ciesta hat geschrieben:(07 Nov 2016, 11:14)
1.
Das trifft sich gut.
Russland verteidigt da ja angeblich auch irgendwas.
Im Ernst.
In der Ukraine geht sicher um einiges, aber nicht um Europaverteidigung.
Wenn überhaupt geht es um eine Neuordnung Europas und das das Thema auf die Agenda kam ist eine Koproduktion von Russland und der EU.
Wer dachte, dass die Ukraine die Balten, Polen, Bulgarien oder Rumänien sind, sah sich getäuscht.
Die Ukraine ist eben eher wie Georgien.
Das russische Regime, dessen Anhängerschaft auf 15 bis 30 % geschätzt wird, verteidigt sich gegen Russland und träumt von einem vormodernen, eurasischen Imperium.
Die Ukraine kämpft um das Recht, Europäer sein zu dürfen, ohne mit Krieg überzogen zu werden. Das ist die europäische Idee, das ist die Nachkriegs- und Friedensordnung.
Die Energie ist ohne wenn und aber ein Hebel und wenn sich die Nutzung dieses Hebels als Handlungsweg durchsetzt, dann ist es eben so.
Wirklich gut finde ich es nicht. Ich habe es schon ein paar Mal geschrieben.
Wenn die EU und Russland weniger voneinander abhängig sind, birgt das eben auch die Option, dass Konflikte nicht auf dem Level wie bei der Ukraine ausgetragen werden.
Russland hat da die verdeckt militär. Dimension gezogen, obwohl sie von der EU abhängen.
Ohne diese hohe Abhängigkeit wäre diese Zurückhaltung nicht nötig gewesen.
Ein Grund mehr, den Hebel einzusetzen, um Aggression, Revanchismus und Chauvinismus einzudämmen. Die Gefahr geht nicht von Einigkeit und Entschlossenheit aus, die der Westen aufbringen kann, sondern vom Appeasement, von Nachgiebigkeit, Korrumpierbarkeit und isolationistischen Ansätzen.
2.
Das müssen und sollen wir nicht.
Wir sollten die Verhandlung auf Felder führten, auf denen wir überlegen sind. Das wäre zb. die Wirtschaft.
Die EU tut das ja auch (zb. Auflagen für OPAL) und das ist auch gut so.
Folgen hatte Cobra letztlich beschrieben. Aus dem Monopolist Gazprom ist einer geworden, der trotz immer noch riesiger Marktmacht Preiszugeständnisse macht.
Gazprom ist die Achillesferse der Aggression.
Russland ist für die EU eine Option, die vor allem dazu beitragen kann, dass man anders als Kasachstan und Co agieren kann.
Russland steht für Dinge, für die zb. Dtl. ausdrücklich auch Kriege führen würde (Versorgungssicherheit: unter Punkt "Gefährdung der Informations-, Kommunikations-, Versorgungs-, Transport- und Handelslinien und der Sicherheit der Rohstoff- und Energieversorgung" im Weißbuch der BW)
Es ist nicht sonderlich schlüssig, sich diese Versorgungssicherheit zu hohen Staatszielen zu erklären und dann am Ast Russland zu sägen.
Litauen hat genau das gemacht. Wenn das gleiche ganz Europa machen würde, wäre der Ast mit Sicherheit ab.
Die Shanghai-Achse wird sogar mit Nachdruck gefördert, wenn man Russland Optionen hier einschränkt, weil die dann unter Druck neue Optionen erschließen müssen, was nur gut für diese neuen Optionsgeber ist.
Das die Russen sich gen Asien ausrichten, ist eh schon quasi eine Zwangsläufigkeit wegen der wirtschaftlichen Entwicklung auf der Welt, aber ich weiß ehrlich nicht, was das für den Westen (speziell die USA) gut sein soll, wenn die Chinesen so zb. noch schneller zum Vorzugswaffenpartner der Russen geworden sind?
Es gibt ja Alternativen zur Shanghai-Achse. Viele Russen hätten lieber ein europäisches, westliches Land als ein überdimensioniertes Usbekistan im Schatten Pekings.
3.
Musst du nicht.
Ich kenne diese Verhältnisse gut genug
Freilich ist die EU kein Staat (so wie die USA und China). Das ist vor allem in Konfliktsituationen eine große Herausforderung.
Es gibt aber irgendwo eine besonders hübsche Grafik.

Italien ist ein einzelner Staat mit dem ungefähren BIP der Russischen Föderation. Dennoch sind multilaterale Bemühungen der Königsweg zur Konfliktbewältigung.
4.
Bin ich ganz bei dir.
Nur darf man dabei eben nicht vergessen, dass Russland eine solche Weltordnung seit spätestens 2007 einfordert.
Der Knackpunkt ist eben, dass die Verhältnisse heute eher so aussehen, dass der Westen neue/alte Kräfte berücksichtigen muss.
Das russ. Regime will eine Weltordnung, in der es als Veto-Macht jeweils bestimmt, ob eine Aggression gut oder schlecht ist. Das ist nicht das, was sich die EU unter Regeln des 21. Jahrhunderts vorstellt.
Blicken wir mal historisch zurück - der Aufruf zu "moralischen" Sanktionen gegenüber den Achsenmächten war praktisch die letzte nennenswerte Handlung des Völkerbundes.
Eine Nato bzw. Natostaaten außerhalb der Regeln wird immer weniger toleriert bzw. andere Player nehmen sich eben auch das Recht auf das Recht zu pfeifen (oder im Politikerdeutsch es nach eigenen Interessen auszulegen)
Eine Aggression bleibt trotzdem eine solche. Eine Debatte darüber, wer wann auf was pfeift, ist keine Gerechtigkeitsdebatte, sondern eine Rechtfertigungsdebatte. Wer den Krieg sucht, wird sicher Gründe finden.
5.
Auch wenn es mir lieber wäre, wenn das die Stoßrichtung der Welt wäre, widerspricht das doch der aktuellen Realität.
Demokratie, Menschenrecht und auch Rechtsstaatlichkeit ist weltweit auf dem Rückzug. (aus 2014 auf die Schnelle:
http://www.zeit.de/gesellschaft/2014-01 ... -arm-reich Studien dieser Art gibt es viele, aber nur als neuere Beispiele. Frankreich wird seit November 2015 im Ausnahmezustand regiert. Die Türkei ist sicher auch nicht auf einem Weg Richtung mehr Demokratie)
Es gab Zeiten, da waren die Demokratien in Europa schon weit mehr in der Defensive als heute. Und ein wesentlicher Grund dafür waren eben Neutralitäts- und Isolationismusbestrebungen. Das hat man dann konsequent geändert, als die Nazis in Paris standen und gen England blickten.
Man kann aber auch mal etwas früher aufstehen.