Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

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Tom Bombadil
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Nov 2021, 19:07)

Es wird sich einfach anhand dieser Monopolisierung herausstellen, ob der Kapitalismus wirklich so genial ist.
Dagegen gibt es Gesetze.
Grundsätzlich, wenn Du mich fragst ... alle Dinge haben ihren Anfang, ihren Höhepunkt und ihr Ende. Wie kommt man auf die völlig unsinnige Annahme, der "Kapitalismus" könnte davon ausgenommen sein?
Weil der Kapitalismus schon seit Jahrtausenden existiert, die Marktwirtschaft ist so alt wie die Menschheit, erst als Gütertauschsystem, danach mit Geld als Tauschmittel.
Selbstverständlich befinden wir uns in einer Epoche des zu Ende gehenden Kapitalismus.
Wishful thinking.
Und sie sind zugleich alles andere als irgendwie "links" oder "sozialistisch".
Die "Kapitalismuskritik" ist ein großer Überschneidungspunkt zwischen Parteien von rechts- und linksaußen.
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franktoast
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von franktoast »

schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Nov 2021, 19:07)
Ehrlich gesagt; Ja. Genau das. Es kann sich kaum jemand vorstellen, was es für eine Angebotsvielfalt zum Beispiel im Bereich Musikinstrumente/Musikelektronik gibt. Dennoch arbeiten alle diese Produkte mit den gleichen Tonsystemen. Man kann erstaunlicherweise mit Produkten unterschiedlicher Hersteller hervorragend zusammenspielen.
Du meinst es wäre gut, wenn wir alle ein eigenes Betriebssystem hätten? Wie wäre es, wenn wir alle unsre eigene Steckdose bauen, es 10 000 verschiedene Schraubenzieher gäbe und unsre eigene Sprache sprechen? Immer diese Standards...
Ein freier Mensch muß es ertragen können, daß seine Mitmenschen anders handeln und anders leben, als er es für richtig hält, und muß sich abgewöhnen, sobald ihm etwas nicht gefällt, nach der Polizei zu rufen.
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Beitrag von schokoschendrezki »

franktoast hat geschrieben:(23 Nov 2021, 13:47)

Du meinst es wäre gut, wenn wir alle ein eigenes Betriebssystem hätten? Wie wäre es, wenn wir alle unsre eigene Steckdose bauen, es 10 000 verschiedene Schraubenzieher gäbe und unsre eigene Sprache sprechen? Immer diese Standards...
:) Also jeder persönlich. Nein. Dennoch. Jeder, der sich irgendwie in der Branche auskennt weiß es: Der Monopolisierungsdruck ist erheblich. Du sollst auch gar nicht mehr Software oder Betriebssysteme kaufen ... wir früher .... du sollst einen Vertrag irgendeiner Art abschließen. Einen Nutzungsvertrag. Du sollst Teil einer Community werden. Die großen Unternehmen wissen ganz genau, dass es nicht darauf ankommt, irgendwie Produkt sowieso Version sowieso zu verkaufen sondern Bindungen herzustellen. Bindungen, die irgendwann aufgrund von Abhängigkeiten auch nicht mehr auflösbar sind. Das ist die Zukunft der Beherrschung der Welt durch die großen Tech-Unternehmen.

Da brauch man auch nicht irgendwie auf Vergangenheit und Tradition hinweisen:
Tom Bombadil hat geschrieben: Weil der Kapitalismus schon seit Jahrtausenden existiert, die Marktwirtschaft ist so alt wie die Menschheit, erst als Gütertauschsystem, danach mit Geld als Tauschmittel.
"Güteraustauschsysteme" existieren in der Tat schon seit Jahrtausenden. Aber der allermodernste Kapitalismus mit seiner Abhängigkeitserzwingung ganz sicher nicht. Man kann das historisch auch relativ genau eingrenzen. Stichwort "Stromkrieg". Es ging Ende des 19. Anfang des 20. Jahrhunderts um die Frage Gleichstrom vs. Wechselstrom. Edison vs. Westinghouse. Man wusste ganz genau: Du musst nicht nur und in erster Linie Zeug verkaufen ... Du musst Abhängigkeiten schaffen. Das Zunftwesen im MIttelalter schuf Abhängigkeiten, indem es einfach Konkurrenten nicht hineinließ in die Zunft der Produzenten. Der moderne Kapitalismus lässt alle hinein. Aber er zwingt oder instruiert oder motiviert zumindest die Konsumenten, sich an einen Hersteller zu binden. Und dann kommst du nicht mehr weg davon. Schon allein deswegen, weil du nicht einfach so Stecker von anderen Herstellern benutzen kannst. Die ideologisch-kulturelle Bindung ist aber wahrscheinlich noch viel höher einzustufen. Die Zurschaustellung eines neuen Apple-Produkts wird gestaltet wie eine Musikalbumveröffentlichung. Eine große Show. Wo sich die Menschen schon am Abend zuvor anstellen und wo es Beifall und Gejubele gibt. Man erzähle mir doch nicht, dass dies einfach so traditioneller Güteraustausch ist. "Markt". Es ist identitär verseuchter Kapitalismus. Es ist irgendein diffuses Dazugehörenwollen. Irgendein "Join the Trend". Du sollst zumindest eine Deutschlandcard haben. Oder dich an irgendeinem anderen Rabattsystem beteiligen. Man will dich nicht einfach nur als Kunde für ein Produkt haben. Man will dich als Mensch und Person haben. In welcher Form auch immer.

Die neuen Tabakerhitzerprodukte zum Beispiel ... die werden doch nicht als Handelsgut verkauft. Mit diesen und jenen Produktqualitäten und zu diesem und jenem Preis. Sondern als Lebensweise. Als Identifizierungsmöglichkeit. Du sollst nicht einfach IQOS-Zeug kaufen sondern Teil der weltweiten IQOS-Gemeinde werden. Produktgruppen werden zu so etwas wie Religionsgemeinschaften. Wer diese Zusammenhänge bzw. diese gesellschaftlichen Entwicklungen nicht versteht und immer noch von "Leinentuch gegen Mehlsäcke" spricht ... ja, der versteht einfach die aktuelle politische Lage nicht,
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Tom Bombadil
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Nov 2021, 15:44)

ja, der versteht einfach die aktuelle politische Lage nicht,
Ja, ich verstehe in der Tat nicht, wie man sich zum Konsum zwingen lassen und gar in eine Abhängigkeit geraten kann.

Ich bin kein Teil einer Industriecommunity, ich bin kein Fan eines Produktes oder eines Lifestyles, ich habe meine Glotze abgeschafft, ich glotze kein Tiktok oder instagram, Twitter und Facebook lese ich nur, wenn ich hier oder in anderen Foren einen link angeboten bekomme.

Alle meine Browser haben einen Werbeblocker und einen Cookielöscher aktiviert, dazu läuft pfSense auf meinem Netzwerk,ich sehe keinerlei Werbung. Ich verweigere mich diesem ganzen Bullshit ganz einfach und es mangelt mir an nichts.

Wo ist das fucking problem?

PS: was sind Tabakerhitzer und was ist IQOS?
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von schokoschendrezki »

Atue001 hat geschrieben:(22 Nov 2021, 23:11)

Wir hatten in unterschiedlichen kapitalistischen Umfeldern immer wieder mal Monopole - sie sind ein Zeitphänomen und nicht von Dauer.

Und auch wenn man über Apple, google, Facebook oder Amazon gerne als drohende quasi-Monopolisten spricht - tatsächlich stimmt das nicht. International spielen noch ganz andere Player mit - russische, chinesische und zunehmend mehr auch indische. Die kennt man bei uns nicht - aber eher NOCH nicht.

Es sind nicht die Großen, die die Kleinen schlucken - sondern die Schnellen und Agilen, die die Trägen und Langsamen verdrängen. Immer und immer wieder. Und wenn es noch so scheint als gäbe es einen Monopolisten - in irgendeiner Nische lauert schon sein Herausforderer.....und das ist doch schon ziemlich genial am Kapitalismus.
Daran ist so einiges richtig. Ja. Aber die russischen und chinesischen Player zum Beispiel sind eben nicht einfach "geniale Kapitalisten". Sie werden vom Kreml oder von der KPC gepusht. LIang Hua, der Chef des Weltkonzerns Huawei ... was weiß man von dem. Dass er Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas ist. Gut. Und sonst? Wenn ich meinen Huawei-Stick in mein Notebook stecke ... bitte: Ist das etwa "Kapitalismus"? Ist das "Güteraustausch" oder "Ressourcen-Allokation". Natürlich nicht! Das ist die Welt des 21. Jahrhunderts.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von Skull »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Nov 2021, 16:16)

... bitte: Ist das etwa "Kapitalismus"? Ist das "Güteraustausch" oder "Ressourcen-Allokation".

Natürlich nicht! Das ist die Welt des 21. Jahrhunderts.
Guten Tag,

daher bitte ich auch zum Thema zurückzukehren.

Und nicht Dinge beim Thema Kapitalismus zu thematisieren, die ursächlich mit ihm wenig bis nichts zu tun haben.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(23 Nov 2021, 16:09)

Ja, ich verstehe in der Tat nicht, wie man sich zum Konsum zwingen lassen und gar in eine Abhängigkeit geraten kann.

Ich bin kein Teil einer Industriecommunity, ich bin kein Fan eines Produktes oder eines Lifestyles, ich habe meine Glotze abgeschafft, ich glotze kein Tiktok oder instagram, Twitter und Facebook lese ich nur, wenn ich hier oder in anderen Foren einen link angeboten bekomme.

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Wo ist das fucking problem?

PS: was sind Tabakerhitzer und was ist IQOS?
Sehr gut. Die Antwort gefällt mir und ist mir sehr sympathisch.

Ja. Aber in der Realität ... Es gibt auf der einen Seite zum Beispiel in der Musikindustrie Major Labels vs Independent Labels. Noch in den 80er Jahren, zu Zeiten von Madonna und Michael Jackson hätte man es nicht für möglich gehalten, dass sich der Siegeszug der Major Labels irgendwie aufhalten lässt. Dass nicht alle und überall denselben Scheiß hören wollen. Da hat man sich aber
geirrt. Die Independent Labels haben seit Anfang der 90er einen Aufstieg erlebt. Ganz klassisch und mit großem Beifall von meiner Seite: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus. So soll es sein!!

Im Softwaregeschäft zum Beispiel ist es aber nicht so. Überhaupt nicht. Ich habs inzwischen aufgegeben, mir ein gebrauchsfähiges Linux-Tablet oder -Smartphone zu besorgen. Nach vielen engagierten, kostspieligen aber letztendlich vergeblichen Versuchen. Kein Kapitalismus! Schon gar kein genialer. Ich würde (fast) jeden Preis zahlen. Es gibt nur nix! Es gibt meine Nachfrage aber leider kein Angebot.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von Tom Bombadil »

Du weißt aber schon, dass Android auf Linux basiert? Dann nimm doch LineageOS oder Replicant, wo ist das Problem? Und warum sollte es ein Problem des Kapitalismus sein, wenn es nicht massenhaft Produkte für Nischen gibt?
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von schokoschendrezki »

Skull hat geschrieben:(23 Nov 2021, 16:19)

Guten Tag,

daher bitte ich auch zum Thema zurückzukehren.

Und nicht Dinge beim Thema Kapitalismus zu thematisieren, die ursächlich mit ihm wenig bis nichts zu tun haben.
Also wirklich. :p Soll ich mal auf das "eigentliche Thema" kommen? "Genialität" bedeutet so etwas wie die wirkende Kraft einzelner Personen. Ein "Genie" ist ein menschliches einzelnes Individuum mit überragenden geistigen Fähigkeiten. Kaum irgendetwas könnte der Idee Kapitalismus entgegengesetzer sein. Diese Idee Kapitalismus geht davon aus, dass eine Gesellschaft nicht irgendwie von Einzelindividuen gelenkt wird, egal ob es sich um Kaiser, Könige oder Genies handelt ... sondern dass sie sich systemisch aus sich selbst heraus entfaltet. Die "Genialität im Kapitalismus" ... das ist einfach nur infantil, kindisch. Darüber kann man eigentlich gar nicht ernsthaft diskutieren. Kapitalismus ... das ist eben gerade nicht geniale Entworfenheit. Lenin, Stalin, Mao, Hitler ... das waren Persönlichkeiten, die sich selbst gern als geniale Gesellschaftsentwerfer sahen. Der Kapitalismus funktioniert einfach so. Ganz ohne Genies. Es gibt ihn nur leider nicht!
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von BlueMonday »

schokoschendrezki hat geschrieben:(22 Nov 2021, 19:07)

Es wird sich einfach anhand dieser Monopolisierung herausstellen, ob der Kapitalismus wirklich so genial ist.

Die fünf-Sterne-Bewegung in Italien zum Beispiel. Wie willst du das in HInsicht auf Kapitlalismusgenialität einorden? Die setzen sich ganz klar für Staatsreglementierungen ein. Für die Begrenzung von Managergehältern zum Beispiel. Sie sind Moskau- und Peking-freundlich. Und sie sind zugleich alles andere als irgendwie "links" oder "sozialistisch". Im Gegenteil. Das kannst du nicht mehr nach diesen klassischen politischen Schemen einteilen und zuordnen. Sprich: Wir befinden uns am Ende eines historischen Zeitabschnitts, in welchem man "Kapitalismus" mehrheitlich als genial ansah.
Wenn man über "Monpolisierung" reden will, dann sollte man eben über Monopolisierung reden. Da spielt ja der Staat als Gewaltmonopol, als Monopol schlechthin die entscheidende Rolle.

Man könnte auch beginnen, die aktuelle Situation anders zu analysieren und anders zu benennen. Wir leben - seit langem - im Zeitalter des Interventionismus oder Etatismus. Mancher nennt es schon "Spätetatismus". Eine Zeit in der sich mehr und mehr die damit verbundenen Illusionen als Enttäuschungen entpuppen, dass die immer raumgreifenderen Interventionen nicht ansatzweise das halten, was mit ihnen versprochen wurde. Das Klima wird man nicht retten. "Das Virus" scheint sich für unsere "Maßnahmen" nicht zu interessieren usw. Man verliert sich immer mehr in der Illusion des "viel hilft viel" oder in einer Machbarkeitvorstellung. Und wenn die Hälfte nichts genutzt hat, dann hilft bestimmt das Doppelte.

Warum sollte man die Befürwortung irgendeiner Bewegung in Italien für den Interventionismus ausgerechnet "kapitalistisch" nennen? Es ist ja das Gegenteil.
"Kapitalismus" war eine relativ kurze Phase in der Geschichte, der Wendepunkt von einer agrarisch-händisch geprägten Gesellschaft hin zu einer industriellen und der markwirtschaftliche Kapitalismus ist allenfalls als Ideal oder Idee übriggeblieben.

Und für einen Teil der Gesellschaft dient er offenbar als Sündenbock für die auflaufenden Probleme dieser spätetatistischen, eingreifenden Gesellschaft. Der Eingriff selbst wird dabei nicht als Problem und Problem erzeugende Ursache erkannt.
Der "geniale" Gegensatz dazu ist die spontane Ordnung, die sich ja kaum einer noch vorzustellen vermag.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von schokoschendrezki »

BlueMonday hat geschrieben:(23 Nov 2021, 17:00)

[Fullquote]
Ein anderer ernstzunehmender Forist bezeichnete den "Kapiitalismus" als etwas was es als Güteraustausch eigentlich schon immer gegeben hat und immer geben wird.

Ich möchte zunächst einmal auf die kulturelle Bewertung dieses Begriffs "Kapitalismus" hinweisen. Das ging noch bis vor kurzem im Westen gar nicht, "Kapitalismus" gab es nicht! Es gab "freie Marktwirtschaft". Von "Kapitalismus" redete man in den ML-Seminaren in Ostdeutschland. Wie man diese sehr sehr erstaunliche Rehabilitierung des Begriffs "Kapitalismus" bewertet ... das würde mich schon interessieren.

Die fünf-Sterne-Bewegung in Italien ist gar nix. Die sind weder kapitalismus-kritisch noch -freundlich. Die sind irgendwas. Man weiß es nicht! Giuseppe Conte zum Beispiel. Der ist - wie so viele Politiker - Jurist. Mit einer Anwaltskanzlei. Von Wirtschaft hat er möglicherweise gar keine Ahnung.

Wenn man das ernst nimmt. Wer sollte so etwas wie "freie Marktwirschaft" eigentlich durchsetzen? Staatsferne und zugleich und auf jeden Fall Kartellfreieheit. Man braucht einen Staat, der beherzt eingreift und sich zugleich jedoch entschieden zurückhält. Einen Staat, der die Entstehung anderer Pseudostaaten wie MS, Apple oder Facebook verhindert und sich gleichzeitig selbst als Eingreifer verhindert. Wie soll das eigentlich gehen. Wie soll ein politisches System aussehen, das dies möglich macht.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von Skull »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Nov 2021, 16:54)

Die "Genialität im Kapitalismus" ... das ist einfach nur infantil, kindisch.

Darüber kann man eigentlich gar nicht ernsthaft diskutieren.
Ersteres hättest Du den Threaderöffner fragen können.

Zweiteres solltest Du dann einfach hier lassen. ;)

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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(23 Nov 2021, 16:41)
Du weißt aber schon, dass Android auf Linux basiert?
Ja. Das ist mir bekannt. Ebenso wie IOS letzendlich auf BSD-Unix basiert. Das ist aber nur der technische Aspekt. Das nützt einem nix. Die Systeme sind nicht mehr "open". Darum gehts.
Dann nimm doch LineageOS oder Replicant, wo ist das Problem? Und warum sollte es ein Problem des Kapitalismus sein, wenn es nicht massenhaft Produkte für Nischen gibt?
Es handelt sich im Kern um das Problem der Mainstreamisierung. Es gibt Markt-Bereiche, die komischerweise von dieser Mainstreamisierung weitgehend ausgeschlossen sind. Ich begreife das irgendwie selbst nicht ganz. Ich würde aber jeden, der an der "Genialität im Kapitalismus" zweifelt an die Hand nehmen und sagen: So. Und nun schau dir das an. Musikinstrumente zum Beispiel. Das ist genialer Kapitalismus. Wenn es alles mögliche in den verschiedensten Varianten und von den verschiedensten Herstellern gibt.

Es gibt ja auch diesen schönen Neusprech-Begriff "Marktbereinigung". Von "Marktbereinigung" zu sprechen ist ein bissel sowas wie Mafia-Morde als Heldentat aufzuwerten. Die Frage für mich ist: Wie kann man einen marktbereinigungsbereinigten Kapitalismus realisieren? Einen Kapitalismus, wo es auf einem Gebiet nicht plötzlich realiter nur noch ein und denselben Scheiß gibt.

Es gibt ja tatsächlich Märkte. Ich bin regelmäßig auf einem regionalen Agrarmarkt. Ich schau mir die verschiedenen Paprikaschoten und Petersilienwurzeln genau an. Die Qualtität, Und den Preis. Und wähle aus. Aber der große, der globale Kapitalismus ... der funktioniert doch nicht so. Oder? Die Produikte des Unternehmens Microsoft sind doch nicht einfach so besser und gleichzeitig preiswerter! Wie wird so etwas wie Software heutzutage verkauft? Leute führen den Entscheidern mit präparierten Vorführungen irgendwas vor. Und die sagen: Oh, Klasse. Das wollen wir haben! Leute, die ein bissel Ahnung von den technischen Konsequenzen haben ... haben nix zu sagen und sollen einfach nur funktionieren. Und so kommt es, dass in vielen Bereichen irgendwelches schräges, dysfunktionales und gleichzeitig völlig überteuertes Zeug zum Einsatz kommt. Im öffentlichen Verkehr zum Beispiel. Stichwort "Signalstörung". Ich kann mir lebhaft vorstellen wie da irgendwelchen technisch ahnungslosen Entscheidern irgendein präpariertes Zeug vorgestellt wurde und die allesamt begeistert waren. So. Und deswegen soll nun auch ich begeistert von der "Genialität im Kapitalismus" sein?

Man müsste vielleicht zunächst mal klären, worin der Unterschied zwischen "Kapitalismus" und "freier Marktwirtschaft" besteht. Was sagt Wikipedia dazu?
Allgemein wird unter Kapitalismus eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verstanden, die auf Privateigentum an den Produktionsmitteln und einer Steuerung von Produktion und Konsum über den Markt (Marktwirtschaft) beruht.
Da werde ich sofort stutzig. "Steuerung"? Wirklich? In einer freien Marktwirtschaft wird Produktion und Konsum über den Markt eigentlich nicht etwa gesteuert sondern geregelt. Das ist ein ganz zentraler Punkt. Hat man sich da verschrieben, nicht genau nachgedacht oder - im Gegenteil - sogar sehr genau nachgedacht. In einer gesteuerten Wirtschaft wird einfach etwas durchgesetzt. Die Ampel schaltet auf Rot. Egal ob überhaupt Verkehr stattfindet oder nicht. In einer geregelten Wirtschaft findet ein permanenter Abgleich zwischen Soll und Ist statt.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Nov 2021, 18:52)

Und deswegen soll nun auch ich begeistert von der "Genialität im Kapitalismus" sein?
Warum nicht? Du erwartest anscheinend ein perfektes Wirtschaftssystem, das für jede noch so kleine Nische zig Lösungen bietet, aber pronto. So ein Wirtschaftssystem gibt es aber nicht, weil der Mensch nicht so ist.

Dabei ist auch dein Problem aber kein wirkliches Problem, denn du kannst ja jederzeit jemanden anheuern, der dir - um mal im Bild zu bleiben - deine Software so programmiert, wie du sie haben willst. Kostet halt, selbst indische Programmierer arbeiten nicht für lau.
Hat man sich da verschrieben, nicht genau nachgedacht oder - im Gegenteil - sogar sehr genau nachgedacht.
Das wirst du die Autoren des Wiki fragen müssen.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von schokoschendrezki »

Skull hat geschrieben:(23 Nov 2021, 18:38)

Ersteres hättest Du den Threaderöffner fragen können.

Zweiteres solltest Du dann einfach hier lassen. ;)

mfg
Ja ... gut. Wir befinden uns hier aber in einem Forum und nicht in einem Klausurvorbereitungsseminar.

Wirklich: Wenn jemand einen Diskussionsstrang mit "Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ..." eröffnet ... Da sollte es schon gestattet sein, sich darüber zu amüsieren und das ganze infantil zu nennen. Damit geht man ja durchaus auch ganz genau und wortwörtlich aufs Thema ein. Es beginnt damit, dass es einen Unterschied zwischen "Die eigentliche Genialität im Kapitalismus" und "Die eigentliche Genialität des Kapitalismus" gibt. "Die eigentliche Genialität im Kapitalismus" suggeriert, dass ea "im Kaptialismus" irgendeine Genialität gibt, die "eigentlich" ist und die geflissentlich übersehen wird und die eigentlich gar nix mit den Systemeigenschaften des Kapitalismus zu tun haben muss. Es herrscht Kapitalismus ... so. Und wo ist sie jetzt, die Genialität? Die offizielle zum einen. Und die "eigentliche" zum anderen. Die "eigentliche Genialität im Kapitalismus" könnte durchaus auch in einer radikalen Gegnerschaft zum System Kapitalismus bestehen.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(23 Nov 2021, 18:58)

Warum nicht? Du erwartest anscheinend ein perfektes Wirtschaftssystem, das für jede noch so kleine Nische zig Lösungen bietet, aber pronto. So ein Wirtschaftssystem gibt es aber nicht, weil der Mensch nicht so ist.

Dabei ist auch dein Problem aber kein wirkliches Problem, denn du kannst ja jederzeit jemanden anheuern, der dir - um mal im Bild zu bleiben - deine Software so programmiert, wie du sie haben willst. Kostet halt, selbst indische Programmierer arbeiten nicht für lau.
In Abwandlung eines Spruchs, den ich vor ziemlich vielen Jahren in Bezug auf Bücher und Gedichte vin einem Freund hörte: Das bissel, was ich an Programmen brauche, programmier ich selbst :p
Das wirst du die Autoren des Wiki fragen müssen.
Aber da wirds wirklich ernst. Und nochmal: Wie konnte es eigentlich zu einer Rehabilitierung des Kapitalismus-Begriffs kommen? Das interessiert mich wirklich sehr. Adam Smith benutzte diesen Begriff nicht. Es handelt sich aus meiner Sicht im Wesentlichen um einen marxistischen Begriff. Wirklich. Ich bin echt verwundert. Die marxistische Terminologie kehrt wie ein verdrängter Traum in mein Leben zurück. Wie kann das eigentlich sein? "Kapitalismus" bedeutet ja gar nicht, dass man freie Märkte, den Mechanismus von Nachfrage und Angebot, die Herkunft des "Wohlstands der Nationen" für wesentlich hält .... "Kapitalismus" bedeutet "Kapital" und "ismus". Sprich;: Dass man das, was Karl Marx in seinem Hauptwerk "Das Kapital" beschrieb für essenziell hält. Nicht den Markt sondern das Kapital. Das ist wortwörtlich "Kapitalismus". Bei Marx produzieren weder Produzenten noch der Markt sondern "das Kapital". Das ist der Kern seiner Theorie. Die Menschen können sein wie sie wollen. Und machen wie sie wollen. Die Steuerung der Gesellschaft erfolgt durch dieses Abstraktum "Kapital". Das Kapital verselbständigt sich und wird zum eigentlichen gesellschaftlichen Akteur. Das ist "Kapitalismus". Die Vorstellung einer "kapitalistischen Produktionsweise" ist durch und durch und nur in der marxistischen Theorie denkbar. Was hat es zu bedeuten, dass heute, 2021 jemand den "Kapitalismus" für genial hält und sich dabei einer eigentlich marxistischen Terminologie bedient.

Im Eingangsbeitrag wird ja auf etwas ganz anderes referiert. Darin geht es darum, dass dieser "Kapitalismus" den Menschen so nimmt wie er angeblich ist. Ein anthropologischer und eigentlich gar nicht ökonomischer Ansatz. Das ist eigentlich Hobbes. Der in seinem berühmten "Leviathan" in der Gesellschaftsanalyse von der Frage ausging, wie es um den Naturzustand des Menschen bestellt ist. Wie er ist, dieser Mensch. Was ihn ausmacht. Und der zur Feststellung kam, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf ist und dass es zu seiner Bändigung des Staates bedarf. Irgendwie geht da alles durcheinander. "Kapitalismus", beim Wort genommen, bedeutet keineswegs, in keinster Weise, dass man den Menschen so nimmt wie er ist und einen "Staat" dagegen setzt, sondern "Kapitalismus" bedeutet, im Gegenteil, dass man die Produktionsprozesse vom Menschen abkoppelt und als vom "Kapital" gesteuert ansieht. Benutzt man den Begriff "Kaptialismus" ist man mehr oder weniger zwangsläufig Marxist.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von Tom Bombadil »

schokoschendrezki hat geschrieben:(23 Nov 2021, 20:59)

Aber da wirds wirklich ernst.
Und was haben sie geantwortet?
Wie konnte es eigentlich zu einer Rehabilitierung des Kapitalismus-Begriffs kommen?
Welche Rehabilitierung? Die Marx'sche Theorie ist Murx, seine Diffamierung des Kapitalismus ist damit auch Murx und wurde nur von strammen Sozialisten geteilt.
Die Steuerung der Gesellschaft erfolgt durch dieses Abstraktum "Kapital".
So ein Unsinn.
Was hat es zu bedeuten, dass heute, 2021 jemand den "Kapitalismus" für genial hält und sich dabei einer eigentlich marxistischen Terminologie bedient.
Der Begriff Kapitalismus wurde nicht von Marx erfunden. Marxisten fanden den Kapitalismus genial? Das ist neu für mich.
"Kapitalismus", beim Wort genommen, bedeutet keineswegs, in keinster Weise, dass man den Menschen so nimmt wie er ist und einen "Staat" dagegen setzt, sondern "Kapitalismus" bedeutet, im Gegenteil, dass man die Produktionsprozesse vom Menschen abkoppelt und als vom "Kapital" gesteuert ansieht.
"Der Kapitalismus" steuert gar nichts, vor allen Dingen nicht in Deutschland, es sind auch keine Produktionsprozesse vom Menschen abgekoppelt, das mag vllt. irgendwann kommen, das ist dann aber der Erfolg von Robotik und AI und nicht des Kapitalismus.
Benutzt man den Begriff "Kaptialismus" ist man mehr oder weniger zwangsläufig Marxist.
Der Begriff Kapitalismus wurde nicht von Marx erfunden.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von schokoschendrezki »

Der Begriff "Kapitalismus" ... über den muss man sich doch erstmal überhaupt verständigen, wenn man in einem Strang namens "Die eigentliche Genialität im Kapitalismus" diskutiert.

Man muss ja vielleicht nicht gleich alle drei Bände von Marxens "Das Kapital" gelesen haben. Aber den Ersten Band hab ich ... sogar als Buch. Und ich hab auch schon drin gelesen. Wenn auch eher passagenweise.

Für die wichtigste Passage halte ich den Abschnitt zwei im ersten Band. Überschrieben mit "Die Verwandlung von Geld in Kapital". In der Marx beschreibt, wie aus der sozusagen stofflichen und von Menschen betriebenen Produktion und dem Güteraustausch etwas wird, was man so gar nicht mehr leicht durchschaut. Etwas, in welchem auf erstaunliche Weise etwas Abstraktes wie "Das Kapital" die Dinge übernimmt. Der "Kapitalismus" ist nicht etwa ein System, in welchem, wie der Threadersteller im Eingangsbeitrag schreibt, der Mensch als Mensch genommen wird ... sondern das genaue Gegenteil davon.

In Kapitel 24 ("Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation"), VII. Abschnitt Band 1, lässt sich Marx über das Verhältnis "Kapitalismus" und "Kapitalisten" aus. Und schreibt, dass die Grundursache "des Elends der modernen Völker" nicht etwa im Wirken irgendwelcher "Kapitalisten" zu suchen ist. Sondern in einem sich verselbstständigten System aus Handel, Produktion, Kapitalerschaffung und Mehrwertbildung. Dass genau darin der Übergang des mittelalterlichen Zunftwesens zum modernen Kapitalismus besteht.

Dann irgendwann, viel später, wurde "Kapitalismus" zum Gegenpol des realen Sozialismus erklärt. Und dann gab es plötzlich auch böse Kapitalisten. Während in den Staaten, von denen da die Rede war, niemand - außer vielleicht ein paar wenige RAF- und APO-Sympathisanten - von "Kapitalismus" sprachen. Dort wart die Rede von "sozialer Marktwirtschaft". Damit wurde "Kapitalismus" von einem Begriff für eine Produktions- und Gewinnerwirtschaftungsweise bei Marx zu einem Begriff für ein Gesellschaftsmodell. Davon ist in Marxens Kapital überhaupt nicht die Rede.

Hier nun, in diesem Strang, geht alles irgendwie durcheinander. Dass der Mensch so genommen wird wie er ist ... dass sich "Menschen wie Menschen verhalten" ... damit ist vermutlich ein Gegenansatz zum modernen, gegenwärtigen Moralismus gemeint. Zu der Annahme, man müsse die Menschen dazu bringen, weniger in den Urlaub zu fliegen und, wenn sich die Weihnachtszeit nähert, mehr für Brot für die Welt zu spenden. Das hat aber mit "Kapitalismus" überhaupt nix zu tun. Der Kapitalismus verwertet, wenns was bringt, auch die Armenfürsorge und natürlich auch den Umweltschutz. Aber nicht, weil es raffgierige Kapitalisten gibt, sondern weil Kapitalismus ein systemisches Phänomen ist, das nix mit anthropologischen Dingen zu tun hat.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(24 Nov 2021, 09:12)

Der Begriff Kapitalismus wurde nicht von Marx erfunden.
Erfunden nicht. Aber es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass dieser Begriff durch die Schriften von Marx, insbesondere "Das Kapital" in den allgemeinen Umlauf kam. Auch wenn ganz konkret "Kapitalismus" im "Kapital" so gut wie gar nicht vorkommt. "Das Kapital" nennt sich im Nebentitel "Kritik der politischen Ökonomie". Es handelt sich um eine Analyse moderner Produktions- und Verwertungsprozesse. "Kapitalismus" heißt, dass man dieses Phänomen für so essenziell hält, dass es den Kern eines Gesellschaftsmodells bilden kann.

Keine DIskussion zu etwa Max Webers "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" kommt ohne Verweise auf irgendeine Passage aus Marxens Kapital aus.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von schokoschendrezki »

Tom Bombadil hat geschrieben:(24 Nov 2021, 09:12)




"Der Kapitalismus" steuert gar nichts, vor allen Dingen nicht in Deutschland, es sind auch keine Produktionsprozesse vom Menschen abgekoppelt, das mag vllt. irgendwann kommen, das ist dann aber der Erfolg von Robotik und AI und nicht des Kapitalismus.

Doch. Sie sind abgekoppelt. Das Verhältnis von Unternehmern zu Beschäftigten ist - im Unterschied zum Mittelalter - das einer Warenbeziehung. Und der Gebrauchswert von Waren wird mehr und mehr von einem Tauschwert dominiert.

Dass "Marx" "Murx" ist ... ja. Also zumindest der Wiedergebrauch des Begriffs "Kapitalismus" in Zusammenhängen, in denen man in den 60er bis 80er Jahren ziemlich sicher eher von "sozialer Marktwirtschaft" gesprochen hätte ... spricht eigentlich dagegen.

Die Gesellschaften wandeln sich aber ohnehin. Egal ob man sie als "Kapitalismus" oder als "soziale Marktwirtschaft" bezeichnet. Wenn man die politischen Entwicklungen beobachtet ... das Ende der Volksparteien, die Entstehung alternativ-wachstumskritischer Bewegungen auf der einen und rechtskonservativ-identitärer Bewegungen auf der anderen Seite. Wenn man den Aufstieg neuer Wirtschaftssupermächte betrachtet. Es wäre ein Wunder, wenn die Wirtschaftssysteme von diesen gesellschaftlichen Wandlungen ausgeschlossen bleiben. Der amerikanische Kongress hat Mitte des Jahres eine Reihe von Gesetzen herausgegeben, die sich sich definitiv und direkt gegen die Monopolstellung ihrer eigenen Tech-Giganten richten. Damit wird zwar - natürlich - nicht der "Kapitalismus" beendet. Aber dies zeigt, dass dieses System "Kapitalismus" in sich selbst systemische Widersprüche aufweist. Es schafft irgendwie automatisch einen seiner größten Vorzüge ab: Wettbewerb nämlich. Das System Kapitalismus läuift früher oder später immer und unweigerlich auf Wettbewerbsabschaffung hinaus. Ja. Dann greift halt der Staat mit Gesetzen oder mit Kartellbehörden ein. Und dann haben wir etwas, was ein anderer User glaub ich als "Spätetatismus" bezeichnet hat. Und in Konkurrenz dazu haben wir ein System, wo eine Kommunistische Partei die Leitlinien herausgibt. Wo nicht hin- und herverhandelt sondern angeordnet wird.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von franktoast »

schokoschendrezki hat geschrieben:(24 Nov 2021, 10:16)
Doch. Sie sind abgekoppelt. Das Verhältnis von Unternehmern zu Beschäftigten ist - im Unterschied zum Mittelalter - das einer Warenbeziehung.
Der Unterschied im Vergleich zum Mittelalter ist, dass pro Mitarbeiter viel mehr Kapital eingesetzt wird als noch früher. Siemens setzt zB. pro Mitarbeiter etwa 500 000€ ein, also etwa das 7-8fache des durchschnittlichen Mitarbeiters (Personalaufwand pro Mitarbeiter beträgt etwa 80 000€). Eben weil man im Kapitalismus so viel Kapital hat und die Unternehmer bzw. Reichen das angehäuft haben, kann man einem Fließarbeiterarbeiter ohne jegliche Ausbildung dort so viel bezahlen wie Akademikern. Google aka Alphabet setzt etwa 2Mio. pro Mitarbeiter ein.

Es gibt aber auch Unternehmen mit sehr viel Kapitaleinsatz. Um ein Softwareunternehmen zu gründen, braucht man theoretisch nur ein Notebook.

Und der Gebrauchswert von Waren wird mehr und mehr von einem Tauschwert dominiert.
Das verstehe ich nicht und die Aussage macht auch wenig Sinn. Ein Wert einer Ware ist immer subjektiv und marginal. Subjektiv bedeutet, dass der Wert von ein und derselben Sache für dich anders ist als für mich. Ich bin großer Fan von The Mars Volta und Konzerttickets sind mir eben mehr wert als für dich. Genauso sieht es mit meinen Urlaubsbildern aus. Subjektiv bedeutet zudem, dass sich der Wert nicht aus irgendeinen Aufwand, Arbeitsstunden oder Kosten ableitet, der in die Herstellung geflossen ist. Auch wenn ich Hunderte Stunden in das Malen eines Bildes gesteckt hab, ist der Wert theoretisch 0€. Und wenn die Mitarbeiter von BMW alle nur noch mit einem Arm arbeiten und somit mehr Arbeitsstunden anfallen, um so ein Auto herzustellen, wird der BMW eben auch nicht wertvoller.
Marginal bedeutet, dass jede weitere Einheit, die man hat, weniger wert ist. Daraus erklärt sich, warum ein Diamant viel einen höheren Preis erzielt als ein Liter Wasser, wobei Wasser das Wichtigste für uns ist, was es gibt.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von schokoschendrezki »

franktoast hat geschrieben:(24 Nov 2021, 10:39)

Der Unterschied im Vergleich zum Mittelalter ist, dass pro Mitarbeiter viel mehr Kapital eingesetzt wird als noch früher. Siemens setzt zB. pro Mitarbeiter etwa 500 000€ ein, also etwa das 7-8fache des durchschnittlichen Mitarbeiters (Personalaufwand pro Mitarbeiter beträgt etwa 80 000€). Eben weil man im Kapitalismus so viel Kapital hat und die Unternehmer bzw. Reichen das angehäuft haben, kann man einem Fließarbeiterarbeiter ohne jegliche Ausbildung dort so viel bezahlen wie Akademikern. Google aka Alphabet setzt etwa 2Mio. pro Mitarbeiter ein.

Es gibt aber auch Unternehmen mit sehr viel Kapitaleinsatz. Um ein Softwareunternehmen zu gründen, braucht man theoretisch nur ein Notebook.
Ja. Aber diese absoluten Zahlen ändern doch nix daran, dass es sich um eine Warenbeziehung handelt. Im Gegenteil. Der Preis der Ware Arbeit ist in Deutschland unter anderem deshalb so hoch, weil qualifizierte Mitarbeiter totale Mangelware sind. Goldstaub sozusagen. Etwas das rar ist, wird in einer Warenbeziehung automatisch auch teuer.
Das verstehe ich nicht und die Aussage macht auch wenig Sinn. Ein Wert einer Ware ist immer subjektiv und marginal. Subjektiv bedeutet, dass der Wert von ein und derselben Sache für dich anders ist als für mich. Ich bin großer Fan von The Mars Volta und Konzerttickets sind mir eben mehr wert als für dich. Genauso sieht es mit meinen Urlaubsbildern aus. Subjektiv bedeutet zudem, dass sich der Wert nicht aus irgendeinen Aufwand, Arbeitsstunden oder Kosten ableitet, der in die Herstellung geflossen ist. Auch wenn ich Hunderte Stunden in das Malen eines Bildes gesteckt hab, ist der Wert theoretisch 0€. Und wenn die Mitarbeiter von BMW alle nur noch mit einem Arm arbeiten und somit mehr Arbeitsstunden anfallen, um so ein Auto herzustellen, wird der BMW eben auch nicht wertvoller.
Marginal bedeutet, dass jede weitere Einheit, die man hat, weniger wert ist. Daraus erklärt sich, warum ein Diamant viel einen höheren Preis erzielt als ein Liter Wasser, wobei Wasser das Wichtigste für uns ist, was es gibt.
Auf dieses Gleis will ich mich lieber nicht begeben. Weil ich offen gestanden von VWL und Finanzen zu wenig verstehe.

Ich würde ganz subjektiv aber sagen: Wenn ich auf einen Wochenmarkt gehe und Gemüse kaufe ... ich denke, die Händler setzen den Preis so niedrig an, dass sie das Zeug loswerden und so hoch, dass sie damit auch selbst etwas verdienen. Und dass sie noch Standgebühren bezahlen können. Das sehe ich nicht als "Kapitalismus" an. Das hat doch wahrscheinlich auch im Mittelalter so funktioniert. Beim Preis eines Apple PCs im Mediamarkt sieht das irgendwie anders aus. Marx schreibt im Kapital (Abschnitt "Das Geld oder die Warenzirkulation") wörtlich von der "Möglichkeit quantitativer Inkongruenz zwischen Preis und Wertgröße" und ein Stück weiter, dass "der Preis überhaupt aufhört, Wertausdruck zu sein". Und sodann von der "Transsubstantiation" (schönes Wort ...) der Ware. Der PC ist nur noch das Äquivalent zu seinem Preis in Euro oder Dollar. Dass ich ihn natürlich real einschalten und nutzen kann, hat nur wenig damit zu tun, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse primär aus diesen Warenverwertungs-Strukturen herleiten. Das ist Kapitalismus. Und das ist etwas, wo gerade der Mensch mehr und mehr "raus" ist. Der Kapitalismus ist eine Maschine.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von schokoschendrezki »

Diskussionen wie diese hier erinnern mich vor allem an zwei Sachen: Einmal daran, dass es Ende des 19. Jahrhunderts, kurz vor Quanten- und Relativitätstheorie hieß, in der Physik gebe es nix mehr grundsätzlich zu entdecken sondern nur noch die eine oder andere kleine offene Lücke zu schließen. Da hat man sich aber gründlich geirrt. Und das andere näherliegende ist natürlich der berühmte Artikel 1989 von Francis Fukuyama zum "Ende der Geschichte". Die Menschheit sei mit dem Zusammenbruch des Sowjetsystems in der liberalen Demokratie und in der Marktwirtschaft angekommen und nun gebe es auch hier lediglich die eine oder andere Lücke zu schließen. Interessant übrigens, dass auch Fukuyama Ende der 80er - wie so gut wie alle liberalen bzw. westlichen Autoren selbstverständlich nicht von "Kapitalismus" sondern von "Marktwirtschaft" sprachen. Na jedenfalls: Auch unabhängig vom Gegenstand und vom Thema: Wie kann man auf die wirre Idee kommen, irgendetwas, was auch immer, könnte nicht vergänglich sein, kein Ende haben bzw. das Ende könne darin bestehen, dass von nun an alles so bleibt wies ist. Alles ist vergänglich. Der reale Sozialismus ebenso wie die kapitalistische Marktwirtschaft. Alles folgt einem Werdegang aus Entstehung, Höhepunkt und dann eben Ende und Verfall. Nix ist davon ausgenommen.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von Tom Bombadil »

Du solltest vllt. mal von deinem Marx und dessen Theorien runterkommen, der Kram liegt da, wo er hingehört: auf dem Misthaufen der Geschichte.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von franktoast »

schokoschendrezki hat geschrieben:(24 Nov 2021, 11:20)

Ja. Aber diese absoluten Zahlen ändern doch nix daran, dass es sich um eine Warenbeziehung handelt. Im Gegenteil. Der Preis der Ware Arbeit ist in Deutschland unter anderem deshalb so hoch, weil qualifizierte Mitarbeiter totale Mangelware sind. Goldstaub sozusagen. Etwas das rar ist, wird in einer Warenbeziehung automatisch auch teuer.
Das hab ich ja versucht zu erklären. Warum bekommt ein unqualifizierter Fließbandarbeiter bei Siemens denn 3000-4000€ im Monat?
Auf dieses Gleis will ich mich lieber nicht begeben. Weil ich offen gestanden von VWL und Finanzen zu wenig verstehe.

Ich würde ganz subjektiv aber sagen: Wenn ich auf einen Wochenmarkt gehe und Gemüse kaufe ... ich denke, die Händler setzen den Preis so niedrig an, dass sie das Zeug loswerden und so hoch, dass sie damit auch selbst etwas verdienen. Und dass sie noch Standgebühren bezahlen können. Das sehe ich nicht als "Kapitalismus" an. Das hat doch wahrscheinlich auch im Mittelalter so funktioniert. Beim Preis eines Apple PCs im Mediamarkt sieht das irgendwie anders aus. Marx schreibt im Kapital (Abschnitt "Das Geld oder die Warenzirkulation") wörtlich von der "Möglichkeit quantitativer Inkongruenz zwischen Preis und Wertgröße" und ein Stück weiter, dass "der Preis überhaupt aufhört, Wertausdruck zu sein". Und sodann von der "Transsubstantiation" (schönes Wort ...) der Ware. Der PC ist nur noch das Äquivalent zu seinem Preis in Euro oder Dollar. Dass ich ihn natürlich real einschalten und nutzen kann, hat nur wenig damit zu tun, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse primär aus diesen Warenverwertungs-Strukturen herleiten. Das ist Kapitalismus. Und das ist etwas, wo gerade der Mensch mehr und mehr "raus" ist. Der Kapitalismus ist eine Maschine.
Man kann es auch kompliziert sehen. Wenn du einen PC für 500€ kaufst, bedeutet das, dass dir der PC mehr Wert ist als deine 500€, die du dafür hergibst. Aus Sicht des Verkäufers ist es anders herum. Daraus kann man auch schon ableiten, dass der Wert dieses PCs subjektiv sein muss. Ansonsten würdest du oder der Verkäufer durch den Handel ja ärmer und würdest den Handel gar nicht eingehen. Im Idealfall hat der Verkäufer den PC für deutlich weniger als 500€ eingekauft und kann mit der Differenz auch noch Miete, Mitarbeiter etc. bezahlen. Es kann aber auch sein, dass er das Teil mal für 600€ eingekauft hat und er den Ladenhüter noch schnell loswerden will. Besser 500€ als gar nichts. Wenn er vorher gewusst hätte, er kauft das Ding für 600€ und bekommt dafür nur 500€, dann hätte er es gelassen.

Genauso bei den Händler am Wochenmarkt. Wenn man Erdbeeren für 5€/kg einkaufen muss, aber dafür nur 4€/kg am Markt erzielen kann, dann lässt er es eben.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von Kleinlok »

schokoschendrezki hat geschrieben:(24 Nov 2021, 11:20)

Ja. Aber diese absoluten Zahlen ändern doch nix daran, dass es sich um eine Warenbeziehung handelt. Im Gegenteil. Der Preis der Ware Arbeit ist in Deutschland unter anderem deshalb so hoch, weil qualifizierte Mitarbeiter totale Mangelware sind. Goldstaub sozusagen. Etwas das rar ist, wird in einer Warenbeziehung automatisch auch teuer.
Denkt man, aber so läuft es auf dem Arbeitsmarkt seit langem oft nicht mehr. Zwar wird gerne von einem Mangel an Facharbeitern gesprochen, aber m.E. wenig effizient gegen einen solchen unternommen. Er wäre dann auch, dort wo es ihn real gibt, hausgemacht. Sprich Unternehmen, die Probleme haben geeignetes Personal zu finden, haben dann möglicherweise zu wenig ausgebildet und/oder bieten zu wenig gute Arbeitsbedingungen (gerade beim Lohn).

In Deutschland hat sich eine Ideologie durchgesetzt, die Arbeit zum Selbstzweck erklären will und den Lohn als Gegenwert dieser Arbeit wie eine Nebensache behandeln will. Es ist absurd, wenn z.B. in Ausschreibungen eine gefüllte Obstschale und Drinks for free als putzige, aber nun eher uninteressante Benefits beworben werden, sich aber kein aussagefähiges Wort betreffs der (meist vom AG sehr konkret angedachten) Lohnfindung finden lässt. Lohn, besonders ein guter Lohn wird meist tabuisiert und soll auch für die AN weniger wichtig sein. Das hat mit einer halbwegs fairen Marktwirtschaft nichts zu tun.
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Kapitalismus kann verschiedentlich funktionieren. Grundsätzlich ereignet sich hier der Einsatz von Kapital um ein Geschäft bzw. eine Wirtschaftsaktion zu tätigen. Das kann aber mit unterschiedlichen Präferenzen erfolgen. In fast allen Fällen möchte derjenige, der hier sein Kapital einsetzt, dieses erhalten und im Wert vermehren. Es kommt dann darauf an, wie diese Wertsteigerung quantitativ und qualitativ veranlagt sein soll. Da zeigt sich jedoch bei der geschichtlichen Betrachtung dass meistens im Kapitalismus auf Profitmaximierung (also eine oft nur quantitative Wertsteigerung) gesetzt wird und das kann zwei grundlegende Probleme bereiten:

a) die Interessen von Natur, Mensch und Tier kommen zu kurz
b) die beständige Kapitalerweiterung verlangt auf der Suche nach immer weiteren Profit nach immer neuen und ausgeweiteten Anlageformen (Fetisch Wirtschaftswachstum), das verschärft Problem a).

Das führt dazu, dass wie du schreibst der Mensch mehr und mehr "raus" ist, zumindest die Menschen, die ohne Kapital dastehen. Die interessieren nicht, nur mehr als Konsumenten und williges bitte billiges Humankapital. Der Kapitalismus ist zwar vom Menschen gemacht, aber da zu viele Menschen sich seiner Systematik unterordnen, agiert er als Selbstläufer wie eine Maschine. Eine Masse Mensch hoppst in seinen Hamsterrädern mit, der Rest fliegt raus. Und diejenigen, die über Kapital und damit Kapitalmacht verfügen, zeigen oft kein Interesse den Kapitalismus menschenfreundlich zu gestalten (das würde nämlich deren Profit reduzieren. So schaltet der Kapitalismus von einem Turbo zum nächsten. Bis mal wieder alles auseinanderfliegt. Der Mensch ist scheinbar zu doof aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen wo dieser Mist schon soundso oft passiert ist.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von Tom Bombadil »

Kleinlok hat geschrieben:(27 Nov 2021, 08:55)

Der Mensch ist scheinbar zu doof aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen wo dieser Mist schon soundso oft passiert ist.
Dann erkläre uns Doofen doch mal, welches das beste Wirtschaftssystem ist!
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von schokoschendrezki »

Kleinlok hat geschrieben:(27 Nov 2021, 08:55)

Denkt man, aber so läuft es auf dem Arbeitsmarkt seit langem oft nicht mehr. Zwar wird gerne von einem Mangel an Facharbeitern gesprochen, aber m.E. wenig effizient gegen einen solchen unternommen. Er wäre dann auch, dort wo es ihn real gibt, hausgemacht. Sprich Unternehmen, die Probleme haben geeignetes Personal zu finden, haben dann möglicherweise zu wenig ausgebildet und/oder bieten zu wenig gute Arbeitsbedingungen (gerade beim Lohn).

In Deutschland hat sich eine Ideologie durchgesetzt, die Arbeit zum Selbstzweck erklären will und den Lohn als Gegenwert dieser Arbeit wie eine Nebensache behandeln will.
Also ich weiß nicht. Ein realer Fall grad kürzlich aus meiner tatsächlichen Lebensirklichkeit: Der Chef einer Handwerksfirma hat einen seiner Mitarbeiter durch Zahlung einer fälligen Verschuldungssumme aus dem Knast rausgeholt. Aber doch nicht aus ideologischen Gründen. Und schon gar nicht aus Menschenfreundlichkeit. Nicht doch! Der hat hier in Berlin Aufträge über Aufträge. Der kann sich nicht retten vor Aufträgen. Die ihm Geld bringen. Viel Geld. Geld bringen würden, ja. wenn er denn genügend Leute hätte, die wenigstens eins und eins zusammenzählen können.

Die verzweifelte, händeringende Suche nach Fachleuten, Arbeiteskräften hat überhauptnix mit Ideologie zu tun sondern schlicht und einfach mit entgangenen Gewinnaussichten.
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von franktoast »

Kleinlok hat geschrieben:(27 Nov 2021, 08:55)



In Deutschland hat sich eine Ideologie durchgesetzt, die Arbeit zum Selbstzweck erklären will und den Lohn als Gegenwert dieser Arbeit wie eine Nebensache behandeln will. Es ist absurd, wenn z.B. in Ausschreibungen eine gefüllte Obstschale und Drinks for free als putzige, aber nun eher uninteressante Benefits beworben werden, sich aber kein aussagefähiges Wort betreffs der (meist vom AG sehr konkret angedachten) Lohnfindung finden lässt. Lohn, besonders ein guter Lohn wird meist tabuisiert und soll auch für die AN weniger wichtig sein. Das hat mit einer halbwegs fairen Marktwirtschaft nichts zu tun.
Ha. Das mit der Obstschale und fehlende Lohnangaben macht auch mein Arbeitgeber, und wundert sich, dass er kaum (fähige) Leute findet. (Außer mich natürlich *räusper*)
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Re: Die eigentliche Genialität im Kapitalismus ...

Beitrag von schokoschendrezki »

franktoast hat geschrieben:(24 Nov 2021, 16:34)

Das hab ich ja versucht zu erklären. Warum bekommt ein unqualifizierter Fließbandarbeiter bei Siemens denn 3000-4000€ im Monat?


Man kann es auch kompliziert sehen. Wenn du einen PC für 500€ kaufst, bedeutet das, dass dir der PC mehr Wert ist als deine 500€, die du dafür hergibst. Aus Sicht des Verkäufers ist es anders herum. Daraus kann man auch schon ableiten, dass der Wert dieses PCs subjektiv sein muss. Ansonsten würdest du oder der Verkäufer durch den Handel ja ärmer und würdest den Handel gar nicht eingehen. Im Idealfall hat der Verkäufer den PC für deutlich weniger als 500€ eingekauft und kann mit der Differenz auch noch Miete, Mitarbeiter etc. bezahlen. Es kann aber auch sein, dass er das Teil mal für 600€ eingekauft hat und er den Ladenhüter noch schnell loswerden will. Besser 500€ als gar nichts. Wenn er vorher gewusst hätte, er kauft das Ding für 600€ und bekommt dafür nur 500€, dann hätte er es gelassen.

Genauso bei den Händler am Wochenmarkt. Wenn man Erdbeeren für 5€/kg einkaufen muss, aber dafür nur 4€/kg am Markt erzielen kann, dann lässt er es eben.
Gut erklärt. Das muss ich schon sagen. Auch wenn sich daraus nicht sofort eine "Genialität" des Kapitalismus ableiten lässt. Es ist ganz rational. Und es liest sich übrigens vom Stil her nicht soviel anders als der Text von Marxens "Kapital". Ein wunderbares Buch. Alles andere als dogmatisch, steif oder ideologisch. Sondern voller Anspielungen, klug formulierter Gleichnisse, Seitenhiebe gegen Zeitgenossen. Es ist eine gute Idee, "Das Kapital" mit Lesebrille drauf so wie früher mal die Bibel auf dem Nachtschränkchen zu haben.
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