schokoschendrezki » Dienstag 16. Juni 2015, 13:41 hat geschrieben:
Offen gestanden verstehe ich die Logik dieses Zitats nicht. "Sowjetisch" ist ja gerade
nicht ethnisch. Ganz im Gegenteil. Die Sowjetunion war ein künstlich
politisch-ideologisch zusammengehaltenes multiethnisches Gebilde. Während ich ein ethno- und religionszentriertes Selbstbild massiv erst in postsowjetischen Staaten (einschließlich der Russland und der heutigen Ukraine) sehe.
Aber davon abgesehen ... sollte das Land tatsächlich "so einig wie nie" sein, wunderte es einen auch nicht, dass es keine bezüglich des Reformprozesses kritischere Opposition gibt.
Tatsächlich sieht man den "De-Oligarchisierungsprozess" Poroschenkos nicht nur im Ausland kritisch bis skeptisch. Zwar geht er gegen Firtasch und Kolomoiski vor, aber wie etwa der britische "Economist" schreibt
Und eben auch im Inland:
Diesen kritischen Leuten sollte unsere Sympathie und Unterstützung gelten.
Die NZZ schreibt:
Stabilität, Transparenz und Erfolge im Kampf gegen die Separatisten hatte Petro Poroschenko den Ukrainern in seiner Wahlkampagne versprochen. Vieles davon konnte der ehemalige Wirtschaftskapitän in seinem ersten Amtsjahr trotz widrigen Umständen umsetzen.
http://www.nzz.ch/international/krieger ... 1.18555460
Selbst der Oppositionsführer billigt der verantwortlichen Führung immerhin zu, dass Lage und Aufgaben nicht ganz einfach seien.
In einer kämpferischen Rede an die Nation gab der Präsident eine klare Zielmarke vor. Weiter heißt es in der NZZ:
Poroschenko bezeichnete «Oligarchen, korrupte Bürokraten und Aggressoren von aussen» als die wichtigsten Feinde einer prosperierenden Ukraine. Gegen alle werde er sich durchsetzen, verkündete Poroschenko. Er verglich sich mit dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt, der um die vorletzte Jahrhundertwende unzimperlich gegen amerikanische Monopolisten vorging.
Aber, werter Schokoschendrezki, wir müssen hier nicht unbedingt jenen Wahlkampf führen, den die Ukrainer ganz gut selbst hinbekommen werden.
Wir als Bürger des europäischen Staatenbundes sollten vielmehr unsere Politiker fragen, was sie eigentlich wollen. Es wird ja teils darauf verwiesen, eine Annäherung der Ukraine an die EU sei noch nicht reif oder ähnliches. Ein wirklich starkes Signal, wie vom G-7-Treffen erwartet, wollte man nicht senden.
Kritiker meinen, für manche EU-Politiker überwiegt noch die Angst vor Russland gegenüber dem Glauben an die Ukraine.
Nun, es war die Europäische Union, die ein Assoziierungsabkommen anstrebte und im Rahmen der Östlichen Partnerschaft förmlich eine gute Nachbarschaft fordert, einschließlich der Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen. Muss nun ausgerechnet die Ukraine die EU zum Jagen tragen?! Ist es nun Sache der Ukraine, die Europäische Union zur Umsetzung der eigenen Agenda zu ermuntern und zu motivieren?!
Gewiss, Polen hat sich als starker Anwalt der Ukraine erwiesen - erstaunlich genug, zumal die bilaterale Geschichte nicht ganz unbelastet ist - und die Balten üben sich in solidarischer Rhetorik, aber der deutsche Außenminister Steinmeier scheint noch unsicher zwischen Courage und deutsch-russischer Seperat-Verständigung hin und her zu schwanken.
Zhanna Nemzowa plant, einen Offenen Brief zu initiieren, in dem an den Westen appelliert wird, endlich etwas gegen Putins Propaganda zu unternehmen. Es ist indirekt auch ein Appell für ein freies Russland und für die Unterstützung der Opposition.
Dazu werden freilich couragierte Politiker gebraucht - und Stimmen aus der europäischen Zivilgesellschaft, die sich mit Ideen auseinandersetzen können.