Massenarmut und Korruption.

https://taz.de/Armut-in-der-Ukraine/!56 ... 6672000000

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Mittwoch 12. August 2020, 15:07
von Haegar
schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Aug 2020, 14:00)

Für Belarus stehen die DInge aber an sich gar nicht so schlecht. Der Korruptionsgrad ist viel niedriger als man es angesichts eines autokratischen politischen Systems erwarten würde. Und vor allem viel viel niedriger als in Nachbarstaaten wie Ukraine oder Moldawien. Ähnliches gilt für Infrastruktur, Gesundheitswesen, Bildungswesen. Man hat den Eindruck, die Menschen in Belarus haben begriffen, dass es sich für sie wirklich lohnen würde, die politischen Hebel umzulegen. Dass sie ohne wirklich große Probleme Anschluss finden würden. Vielleicht ist auch deshalb sowohl das politische Engagement der Opposition wie auch die Repression des Staates so groß.
Die weitere Entwicklung hängt wie immer von den bewaffneten Einheiten ab. Sobald die Umschwenken wird es für einen Diktator kritisch. Aber die Frage wird auch sein, ob Putin-Russland da nur zusehen wird. Mal wieder einen Umsturz vor der Haustür kann ja nur wieder mit dem Zünden nationalistischer Ablenkungen zum "Schutz der russischen Minderheit" wie in der Ukraine beantwortet werden..

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Mittwoch 12. August 2020, 17:46
von schokoschendrezki
Selina hat geschrieben:(12 Aug 2020, 15:02)

Den Hebel umlegen? Anschluss finden? An was? Von der Ukraine wurde auch immer behauptet, ein westlicher Kurs brächte Freiheit, Demokratie und Wohlstand für alle. Davon kann nicht die Rede sein; es herrschen Massenarmut und Korruption.

https://taz.de/Armut-in-der-Ukraine/!56 ... 6672000000
Richtig. Das schrieb ich ja auch. Im Korruptionsindex liegt Belarus ein ganzes Stück vor Ukraine oder Russland. Von Moldawien gar nicht zu reden.

Für Länder dieser Art ist - nach meiner Einschätzung - Technologie, IT, kleine innovative Unternehmen, Software das A und O und die Zukunft. Tschechien, Israel, E-stonia, Island. Um mal vier sehr unterschiedliche aber in dieser Hinsicht gleichermaßen erfolgreiche Länder zu nennen. Ganz unabhängig von der politischen Ausrichtung. Dieses Potenzial hat auch Belarus. Und die Leute wissen es auch oder ahnen es zumindest. Und wollen die historische Chance zum Wandel nicht verpassen.

Das ist kein "westlicher Kurs" sondern: Die entsprechenden Leute machen einfach. Richtig so. Wie kann man Mustererkennung so programmieren, dass ein Wolf von einem Hund auf einem Bild nicht versehentlich wegen des meist schneereichen Hintergrunds erkannt wird sondern wegen seiner Wolfsartigkeit? Selbst ein Schulkind kann erkennen, dass eine Hundeleine ein Anzeichen für Haustierhaltung ist und demzufolge gegen einen "Wolf" spricht. Ähm, sorry für die Abschweifung .... :p Wenn ich mir über derlei in Minsk oder Witebsk Gedanken machen würde oder sogar bereits an der Gründung eines innovativen Ein-Mann-Unternehmens arbeitete ... meinst du, es würde mich interessieren, ob das nun "ein westlicher" oder ein "östlicher Kurs" sei?

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Mittwoch 12. August 2020, 17:55
von Selina
schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Aug 2020, 17:46)

Richtig. Das schrieb ich ja auch. Im Korruptionsindex liegt Belarus ein ganzes Stück vor Ukraine oder Russland. Von Moldawien gar nicht zu reden.

Für Länder dieser Art ist - nach meiner Einschätzung - Technologie, IT, kleine innovative Unternehmen, Software das A und O und die Zukunft. Tschechien, Israel, E-stonia, Island. Um mal vier sehr unterschiedliche aber in dieser Hinsicht gleichermaßen erfolgreiche Länder zu nennen. Ganz unabhängig von der politischen Ausrichtung. Dieses Potenzial hat auch Belarus. Und die Leute wissen es auch oder ahnen es zumindest. Und wollen die historische Chance zum Wandel nicht verpassen.

Das ist kein "westlicher Kurs" sondern: Die entsprechenden Leute machen einfach. Richtig so. Wie kann man Mustererkennung so programmieren, dass ein Wolf von einem Hund auf einem Bild nicht versehentlich wegen des meist schneereichen Hintergrunds erkannt wird sondern wegen seiner Wolfsartigkeit? Selbst ein Schulkind kann erkennen, dass eine Hundeleine ein Anzeichen für Haustierhaltung ist und demzufolge gegen einen "Wolf" spricht. Ähm, sorry für die Abschweifung .... :p Wenn ich mir über derlei in Minsk oder Witebsk Gedanken machen würde oder sogar bereits an der Gründung eines innovativen Ein-Mann-Unternehmens arbeitete ... meinst du, es würde mich interessieren, ob das nun "ein westlicher" oder ein "östlicher Kurs" sei?
Richtig. Die Macher "an der Basis" interessiert das nicht. Andere aber schon. Da ist ein Zähnefletschen, Zerren und Ringen um die Länder an Russlands Grenzen im Gange, da gibts ganz andere Interessen (geopolitische), als mal eben paar Startups zu gründen. Vor einem Wiederaufflammen der alten Block-Rivalität unter anderen Vorzeichen hatte Gorbatschow schon vor Jahren gewarnt. Und was die so genannten kleinen Leute anbelangt: Die werden genau hinschauen, ob die segensreichen "westlichen Werte" für sie auch gelten oder ... eher nicht. Wart ab, in einigen Wochen (oder schon Tagen?) wirst du sehen, wer wann und warum an Belarus zerrt. Falls "unsere" Medien dann auch wirklich immer alle beteiligten Seiten zu Wort kommen lassen.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Mittwoch 12. August 2020, 18:56
von imp
schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Aug 2020, 17:46)
Für Länder dieser Art ist - nach meiner Einschätzung - Technologie, IT, kleine innovative Unternehmen, Software das A und O und die Zukunft. Tschechien, Israel, E-stonia, Island.
E-Stonia finde ich direkt genial. Passt in gewisser Weise dazu, wie ich dort junge Leute und Praktiker kennengelernt habe. Aber in dieser Liste gehört Israel ganz nach vorn, das ist einfach in dieser Disziplin in einer anderen Liga als die anderen Genannten.
Dieses Potenzial hat auch Belarus.
Ohne Zweifel. Aber vieles ist nicht ideal eingerichtet, um dies auszuspielen.
Wenn ich mir über derlei in Minsk oder Witebsk Gedanken machen würde oder sogar bereits an der Gründung eines innovativen Ein-Mann-Unternehmens arbeitete ... meinst du, es würde mich interessieren, ob das nun "ein westlicher" oder ein "östlicher Kurs" sei?
Du brauchst Kapital, du brauchst Verbindungen nach draußen und du brauchst einen Rechtsrahmen, der im Zweifel auch durchgesetzt werden kann gegen alle möglichen Geschäftsleute und "Geschäftsleute" im In- und Ausland.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Mittwoch 12. August 2020, 19:53
von Rautenberger
schokoschendrezki hat geschrieben:(12 Aug 2020, 14:00)

Für Belarus stehen die DInge aber an sich gar nicht so schlecht. Der Korruptionsgrad ist viel niedriger als man es angesichts eines autokratischen politischen Systems erwarten würde. Und vor allem viel viel niedriger als in Nachbarstaaten wie Ukraine oder Moldawien. Ähnliches gilt für Infrastruktur, Gesundheitswesen, Bildungswesen. Man hat den Eindruck, die Menschen in Belarus haben begriffen, dass es sich für sie wirklich lohnen würde, die politischen Hebel umzulegen. Dass sie ohne wirklich große Probleme Anschluss finden würden. Vielleicht ist auch deshalb sowohl das politische Engagement der Opposition wie auch die Repression des Staates so groß.
Du könntest recht damit haben, dass Weißrussland bessere Voraussetzungen für eine demokratische Entwicklung hätte als die Ukraine und Russland. Paradoxerweise haben die Weißrussen das Lukaschenka zu verdanken: Er hat das Land seit 1994 ganz auf sich ausgerichtet und durch die staatlichen Betriebe, die eine große Rolle spielen, auch die Wirtschaft unter Kontrolle. Deshalb ist - im Gegensatz zu Russland und der Ukraine - keine Oligarchenkaste entstanden - die in der Ukraine heute bekanntlich eine Entwicklung hin zu einem demokratischen Rechtsstaat behindert.

Der bessere wirtschaftliche Zustand Weißrusslands kommt meiner Meinung nach im Wesentlichen durch die jahrelange Subventionierung durch Russland zustande. Ich habe irgendwo gelesen, dass eine beträchtliche Prozentzahl des weißrussischen BIP auf die russische Unterstützung zurückzuführen ist. Die schlechte wirtschaftliche Lage in Russland und das Zurückfahren der Unterstützung hat in Weißrussland zu einer schwierigen Lage geführt, die auch zu dem jetzigen Ausbruch geführt haben mag.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Mittwoch 12. August 2020, 19:57
von Quatschki
Der erfolgreichste weißrussische Konzern ist doch Wargaming!
Und die haben gerade massive Probleme, weil der Lukaschenko das Internet abgeschaltet hat!

https://worldoftanks.eu/de/news/general ... on-issues/
https://worldoftanks.eu/de/news/general ... ification/

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Mittwoch 12. August 2020, 20:18
von Rautenberger
Selina hat geschrieben:(12 Aug 2020, 15:02)

Den Hebel umlegen? Anschluss finden? An was? Von der Ukraine wurde auch immer behauptet, ein westlicher Kurs brächte Freiheit, Demokratie und Wohlstand für alle. Davon kann nicht die Rede sein; es herrschen Massenarmut und Korruption.

https://taz.de/Armut-in-der-Ukraine/!56 ... 6672000000
DIe Ukraine IST freier und demokratischer als unter Janukowytsch und freier und demokratischer als Russland allemal. Armut und Korruption herrschten in der Ukraine auch schon vorher. Und woran liegt es wohl, dass die Ukraine Massen an Geld in ihr Militär investieren muss, Massen an Geld, das sie weiß Gott besser für andere Dinge gebrauchen könnte? Liegt das am Westkurs? Oder liegt das daran, dass ihr angebliches "Brudervolk" im Osten ihr einen blutigen Krieg mit über 10.000 Toten aufgezwungen hat?

Die Argumentation, dass ja in der Ukraine nach dem Euromaidan nichts besser geworden sei, sondern alles schlechter, stammt direkt aus Putins Propaganda-Mottenkiste. Der fürchtet nichts mehr als einen Maidan im eigenen Land und hat sich große Mühe gegeben, der Ukraine mit dem Diebstahl der Krim und der Abspaltung des Donbass möglichst viele Steine in den Weg zu legen und Unruhe zu stiften und sich dann hinzustellen und ein Loblied auf die ach so tolle Stabilität in Russland zu singen.

NIEMAND hat behauptet, dass Janukowytschs Sturz und die EU-Assoziation über Nacht Wohlstand für alle bringt. Es ist absolut dämlich zu glauben, dies wäre möglich gewesen. Demokratie und Rechtsstaat sind die Grundlage für die Entwicklung einer starken Wirtschaft. Die Ukraine ist aber erst ganz am Anfang des Weges hin zu Demokratie und Rechtsstaat. Wenn du beklagst, dass die Lage in der Ukraine ja kaum besser geworden ist, dann ist das ungefähr so dumm als würdest du dich beim Malle-Urlaub schon am Frankfurter Flughafen beschweren, dass ja vom versprochenen heißen spanischen Sommerwetter noch überhaupt nichts zu merken ist.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Mittwoch 12. August 2020, 20:46
von Rautenberger
Selina hat geschrieben:(12 Aug 2020, 17:55)Da ist ein Zähnefletschen, Zerren und Ringen um die Länder an Russlands Grenzen im Gange, da gibts ganz andere Interessen (geopolitische), als mal eben paar Startups zu gründen. Vor einem Wiederaufflammen der alten Block-Rivalität unter anderen Vorzeichen hatte Gorbatschow schon vor Jahren gewarnt.
Es ist dumm zu glauben, dass keine geopolitischen Interessen im Spiel sind. Es ist aber genauso dumm über die Geopolitik zu vergessen, dass die Menschen in Weißrussland ebenso wie in anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion schlicht und einfach die Schnauze voll haben von Korruption und Willkür. Janukowytsch wurde nicht gestürzt, weil "finstere Mächte" aus dem Westen am Werk waren, sondern weil viele Menschen die Schnauze voll hatten von ihm und ein besseres Leben wollten. Und natürlich waren sie dabei nicht so dumm, die vom Westen angebotene Unterstützung abzulehnen - warum hätten sie sie auch ablehnen sollen?

Autokraten wie Putin und Lukaschenka schießen sich selbst ins Bein: Sie glauben irgendwann ihrer eigenen Propaganda, dass eigentlich ja alles in Ordnung ist und Proteste nur vom Ausland gesteuert sind. Sie sehen nur noch die Geopolitik und bekommen deshalb nicht mit, wie sich im Volk die Unzufriedenheit breit macht - bis es zu spät ist...

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Mittwoch 12. August 2020, 21:36
von Rautenberger
Für Russland ist die Entwicklung in Weißrussland absolut kritisch. Die Weißrussen sind Russland gegenüber bislang nicht besonders kritisch eingestellt. Es wäre in russischem Interesse, dies nicht zu verspielen. Dazu bräuchte es aber einen klugen und kühlen Kopf im Kreml. Das Verhalten Russlands gegenüber der Ukraine lässt leider daran zweifeln, dass Putin diese Qualitäten hat.

Wenn Putin Lukaschenka (oder ein gewandeltes Regime unter einer anderen Person) unterstützt oder die Situation nutzt und den Traum vom "Unionsstaat" Wirklichkeit werden lässt, indem er Truppen schickt, bringt er die Weißrussen gegen Russland auf. Das könnte dazu führen, dass sich mehr und mehr Weißrussen dem Westen zuwenden und eine Entwicklung wie in der Ukraine einsetzt. Nach Kiew könnte Putin damit auch noch Minsk verlieren.

Wenn Putin eine Machtübernahme durch die Opposition zulässt, könnte das 1. dazu führen, dass sich die Opposition im eigenen Land bestärkt sieht und 2. dass sich die Russen bei einer positiven gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in einem postautoritären Weißrussland fragen könnten, warum sie selbst noch in der Autokratie leben sollen.

Ich glaube, es wird absolut unterschätzt, wie gefährlich die Situation in Weißrussland für das Putin-Regime ist.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Donnerstag 13. August 2020, 00:42
von Europa2050
Rautenberger hat geschrieben:(12 Aug 2020, 21:36)

Für Russland ist die Entwicklung in Weißrussland absolut kritisch. Die Weißrussen sind Russland gegenüber bislang nicht besonders kritisch eingestellt. Es wäre in russischem Interesse, dies nicht zu verspielen. Dazu bräuchte es aber einen klugen und kühlen Kopf im Kreml. Das Verhalten Russlands gegenüber der Ukraine lässt leider daran zweifeln, dass Putin diese Qualitäten hat.

Wenn Putin Lukaschenka (oder ein gewandeltes Regime unter einer anderen Person) unterstützt oder die Situation nutzt und den Traum vom "Unionsstaat" Wirklichkeit werden lässt, indem er Truppen schickt, bringt er die Weißrussen gegen Russland auf. Das könnte dazu führen, dass sich mehr und mehr Weißrussen dem Westen zuwenden und eine Entwicklung wie in der Ukraine einsetzt. Nach Kiew könnte Putin damit auch noch Minsk verlieren.

Wenn Putin eine Machtübernahme durch die Opposition zulässt, könnte das 1. dazu führen, dass sich die Opposition im eigenen Land bestärkt sieht und 2. dass sich die Russen bei einer positiven gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in einem postautoritären Weißrussland fragen könnten, warum sie selbst noch in der Autokratie leben sollen.

Ich glaube, es wird absolut unterschätzt, wie gefährlich die Situation in Weißrussland für das Putin-Regime ist.
Genau das ist aber das Problem der Belarusier. @Selina hat das zutreffend mit „wer zerrt alles an dem Land rum“ beschrieben.

Allerdings ist die Lage anders als damals in der Ukraine, als die EU, im geringerem Maße die USA, aber auch einzelne europäische Akteure wie Polen, Litauen und auch Deutschland Oppositionskräfte unterstützten.

Deutschland ist in Belarus, auch durch die unbeschreiblichen Greuel, die unsere Vorfahren dort 1941-1944 angerichtet haben keine relevante Größe. Da ist äußerste Zurückhaltung deutscherseits angesagt.
Polen ist - stärker als in der Ukraine auch vorbelastet, zudem hat sich die PiS von der ULB-Doktrin verabschiedet, nach der polnische Regierungen seit 1988 ihre Ostpolitik ausgerichtet hatten.
Die USA unter Trump würde ich als Oppositioneller noch nicht mal ansatzweise ins Kalkül ziehen.
Die EU hat genug eigene Probleme, die wird sich nicht ausserhalb neue generieren.

Litauen ist traditionell Freund und Verbündeter, aber was ist schon Litauen in diesem Kontext.
Die Ukraine ist noch ein befreundeter Nachbar, da würde ein sich wandelndes Belarus wohl Unterstützung finden, aber sicher wäre Selensky auch froh, das Problem nicht zu haben.

Und damit bleibt nur noch der Nachbar im Osten, dem man so oder so ausgeliefert ist. In sofern kann ein Übergang nur über einen moderneren Lukaschenko-Nachfolger im System oder mit dem polnischen Modell von 1980 ff. klappen. Und immer mit dem freundlichen Hinweis nach Osten, dass man das, was man in Minsk ausprobiert auf gar keinen Fall exportieren will. Sonst ist schneller Feierabend, als man denkt...

Als der Hergott die Plätze in Europa vergeben hat, hat er Belarus den geopolitisch schlechtesten in ganz Europa gegeben - zwischen Deutschland, Polen und Russland, ohne Meeranbindung und ohne schützende Bergketten.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Donnerstag 13. August 2020, 08:20
von Selina
Europa2050 hat geschrieben:(13 Aug 2020, 00:42)

Genau das ist aber das Problem der Belarusier. @Selina hat das zutreffend mit „wer zerrt alles an dem Land rum“ beschrieben.

Allerdings ist die Lage anders als damals in der Ukraine, als die EU, im geringerem Maße die USA, aber auch einzelne europäische Akteure wie Polen, Litauen und auch Deutschland Oppositionskräfte unterstützten.

Deutschland ist in Belarus, auch durch die unbeschreiblichen Greuel, die unsere Vorfahren dort 1941-1944 angerichtet haben keine relevante Größe. Da ist äußerste Zurückhaltung deutscherseits angesagt.
Polen ist - stärker als in der Ukraine auch vorbelastet, zudem hat sich die PiS von der ULB-Doktrin verabschiedet, nach der polnische Regierungen seit 1988 ihre Ostpolitik ausgerichtet hatten.
Die USA unter Trump würde ich als Oppositioneller noch nicht mal ansatzweise ins Kalkül ziehen.
Die EU hat genug eigene Probleme, die wird sich nicht ausserhalb neue generieren.

Litauen ist traditionell Freund und Verbündeter, aber was ist schon Litauen in diesem Kontext.
Die Ukraine ist noch ein befreundeter Nachbar, da würde ein sich wandelndes Belarus wohl Unterstützung finden, aber sicher wäre Selensky auch froh, das Problem nicht zu haben.

Und damit bleibt nur noch der Nachbar im Osten, dem man so oder so ausgeliefert ist. In sofern kann ein Übergang nur über einen moderneren Lukaschenko-Nachfolger im System oder mit dem polnischen Modell von 1980 ff. klappen. Und immer mit dem freundlichen Hinweis nach Osten, dass man das, was man in Minsk ausprobiert auf gar keinen Fall exportieren will. Sonst ist schneller Feierabend, als man denkt...

Als der Hergott die Plätze in Europa vergeben hat, hat er Belarus den geopolitisch schlechtesten in ganz Europa gegeben - zwischen Deutschland, Polen und Russland, ohne Meeranbindung und ohne schützende Bergketten.
Interessante und ausgewogene Beschreibung. Hab gerade gelesen, dass das Putin-Lukaschenka-Verhältnis gar nicht mehr so rosig gewesen sein soll zuletzt. Russland habe wohl die Stützung der Öl- und Gaspreise für Weißrussland wieder zurückgenommen, was natürlich zu größeren Differenzen geführt haben muss.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Donnerstag 13. August 2020, 08:50
von Europa2050
Selina hat geschrieben:(13 Aug 2020, 08:20)

Interessante und ausgewogene Beschreibung. Hab gerade gelesen, dass das Putin-Lukaschenka-Verhältnis gar nicht mehr so rosig gewesen sein soll zuletzt. Russland habe wohl die Stützung der Öl- und Gaspreise für Weißrussland wieder zurückgenommen, was natürlich zu größeren Differenzen geführt haben muss.
Danke für die Blumen :)

Ich glaube, da werden zwei Alpha-Männer alt. Ihren Zenit haben sie allemal überschritten.

Auch wenn Du es nicht gerne hörst, mit Lukaschenko und Putin prallen Stalinismus und Faschismus aufeinander, zusammengehalten durch gemeinsamen Antiliberalismus.
Jahrelang hat die strategische Genialität beider zur Einsicht geführt, dass Kooperation beiden nutzt.

In den letzten zwei bis drei Jahren werden aber beide wunderlicher - vielleicht liegt es auch daran, dass die ausschließliche Umgebung von Speichelleckern und Ja-Sagern ihren Blick trübt.

Dann darf man nicht vergessen, dass Lukaschenkas Strategie zu Ende des letzten Jahrhunderts darauf hinaus lief, auf den Trümmern des von Jelzins Unfähigkeit zerstörten Russlands die UdSSR 2.0 aufzubauen, mit ihm als Generalsekretär. Das hat ihm Putin dann ja wie wir wissen gründlich vermasselt, indem er Russland wieder in die Spur brachte (ohne die Methoden gut heißen zu wollen). Und das weis auch Putin. Ob da zwischen den alten Männern wieder was hochkommt?

Beide haben in der Corona-Krise ein katastrophales Bild abgegeben - Luka als „Comical-Ali“, Putin als gescheiterter „Macher“, die Aktion mit dem Impfstoff kann ich noch nicht so richtig einordnen. Irgendwie sind beide unberechenbar geworden.

Da braut sich etwas zusammen, das mir für die Belarusier Sorgen macht. Was aber - da bin ich mir sicher - von keiner Seite zutreffen wird, sind die Blaupausen aus der Ukraine. Dazu sind die beiden Länder zu unterschiedlich.

Ich hoffe immer noch auf eine Entwicklung á la Polen 1980-1988 (Natürlich ohne das Kriegsrecht zwischendrin). Mehr an friedlicher Konfliktbewältigung halte ich nicht für möglich.

Da werden auch noch einige in nächster Zeit die polnische und vor allem litauische Grenze fluten ...

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Donnerstag 13. August 2020, 09:09
von Selina
Europa2050 hat geschrieben:(13 Aug 2020, 08:50)

Danke für die Blumen :)

Ich glaube, da werden zwei Alpha-Männer alt. Ihren Zenit haben sie allemal überschritten.

Auch wenn Du es nicht gerne hörst, mit Lukaschenko und Putin prallen Stalinismus und Faschismus aufeinander, zusammengehalten durch gemeinsamen Antiliberalismus.
Jahrelang hat die strategische Genialität beider zur Einsicht geführt, dass Kooperation beiden nutzt.

In den letzten zwei bis drei Jahren werden aber beide wunderlicher - vielleicht liegt es auch daran, dass die ausschließliche Umgebung von Speichelleckern und Ja-Sagern ihren Blick trübt.

Dann darf man nicht vergessen, dass Lukaschenkas Strategie zu Ende des letzten Jahrhunderts darauf hinaus lief, auf den Trümmern des von Jelzins Unfähigkeit zerstörten Russlands die UdSSR 2.0 aufzubauen, mit ihm als Generalsekretär. Das hat ihm Putin dann ja wie wir wissen gründlich vermasselt, indem er Russland wieder in die Spur brachte (ohne die Methoden gut heißen zu wollen). Und das weis auch Putin. Ob da zwischen den alten Männern wieder was hochkommt?

Beide haben in der Corona-Krise ein katastrophales Bild abgegeben - Luka als „Comical-Ali“, Putin als gescheiterter „Macher“, die Aktion mit dem Impfstoff kann ich noch nicht so richtig einordnen. Irgendwie sind beide unberechenbar geworden.

Da braut sich etwas zusammen, das mir für die Belarusier Sorgen macht. Was aber - da bin ich mir sicher - von keiner Seite zutreffen wird, sind die Blaupausen aus der Ukraine. Dazu sind die beiden Länder zu unterschiedlich.

Ich hoffe immer noch auf eine Entwicklung á la Polen 1980-1988 (Natürlich ohne das Kriegsrecht zwischendrin). Mehr an friedlicher Konfliktbewältigung halte ich nicht für möglich.

Da werden auch noch einige in nächster Zeit die polnische und vor allem litauische Grenze fluten ...
Zwischen Faschismus und Autokratie ist dann schon nochmal ein gewaltiger Unterschied. Bei aller Kritik an dem, was in Russland und Belarus gerade passiert, man sollte die Rolle des Westens, seine Interessen und Sichtweisen dabei nicht vergessen. Die USA verteilen schon wieder Dollargeschenke an die Leute. Und Russlands Impfstoff muss natürlich sofort niedergemacht werden medial, ohne genau zu wissen, ob das nicht doch etwas Gutes ist. Davon könnte die Welt dann profitieren. Dass Machtmensch Putin natürlich der Erste sein will auf Biegen und Brechen, das ist doch klar. Wär mir aber egal, Hauptsache, das Virus wird eingedämmt. Und was Belarus anbelangt, da bin ich gespannt, ob unsere Zeitungen und Sender endlich mal was gelernt haben aus den Fehlern der Vergangenheit. Die Berichterstattung über Russland und die Staaten an seiner Grenze war und ist fast ausschließlich einseitig. Die Gegenseite wird nie gehört und nie zitiert. Das fällt nur ganz Dummen nicht auf. Ich zumindest will ausgewogen über den Fortgang der Ereignisse informiert werden. Und dazu gehört nun mal die Sicht aller Beteiligten. Da werde ich die kommende Zeit genau drauf achten.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Donnerstag 13. August 2020, 11:11
von Europa2050
Selina hat geschrieben:(13 Aug 2020, 09:09)

Zwischen Faschismus und Autokratie ist dann schon nochmal ein gewaltiger Unterschied. Bei aller Kritik an dem, was in Russland und Belarus gerade passiert, man sollte die Rolle des Westens, seine Interessen und Sichtweisen dabei nicht vergessen. Die USA verteilen schon wieder Dollargeschenke an die Leute. Und Russlands Impfstoff muss natürlich sofort niedergemacht werden medial, ohne genau zu wissen, ob das nicht doch etwas Gutes ist. Davon könnte die Welt dann profitieren. Dass Machtmensch Putin natürlich der Erste sein will auf Biegen und Brechen, das ist doch klar. Wär mir aber egal, Hauptsache, das Virus wird eingedämmt. Und was Belarus anbelangt, da bin ich gespannt, ob unsere Zeitungen und Sender endlich mal was gelernt haben aus den Fehlern der Vergangenheit. Die Berichterstattung über Russland und die Staaten an seiner Grenze war und ist fast ausschließlich einseitig. Die Gegenseite wird nie gehört und nie zitiert. Das fällt nur ganz Dummen nicht auf. Ich zumindest will ausgewogen über den Fortgang der Ereignisse informiert werden. Und dazu gehört nun mal die Sicht aller Beteiligten. Da werde ich die kommende Zeit genau drauf achten.
Naja, wenn ein Herr Lukaschenka drüber schwadroniert, dass die alle bekifft und besoffen seien und man die Leute vor sich selbst schützen müsse, oder dass Präsident etwas ernsthaftes sei, was man einer Frau auf keinen Fall zutrauen kann, dann verstehe ich schon, dass es für einen Reporter schwierig ist, das als „Sicht der Dinge“ unkommentiert stehen zu lassen.

Es ist halt wie immer in Autokratien schwierig, da es keine Quellen gibt, die zwar die Dinge aus Sicht der Regierung darstellen, dies aber unter Vermeidung von Probaganda zu tun.

Man kann ja nicht einmal sagen, dass Belarus (dafür dass es außer Kali keine verkaufbaren Rohstoffe hat) im
Verhältnis zu Russland und der Ukraine wirtschaftlich schlecht abschneidet.
Oligarchie ist aktuell im Gegensatz zu den anderen beiden auch kein nennenswertes Problem.
Nationalismus auch nicht.
Außenpolitik sehr defensiv
Als Gastgeber von Minsk 1 und 2 Teil der Lösung und nicht des Problems in der Ukraine.

Hätte Lukaschenko in den letzten 5 Jahren sein Land „sozialdemokratisiert“ wäre er wohl für immer der Held seines Landes geblieben. Konnte er aber offensichtlich nicht.

Und jetzt gehen diese positiven Dinge im momentanen Probagandagetöse (s.o.) und dem unverhältnismäßigen Vorgehen der Polizei unter.
Und das ist dann das, was aktuell an Bildern bleibt.

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Donnerstag 13. August 2020, 11:40
von Rautenberger
Selina hat geschrieben:(13 Aug 2020, 09:09)Und was Belarus anbelangt, da bin ich gespannt, ob unsere Zeitungen und Sender endlich mal was gelernt haben aus den Fehlern der Vergangenheit. Die Berichterstattung über Russland und die Staaten an seiner Grenze war und ist fast ausschließlich einseitig. Die Gegenseite wird nie gehört und nie zitiert. Das fällt nur ganz Dummen nicht auf. Ich zumindest will ausgewogen über den Fortgang der Ereignisse informiert werden. Und dazu gehört nun mal die Sicht aller Beteiligten. Da werde ich die kommende Zeit genau drauf achten.
Es ist schlicht nicht wahr, dass die Gegenseite nicht zu Wort kommt. Ich kann mich noch gut an die Propagandafritzen des Kreml Anna Rose und Dmitri Tultschinski erinnern, die während der Ukrainekrise ständig in irgendwelchen Talkshows gesessen haben. Da wurde dem deutschen Fernsehzuschauer einiges zugemutet!

Re: Was passiert gerade in Weißrussland ?

Verfasst: Donnerstag 13. August 2020, 11:43
von NicMan
Rautenberger hat geschrieben:(13 Aug 2020, 11:40)

Es ist schlicht nicht wahr, dass die Gegenseite nicht zu Wort kommt. Ich kann mich noch gut an die Propagandafritzen des Kreml Anna Rose und Dmitri Tultschinski erinnern, die während der Ukrainekrise ständig in irgendwelchen Talkshows gesessen haben. Da wurde dem deutschen Fernsehzuschauer einiges zugemutet!
Gabriele Krone-Schmalz hat sogar einen 20-minütigen Sendebeitrag bekommen, der sich als besonders aufklärerisch ausgegeben hat.