Strack-Zimmermann: Nach mehr als 60 Tagen Krieg hatte ich damit gerechnet, dass Intellektuelle irgendwann Stellung beziehen. Das hat mich nicht überrascht. Was mich überrascht hat, ist, dass gerade Sie, Frau Schwarzer, diese Position einnehmen. Ich bin 16 Jahre jünger als Sie und war meistens nicht Ihrer Meinung, aber Sie haben eine Menge für uns Frauen erreicht, vor allen Dingen auch für meine Generation, und deswegen habe ich großen Respekt vor Ihnen. Ich habe daher damit gerechnet, dass Sie nun die körperliche und seelische Gewalt an Frauen, dass Sie das Ermorden von Soldaten, die Bombardierung einer Geburtsklinik anprangern.
Wir dürfen die Ukraine nicht in der Illusion wiegen, dass sie die größte Atommacht der Welt final besiegen könnte
Alice Schwarzer
SPIEGEL: Diese Kritik erreicht Sie dieser Tage ja häufiger, Frau Schwarzer. Wo ist Ihre Stimme gegen das Leid der Frauen in diesem Krieg?
Schwarzer: Die ist da, vernehmlich. In der aktuellen »Emma« ist ein sehr starker Artikel einer kroatischen Kollegin, die über die systematischen Kriegsvergewaltigungen in der Ukraine schreibt und an die durch die Sowjetarmee begangenen am Ende des Zweiten Weltkrieges erinnert. Seit dem ersten Erscheinungsjahr 1977 schreiben wir in der »Emma« über Vergewaltigungen als Kriegswaffe – und Sie wissen, dass das Thema lange Zeit tabu war. Aber gerade darum bin ich dafür, dass wir mit aller Kraft versuchen, diesen Krieg nicht in eine unendliche Länge zu ziehen, sondern in baldige Verhandlungen investieren, damit dieser Krieg gestoppt werden kann. Damit die Zerstörungen, die Vergewaltigungen, die Toten ein Ende haben.
SPIEGEL: Wäre es aus Ihrer Sicht besser gewesen, die Ukraine hätte sich gleich am ersten Tag des Einmarsches ergeben? Weil dadurch viel Tod, Leid und Vergewaltigungen verhindert worden wären?
Schwarzer: Nein, auf keinen Fall! Ich gehöre als Frau zu einer Menschengruppe, die eher Opfer ist. Ich habe die vergangenen 50 Jahre damit verbracht, potenzielle Opfer zu ermutigen, sich zu wehren. Natürlich ist es bewundernswert, wie die Ukrainer sich wehren. Und es ist gut, dass sie die Russen aufhalten, ja sogar zurückdrängen konnten. Aber wir dürfen die Ukraine nicht in der Illusion wiegen, dass sie die größte Atommacht der Welt, Russland, final besiegen könnten über ihr Territorium hinaus. Es wäre fatal, wenn wir sie das glauben ließen. Denn dann hätten wir eine Mitverantwortung für die totale Zerstörung des Landes, das Leid und noch mehr Tote. Darum haben wir diesen Brief geschrieben.
https://www.spiegel.de/politik/deutschl ... 91bb8a3692
Hier sieht man, wie eine respektvolle Kommunikation zwischen Vertreter unterschiedlicher Meinung aussieht.
Zum Inhalt, es ist nicht das Ziel von Ukraine und Nato, eine Atommacht zu besiegen, sondern sie aus der Ukraine zu vertreiben und die eigenen Grenzen zu schützen, die Nato ist ein Verteidigungsbündnis.
Das Leid der Bevölkerung in Deutschland fing nach der Kapitulation erst richtig an, also spricht nichts dafür, dass die Ukraine gewinnt, wenn sie kapituliert. Schon jetzt finden Massendeportationen statt. Gewaltloser Widerstand funktioniert da nicht, das konnte man in Indien machen, hier müssen Waffen sprechen.
Ob der Krieg weiter eskaliert, hängt nur von Putin ab, nicht von Waffenlieferungen.
Auf dem Weg zum Abgrund kann eine Panne lebensrettend sein. Walter Jens
Besser schweigen und als Narr zu scheinen, als sprechen und jeden Zweifel zu beseitigen. Abraham Lincoln