Dampflok94 hat geschrieben:(06 Jun 2016, 08:14)Nun war die Schweizer Variante extrem hoch angesetzt. Für den Anfang könnte ich mir da höchstens ein Existenzminimum vorstellen. So a la HartzIV. (Nun weiß ich natürlich, einige meinen mit HartzIV lebe man wie im Schlaraffenland. Ich sehe die Leute eher an der Tafel anstehen. Aber das ist ein anderes Thema.)
Für den Anfang sollte man auf jeden Fall mal klein anfangen, anstatt wie die Schweizer Initiative gleich aus den Vollen zu schöpfen! Wobei es "klein" beim BGE eigentlich nicht gibt: Ein Minimal-BGE auf der Höhe der ALGII-Regelsätze (ohne Wohnkosten) würde in Deutschland bereits ca.
370 Mrd. Euro jährlich kosten. Das ist mehr als der gesamte derzeitige Bundeshaushalt zusammen. Natürlich würden durch die Verrechnung mit oder Abschaffung bestehender Sozialleistungen auch Mittel freiwerden, aber an irgendeiner Stelle müssten die Steuern ganz massiv erhöht werden um das BGE zu finanzieren. Oder man verrechnet das BGE mit bestehenden Einkommen/Löhnen, dann bliebe wohl nur noch eine relativ überschaubare Finanzierungslücke.
Die Einführung eines BGE auf ALGII-Niveau mit voller Einkommensanrechnung wäre denke ich "relativ einfach" und schnell umsetzbar. Allerdings wäre das jetzt auch nicht
die Revolution. Die Summe der Sozialleistungen in Deutschland entspricht de facto einem mehr oder weniger bedingungslosen Grundeinkommen: Zwar gibt es für Alles Voraussetzungen und Bedingungen, aber letztlich hat jeder Einzelne Anspruch darauf, dass sein Existenzminimum durch den Staat gesichert wird. Durch den potentiellen Wegfall der enormen Sozialstaatsbürokratie ist ein echtes BGE natürlich auch für Deutschland ein sehr verlockender Ansatz!
Ökonomisch interessanter wäre die Einführung eines BGE aber in einem Land, dass derzeit nicht über ein flächendeckendes System von existenzsichernden Sozialleistungen verfügt.
Dampflok94 hat geschrieben:(06 Jun 2016, 08:14)Und die wenigsten würden wohl gerne damit auskommen wollen und können. (Bei mir wäre die Kohle schon fast für die Miete weg.) Die Annahme alle würde die Beine hochlegen ist doch sehr verwegen. 90% sagen bei Umfragen, sie würden im gleichen Umfang weiter arbeiten. Die gleichen 90% meine, die anderen würden es nicht tun. Eins von beiden ist wohl falsch.

Die Effekte wären wohl etwas subtiler. Auch wenn Niemand von heute auf Morgen seine Arbeit hinwirft und die Füße hochlegt, kann es sein, dass langfristig weniger (produktiv) gearbeitet wird: Die Schülerin, die dank BGE nach dem Abi erstmal "noch ein Jahr in Australien" verbringt; der Student, der sich auf seine BGE-Absicherung verlassen kann und den Studiengang mit 26 zum 4. mal (ausgerechnet zu Kunstgeschichte) wechselt anstatt endlich ins Erwerbsleben einzusteigen; Die Glücksritter, welche dank BGE-Absicherung unedndlich lange an ihrer erfolglosen Sänger-, Model-, Schauspieler-Karriere oder Startup-Idee arbeiten können anstatt einzusehen in einen "normalen" Beruf zu wechseln; Die Teilzeitkraft, welche sich dank BGE dann doch entschließt sich voll und ganz dem Kleingartenverein zu widmen; die Sekretärin, welche dank BGE endlich den Mut findet ihren lang ersehnten Traum zu erfüllen und ein (wirtschaftlich eigentlich nicht tragbares) Cafe zu eröffnen; der erfolgreiche aber gestresste Ingenieur, der mit 55 beschließt die Brocken hinzuwerfen und dank BGB verfrüht in den Ruhestand gehen kann, u.s.w. .......
Die Befürworter führen ja explizit als Argument an, dass durch ein BGE der Einzelne endlich die Freiheit hat seiner Kreativität freien Lauf zu lassen und einer "sinnstiftenden" Tätigkeit nachgehen kann. Dabei wird implizit angenommen, dass die Allokation von Arbeitskräften zu Tätigkeiten derzeit irgendwie "falsch" ist. Diese These ist so aber kaum haltbar. Im Gegenteil: Der Marktmechanismus sorgt im Idealfall dafür, dass Arbeitskraft in jene Bereiche gelenkt wird in dem diese am produktivsten ist (und am besten entlohnt wird). Der Bandarbeiter bei VW ist nunmal 1000 mal produktiver wenn er den ganzen Tag eintönig Schrauben in den Golf schraubt, als wenn er zu Hause die Öffentlichkeitsarbeit für den Modelflieger-Club organisiert, auch wenn er letzteres vielleicht als viel "sinnstiftender" empfindet.
Ein BGE ist letztlich nichts anderes als die Subventionierung unproduktiver Tätigkeiten auf Kosten Derjenigen, die (trotzdem) einer produktiven Tätigkeit nachgehen!
Und das wird langfristig Auswirkungen auf das BIP haben. Auch wenn diese Schweizer Initiative ständig betont ihr BGE sei ein "Nullsummenspiel": Ökonomie insgesamt ist keineswegs ein Nullsummenspiel. Der Kuchen kann kleiner oder größer ausfallen, je nachdem,
wie ein Land seine Ressourcen einsetzt. Und eins ist absolut klar: Wenn man 20-50% des BIPs einsammelt um es bedingungslos nach Köpfen aufzuteilen wird dass massive Auswirkungen auf Löhne, Preise, die Entscheidungen der Menschen und letztlich damit wieder auf das BIP haben. Von einem Nullsummenspiel kann überhaupt keine Rede sein!