Ammianus » Sa 27. Jun 2015, 10:41 hat geschrieben:
Wenn du das ganze ideologische Zeug, dass dir vom Kindergarten an eingetrichtert wurde abgelehnt hast, dann konnten Teile deines Lebens schon stark mit Demütigungen durchsetzt sein.
Das setzt aber voraus, dass man einschätzen kann, was einem da eingetrichtert wird und das kann weder ein Kind im Kindergarten, noch in den unteren Klassen der Schule.
Ammianus » Sa 27. Jun 2015, 10:41 hat geschrieben: Allein um auf die Erweiterte Oberschule (praktisch Gymnasium) zu kommen reichten nur gute Noten und Bauern- und Arbeiterklassenblut nicht aus. Dazu gehörte auch eine vorbildliche Haltung zur Deutschen Demokratischen Republik als ersten Friedensstaat auf deutschem Boden in dem die Arbeiterklasse im Bündnis mit der Bauernschaft und allen anderen fortschrittlichen Klassen und Schichten unter Führung ...
Es reichte aus, wenn die Eltern zur Intelligenz zählten, NICHT zur EOS zu kommen.
Da blieb einem nur die "Ochsentour".
Ammianus » Sa 27. Jun 2015, 10:41 hat geschrieben:Ich hab jetzt nicht umsonst dieses ganze Bla-Bla abgesondert. Wolltest du dir einen Abiturplatz sichern und dann auch einen guten Studienplatz so war fleißige gesellschaftliche Arbeit gefragt. Also nicht nur einfach so in der FDJ sondern möglichst Leitungsmitglied. Im Schnitt kamen aus einer Schulklasse von 30 Leuten so um die 3 zum Abitur. Die FDJ-Gruppenleitung bestand, glaube ich mich zu erinnern - aus um die 5 Leute. Da kamst du gar nicht drum rum. Und da hattest du dann solche Reden zu schwingen. Und du musstest zusehen, dass du nicht anderweitig durch Diskussionen auffällst, die dein Klassenbewusstsein in Frage stellten.
Sorry - aber ich BIN in der DDR aufgewachsen, bekam eine Ablehnung für die EOS, weil ich der Intelligenz entstamme.
Ich kenne also das Prozedere in der DDR aus eigener Erfahrung. Ich weiß was da abging und dass man sich irgendwie mit dem Systemarrangieren musste, wenn man weiter kommen wollte.
Ammianus » Sa 27. Jun 2015, 10:41 hat geschrieben: Glück hatte, wer aus einem roten Umfeld kam und genug indoktriniert war, dass er wie hier unsere Kreationisten in entsprechenden Diskussionen jeden Zweifel der an ihn herangetragen wurde ausschalten konnte.
Du meinst also, die "Roten" hätten keine Zweifel gehabt, hätten das Denken verlernt. Da habe ich allerdings andere Erfahrungen gesammelt.
Ammianus » Sa 27. Jun 2015, 10:41 hat geschrieben:Von Vorteil war auch eine zynische Lebenseinstellung, bei der man die ganzen Vorgänge um einen herum als Realsatire auffasste. Wie verrückt das alles war und wie bescheuert, dass merkt man eigentlich erst richtig heute, wenn man z.B. wieder ein altes Schulbuch zur Hand nimmt. Doch selbst der Duden aus DDR-Zeiten reicht dabei völlig aus.
Mit dem Eintreten ins Teenageralter weitet sich bei vielen der Blick. Besonders bei intelligenten Menschen. Du erkennst die ganze Lüge und Heuchelei – aber unter Umständen auch das verbrecherische. Vor dir steht die Staatsbürgerkundelehrerin. Eine saublöde Nuss. Hat immer fleißig gelernt. War immer angepasst. Aber doch nicht so gut, dass es zu mehr gereicht hätte. Denn auch wer es zu Abi und Studium schaffte konnte nicht studieren was er wollte. Ingenieurökonom (so eine Art Verwaltungsfachmann) und Lehrerin bei Frauen, Offizier bei den Männern, dass war dann das für die Fleißigen mit nicht ganz so regen Hirnfunktionen. Und der dummen Tussi musst du zu Munde reden, fleißig als FDJ-Gruppensekretär den ganzen ideologischen Unsinn vor der Klasse wiederkäuen und um sicher zu gehen vielleicht noch zusehen, in die FDJ-Leitung der Schule zu kommen, damit du eben nicht als Ökonom, Offizier oder Lehrer endest.
Ach komm - übertreib nicht! Ohne die entsprechende "Gegenindoktrination" durch das Elternhaus habe junge Menschen NICHT erkannt, was Du hier aufzählst. Die haben sich Freiräume geschaffen, haben "Westsender" gehört und gesehen, sofern sie nicht im "Tal der Ahnungslosen" lebten.
Und es stimmt nicht, dass man nicht studieren konnte, was man wollte - konnte man. Es gab aber - auch wenn die nicht so genannt wurden - NC-Fächer.
Die DDR war eine totalitäre Diktatur, aber Schwarz-Weiß-Malerei bringt auch nicht weiter.
Du magst ja durchaus andere Erfahrungen gemacht haben - für die Mehrheit treffen die jedoch nicht zu, "die" hat sich mit dem System arrangiert.
Ammianus » Sa 27. Jun 2015, 10:41 hat geschrieben:Und das hört auch im Studium nicht auf und, wenn du Pech hast, auch nicht danach. Da ist das faule Stück Scheiße, der Parteisekretär, der weiter nach Oben will und deswegen mit Laber-Laber-Wuff-Wuff Leistung vortäuscht.
Ich habe in der DDR studiert - nach der genannten "Ochsentour" - auch da weiß ich also was ablief.
Ja - die "Rotlichtbestrahlungen" haben wir gerne geschwänzt, Repressalien haben sich daraus aber nicht ergeben.
Ammianus » Sa 27. Jun 2015, 10:41 hat geschrieben:Ach was soll's. Und mach die Cindy nicht so an. Versuch mal zu verstehen, dass Leute die nicht in der DDR gelebt haben bzw. erst nachher geboren wurden, diese ganze Welt von damals überhaupt nicht mehr kennen und nachvollziehen können. Würdest du die plötzlich am Kragen packen und in das Ostberlin des Jahres 1983 stellen, kämen die sich vielleicht wie auf einem Alienplaneten vor.
Doch - ich mache sie an, weil nämlich das Bildungssystem als solches um Längen besser war als das heutige.
Und ich bezeichne eine Lüge auch als Lüge, weil nämlich die Ingenieure in der DDR weder schlechter ausgeildet waren, noch weniger intelligent waren. DAS ist eine Beleidigung für die ältere Generation, die alles erlebt und geändert hat.
Herausreden auf "nicht nachvollziehen können" lasse ich ebenso wenig gelten, man kann und sollte sich inforieren. Möglichkeiten dafür gibt es heute genug. Wie nennt sich das doch gleich - "Vergangenheit aufarbeiten" und da gehört halt auch dazu, dass man sich über politische Hintergründe informiert und seine Schüler nicht belügt und/oder desinformiert.
Auch das ist eine Form der Indoktrination.
Gegen die menschliche Dummheit sind selbst die Götter machtlos.
Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen