JJazzGold hat geschrieben: ↑Sonntag 9. März 2025, 11:34
Danke, das ist ein Statement. Bisher hatte ich ein Problem damit zu erkennen, ob Sie grundsätzlich gegen Alles sind was von Seiten der Union kommt, oder nur partiell gegen einzelne Aktionen.
Dass ich Ihre Erwartungshaltung, die AfD und die Die Linke würden den Projekten einer schwarz-roten Regierung zustimmen, nicht teile, das kann meinen Beiträgen entnommen werden.
Nur zur Sicherheit, falls noch etwas unklar war und weil ich gerade ausnahmsweise vor dem Rechner und nicht vorm Tablet sitze und deswegen der längeren Tipperei eher zugeneigt bin:
1. Mein "inhaltlich in Teilen für falsch halten" bedeutet natürlich auch, dass ich Teile des Sondierungspapers durchaus vorsichtig optimistisch nach dem Motto "immerhin, mehr als erwartet" zur Kenntnis genommen habe, insbesondere den Teil zur Migration. Es wird sich allerdings zeigen müssen, wie viel davon mit welchen Worten es in Gesetz und Praxis schafft, es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass irgendwelche "Rückführungsoffensiven" im Nichts verpuffen oder man sich wieder trickreich verbale Hintertürchen offen gelassen hat (z. B., was das "in Abstimmung mit unseren europäischen Partnern" in der Praxis bedeuten soll).
2. Dass Bundeswehr und Infrastruktur dringend mehr Aufmerksamkeit bedürfen, ist unstrittig und beide Bereiche wurden über die letzten 20 Jahre vernachlässigt. Eine Bundeswehr macht nur Sinn, wenn sie ihren Zweck, nämlich Landesverteidigung, sachlich und personell erfüllen kann und ich habe es immer schon für naiv gehalten, sich im sicheren Herzen von Europa und mit zig Verbündeten zu wähnen und deswegen die eigene Verteidigungsfähigkeit zu vernachlässigen; ganz ohne und auch schon vor Ukraine oder Trump. Freunde, Partner, Bündnisse...alles schön und gut, aber im Ernstfall sollte man sich trotzdem selber zu helfen wissen, egal, um was es geht.
3. Jedoch...nichts davon ist neu und rechtfertigt ein eiliges Rumwerkeln am Grundgesetz. Und auch Trump/Ukraine mag ich da nicht gelten lassen: Im Ernstfall steht die Ukraine doch angeblich in einem halben Jahr mehr oder weniger blank da ohne USA - was sollen wir in der Zeit denn faktisch finanziert, in Auftrag gegeben und gefertigt haben, was denen spürbar helfen würde? Wenn man sich mal anschaut, wie viel vom letzten BW-Zeitenwendenwumms in der Praxis in Form von Ausrüstung, Munition etc. angekommen ist... Für jegliches Ausbauen der BW mit einem längeren Horizont wäre dann aber im regulären Verfahren und mit dem neuen Bundestag noch Zeit.
4. Mir stellen sich bei diesem hastigen Rumgeschraube am Grundgesetz, begründet mit "unerwarteter Notfall" und Eilbedürftigkeit, sämtliche Nackenhaare auf. Jeder normale Gesetzesentwurf braucht pi*Daumen mindestens ein halbes-dreiviertel Jahr vom ersten Referentenentwurf bis zur Veröffentlichung im Bundesanzeiger, und nun soll in höchster Eile in ein paar Wochen am Grundgesetz geschraubt werden? Ich wollte nun nicht unbedingt die Geschichts-Keule rausholen, tue es aber trotzdem: Ausgerechnet bei uns sollten doch bei hastig durchgedrückten Grundgesetzänderungen mit dem "Notfall! Eilig! Alternativlos!"-Sound die Alarmglocken klingeln und die notwendige 2/3-Mehrheit besteht da nicht aus Jux und Dollerei oder um den Parteien das Leben schwer zu machen.
5. Das vorher-nachher-Verhalten der CDU...nun..."Wahlbetrug" mag ein harsches Wort sein, mir fällt aber kein milderes ein.
6. Das Getrickse mit dem "alten", eigentlich schon abgewählten Bundestag...mag formaljuristisch begründbar sein, so recht sauber und äußerst demokratisch erscheint es mir dennoch nicht.
7. Das Sondervermögen nimmt Druck aus dem Haushalt und vermindert den dringend nötigen Anreiz, dort mal ordentlich durchzusparen.
8. Ich verstehe die Beweggründe von CDU und SPD: Einerseits wurden sie von der unerwartet starken Linken und der sich dadurch auf einmal zusammen mit der AfD im Bundestag ergebenden Sperrminorität bzgl. GG-Änderungen vermutlich kalt erwischt, andererseits wollen sie nicht wie eine Ampel 2.0 mit monatelangen Ressortzankereien um den Haushalt beginnen. Der Wähler hat aber nun mal so gewählt, und das gilt es zu respektieren und damit zu arbeiten.
9. Im Übrigen halte ich es durchaus auch für naheliegend, dass es mit AfD und Linken im neuen Bundestag schwieriger wird, weil die teilweise schon aus grundsätzlicher "Dagegen"-Haltung, teilweise auch aus ernst gemeinten inhaltlichen Bedenken, der Koalition Steine in den Weg legen werden. Aber, s. o. - der Wähler hat so gewählt und eine neue Regierung muss dann eben mit diesem neuen Bundestag zurecht kommen und sollte nicht versuchen, sich hastig noch mit dem alten Bundestag und über Grundgesetzänderungen finanziellen Spielraum zu verschaffen.