in der Diskussion zur Ukraine haben sich zuletzt eine Reihe von Fragen ergeben, wie die Bedeutung von Internetforen für die öffentliche Meinungsbildung. Was genau die Motive sind sich in einem Internetforum zum Ukrainekrieg auszutauschen und in welchem Kontext das passiert. Welche Rolle der eigene persönliche HIntergrund dabei spielt, z.B. wie ich das dargestellt habe ein eher akademischer vs. ein eher militärischer Blickwinkel.
Meiner persönlichen Meinung ist die gesellschaftliche Bedeutung von Internetforen, von politik-forum.eu, zu vernachlässigen und mehr oder weniger null. In meinen Augen schreiben hier ein paar Dutzend Leute, welche nicht mehr ganz so jung sind, um sich über geteilte persönliche Interessen austauschen. Die große Masse an Leuten informiert sich auf den großen Plattformen und nicht in Intenetforen. Das ist ein Phänomenen, welches nicht nur dieses Forum betrifft, dass vor allem solche Leute schreiben die bereits vor Internet 2.0 im Internet waren und daher sozusagen seitdem hängen geblieben sind.
Mein persönliches Motiv sich gerade über den Ukrainekrieg auszutauschen liegt darin, dass ich mich über den weiteren Kriegsverlauf und den damit einhergehenden Medienberichten austauschen möchte. Ich habe kein Interesse an einer Grundsatzdiskussion, weil meine Meinung von Anfang an sehr eindeutig war und ich da keinen Diskussionsbedarf sehe. Meine Vorgehensweise würde ich dabei als "akademisch" bezeichnen, weil ich immer versuche mehrere Blickwinkel und Theorien gegeinander abzuwägen und Erkenntnisgewinn vor allem durch das Ausformulieren und Abwägen unterschiedlicher Argumente und Blickwinkel passiert. Ein Beispiel wäre die bevorstehende Gegenoffensive der Ukrainer. Sie kann erfolgreich sein oder sie kann nicht erfolgreich sein. Es gibt Argumente die dafür sprechen, wie die Waffenlieferungen, wie die moderne Ausbildung der ukrainischen Truppen zum Kampf der kombinierten Waffen etc. pp. Gleichzeitig gibt es aber auch Argumente die dagegen sprechen, wie das die Russen seit Monaten genau wissen, dass die Offensive kommt und vermutlich auch eine klare Vorstellung haben, wo und wie sie abläuft und sich entsprechend vorbereitet haben mit dem Anlegen von Verteidigungsanlagen (in Tokmak und Melitopol und entlang der gesamten Front im Süden) und mehreren Wellen der Mobilisierung von Soldaten um die eigenen Reihen zu füllen. Darüber kann man diskutieren und das Für und Wieder abwägen und dieses Forum ist ein perfekter Ort um das zu machen.
Gleichzeitig ist aber anzuerkennen, dass dieses Thema ähnlich wie andere Konflikte sehr stark von Propaganda beeinflusst ist, welche in Deutschland primär zum Ziel hat die Unterstützung in der Bevölkerung für die Unterstützung der Ukraine zu erhöhen oder zu verringern. Das erschwert eine Diskussion, weil die Diskussion potenziell zu einem Grabenkampf werden kann, in dem eine Grundsatzdiskussion über das Für und Wider dieser Unterstützung oder des Kampfes der beiden Kriegsparteien überhaupt entartet. Der Informationsraum ist daher ein Feld in dem ein hybrider Krieg stattfindet, der parallel zum eigentlichen Kriegsgeschehen stattfindet. Deutschland ist ein wichtiger Ort für diesen Informationskrieg, weil das Land als größter militärischer Unterstützer der Ukraine in Europa und durch seine wirtschaftliche und politische Bedeutung eine Schlüsselrolle spielt. Russland hat ja von Anfang an ganz klar darauf gesetzt, dass Deutschlands Abhängigkeit von Russlands Ressourcen zu Beginn des Krieges ein entscheidender Faktor werden könnte. Dazu hat der deutsche Staat versucht gegen russische Desinformation und Propagandakampagnen vorzugehen, indem es russische Medien keine Lizenz mehr gegeben hat und auch juristisch eine Linie gezogen wurde, dass öffentliche Propaganda für den russischen Angriffskrieg als Vorbereitung eines Angriffskrieges bewertet wird und gesetzeswidrig ist. Vor dem Hintergrund eines hybriden Informationskrieges finden also auch unsere Diskussionen statt. Ich bin aber wie gesagt der Meinung, dass unser Forum nicht von Bedeutung ist für die öffentliche Meinungsbildung, weil wir sehr klein und unter uns sind.
Aber es wurde hier im Forum von Anfang an die klare Entscheidung getroffen das Bilden einer pro-russischen Gruppe von Usern zu verhindern und Leute die russische Narrative von sich geben werden konsequent ausgeschlossen. Ich halte das insofern für gerechtfertigt, weil man auf diese Weise von vorne herein den Propagandakrieg entscheidet und dazu übergehen kann sachlich und niveauvoll ohne Grabenkämpfe über den Krieg zu diskutieren. Aber eine solche Diskussion muss dann auch stattfinden und es darf hier zu keiner ultra-ukrainischen Propaganda ausarten, wo man am Ende teilweise versucht "ukrainischer als die Ukrainer" zu sein. Weil die gehen meiner Erfahrung nach viel kritischer mit ihren eigenen Politikern um, als einige hier im Forum dazu bereit sind.
Dazu sehe ich hier schon einen Konflikt zwischen dem Versuch pro-russsische Propaganda zu verhindern und Meinungsfreiheit und Denkfreiheit. Zum ersten Thema ist zu sagen, dass es kein Ausdruck von Meinungsfreiheit ist, wenn man in Deutschland Putin kritisiert. Um diesen Punkt zu illustrieren gibt es einen wunderbaren Witz den Präsident Reagan erzählt hat:
Es kein Ausdruck von Meinungsfreiheit wenn man in Deutschland und in diesem Forum die russische Seite kritisiert, sondern es ist Ausdruck von Meinungsfreiheit wenn man die ukrainische Seite kritisiert. Und darum muss man das hin und wieder auch machen, wenn es nach der eigenen Meinung angebracht ist. Das ist es was eine freie und demokratische Diskussion ausmacht und was unerlässlich ist. Zum einen weil es genau diese Meinungsfreiheit ist, welche in der Ukraine verteidigt wird. Denn es ist ein Kampf zwischen einem autoritären Regime, Russland, das versucht die demokratische Selbstbestimmung einer anderen souveränen Nation, Ukraine, mittels Krieg, Besatzung und Repression zu unterdrücken, weil es den eigenen imperialen Ambitionen widerspricht. Wenn ich also die Ukraine kritisiere, dann bin ich kein "Wehrkraftzersetzer", sondern dann mache ich eine der zentralen Dinge, die in Demokratien möglich sind und die uns von autoritären Regimen wie Russland, Iran und China unterscheiden.
Gleichzeitig sehe ich es auch als Teil meiner "akademischen Denkweise", dass es nicht immer nur darum gehen kann in den eigenen Aussagen und dem eigenen Denken auf der "richtigen Seite" zu stehen, sondern das oberste Gebot muss immer die Suche nach der Wahrheit sein. Das ist auch etwas was mich bei anderen Usern häufig stört, wenn von vorne herein schon klar ist, wer schuld ist, auch wenn man noch rein gar nichts zum eigentlichen Sachverhalt gelesen hat. Das betrifft die Russen oder auch wenn es zum Beispiel um Erdogan geht. Wenn beispielsweise ukrainische Agenten in Transnistrien verhaftet werden, dann ist das zweifelhaft, ob das wirklich so ist. Wenn russische Agenten in Moldawien verhaftet werden, dann sind das natürlich russische Destabilsierungsversuche. Nord Stream 2 ist auch so ein Thema, wo ich mich ein wenig über das Denken einiger User geärgert habe, weil ich den Eindruck habe, man will wirklich nur in eine Richtung denken. Denn ich denke, dass die Wahrheit am Ende auf der Seite der Ukraine ist. Die Ukraine führt einen gerechten Verteidigungskrieg und ist damit die richtige Seite, welche man moralisch und tatsächlich unterstützen muss. Aber das heißt natürlich nicht, dass Ukrainer nicht auch Sachen machen, die nicht in Ordnung sind, die kritikwürdig sind oder welche sie in manchen Augen im schlechten Licht dastehen lassen könnten.
Noch kurz der Vollständigkeit halber, meine Sichtweise auf eine militärische Denkweise ist das es dort weniger Ambiguität gibt. Also es gibt eine Frage, auf die es eine klare Antwort gibt. Es gibt die richtige und es gibt die falschen Sichtweisen. Es gibt uns und es gibt einen klaren Feind, welcher das Ziel darstellt. Ich denke, dass manche User, die gerade einen militärischen Background haben, Schwierigkeiten habe die Ambiguität in meinem Denken und der Wunsch sich nicht zu sehr von einer Seite und Sichtweise vereinnahmen und im Erkenntnisprozess leiten zu lassen zu verstehen. Stattdessen immer wieder der Gedanke, dass ich doch irgendwie verdächtig bin absichtlich oder auch unabsichtlich subversiv für die andere Seite tätig zu sein und der Versuch mich in irgendeiner Form zu entlarven und mir die Maske vom Gesicht zu reißen. Ich habe es auch nicht so gemeint hier einen Gegensatz zwischen dem dummen Soldaten und dem schlauen Akademiker herzustellen, auch wenn ich natürlich der Meinung bin, dass meine Sichtweise die Bessere ist.

Wie ist eure Meinung über die Bedeutung des politikforums für die Meinungsbildung in Deutschland? Was sind eure Gründe sich in einem Internetforum wie dem unseren z.B. über den Ukrainekrieg auszutauschen? Ist eurer Meinung nach eine sinnvolle Diskussion möglich, trotz einer durch Kriegspropaganda aufgeheizten Stimmung? Oder ist die Situation zu ernst, dass man sehr vorsichtig sein sollte, welche Meinungen und Argumente man zum Geschehen in der Ukraine von sich gibt?
Zum Schluss noch: die einzelnen Beispiele zum Ukrainekrieg sollen nur meine Sichtweise illustrieren. Über den Krieg, Nordstream 2 etc. kann in den entsprechenden Strängen Stellung genommen werden.