hafenwirt hat geschrieben:(24 May 2016, 13:48)
Dann möchte ich doch an dieser Stelle daran erinnern, was der Ausgangspunkt unserer Diskussion war.
Deine Kernaussagen waren:
"Wer anderer politischer Meinung als die Regierung ist, wird Nazi genannt".
"Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und nicht das Einzelner aus einer bestimmten politischen Ecke".
Natürlich habe ich das polemisch zugespitzt. Wenn du für eine Senkung der Mehrwertsteuer bist, wird man dir sicher gnädig sein.
Meiner Meinung nach lebt unsere Demokratie von einer Streit- und Debattenkultur. Dazu gehört, dass man nicht nur über kleine Fragen streiten darf, sondern auch über große.
Große Fragen sind beispielsweise der Euro und die EU. Ich war lange ein Verfechter sowohl der Währungsunion und auch einer immer weiteren Integration. Allerdings bin ich inzwischen sehr viel kritischer geworden; einfach, weil weder der Euro noch die EU Selbstzweck sind, sondern Mittel, um etwas Gutes zu erreichen. Tun sie das nicht, oder zumindest nicht in der gegenwärtigen Form, muss es möglich sein, grundsätzliche Fragen zu stellen.
Genau so ist ja die AfD entstanden. Allerdings wurde die Partei von Anfang an wegen dieser skeptischen Haltung diffamiert; wegen ein paar ungeschickter Worte wurde damals noch Lucke in die rechte Ecke gestellt. Auch bei der Programmdiskussion hier im Forum wurde deutlich, dass zumindest einige Leute hier jedwede Schwächung der EU zugunsten der Nationalstaaten nicht nur ablehnen, sondern solch einen Standpunkt schon aus sich heraus als moralisch verwerflich abtun. Vielen würde mal ein Ausflug nach England ganz guttun, um die Dinge einmal aus einer anderen Perspektive zu sehen. Der Nationalstaat ist eben nicht an sich böse, wie viele in Deutschland meinen; er war auch das Gefäß, in dem sich die Demokratie entwickelt hat.
Die Flüchtlingsfrage ist eine andere große Frage. Ich finde es vollkommen normal, dass es Leute gibt, die nicht dazu bereit sind, hier im Land eine Million Flüchtlinge (oder sogar wesentlich mehr, es hieß ja kein Obergrenze) aufzunehmen. Auch muss man angesichts der Terroranschläge doch verstehen, dass die Leute Angst vor dem Islam haben. Deswegen sind sie noch lange keine Rassisten.
Als ich die erhöhte Kriminalitätsrate unter Flüchtlingen thematisiert habe, wurde ich ebenfalls angefeindet. Dabei ist das weder rassistisch noch weit hergeholt: Es ist doch völlig klar, dass offene Grenzen auch Chancen für Kriminelle eröffnen. Je länger man solche Probleme beschweigt bzw. der AfD und Konsorten überlässt, desto größer wird das Problem und desto größer wird auch die Polarisierung der Gesellschaft.
hafenwirt hat geschrieben:(24 May 2016, 13:48)
Er hätte ihn auch behalten können. Schau dir Seehofer an, der verstößt auch ständig gegen politische Korrektheit. Oder Herr Fleischhauer, der seit einigen Jahren nun beim linksextremen Spiegel schreibt. Oder Broder, der in den ÖR Sachen von sich geben darf (zumindest hatte er doch so ne Sendung). Da gibt es sooo viele Beispiele von Menschen, die immer wieder superunkorrekt Sachen sagen und trotzdem weitermachen. Und Herr Sarrazin durfte sein Buch verkaufen und ist wohl ganz glücklich mit seinem neuen Erwerb. Bestseller und das obwohl er doch ach-so-ausgegrenzt wurde aus der Gesellschaft. Also unter Ausgrenzung verstehe ich was anderes, als dass die halbe Republik über Wochen über seine Schriften redet.
Sicher gab es bei Sarrazin die ein oder andere Person, die übertrieben hat, vielleicht auch an manchen Stellen die Presse. Aber auch hier sei an deine Kernaussage erinnert, gesamtgesellschaftliches Problem.
Gut, vielleicht sollte ich mich korrigieren: Es ist vielleicht weniger ein gesamtgesellschaftliches Problem als ein Problem der herrschenden Eliten, die vollkommen aus den Augen verloren haben, was die einfachen Leute bewegt. Ich sage nicht, dass die einfachen Leute immer recht haben, aber man muss sie in ihren Sorgen ernstnehmen.
Ich kann mich nicht erinnern, ob Sarrazin hätte bleiben können. Sein Buch war ja von der Kanzlerin und Chefliteraturkritikerin als "wenig hilfreich" eingeordnet worden. Gut, von Biologie versteht der Mann ungefähr so viel wie Höcke, aber ihn deswegen so isolieren zu wollen und ihn aus der Partei werfen zu wollen - spricht nicht gerade für eine Debattenkultur.
Sarrazin ist sicher weich gefallen. Er ist ein prominentes Beispiel und konnte mit seinen Büchern Millionen verdienen. Andere sind weniger prominent, mögen aber ähnlich ausgegrenzt werden; von denen hören wir freilich nichts.
hafenwirt hat geschrieben:(24 May 2016, 13:48)
Da scheint ja jemand allmächtig zu sein, wenn die FDP, also ne relativ große Organisation in Deutschland "zum Schweigen gebracht wurde".
Es gab enorme Widerstände in der FDP gegen die Rettungspolitik. Wäre das damals anders ausgegangen, hätte es die AfD vielleicht nie gegeben. Letztlich war es aber ein demokratischer Entscheid innerhalb der Partei.
hafenwirt hat geschrieben:(24 May 2016, 13:48)
Die Grüne Jugend ist auch nicht die Gesamtgesellschaft.
Na dann... hier in Baden-Württemberg sind die Grünen inzwischen die bestimmende Volkspartei.