Zufällig bin ich auf ein Projekt gestoßen (worden), wo flächenhaft Windturbinen dicht an dicht von Wind durchströmt werden sollen; und das bei mäßigen Windgeschwindigkeiten unter 7 m/sec:
https://efahrer.chip.de/news/lebenslang ... ich_108909
Zehn Meter der Anlage als Gartenzaun sollen in der Lage sein ein Kilowatt Leistung bereitzustellen. Nach Angaben des Start-Ups könnte ein 1.000 Quadratmeter großes Grundstück genug energiegewinnende Zaunfläche aufweisen, um eine Leistung von 40 Kilowatt zu generieren. Geht man von zehn Stunden ausreichendem Wind pro Tag aus, so erzeuge der Zaun rechnerisch 400 Kilowattstunden an Strom.
Vorsichtshalber nehme ich dazu eine kritische Haltung ein: So sollen diese Flächenelemente zur Einfriedung von Grundstücken aller Art, also auch von PV-Feldern in der Landschaft, dienen. Aus meiner Sicht handelt es sich um einen geschickt eingefädelten Versuch, öffentliche Fördergelder abzugreifen. Etwa auf der Höhe der schwingenden Stäbe, die im Wind aus der Verwirbelung der Windanströmung Energie auskoppeln sollen. Um dieses Projekt ist es nach 4 Jahren Einwerbung öffentlicher Mittel sehr still geworden.
Die Bewegungsenergie E einer Windmasse m mit Geschwindigkeit v ist bekannt:
E = (m * v²)/2; m= Luftdichte*Querschnitt*Paketlänge; Paketlänge = v*t
t ist die Zeit, in der das Windpaket einen feststehenden Ort durchströmt hat... etwa eine Windturbine oder aber das obige Zaunelement.
E = (Luftdichte*Querschnitt*v³*t)/2
Wenn man die Energie E mit der Leistung P verbindet, dann ist diese Energie E mit
E = P * t
verbunden. Also erhält man die Gleichung
P = (Luftdichte*Querschnitt*v³)/2.
Damit läßt sich obige Leistungsangabe für den "Gartenzaun" erst einmal grob abschätzen:
10 m Zaunlänge; 3 m Zaunhöhe; Windgeschwindigkeit v = 6 m/sec; Luftdichte = 1,293 g/dm³ = 1,23 kg/m³
P = (1,23 * 30 * 216)/2 [(kg/m³) * m² *(m³/s³)] = 3,985 * 10³ [kg * m² / s³]... [(kg*m/s²)*m/s]... Kraft * Geschwindigkeit...
Kraft * Weg / Zeit...
Mit der Kraft in Newton erhält man Nm mit 1 Joule = 1 W * s (Wattsekunde)
Und schließlich
P = 3,985 * 10³ W ~4 kW als überhaupt vorhandener Energie des Windpakets. Das könnte eine Maschine gewinnen, wenn sie die Windenergie vollständig auskoppeln könnte. Allerdings hat der Ingenieur Betz schon 1926 bewiesen, daß eine ideale Maschine höchstens 59% der Windenergie auskoppeln kann. Im ersten Extremfall strömt der Wind ungebremst weiter, hat also keine Energie ausgekoppelt. Im zweiten Extremfall bleibt der Wind stehen, wird also die Maschine nicht durchströmt. Also kann dem Wind ebenfalls keine Energie entzogen werden.
Die Herleitung des Betzschen Gesetzes kann man nachlesen in
https://de.wikipedia.org/wiki/Betzsches_Gesetz
Also ja, wenn das Zaunelement mit 30 m² als ideale Maschine angesehen werden kann, dann könnte es etwa 2 kW liefern.
Aus anderen Betrachtungen ist bekannt, daß vertikale Turbinen im Gegensatz zu Windrädern mit horizontaler Drehachse in der Praxis nur etwa 15% von deren Ausbeute erzielen können. Sie haben sich im Wettbewerb nirgendwo zur Energiegewinnung durchsetzen können; sie spielen nur im Bereich bewegter Werbeplattformen eine Rolle als Blickfang.
Patrick Jüttemann, Kleinwind Marktreport 2022, 7. aktualisierte Auflage
Oft wird darauf hingewiesen, daß "Vertikalläufer" stets mit einer Hälfte des Rotors entgegen der Windrichtung arbeiten müssen... sie also systematisch gegenüber den "Horizontalläufern" im Nachteil sind. Diesen Nachteil kann auch der "Gartenzaun" nicht ausschalten.
Ein weiterer Nachteil des "Zaunelements" dürfte dessen Nähe zum Boden sein, wo der Wind durch die Bodenrauhigkeit verwirbelt wird, also eine laminare Anströmung der vertikalen Turbine systematisch verhindert wird. Allerdings heißt es auch wieder, daß Vertikalläufer besser mit verwirbelten Luftströmen umgehen... also endlich einmal ein Pluspunkt!
Ein ähnliches Konzept einer horizontalen Turbinenanordnung auf dem Dachfirst ist sang- und klanglos vom Markt verschwunden. Das Konzept hat wohl einige unvorsichtige Anwender nicht hinreichend überzeugen können...
Mit anderen Worten: Ich werde dieses "Gartenzaunprojekt" weiterhin mit Interesse beobachten, plane aber keinesfalls den Einsatz dieser Technologie! Davor steht ein technisch belastbarer Leistungsnachweis! Papier ist geduldig!