HugoBettauer » Sa 26. Sep 2015, 15:00 hat geschrieben:
Anspruchsdenken ist in der Frage fehl am Platz. Ein Reich mit Ö-U und einigen anderen nichtdeutschen Gebieten hätte politisch anders funktioniert, sehr zum Vorteil für den Frieden in Europa.
Da bin ich eher vorsichtig. Abgesehen davon, dass Ö-U nicht unwesentlich am Kriegsausbruch beigetragen hat und auch davor gern auf dem Balkan mit dem Säbel rasselte - ein unabhängiges Polen, Böhmen etc. hatte den Anspruch, zu existieren, schon allein, weil Ö-U keinen Anspruch mehr hatte, zu existieren. Es waren doch wohl einige Dinge seit Metternich und 1848/49 geschehen, die Habsburgs Multikulti nicht mehr tragen konnten...
Und ich glaube, dass es für die Polen keinen Unterschied gemacht hätte, ob sie nun Minderheit oder Pseudo-Nationalstaat gewesen wären. Ohnehin gab es keine gleichberechtigende Konzeption, wo doch demographisch betrachtet Deutsche und Ungarn ihre Macht kompensierten auf Kosten der Minderheiten. Das ist aber nicht ein befriedigender Zustand für Minderheiten, die auf ihrem alteingesessenen Land sitzen. Das sieht man sehr gut am Verhältnis zwischen Deutschen und Tschechien. Die Leute spürten doch, dass die Teilhabe nicht darauf fußte, dass sie benachteiligt waren, sondern, wie nützlich sie für Habsburg waren. Und so kam es auch immer wieder zu innerföderalen Spannungen. Und in dem Reform-Wirrwarr ohne klare Richtung (Zentralisierung, Dezentralisierung, Föderalismus, Gleichberechtigung, Bevorteilung) hatte sich ein Pulverfaß gebildet, das alles andere als friedbringend für Europa war und auch recht schnell zusammenbrach wie das Zarenreich oder Deutschland, ein geradezu unerhörter Vorgang.
gentibus solidaritas, una fit humanitas.