Nur zwei interessante Beiträge aus öffentlichen Medien, die sich mit dem Threadthema befassen (und die übrigens gleichfalls die Frage nach der Existenz einer politischen Drift nach Rechts nicht stellen, weil sie sie als trivialerweise gegeben ansehen ...)
Zum einen: Ulrich Greiner. Sprachwissenschaftler und langjähriger Ressort-Chef bei der ZEIT. Er hatte 2016 in ebenjener Wochenzeitschrift einen Artikel mit dem bezeichnenden Titel "Konservatismus: Vom Recht, rechts zu sein. Gedanken eines heimatlosen Konservativen" (
http://www.zeit.de/2016/12/konservatism ... tagswahlen) veröffentlicht. Und diese Gedanken nun in einem ganzen Buch ("Heimatlos. Bekenntnisse eines Konservativen") fortgeschrieben, das hier (
http://www.deutschlandfunk.de/politisch ... _id=394865) rezensiert wird. Greiner folgt durch und durch und ohne Abweichung der "Diskurs-Hypothese", nach der die öffentliche Meinung seit Jahrzehnten (angeblich) von "Linken" bestimmt wurde und es nun an der Zeit sei, einem aufgeklärten Konservatismus Gehör zu verschaffen. Ist aber erklärlich und kein Wunder, denn jemand wie Greiner bewegt sich als Feuilletonist grundsätzlich und so gut wie nur in diesem kommentierenden Millieu.
Die Angst geht um. Wovor? Es sind nicht allein die Gespenster von Donald Trump, Marine Le Pen, Geert Wilders und den anderen. Es ist die Angst vor einer konservativen Wende. Nicht so sehr das Traditionsbürgertum leidet an dieser Angst, schon gar nicht die vielfach entpolitisierte Unterschicht, sondern es leiden die Linken, und die Grünen und die dominanten Akteure der Mehrheitsparteien, es leidet die kommentierende Klasse in den Medien. Sie alle fürchten die Hoheit über den sogenannten Diskurs zu verlieren und die bislang unangefochtene Macht, die moralischen Standards des Öffentlichen zu bestimmen. Käme es dahin, ich würde es begrüßen.
Es ist die einzige Passage in der - zugespitzt formuliert - die Realität in Form einer "entpolitisierten Unterschicht" - überhaupt vorkommt. Die realen Probleme einer Mehrheit: Kinderbetreuung, Miete aufbringen, Arbeitsplatz erhalten, sich um kranke Eltern kümmern .... usw. usf. all dies subsummiert Greiner als "Ökonomismus". Man solle sich eher an den "kulturellen Werten des Abendlands" als an den Alltagsproblemen orientieren. Schön gesagt. Von jemandem, der diese Probleme nicht hat.
Zum anderen: Der bekannte Politikwissenschaftler Claus Leggewie. In einem aktuellen Beitrag der Reihe "Essay und Diskurs" (
http://www.deutschlandfunk.de/entkraeft ... _id=392376). Er deutet die Rechtsdrift in Deutschland erstens weit eher politisch als kulturell und dann vor allem auch als Teil einer europaweiten (und weltweiten) Tendenz. Und er benutzt dafür auch eher den Begriff "Populismus". Zum Beispiel für die interessante These, dass auch Linksgerichtete die "populistischen Gefühlsenergien" in ihrem Sinne zu nutzen verstehen. Insbesondere in den aktuellen politischen Bewegungen in Südeuropa. Den eigentlichen historischen Ursprung des heutigen europäischen Rechtspopulismus, und das ist das Interessante, verortet Leggewie in den "Steuersenkungsparteien" ab Anfang der 70er in Skandinavien. Also in eher moderat und aufgeklärt wirkenden rechten Parteien wie prototypisch etwa der "Dänischen Volkspartei". Die eben auch für ein Publikum der Mitte akzeptabel sind. Und die ursprünglich auch gar keine direkt nationalistischen oder ausländerfeindlichen Programme hatten.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)