Progressiver hat geschrieben:(05 Aug 2018, 10:52)
Es geht nicht nur um den Kampf gegen Rechts im Sinne von "Nazis verhindern". Mir persönlich wäre es wichtig, dass auch die realen Probleme in Deutschland wieder thematisiert werden. Also Pflegenotstand, akute Wohnungsnot, verrottende Infrastruktur, das Fortbestehen des Niedriglohnsektors, Rentnerarmut oder auch Stillstand beim Breitbandausbau. Daneben Ärztemangel besonders auf dem Land usw.
Die Große Koalition und die anderen Partien lassen sich doch von den Rechten treiben. Dabei interessieren deren Themen wie "Schuldkult" etc. nur eine Minderheit, denn ansonsten hätte die AfD ja schon deutlich mehr Stimmen.
Wichtig an dieser "Sammlunsbewegung" ist vor allem, die linken Teile der SPD zum Überlaufen zu bewegen. (Ja, auch in der SPD gibt es ein paar Restlinke.) Und auch die Grünen bestehen ja nicht nur aus reichen Beamten, denen es zu gut geht. Und längst nicht alle von denen ticken wie Kretschmann, deren Wunschkoalitionspartner die CDU ist. Wenn sich also die Restlinken aus SPD und den Grünen mit Sarah Wagenknecht zusammentun könnten, dann wäre es auch möglich, 1. die Regierung von links vor sich her zu treiben und 2. den restlichen Politikern klar zu machen, was die wahren Probleme der Deutschen sind.
Ich weiß, es ist ein Traum: Wenn die SPD gespalten wird in einen Teil, der mit Sarah Wagenknecht kooperiert und in einen sterbenden Seeheimer Kreis, der ja nur noch als Fußabtreter Merkels existiert, dann ist bei der nächsten Bundestagswahl auch die Große Koalition Geschichte. Und auch die Grünen werden nicht bereitwillig automatisch als Koalitionspartner für die CDU und CSU zur Verfügung stehen, falls das Angebot von Wagenknecht gut genug ist, dass sich ein paar Grüne trauen, abtrünnig zu werden.
Was die LINKE betrifft: Ich halte sie für nicht breit genug aufgestellt. Meines Wissens ist außer Sarah Wagenknecht kein studierter Ökonom bei denen zu finden. Wenn man aber tatsächlich mit dem Volkswissenschaftler Heiner Flassbeck kooperieren kann, wäre das sicher ein Vorteil.
Dass Sarah Wagenknecht jetzt eine "Bewegung" ins Leben rufen will, verstehe ich. Es gibt viele linksgerichtete Wähler, denen die LINKE nicht breit genug aufgestellt ist und die aus demselben Grund nicht in diese Partei eintreten wollen. Wenn sich aus dieser "Bewegung" aber eine neue Partei entwickelt, so hoffe ich, dass sowohl diese als auch die LINKE zusammen im Endeffekt mehr Stimmen bekommen können bei den nächsten Wahlen als die LINKE allein. Und dann gilt hoffentlich die Devise: Getrennt marschieren, vereint kämpfen.
Stimme dir gänzlich zu, befürchte allerdings, dass ein parlamentarischer Linksruck vorerst nicht zu erwarten ist. Linke, egalitäre Parteien werben im Normalfall mit Programmpunkten, die dem "kleinen Mann" zu gute kommen - also handelt es sich bei denen in der Regel um positive Reize mit denen man eine Wählerschaft generieren möchte (zB höherer Mindestlohn, Abbau des Niedriglohnsektors). Parteien wie CSU, AfD oder zu einem Großteil auch die CDU setzen für gewöhnlich allerdings auf negative Reize (zB Abstiegsängste, Übervorteilung von Minderheiten, Feindbilder). Natürlich ist das keine Schwarz-Weiß Geschichte, ich habe allerdings den Eindruck, dass es grob schon so aussieht.
Soweit so gut, kann der Wähler ja einfach entscheiden was ihn mehr anspricht - beide Strategien sind natürlich erst einmal populistisch (ohne Wertung).
Wenn jedoch nur ein äußerst geringer Bruchteil der Wählerschaft über das Fachwissen und die nötige Polit- und Medienkompetenz verfügt um eine auf den eigenen Werten aufbauende Entscheidung am Wahlsonntag zu treffen, ist die Wahl zwangsläufig ineffektiv. Wenn ein Analphabet etwas von der Speisekarte bestellt von dem er nicht weiß was es ist, hat er zwar seine eigene Entscheidung getroffen, aber keine die von seinem persönlichen Interesse abzuleiten wäre.
Und hier wird es interessant: Wenn der durchschnittliche Wähler nämlich nach besten Wissen wählt aber eine rudimentäre oder gar keine politische Bildung hat, haben negative Reize einen Vorteil bei dem Wählerfang, da diese Reize in erster Linie auf negativen Emotionen aufbauen, die bereits vorhanden sind und nicht auf positiven Emotionen für die eine Regierung erst einmal etwas in die Hand nehmen muss. Dazu kommt noch, dass positive Reize ein mal mehr mal weniger umfangreiches Verständnis von einem gewissen Bereich der recht komplexen politischen Materie erfordern um überhaupt einschätzen zu können, ob diese Versprechen nun eine fundierte Grundlage haben oder nur heiße Luft sind.
Negative Reize setzen meistens allerdings darauf, sich auf bestimmte Sündenböcke einzuschießen, die dann für mehr oder weniger alles Schlechte die Verantwortung tragen und die es dann einfach loszuwerden gilt. Zum Beispiel hat vor der Flüchtlingswelle keine Person in Deutschland mehr Geld bekommen als während dieser - trotzdem haben viele Leute in finanziellen Schwierigkeiten das Gefühl, weil die Neuen jetzt auch alle Geld kriegen, bleibt weniger für mich und deswegen wäre es gerecht wenn die weg sind (wenn die alle morgen weg wären, kriegt trotzdem kein Deutscher einen Cent mehr und die meisten könnten sich das eigentlich auch wissen).
Desto rudimentärer die politische Bildung ist, desto ferner wird das Kreuz bei der Wahl von deinem eigentlichen Interesse wahrscheinlich sein. Ich kenne viele Leute die die meisten Punkte der Linken toll finden, aber meinen, dass es sowieso nur unbezahlbare Utopien sind. Ein höherer Mindestlohn, Abbau des Niedriglohnsektors sind allerdings alles andere als utopisch und in unserem wirtschaftsstarken Land sehr wohl realisierbar - ganz gleich ob man das nun gut fände oder nicht.
Wenn der Mensch von etwas wenig Ahnung hat, improvisiert er eben. Darum sollte man für mehr Bildung (nicht AusBildung), besonders im politischen Bereich meiner Meinung nach kämpfen. Ich stelle auch die Hypothese auf, dass mehr Leute linke Inhalte wählen würden, wenn sie zumindest ein Grundwissen von politischen Zusammenhängen haben - schlichtweg, weil momentan der Großteil der Gesellschaft von einem egalitäreren Kurs profitieren würde.