Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

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schokoschendrezki
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von schokoschendrezki »

Haegar » Mi 25. Mär 2015, 10:57 hat geschrieben:
Zustimmung, gerade für den "roten" Text. Aber im Moment das Problem mit dem Krieg.
Und irgendwie bin ich mir bei Putin sicher, dass er den Krieg in der Ukraine noch lange am Köcheln hält.
Ja. Aber gerade der Krieg im Osten liefert Leuten wie Kolomoiski, die dort Erfolge erzielten bzw. mit Geld halfen oder auch rechtsnationalen Militärs den Vorwand und die Popularität, ihre kriminelle Macht auszuweiten. Da ist Georgien mit dem de facto verlustig gegangenen Abchasien sogar noch besser dran.

Ich sehe da vor allem eine Strategie für Kiew: Auf alle desintegrativen Maßnahmen verzichten und unter allen Umständen die russischsprachige Bevölkerung hinter sich bringen. Und das heißt: Hinweg mit diesem Ukraine-Patriotismus. Auch und zuerst in der äußeren Form (das kostet schon mal nix).
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Doktor Schiwago »

schokoschendrezki » Mi 25. Mär 2015, 11:13 hat geschrieben:
Ja. Aber gerade der Krieg im Osten liefert Leuten wie Kolomoiski, die dort Erfolge erzielten bzw. mit Geld halfen oder auch rechtsnationalen Militärs den Vorwand und die Popularität, ihre kriminelle Macht auszuweiten. Da ist Georgien mit dem de facto verlustig gegangenen Abchasien sogar noch besser dran.

Ich sehe da vor allem eine Strategie für Kiew: Auf alle desintegrativen Maßnahmen verzichten und unter allen Umständen die russischsprachige Bevölkerung hinter sich bringen. Und das heißt: Hinweg mit diesem Ukraine-Patriotismus. Auch und zuerst in der äußeren Form (das kostet schon mal nix).
Das würde Poroschenko seinen Posten kosten. Darauf wartet doch nur der Anführer der Sturmtruppen vom Rechten Sektor.
Der Anführer der radikal-nationalistischen ukrainischen Organisation Rechter Sektor, Dmitri Jarosch, hat Präsident Pjotr Poroschenko gemahnt, er könnte das Schicksal seines Vorgängers, des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch, wiederholen.
Via Facebook kritisierte Jarosch das Gesetz über den Sonderstatus vom Donbass und erklärte, dass die „Geheimabstimmung“, durch die das Gesetz angenommen wurde, „juristisch nichtig“ sei.
„Sollte Pjotr Poroschenko keine Vernunft annehmen, werden wir hier, in der Ukraine, einen neuen Präsidenten und Oberbefehlshaber haben“, schrieb Jarosch.
http://de.sputniknews.com/politik/20140 ... 72430.html
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Darkfire
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Darkfire »

schokoschendrezki » Mi 25. Mär 2015, 09:44 hat geschrieben:

Der Artikel bringt das Kernproblem am Beispiel Kolomoiski gut zum Ausdruck: Patriotismus als Vorwand und Schutz für Oligarchenherrschaft und Korruption. Und ich werde nicht müde, das Beispiel der Ex-Jugoslawien-Staaten, insbesondere Bosnien-Herzegowina als drohende Negativ-Perspektive für die Ukraine zu nennen. Den fortschrittlichen Ukrainern kann man nur raten, sich nicht im Namen von Bekenntnis zur Nation und Patriotismus für Verbrecherbanden benutzen zu lassen. Insbesondere in der Westukraine besteht das allgemeine Missverständnis, eine Hinwendung zu Europa vor allem als ein Bekenntnis zum Wert des Nationalen zu verstehen. Die Ukraine braucht eine Persönlichkeit wie den Serben Zoran Đinđić, der offen gegen den dort besonders verbreiteten Nationalismus vorgegangen ist. Und seine Ermordung durch Oligarchenbanden zeigte ja auch dort dieses Zusammengehen von Patriotismus und Korruption.
Für mich ist halt ein Hauptproblem an der Sache daß es eben nicht so ist daß der böse ukrainische Westen gegen den edlen russischen Osten der Ukraine kämpft.

Oft kommen gerade die erbittertsten Widerstreiter sogar aus den selben Gebieten und es hängt sich dabei auch nicht einmal an der ethnischen Herkunft auf.

Oft zieht sich diese Linien durch die komplette Familie und dann passiert was komisches.
Dann sieht sich ein Bruder plötzlich als Russe der andere sieht sich als Ukrainer und beide haben mit der Definition sogar recht.

Das ist das was hier sehr viele gar nicht verstehen.
Dein Hinweis vorher daß die beiden aus Charkow kommen zb.
Charkow liegt tief in der Ostukraine nahe der russischen Grenze.
Will man in der Ukraine von Donezk nach Moskau fahren muss man durch Charkow fahren.

Charkow ist eine Stadt die auch durch russische Kultur geprägt ist etc.
Was ich damit sagen will ist folgendes.
Die Grenzen wie die meisten hier glauben sind eben nicht so klar wie wir denken.

Du hast ja auch irgendwo geschrieben wie viel höher der Bip pro Kopf in Russland zur Ukraine ist.
Auch der Finanzielle Anreiz eines Wechsels ist verlockend, mehr Geld für weniger Freiheit wäre das nicht ein netter Deal ?
Zumal ich kann ein Russe werden mit einer einfachen persönlichen Entscheidung.
Es liegt an mir ob ich Russe bin oder Ukrainer.
Dadurch das Putin diese Tür aufgetreten hat und zu den Leuten quasi sagte, kommt zu mir ich mach euch zu Russen egal in welchem Land ihr lebt, ich sende euch Panzer und Soldaten die euch im Kampf helfen damit ihr in Russlands Schoß könnt.

Er hat damit ein zustand geschaffen welcher der Europas zum Beginn des letzten Jahrhunderts gleicht.
Minderheiten werden zum politischen Waffe und Nationalismus und Faschismus werden wieder Salonfähig.

Kann eine Ukraine ohne das wieder klare Grenzen geschaffen werden überhaupt zur Normalität zurückkommen ?
Kann ein Patient der eine entzündete riesige Wunde hat ein normales Leben führen ?
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Cobra9 »

Doktor Schiwago » Mi 25. Mär 2015, 11:06 hat geschrieben: Das würde Poroschenko seinen Posten kosten. Darauf wartet doch nur der Anführer der Sturmtruppen vom Rechten Sektor.

http://de.sputniknews.com/politik/20140 ... 72430.html
Das Militär, die Sicherheitskräfte stehen hinter Poroschenko zum größten Teil sowie die Leute mögen ihn noch immer um einiges mehr als Jarosch. Wie beliebt die Rechten sind hat die Wahl ja per Ergebniss gezeigt. Bei den Präsidentschaftswahlen erreichte Jarosch ein Ergebnis von 0,70% der abgegebenen Stimmen.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Darkfire »

Doktor Schiwago » Mi 25. Mär 2015, 11:06 hat geschrieben: Das würde Poroschenko seinen Posten kosten. Darauf wartet doch nur der Anführer der Sturmtruppen vom Rechten Sektor.

http://de.sputniknews.com/politik/20140 ... 72430.html
Du solltest wirklich besser auf schokoschendrezki hören, er hat einen möglichen Weg und soweit ich es beurteilen kann ist er einer derjenigen welche die Ukraine mit am besten kennt.
Man mag über die Richtigkeit des Weges jetzt streiten, ob er gangbar ist, aber im Gegensatz zu andere welche diesen Konflikt so gern auf ein Krieg zwischen Faschisten und dem Guten reduzieren wollen sieht er wenigstens die wirklichen Probleme.
Doktor Schiwago

Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Doktor Schiwago »

Darkfire » Mi 25. Mär 2015, 14:15 hat geschrieben: Du solltest wirklich besser auf schokoschendrezki hören, er hat einen möglichen Weg und soweit ich es beurteilen kann ist er einer derjenigen welche die Ukraine mit am besten kennt.
Seine Strategie
Ich sehe da vor allem eine Strategie für Kiew: Auf alle desintegrativen Maßnahmen verzichten und unter allen Umständen die russischsprachige Bevölkerung hinter sich bringen. Und das heißt: Hinweg mit diesem Ukraine-Patriotismus. Auch und zuerst in der äußeren Form (das kostet schon mal nix).
finde ich auch gut, allerdings bezweifle ich, daß sie sich durchsetzen läßt.
Ich erinnere mich dabei an Ende Juni vorigen Jahres, als Merkel, Hollande und Putin Poroschenko baten, die Feuerpause zu verlängern.
Er tat es nicht, weil er vor den in Kiew demonstrierenden Rechtsradikalen einknickte.
Man mag über die Richtigkeit des Weges jetzt streiten, ob er gangbar ist, aber im Gegensatz zu andere welche diesen Konflikt so gern auf ein Krieg zwischen Faschisten und dem Guten reduzieren wollen sieht er wenigstens die wirklichen Probleme.
Vor allen Dingen muß erst einmal Minsk II anerkannt und durchgesetzt werden, damit dieser Bürgerkrieg nun endlich aufhört.
Und auch daran hapert es leider in Kiew, wie ich vor kurzem schrieb.
www.politik-forum.eu/viewtopic.php?p=3026905#p3026905
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von DarkLightbringer »

Doktor Schiwago » Dienstag 24. März 2015, 20:35 hat geschrieben: Natürlich nicht. Kann aber, wenn man weiß, wie dieser "Ehrenmann" immer unterwegs war: Mit seiner geliebten Kalaschnikow. Und - daß er offenbar zuerst geschossen hat.
http://www.zeit.de/news/2014-03/25/ukra ... n-25095406

Das ukrainische Innenministerium ist seinerzeit entschlossen gegen diesen Verdächtigen vorgegangen und verantwortlich dafür zeichnete Arsen Awakow - jener Mann also, der heute dem Kabinett Yazenjuk II angehört.

Gegen Schirinowski oder Ramsan Kadyrow gibt es keinerlei vergleichbares Vorgehen. Im Gegenteil, die Kreml-Partei Rodina lädt sogar Neonazis nach Petersburg ein.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von schokoschendrezki »

Darkfire hat geschrieben: Für mich ist halt ein Hauptproblem an der Sache daß es eben nicht so ist daß der böse ukrainische Westen gegen den edlen russischen Osten der Ukraine kämpft.

Oft kommen gerade die erbittertsten Widerstreiter sogar aus den selben Gebieten und es hängt sich dabei auch nicht einmal an der ethnischen Herkunft auf.

Oft zieht sich diese Linien durch die komplette Familie und dann passiert was komisches.
Dann sieht sich ein Bruder plötzlich als Russe der andere sieht sich als Ukrainer und beide haben mit der Definition sogar recht.

Das ist das was hier sehr viele gar nicht verstehen.
Dein Hinweis vorher daß die beiden aus Charkow kommen zb.
Charkow liegt tief in der Ostukraine nahe der russischen Grenze.
Will man in der Ukraine von Donezk nach Moskau fahren muss man durch Charkow fahren.

Charkow ist eine Stadt die auch durch russische Kultur geprägt ist etc.
Was ich damit sagen will ist folgendes.
Die Grenzen wie die meisten hier glauben sind eben nicht so klar wie wir denken.
Ich denke das gewiss nicht. Schau dir eine Karte der Verteilung der sich als Serben verstehenden Menschen innerhalb von Bosnien-Herzegowina an: Ein einziger Flickenteppich ohne klare räumliche Gliederung. Und dennoch verstehen es die Mächtigen auf beiden Seiten, der Bevölkerung einzureden, sich zuerst und vor allem als Angehörige einer bestimmten Kombination aus Ethnie, Sprache und Religion zu sehen.

Schon Elias Canetti hat in seinem berühmten "Masse und Mensch" gezeigt, dass der Verlust der Individualität unter bestimmten Umständen nicht als Verlust sondern als Befreiuung erlebt wird. Als Befreiung nämlich von der Konfrontation mit einer zunehmend chaotischen Welt. Und das ist die Geburtsstunde von Autokratien und Diktaturen. Ich bin fest davon überzeugt, dass weder die Mehrheit der Ukrainer noch die der Russen oder Serben von Natur aus irgendwelche Vorbehalte gegen andere Ethnien hegt. Es sind die ritualisierten Formen der Bewusstwerdung einer Zugehörigkeit zu einer Masse und das falsche Glück der Entindividualisierung, die dies bewirken. Für die Minderheit der politischen Führer und Wirtschafts-Oligarchen ist das ganze ein rein pragmatisch genutzter Mechanismus der Machterlangung oder des Machterhalts.
Zuletzt geändert von schokoschendrezki am Mittwoch 25. März 2015, 15:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von robro43 »

schokoschendrezki » Mi 25. Mär 2015, 10:13 hat geschrieben:
Ja. Aber gerade der Krieg im Osten liefert Leuten wie Kolomoiski, die dort Erfolge erzielten bzw. mit Geld halfen oder auch rechtsnationalen Militärs den Vorwand und die Popularität, ihre kriminelle Macht auszuweiten. Da ist Georgien mit dem de facto verlustig gegangenen Abchasien sogar noch besser dran.

Ich sehe da vor allem eine Strategie für Kiew: Auf alle desintegrativen Maßnahmen verzichten und unter allen Umständen die russischsprachige Bevölkerung hinter sich bringen. Und das heißt: Hinweg mit diesem Ukraine-Patriotismus. Auch und zuerst in der äußeren Form (das kostet schon mal nix).
Ich sehe da vor allem eine Strategie für Kiew: Auf alle desintegrativen Maßnahmen verzichten und unter allen Umständen die russischsprachige Bevölkerung hinter sich bringen. Und das heißt: Hinweg mit diesem Ukraine-Patriotismus. Auch und zuerst in der äußeren Form (das kostet schon mal nix).

exakt so und eben NICHT so wie bisher, nach dem Putsch ! Die Ukraine sollte endlich als Mehrvölkerstaat von seiner Kiewer Regierung
akzeptiert werden und alle Elemente die dem entgegenstehen aus ALLE Machtpositionen entfernen, oder in "Quarantäne" auf Posten mit denen sie kein Unheil anrichten können schicken, leider eine unrealistische Wunschvorstellung ein träumerisches Gedankenmodell.

Die Propaganda dient stets erfolgreich der Erhaltung von Hasspotenzialen. Ich sehe in Kiew niemanden dem ich Verstand und Friedenswillen unterstellen würde, auf jede diesbezügliche Frage oder Anregung kommt stets "Putin" als Antwort auf das totale
Versagen Kiews. Man sollte ihnen ihre Feindbilder wegnehmen damit sie endlich sinnvolle Änderungen vornehmen können.
Zuletzt geändert von robro43 am Mittwoch 25. März 2015, 16:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von schokoschendrezki »

@robro43: Dazu ist allerdings zu beachten - und Darkfire hat es mit dem Hinweis, dass sich das Verständnis von nationaler Zugehörigkeit scheinbar absurderweise z.T. innerhalb derselben Familie unterscheidet, schon belegt - dass Nation aehnlich wie Geschlecht vor allem eine soziale Konstruktion ist. Deshalb sind die Zugehörigkeiten auch nicht statisch sondern dynamisch. Ich plaediere deshalb auch eher für eine Politik ohne nationale Präferenz als für eine "auch" russenfreundliche.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von DarkLightbringer »

schokoschendrezki » Mittwoch 25. März 2015, 09:23 hat geschrieben:

... und ist weiterhin dafür verantwortlich, dass der Chefsessel der Kiewer Polizei von Wadim Trojan besetzt wird, einem bekennende Neonazi. Mal abgesehen davon, dass Awakow hauptverantwortlich für den jüngsten Aufstieg des bekannten rechtsradikalen Biletsky sowie der Neonazi-Organisation "Patrioten der Ukraine (PU)" ist . Die Gründe für diese Kooperation des Innenministeriums mit der extremen Rechten bzw. für die Infiltrierung der Strafverfolgungsbehörden durch Rechtsextreme liegen wahrscheinlich in der gemeinsamen regionalen Verbundenheit in der Region um Charkow in der vergangenene Dekade und lassen für die Korruptionsbekämpfung und Brechung der Oligarchenherrschaft in der Zukunft wahrlich nix gutes hoffen.

Eine ausführliche Analyse dieser Zusammenhänge ist in den von der Uni Bremen herausgegebenen "Ukraine Analysen" Nr. 144 vom 28. Januar 2015 nachzulesen:
Entwicklungsperspektiven der rechtsradikalen Kräfte in der Ukraine. Von Anton Shekhovtsov, London
Der Krieg ist das Problem, nicht das ukrainische Volk.
Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Ukraine, die im Mai bzw. Oktober 2014 stattgefunden haben, gingen für die beiden parteipolitisch organisierten rechtsradikalen Kräfte desaströs aus.
Selbe Quelle, gleicher Autor.

Autoren der "Osteuropa Studien" bestätigen quasi, dass Minsk II eine Illusion ist.
Eskalation der Kämpfe als Instrument russischer Politik
Anscheinend ist die Intensivierung der Kämpfe seit dem 10. Januar 2015 eine Folge des Scheiterns der Vorbereitungen für ein Gipfeltreffen in Astana. In dieser Situation ist die russische Führung wahrscheinlich zu dem Schluss gekommen, dass nur die Gefahr einer ernsthaften Eskalation des bewaffneten Konflikts, für die Kiew verantwortlich gemacht werden soll, aus der politischen Sackgasse führen und die EU (vor allem Deutschland) dazu bewegen kann, sich mit Russlands Nichterfüllung des Minsker Abkommens abzufinden. Entgegen seiner offiziellen Rhetorik hat Russland kein Interesse an einer vollen Umsetzung der Kernpunkte des Minsker Abkommens einschließlich des Rückzugs schwerer Waffen durch die Separatisten und der Einrichtung einer Sicherheitszone auf beiden Seiten der ukrainisch-russischen
Grenze unter internationaler Aufsicht.
http://www.laender-analysen.de/ukraine/ ... sen144.pdf
■ Analyse
Die Eskalation der Kämpfe im Donbass, Seite 11
Von Wojciech Konończuk und Andrzej Wilk unter Mitarbeit von Marek Menkiszak, Warschau

Nach dieser Einschätzung wird es also mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit zu weiteren Eskalationen kommen, zu weiteren Stufen des Krieges, um die EU-Appeasementpolitik dazu zu bringen, sich mit dem Scheitern von Minsk II abzufinden. Ein Friedensinteresse besteht nicht, auch nicht das Interesse an der Konsolidierung eines Waffenstillstandes.

Das bestätigt im Kern jene These, wonach die vor allem von der deutschen Bundesregierung betriebene EU-Appeasementpolitik die Aggression ermuntert bzw. von der Gegenseite als Ermunterung realisiert wird.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Nomen Nescio »

schokoschendrezki » Mi 25. Mär 2015, 16:53 hat geschrieben:Darkfire hat es mit dem Hinweis, dass sich das Verständnis von nationaler Zugehörigkeit scheinbar absurderweise z.T. innerhalb derselben Familie unterscheidet
ich hörte das vor einigen tagen von einer ukrainer, der schon längere zeit in NL lebt.
seine ganze familie wohnt in donezk und ist auch da herkömmlich. zu hause wurde russisch gesprochen. sein vater ist sehr stark pro-russisch. er selbst fühlt sich aber ukrainer.

es ist eigentlich, denke ich, ob man politische probleme in einer familie hat. also nicht verwunderlich.
nathan über mich: »er ist der unlinkste Nicht-Rechte den ich je kennengelernt habe. Ein Phänomen!«
blues über mich: »du bist ein klassischer Liberaler und das ist auch gut so.«
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von robro43 »

schokoschendrezki » Mi 25. Mär 2015, 16:53 hat geschrieben:@robro43: Dazu ist allerdings zu beachten - und Darkfire hat es mit dem Hinweis, dass sich das Verständnis von nationaler Zugehörigkeit scheinbar absurderweise z.T. innerhalb derselben Familie unterscheidet, schon belegt - dass Nation aehnlich wie Geschlecht vor allem eine soziale Konstruktion ist. Deshalb sind die Zugehörigkeiten auch nicht statisch sondern dynamisch. Ich plaediere deshalb auch eher für eine Politik ohne nationale Präferenz als für eine "auch" russenfreundliche.
was könnte daran "absurd" sein ? Mischehen gibt es zum Glück nicht nur in der Ukraine ebenso wie es unterschiedliche Zugehörigkeitsgefühle, auch nationale geben wird das alleine ist ohne Einflüsse von Außen kein Grund zu Hass und Streit, jedenfalls nicht in einer modernen Gesellschaft.

Nation, eine soziale Komponente....soweit kann ich folgen, aber bei Geschlecht sträuben sich bei mir nicht nur die Haare denn ich
hielt "Geschlecht" im Sinne von männlich / weiblich bisher immer für eine natürliche "Komponente".... und würde die Bezeichnung
"Geschlecht" im Sinne von Erbfolge und "derer von" vermeiden obwohl gerade Familien dieses Standes sich oft und gerne bekriegten,
stets auf Kosten ihrer Untertanen, mit Familie und Familien-Bindungen als soziale Komponenten kommen wir der Problematik unterschiedlicher Meinungen und Zugehörigkeitsgefühlen schon näher aber alles kein Grund für Anfeindungen der wird erst durch
Intoleranz geschaffen. Die banale Erkenntnis das in der Ukraine nicht West gegen Ost im Sinne von Ethnie gegen Ethnie kämpfte sondern Ukrainer gegen Ukrainer gehört zum Wesen eines Bürgerkrieges ebenso wie die Unterstützung ausländischer Mächte für eine oder beide Seiten, mir ist kein Bürgerkrieg bekannt in dem es anders gewesen wäre.

#Ich plaediere deshalb auch eher für eine Politik ohne nationale Präferenz als für eine "auch" russenfreundliche#
könnte außenpolitisch mißverstanden werden

#Ich plaediere deshalb auch eher für eine Innen- Politik ohne nationale Präferenz als für eine "auch" russenfreundliche#
ergibt den Sinn: eine Politik ohne Ansehen und Betonung der Ethnie für ein friedliches Miteinander der Menschen in der Ukraine.
gibt uneingeschränkt auch meine Meinung wieder.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von schokoschendrezki »

DarkLightbringer hat geschrieben: Der Krieg ist das Problem, nicht das ukrainische Volk.
Zitat:
Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Ukraine, die im Mai bzw. Oktober 2014 stattgefunden haben, gingen für die beiden parteipolitisch organisierten rechtsradikalen Kräfte desaströs aus.
Selbe Quelle, gleicher Autor.
Wenn Du den ganzen Artikel aufmerksam gelesen hast, und davon gehe ich zu deinen Gunsten aus, dann weißt Du auch, dass es darin eben um die eine Frage ging: Warum und inwiefern steht dem formalen Verlust der rechtsradikalen Kräfte bei den Wahlen ein informeller und realer interner Aufstieg vor allem in den von Innenministeriium, Militär und Polizei beherrschten Kreisen im jüngerer Zeit gegenüber.

Schlimmer ist aber: Wenn von einem "ukrainischen Volk" außerhalb rein kulturgeschichtlicher oder auch ganz privater Zusammenhänge auf einer politischen Ebene die Rede ist, handelt es sich um Nationalismus. Ein demokratischer Staat ist ein Staat seiner Staatsbürger. Ohne Zuätze. Es ist ein großes Problem, Ungarn aufgrund seiner neuen Verfassung, in der von einem "ungarischen Volk" in einem staatsbürgerlichen Zusammenhang die Rede ist, aus der EU auszuschließen. Alle fortschrittlichen, putinkritischen, demokratischen Kräfte werden sich schon deshalb zurecht dagegen wehren, eine Ukraine, die die Staatsbürgerschaft in irgendeiner Art an eine Nationenzugehörigkeit bindet, in die EU aufzunehmen.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Darkfire »

schokoschendrezki » Mi 25. Mär 2015, 15:48 hat geschrieben:

Schon Elias Canetti hat in seinem berühmten "Masse und Mensch" gezeigt, dass der Verlust der Individualität unter bestimmten Umständen nicht als Verlust sondern als Befreiuung erlebt wird.
Ich kann mich jetzt nicht an ein Buch von Elias Canetti erinnern daß sich "Masse und Mensch" nennt glaube aber das du hier "Masse und Macht" meinst und da dann in einer art Freudscher Versprecher noch einen anderen aus der Zunft mit ein geschmissen hast Desmond Morris "Die Horde Mensch".

Zumindest werden die beiden gern in der selben Phase gelesen, wobei Desmond dabei die wesentlich leichtere Kost ist.
Dafür ist mir bei Canetti die Schlange immer gern im Gedächtniss geblieben.

Allerdings ist mir auch Platos Sokrates etwas in Erinnerung geblieben und seine Dialektik von daher muss ich dir noch erwidern daß die Anhänger eines Putins zwar für Wertekonservatismus stehen, aber da es in diesem Fall nicht nur ein "ist es so das" gibt ich hier bequem ausweichen kann und sagen daß Wertekonservatismus für einen Monarchisten ganz anders aussieht wie zum Beispiel für einen Sozialdemokraten und zwar der alten Schule.

Ich bin Wertekonservativ, aber meine Werte sind bestimmt nicht die für die ein Putin einsteht.

Wenn du es genau wissen willst gründet mein Wertekonservatismus aus den Jahren 1848/1849 die für mich die Jahre sind in der Deutschland seinen Traum verloren hat.
elmore

Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von elmore »

Dass die Ukraine ihre Problemchen mit ihrer nationalen Identität hat, ist unbestritten. Aber wer hat die nicht. Hat die Deutschland etwa nicht? - Begreifen wir uns als Land, wie Wulff formulierte, zu dem der Islam gehört? Oder doch nicht? Oder müssen wir uns retten vor "unerfreulichen Mächten", die unsere christilich-abendländische Kultur und Nationaliätsbasis schreddern wollen? Angeblich, sei einschränkend hinzugefügt.

Bei allem Verständnis für die lesenswerten Empfehlungen, was die Ukraine politisch machen oder unterlassen sollte.

Über all dem steht leider noch immer: Nicht was die Ukraine will, sondern die Herren im Kreml unter dem großen Anführer Wladimir Putin, ist entscheidend.

Und solange die Herren des Kreml sich auch als Herren der Ukraine ansehen, notfalls auch mit Truppen und Freizeitseparatisten, Urlaubs-Grad-Amateuren, ist es relativ nebensächlich, was sich die Ukraine wünscht. Welche Identitätsklammer die richtige sei, um all die unterschiedlichen Ethnien, Traditionen und kulturellen Prägungen/Selbstverständnisse unter einen rechtsstaatlichen Hut zu bringen. Als ein Staat, der wie jede pluralistisch angelegte Demokratie möglichst wenig politischen! Lokalpatriotismus oder anderweitig seltsam anmutendes Indentitätsaufstampfen für wichtig erklärt.

Ergo: Zuerst müssen die Russen aus der Ostukraine raus. Solange das nicht der Fall ist, kann sich die Ukraine viel wünschen. Aber entscheidend ist am Ende des Tages, was der Kreml will und nicht die Ukraine. Wie wir ja erleben durften und ich fürchte, noch sehr viel länger dürfen.

Die Krim ist nochmals eine andere Baustelle, da für die "nächste Zeit abgeschlossener, irreversibler politischer Fakt". Und der Kreml, auch nach Putin, einen Teufel tun wird, um diese Halbinsel wieder an die Ukraine zurückzugeben.

In diesem Zusammenhang stelle ich mal einen recht lesenswerten Artikel von Timothy Snyder aus FAZ-net hier ein:

Ukraine-Konflikt
Russlands neokoloniales Projekt
Das russische Projekt, die Ukraine und die Europäische Union im Namen einer anderen Weltordnung zu zerstören, sollte weder schockieren noch verwirren. Immerhin beruht es auf einem zutreffenden Geschichtsverständnis.
http://www.faz.net/aktuell/politik/die- ... 84611.html
Zuletzt geändert von elmore am Donnerstag 26. März 2015, 01:00, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Vongole »

Sehr guter Link, elmore, danke.

Bemerkenswerter Auszug aus dem ausgezeichneten Artikel:
....
Im Sommer und Herbst 2013 vollzog die russische Außenpolitik eine Wende und setzte sich die Desintegration des europäischen Projekts zum Ziel. Auf ihre Weise folgten die russischen Führer derselben historischen Logik wie die Bürger der Ukraine: Sie erkannten die positive Wechselwirkung zwischen Zivilgesellschaft, Rechtsstaat und Europa. Doch anders als die ukrainischen Bürger wollten die russischen Führer diese Zusammenhänge zerstören, anstatt sie zu bestärken. Die ukrainische Absicht, das Assoziierungsabkommen zu unterzeichnen, die seit mehr als einem Jahr bekannt war, wurde rasch zu einem Akt umgedeutet, der gegen Interessen Russlands gerichtet sei. Präsident Wladimir Putin überredete den damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch im November 2013, das Abkommen nicht zu unterzeichnen. So führte die russische Außenpolitik zu den Protesten, mit denen die Revolution begann.
....
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Europa2050 »

elmore » Do 26. Mär 2015, 00:53 hat geschrieben:
In diesem Zusammenhang stelle ich mal einen recht lesenswerten Artikel von Timothy Snyder aus FAZ-net hier ein:

Ukraine-Konflikt
Russlands neokoloniales Projekt
Das russische Projekt, die Ukraine und die Europäische Union im Namen einer anderen Weltordnung zu zerstören, sollte weder schockieren noch verwirren. Immerhin beruht es auf einem zutreffenden Geschichtsverständnis.
http://www.faz.net/aktuell/politik/die- ... 84611.html
Snyder gehört - berufsbedingt - zu der 0,x % - Minderheit in den USA, die wirklich einen Plan von Europa und seiner Geschichte haben, so dass man ihn wohl gelesen haben sollte, wenn man in eine historische Diskussion um die Geschichte Ostmitteleuropas einsteigt. Snyders Favoriten sind die verschiedenen multiethnischen, multireligiösen Konstrukte in Historie und Gegenwart - die Polnisch-Litauische Union, Österreich-Ungarn und - die EU. Er geht aber auch mit ihren jeweiligen Fehlern in's Gericht. Fehlentwicklungen werden als solche benannt, egal ob sie Deutschen, Polen, Litauern, Belarusiern, Ukrainern oder Russen anzulasten sind. Eine durchgehende Parteilichkeit Pro... vermisst man aber.
Er stellt dar, das in der Region im Laufe der letzten Jahrhunderte jedes Volk dort schon mal die Rolle des "Guten" und des "Bösen" gespielt hat, verortet die Rolle des "Ugly child" allerdings aktuell eindeutig bei Putin und dem nach dem Ende der Sowjetunion entstandenen russischen Nationalismus.

Prädikat: Lesenswert, wobei einige der besten Werke leider nur in Englisch verfügbar sind.
Synonym für Mörder: Russland
Synonym für Verräter: USA

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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von schokoschendrezki »

Darkfire » Do 26. Mär 2015, 00:37 hat geschrieben:
Ich kann mich jetzt nicht an ein Buch von Elias Canetti erinnern daß sich "Masse und Mensch" nennt glaube aber das du hier "Masse und Macht" meinst und da dann in einer art Freudscher Versprecher noch einen anderen aus der Zunft mit ein geschmissen hast Desmond Morris "Die Horde Mensch".

Zumindest werden die beiden gern in der selben Phase gelesen, wobei Desmond dabei die wesentlich leichtere Kost ist.
Dafür ist mir bei Canetti die Schlange immer gern im Gedächtniss geblieben.

Allerdings ist mir auch Platos Sokrates etwas in Erinnerung geblieben und seine Dialektik von daher muss ich dir noch erwidern daß die Anhänger eines Putins zwar für Wertekonservatismus stehen, aber da es in diesem Fall nicht nur ein "ist es so das" gibt ich hier bequem ausweichen kann und sagen daß Wertekonservatismus für einen Monarchisten ganz anders aussieht wie zum Beispiel für einen Sozialdemokraten und zwar der alten Schule.

Ich bin Wertekonservativ, aber meine Werte sind bestimmt nicht die für die ein Putin einsteht.

Wenn du es genau wissen willst gründet mein Wertekonservatismus aus den Jahren 1848/1849 die für mich die Jahre sind in der Deutschland seinen Traum verloren hat.
Haha, ja, sorry, natürlich "Masse und Macht" . Und "Die Horde Mensch" kenne ich (noch) nicht. "Masse und Macht" wird ja vorrangig als ein Erklärungsversuch für die Massenpopularität nationalistischer Diktaturen im 20. Jahrhundert (Deutschland, Italien, Japan usw.) interpretiert. Das erste Drittel dieses Jahrhunderts mit seinen spektakulären Umwälzungen in den Naturwissenschaften (Quantentheorie, Relativitätstheorie), in der Kunst (Jazz, Expressionismus, Avantgarde) und seinen gesellschaftspolitischen Brüchen überforderte sehr viele Zeitgenossen und da scheint es sehr schlüssig, Entindividualisierung als Befreiungserlebnis anzusehen. Meine Ansicht ist, dass wir uns im Moment in einer vergleichbaren Situation befinden. Es ist zwar richtig, dass der Wertkonservativismus altsozialdemokratischer Schule etwas ganz anderes ist als der Wertkonservatismus Putins und seiner Anhänger. Aber ich will mal daran erinnern, dass auch die Lebensreformbewegungen der 20er 30er Jahre (Vegetarismus, Anthroposophie, ökologische Landwirtschaft, Freikörperkultur usw.) im Ursprung nix mit den Nazis zu tun hatten, dennoch aber - ob gewollt oder nicht - de facto eine Allianz mit ihnen eingingen. Sie waren nazikompatibel. So war etwa die erste ökologische Landbaugenossenschaft "Eden" bei Berlin noch vor Hitlers Machtergreifung vollkommen durch völkisch-rassisch-biologisch Gesinnte durchsetzt. Und so ähnlich sehe ich es mit dem Putinismus heute. Zumindest eine kritische Distanz gegenüber wertkonservativen Einstellungen ist notwendig, um ein Übergreifen (z.B. in Form des Wertkonservativismus a la Le Pen oder der Besinnung auf ein "ukrainisches Volk") außerhalb Russlands zu verhindern.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von schokoschendrezki »

elmore » Do 26. Mär 2015, 01:53 hat geschrieben:Dass die Ukraine ihre Problemchen mit ihrer nationalen Identität hat, ist unbestritten. Aber wer hat die nicht. Hat die Deutschland etwa nicht? - Begreifen wir uns als Land, wie Wulff formulierte, zu dem der Islam gehört? Oder doch nicht? Oder müssen wir uns retten vor "unerfreulichen Mächten", die unsere christilich-abendländische Kultur und Nationaliätsbasis schreddern wollen? Angeblich, sei einschränkend hinzugefügt.

Bei allem Verständnis für die lesenswerten Empfehlungen, was die Ukraine politisch machen oder unterlassen sollte.

Über all dem steht leider noch immer: Nicht was die Ukraine will, sondern die Herren im Kreml unter dem großen Anführer Wladimir Putin, ist entscheidend.
Dass Russland gegenüber der Ukraine eine - vorsichtig ausgedrückt - agressive und völkerrechtswidrige Politik betreibt, ist unbestritten. Aber, auch wenns ein wenig unsolidarisch klingt: Das gegenwärtige Europa der EU ist alles andere als eine feste Burg und befindet sich selbst - nicht nur wirtschaftlich - in einer schweren Krise. Politische Veränderungen wie in Ungarn hin zu einem national-religiös geprägten Wertkonservativismus sind möglicherweise nur der Vorbote von weit drastischeren Umbrüchen wie etwa einem Präsidentschafts-Wahlsieg des Front National 2017 in Frankreich. Da ist vielen Zeitgenossen das Hemd näher als der Rock. Eine EU mit der Ukraine als Beitrittskandidaten würde (gegenwärtig jedenfalls) nochmal ein ganzes Stück weiter in Richtung Orbanismus gerückt werden. Der Witz an der Sache ist ja: In dem Maße, in dem man sich gegen das übersteigerte nationale Selbstfindungsgebaren eines Jazeniuks wendet, wendet man sich gleichzeitig gegen eine Ausbreitung des Putinismus. Mit einem Sieg Le Pens wäre der Putinismus im Kern Europas angekommen.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von schokoschendrezki »

Europa2050 » Do 26. Mär 2015, 09:42 hat geschrieben:
Snyder gehört - berufsbedingt - zu der 0,x % - Minderheit in den USA, die wirklich einen Plan von Europa und seiner Geschichte haben, so dass man ihn wohl gelesen haben sollte, wenn man in eine historische Diskussion um die Geschichte Ostmitteleuropas einsteigt. Snyders Favoriten sind die verschiedenen multiethnischen, multireligiösen Konstrukte in Historie und Gegenwart - die Polnisch-Litauische Union, Österreich-Ungarn und - die EU. Er geht aber auch mit ihren jeweiligen Fehlern in's Gericht. Fehlentwicklungen werden als solche benannt, egal ob sie Deutschen, Polen, Litauern, Belarusiern, Ukrainern oder Russen anzulasten sind. Eine durchgehende Parteilichkeit Pro... vermisst man aber.
... und unterscheidet sich damit wohltuend von Leuten, die dem "Ukrainian Congress Committee of America" nahestehen, einer extrem reaktionären Lobby-Vereinigung von Exil-Ukrainern in den USA, die einerseits Verbindungen zu den Republikanern haben und andererseits zu rechten Politikern in der Ukraine und die nicht zuletzt daran beteiligt waren, US-Waffenlieferungen an die Ukraine durchzusetzen.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von odiug »

schokoschendrezki » Do 26. Mär 2015, 09:05 hat geschrieben:
Dass Russland gegenüber der Ukraine eine - vorsichtig ausgedrückt - agressive und völkerrechtswidrige Politik betreibt, ist unbestritten. Aber, auch wenns ein wenig unsolidarisch klingt: Das gegenwärtige Europa der EU ist alles andere als eine feste Burg und befindet sich selbst - nicht nur wirtschaftlich - in einer schweren Krise. Politische Veränderungen wie in Ungarn hin zu einem national-religiös geprägten Wertkonservativismus sind möglicherweise nur der Vorbote von weit drastischeren Umbrüchen wie etwa einem Präsidentschafts-Wahlsieg des Front National 2017 in Frankreich. Da ist vielen Zeitgenossen das Hemd näher als der Rock. Eine EU mit der Ukraine als Beitrittskandidaten würde (gegenwärtig jedenfalls) nochmal ein ganzes Stück weiter in Richtung Orbanismus gerückt werden. Der Witz an der Sache ist ja: In dem Maße, in dem man sich gegen das übersteigerte nationale Selbstfindungsgebaren eines Jazeniuks wendet, wendet man sich gleichzeitig gegen eine Ausbreitung des Putinismus. Mit einem Sieg Le Pens wäre der Putinismus im Kern Europas angekommen.
Wieso muss der Putinismus in der EU erst ankommen?
Er ist schon lange in der Mitte Europas und wir schauen geflissentlich weg.
Es ist ein Widerspruch Le Pen abzulehnen und gleichzeitig Viktor Orbán zu ignorieren und damit gewaehren zu lassen.
Ist uebrigens auch interessant zu sehen, wie viel Aufregung der Linkspopulismus in Griechenland und Spanien in der deutschen Medienlandschaft verursacht und der Rechtspopulismus in Ungarn oder auch Rumaenien nahezu ignoriert wird.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Doktor Schiwago »

Demo in Kiew: Hunderte Nationalisten fordern Entlassung von Premier Jazenjuk

http://de.sputniknews.com/politik/20150 ... 41748.html

Mit der symbolischen Kugel scheinen die Demonstranten Jazenjuk an seine Erklärung im Januar 2014 auf dem Maidan erinnern zu wollen.
Damals drückte er seine Bereitschaft zur Konfrontation mit der Regierung so aus: "Wir gehen voran. Wenn wir eine Kugel in den Kopf bekommen, dann bekommen wir eine Kugel in den Kopf, aber dafür ehrlich, mutig und gerecht."

Wird die Luft langsam dünner für "Jaz"?
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von schokoschendrezki »

odiug » Do 26. Mär 2015, 10:54 hat geschrieben: Wieso muss der Putinismus in der EU erst ankommen?
Er ist schon lange in der Mitte Europas und wir schauen geflissentlich weg.
Es ist ein Widerspruch Le Pen abzulehnen und gleichzeitig Viktor Orbán zu ignorieren und damit gewaehren zu lassen.
Ist uebrigens auch interessant zu sehen, wie viel Aufregung der Linkspopulismus in Griechenland und Spanien in der deutschen Medienlandschaft verursacht und der Rechtspopulismus in Ungarn oder auch Rumaenien nahezu ignoriert wird.
Naja. Ignoriert wird er schon nicht. Auch nicht "nahezu". Und zwischen Len Pen und Orbán besteht schon noch ein beträchtlicher Unterschied. Etwa von der Größenordnung wie zwischen Putin und Poroschenko.

Und noch einmal bezogen auf den Russland-Ukraine-Konflikt. Vielen Leuten hier schien Mitte/Anfang der 90er eindeutig klar zu sein, dass man aus der Rolle Serbiens als Agressor und der übrigen Ex-Jugoslawien-Staaten als Angegriffene den Schluss ziehen müsse, dass in Regionen wie Kroatien oder Kosovo lupenreine Demokraten sich zur Wehr setzen. Ein Franjo Tudjman setzte sich zudem für Demokratie und freie Marktwirtschaft ein und war damit ein Freund des Westens wie aus dem Bilderbuch. Dass er in der politischen Praxis ein autokratisches System installierte und in seinen Schriften antisemitische, nationalistische und naziverherrlichende Losungen verbreitete übersah man geflissentlich. Das alles sollte in Richtung Ukraine nicht noch einmal passieren.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von jan2009 »

schokoschendrezki » Do 26. Mär 2015, 10:19 hat geschrieben:
Naja. Ignoriert wird er schon nicht. Auch nicht "nahezu". Und zwischen Len Pen und Orbán besteht schon noch ein beträchtlicher Unterschied. Etwa von der Größenordnung wie zwischen Putin und Poroschenko.

Und noch einmal bezogen auf den Russland-Ukraine-Konflikt. Vielen Leuten hier schien Mitte/Anfang der 90er eindeutig klar zu sein, dass man aus der Rolle Serbiens als Agressor und der übrigen Ex-Jugoslawien-Staaten als Angegriffene den Schluss ziehen müsse, dass in Regionen wie Kroatien oder Kosovo lupenreine Demokraten sich zur Wehr setzen. Ein Franjo Tudjman setzte sich zudem für Demokratie und freie Marktwirtschaft ein und war damit ein Freund des Westens wie aus dem Bilderbuch. Dass er in der politischen Praxis ein autokratisches System installierte und in seinen Schriften antisemitische, nationalistische und naziverherrlichende Losungen verbreitete übersah man geflissentlich. Das alles sollte in Richtung Ukraine nicht noch einmal passieren.
Umso prekärer die Situation in der Ukraine, die nur dafür blutet, weil die Menschen dort die EU-Standards anstreb(t)en.
Europa bekommt Probleme mit der Marie, in Ungarn spielt man mit dem Feuer und andere Nationalisten und Nazis finden Unterschlupf und Geld bei Putin.
Alles ohne Donner und Kugelhagel.
In der Ukraine tobt aber der Krieg und das Land wird sowohl von seinem Territorium als auch von den menschlichen und wirtschaftlichen Ressourcen beraubt.
Damit der ukrainische Staat überlebt, müssen seine Bürger auch mobilisiert werden.
Es liegt zuerst an den ukrainischen Eliten selbst, ob sie das Land zum sicheren Hafen bringen, indem sie den schmalen Grat zwischen Patriotismus und Nationalismus nicht überschreiten oder diesen fließend machen. Dieses in einem durch eine Aggression von außen bedrohten Land zu bewerkstelligen ist nicht einfach. Hut ab vor denen, die es anpacken.
Europa kann damit nur gewinnen, wenn der für die Gemeinschaft immer noch kriegsfreie Raum des europäischen Kontinents mit den gleichen Werten auf freiwilligen Basis erweitert wird.
Die Unterstützung der EU und der demokratischen Weltgemeinschaft ist besonders jetzt sehr wichtig. Primär liegt es aber an den Ukrainer selbst.
Der Wille des Beitritts ist schon mehr als ein Zeichen dafür, dass die Gesellschaft und ihre Vertreter der Ukraine es wünschen und dafür leider auch den hohen Blutzoll in Anbetracht der russischen Invasion zahlen müssen.
Die EU und ihrer Existenz zugrunde liegenden Werte werden aber nicht an Marie, nicht an Orban und schon gar nicht nun an den in Petersburg so hofierten Fratzen, wie der braune Udo gemessen.
Und das sollten wir selbstverständlich im Auge behalten.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von schokoschendrezki »

jan2009 » Do 26. Mär 2015, 13:21 hat geschrieben: Umso prekärer die Situation in der Ukraine, die nur dafür blutet, weil die Menschen dort die EU-Standards anstreb(t)en.
Schon nach diesem ersten Satz könnte man sich den Rest des Beitrags eigentlich sparen. Denn er versucht, eine komplexe Situation, die auch ihre Vorgeschichte hat, in eine simple und überdies auch noch pathetisch überhöhte Formel zu pressen. Und mit "simpel" meine ich nicht die tatsächlich simple und eindeutige Tatsache, dass Russland völkerrechtswidrig gegen die Ukraine vorgeht und dass die direkt betroffene Bevölkerung darunter zu leiden hat, sondern die Motivlage vor allem der tatsächlich Mächtigen im Hintergrund und in den politischen Ämtern, die alles mögliche im Kopf haben und für die "EU-Standards" allerhöchstens das augenblickliche Mittel der Wahl zur Erreichung ihrer persönlichen Ziele ist. Politiker wie Poroschenko oder Vasadze vertraten noch gestern eine konsequent antiliberale Politik und werden morgen ihre persönlichen Interessen mit wiederum anderen politischen Paradigmen vertreten.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Darkfire »

schokoschendrezki » Do 26. Mär 2015, 12:45 hat geschrieben: Politiker wie Poroschenko oder Vasadze vertraten noch gestern eine konsequent antiliberale Politik und werden morgen ihre persönlichen Interessen mit wiederum anderen politischen Paradigmen vertreten.
Dazu passt das hier ganz gut.
Der Schriftsteller und Musiker Serhij Zhadan, geboren 1974, lebt in Charkow.
Wir, die Bürger dieses Landes, sind es gewohnt, in permanenter Opposition zur Macht zu leben, zur Staatsmaschinerie. Die Politik hat uns nie besonders gefallen. Die meisten Ukrainer haben all die Jahre zwar ihr Land geliebt, aber keine Sympathien für ihren Staat gehegt. Wir wussten um die Kampfuntauglichkeit unserer Armee, aber wozu braucht man eine Armee, wenn man nicht vorhat zu kämpfen? Wir verstanden, wie tief unsere Polizei korrumpiert ist, aber irgendwie erwartete eh keiner, dass die Polizei einem hilft. Wir ahnten, dass unsere Grenzen auf eine Art geschützt werden, die vor allem diejenigen ernähren soll, die diese Grenzen schützen. Wir wussten mehr als genug über unsere Politiker, unsere Richter, unsere Staatsanwälte. Über unsere Staatssicherheit, unsere Staatsmedien, unsere Steuerämter.
Wir wussten alles über diesen Staat, und genau deswegen gefiel er uns nicht. Deswegen begann die Revolution auf dem Maidan. Denn was bedeutet diese viel beschworene "Annäherung an Europa" für die Ukraine? Sie bedeutet die beinahe einzige Gelegenheit, diesen Staat zu ändern, seine Mechanismen umzukrempeln, für Transparenz und Gerechtigkeit zu sorgen.
Und heute stellt sich heraus, dass außer uns niemand diesen Staat schützen kann. Es stellt sich heraus, dass es kein Problem ist, über unsere Grenze zu marschieren und Krieg in unserem Land zu führen. Und zum ersten Mal keimt das Bewusstsein, dass wir unser Land und unsere Freiheit selber verteidigen müssen. Krieg raubt dir nicht immer dein Leben, aber er raubt dir immer deine Illusionen. Man kann nur bedauern, dass vieles für uns erst dann offensichtlich wird, wenn Städte zerstört und Menschen getötet werden.
Allerdings macht dieser Teil des Interviews dann doch wieder etwas Hoffnung.
Das ist ein wesentliches Merkmal der neuen ukrainischen Gegenwart: Es entsteht eine "Volksarmee", weil ein Teil der ukrainischen Gesellschaft begriffen hat, dass niemand außer den Ukrainern ihre Armee versorgen kann. Das klingt ungewöhnlich für den westeuropäischen Leser, aber für uns Ukrainer ist es leider Realität: Bürger sorgen seit Monaten dafür, dass die Armee etwas zum Essen und zum Anziehen hat, sie spenden, was sie können, von Unterwäsche bis zu Panzertransporten (jaja, es stellt sich heraus, dass es in der Ukraine Menschen gibt, die in der Lage sind, dem Militär einen gepanzerten Wagen zu schenken). Das sagt mehr über den Zustand der Gesellschaft aus als die Verlautbarungen der Regierung. Es hat sich in dieser Gesellschaft etwas so stark verändert, dass man es nicht mehr übersehen kann.
http://www.sueddeutsche.de/politik/ukra ... -1.2096269
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von jan2009 »

schokoschendrezki » Do 26. Mär 2015, 12:45 hat geschrieben: Schon nach diesem ersten Satz könnte man sich den Rest des Beitrags eigentlich sparen. Denn er versucht, eine komplexe Situation, die auch ihre Vorgeschichte hat, in eine simple und überdies auch noch pathetisch überhöhte Formel zu pressen.
Und in welche simple und pathetische Formel wollte ich was pressen...?
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von schokoschendrezki »

jan2009 » Do 26. Mär 2015, 13:57 hat geschrieben: Und in welche simple und pathetische Formel wollte ich was pressen...?
Na, dass die Agression Russlands quasi eine Art "Bestrafung" für das Streben der ukrainischen Bürger nach den "Werten der EU" ist.

Russland vertritt seine Interessen. Dass dies auf völkerrechtswidrige Weise und mit Gewalt erfolgt, steht nochmal auf einem anderen Blatt. Und auch die ukrainischen Bürger vertreten ihre Interessen. Diese sind aber erstens in ihrer Gesamtheit keineswegs identisch mit den "Werten der EU" (oder was man dafür hält) und sie werden auch keineswegs überall und immer mit demokratischen Mitteln vertreten.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von schokoschendrezki »

Darkfire » Do 26. Mär 2015, 13:56 hat geschrieben: Dazu passt das hier ganz gut.
Der Schriftsteller und Musiker Serhij Zhadan, geboren 1974, lebt in Charkow.
....
Und heute stellt sich heraus, dass außer uns niemand diesen Staat schützen kann. Es stellt sich heraus, dass es kein Problem ist, über unsere Grenze zu marschieren und Krieg in unserem Land zu führen. Und zum ersten Mal keimt das Bewusstsein, dass wir unser Land und unsere Freiheit selber verteidigen müssen.
...
Ein Blick in das fast unmittelbar benachbarte Syrien würde genügen, um festzustellen, dass selbst humanitär weit schlimmere Katastrophen nicht zwangsläufig zu einem Eingreifen anderer Mächte führt. Und dass selbst weit harmlosere Zwischenfälle schon zu einem sofortigen Eingreifen geführt haben.

Und das beinahe grenzenlose Vertrauen in eine innerlich zerstrittene und von Krisen aller Art erschütterte EU verwundert mich manchmal schon etwas.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Cobra9 »

schokoschendrezki » Do 26. Mär 2015, 13:26 hat geschrieben:




Ein Blick in das fast unmittelbar benachbarte Syrien würde genügen, um festzustellen, dass selbst humanitär weit schlimmere Katastrophen nicht zwangsläufig zu einem Eingreifen anderer Mächte führt. Und dass selbst weit harmlosere Zwischenfälle schon zu einem sofortigen Eingreifen geführt haben.

Und das beinahe grenzenlose Vertrauen in eine innerlich zerstrittene und von Krisen aller Art erschütterte EU verwundert mich manchmal schon etwas.

Also wenn ich mit Leutchen aus der Ecke privat rede wird eines schnell deutlich- die EU ist für die Sicherheit und gegen Russland dort nicht auf der Agenda. Man ist aber von den USA sehr entäuscht. Vor allem als selbst nach dem Treffen letzten September Obama immer noch so zögerlich war aus Sicht der Ukraine. Das hat massiv dazu beigetragen das man sich im Stich gelassen fühlt.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von jan2009 »

schokoschendrezki » Do 26. Mär 2015, 13:09 hat geschrieben:
Na, dass die Agression Russlands quasi eine Art "Bestrafung" für das Streben der ukrainischen Bürger nach den "Werten der EU" ist.
Weil dieses in Verbindung mit der gleichzeitigen Mißachtung des internationalen Rechts in meinen Augen auch sehr wohl eine Art von abschreckender "Strafexpedition" darstellt....
Russland vertritt seine Interessen. Dass dies auf völkerrechtswidrige Weise und mit Gewalt erfolgt, steht nochmal auf einem anderen Blatt. Und auch die ukrainischen Bürger vertreten ihre Interessen. Diese sind aber erstens in ihrer Gesamtheit keineswegs identisch mit den "Werten der EU" (oder was man dafür hält) und sie werden auch keineswegs überall und immer mit demokratischen Mitteln vertreten.
Russland hat seine Interessen auf eigenem Territorium zu wahren....

Der Wille der Ukrauner, sich der EU anzunähern und dann beizutreten, hat sehr wohl etwas mit den Werten der EU zu tun, die so nebenbei auch mit den Kopenhagener Kriterien auch für "ihn" simpel beschrieben werden, wenn ich DICH hier höflich daran erinnern dürfte.
Dort spricht man sehr wohl über die freie Marktwirtschaft, eine stabile Demokratie, eine rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte und über den Schutz der Minderheiten....

Und der Beitritt endet nicht nur mit dem Willen der Gesellschaft sondern mit der Erfüllung der Voraussetzungen.

Wenn sie nicht erfüllt werden, hat man darin nichts zu suchen. Und das ist tatsächlich simpel.... :s
Marie ist nicht Europa und Orbans Tänzelei auf der Leine ist das auch nicht auf die Dauer.
Ukrainische Gesellschaft (s. Majdan) will zur Europa und diejenigen dort, die mit den Wahlstimmen das Handeln des Staates bestimmen, haben das auch zu repräsentieren.
Umso schwieriger in einem Kriegszustand, der selbstverständlich von außen aufgezwungen wird.
Jede nationalistische Strömung ist gefährlich, genauso wie eine reale Politik auch kein PC-Spiel ist.
Wir sollten sehr wohl im Hause Europa wachsam sein.
Aber auch nicht skeptisch, schon am Anfang des Weges nur noch Unkraut zu registrieren..

Hoffentlich war "er" jetzt für Dich nicht zu pathetisch.....
Zuletzt geändert von jan2009 am Donnerstag 26. März 2015, 13:46, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Provokateur »

Poroschenko geht gegen Oligarchen und Freicorps vor.

Komisch, wirkt gar nicht faschistisch, was er da tut...
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Doktor Schiwago »

Provokateur » Do 26. Mär 2015, 14:46 hat geschrieben:Poroschenko geht gegen Oligarchen und Freicorps vor.

Komisch, wirkt gar nicht faschistisch, was er da tut...
"Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus."
Gehörte Kolomoiski nicht eigentlich vor Gericht?
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Provokateur »

Wer sagt denn, das es nicht dazu kommt?
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Doktor Schiwago »

Provokateur » Do 26. Mär 2015, 14:52 hat geschrieben:Wer sagt denn, das es nicht dazu kommt?
Ich, weil - siehe oben.
Die beste Gelegenheit, ihn verhaften zu lassen, hatte Poroschenko, als Kolomoiski bei ihm am Tisch saß.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Provokateur »

In Demokratien verhaftet der Präsident nicht irgendwen und lässt auch niemanden verhaften. Wenn regelrecht Anklage gegen den Mann erhoben wird, kann die Polizei ihn festnehmen. So läuft das in Rechtsstaaten.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Cobra9 »

Doktor Schiwago » Do 26. Mär 2015, 13:51 hat geschrieben: "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus."
Gehörte Kolomoiski nicht eigentlich vor Gericht?
Hast Du Zugriff auf die Ermittlungen der Polizei und Staatsanwaltschaft in der Ukraine ? Wenn ja dann sag mir mal wegen was ermittelt wird. Ermittlungen in Straftaten können dauern. Kolomoiski wurde am Montag aus dem Amt entlassen, heute ist Donnerstag. Da was von einem Gerichtsverfahren jetzt schon zu reden ist etws weltfremd. Ist im überigen Sache der Polizei und Justiz erstmal zu ermitteln. Aber einige Verhaftungen haben schon angefangen, mehr sollen ja folgen.


http://www.faz.net/aktuell/politik/ausl ... 05418.html


Bald wird man ja auch mehr über die Finanzen der vorigen Regierung wissen. Der ukrainische Ex-Finanzminister Juri Kolobow wurde verhaftet.

http://www.tagesspiegel.de/politik/verh ... 63640.html
Zuletzt geändert von Cobra9 am Donnerstag 26. März 2015, 14:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Europa2050 »

Doktor Schiwago » Do 26. Mär 2015, 13:54 hat geschrieben: Ich, weil - siehe oben.
Die beste Gelegenheit, ihn verhaften zu lassen, hatte Poroschenko, als Kolomoiski bei ihm am Tisch saß.
Poroschenko versucht, das Oligarchenproblem, das er als Präsident von seinem Vorgänger und dessen Vorgängern geerbt hat zu lösen, ohne eine Staatskrise heraufzubeschwören. Das scheint mir angesichts der aktuellen Lage als weise. Ob er Erfolg hat, steht dabei auf einem anderen Blatt. Untätig, oder gar förderlich für die Oligarchen ist er jedenfalls nicht.

Ähnlich scheint mir übrigens auch seine Vorgehensweise in Sachen Faschisten.

Dass dem Aggressor in Moskau und dessen Kollaborateuren ein Vorgehen, dass genau diese Staatskrise hervorruft, lieber wäre, liegt aber auf der Hand.
Synonym für Mörder: Russland
Synonym für Verräter: USA

Kyiv still stands, but Washington has fallen :(
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Cobra9 »

Provokateur » Do 26. Mär 2015, 14:00 hat geschrieben:In Demokratien verhaftet der Präsident nicht irgendwen und lässt auch niemanden verhaften. Wenn regelrecht Anklage gegen den Mann erhoben wird, kann die Polizei ihn festnehmen. So läuft das in Rechtsstaaten.
Wäre auch das erste Gerichtsverfahren das nach 3 Tagen nach der Verhaftung direkt beginnt im Hauptverfahren.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Haegar »

Provokateur » Do 26. Mär 2015, 15:00 hat geschrieben:In Demokratien verhaftet der Präsident nicht irgendwen und lässt auch niemanden verhaften. Wenn regelrecht Anklage gegen den Mann erhoben wird, kann die Polizei ihn festnehmen. So läuft das in Rechtsstaaten.
Du kannst doch unsere Putinisten mit solchen "lächerlichen Petitessen" wie ein rechtsstaatliches Verfahren nicht beeindrucken. Putin hätte die bei der Sitzung des Polit...ähm...Regierungssitzung persönlich festgenommen. Oberkörperfrei natürlich.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von schokoschendrezki »

jan2009 » Do 26. Mär 2015, 14:44 hat geschrieben: Der Wille der Ukrauner, sich der EU anzunähern und dann beizutreten, hat sehr wohl etwas mit den Werten der EU zu tun, die so nebenbei auch mit den Kopenhagener Kriterien auch für "ihn" simpel beschrieben werden, wenn ich DICH hier höflich daran erinnern dürfte.
Dort spricht man sehr wohl über die freie Marktwirtschaft, eine stabile Demokratie, eine rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte und über den Schutz der Minderheiten....
Da drehen wir uns argumentativ im Kreis. Ich hatte kürzlich einen Artikel verlinkt, in welchem (seriös) auf die Etablierung rechter und korrupter Kräfte im aktuellen Innenministerium eingegangen wird. Einer Regierung, die ja demokratisch gewählt wurde. Ein allgegenwärtig korrupter und von rechten Kräften durchzogener "Staat" steht irgendwann nicht einfach seinen "Bügern" diametral gegenüber wie in dem Zitat von
Serhij Zhadan geschildert, sondern wird von ihnen ja (mit) gebildet. Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass es starke Kräfte gibt, die sich von ganzem Herzen für eine rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte, Schutz der Minderheiten einsetzt, keine Frage, aber diese Regierung sehe ich nicht so. Ich habe darüber im Prinzip zwar gar nicht zu befinden. Aber als EU-Bürger setze ich mich schon für die Richtung ein, in die sich das Bündnis bewegt bzw. mit der Aufnahme einer von Regierungen a la Poroschenko/Jazeniuk vertretenen Ukraine bewegen würde.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von schokoschendrezki »

Europa2050 » Do 26. Mär 2015, 15:06 hat geschrieben:
Poroschenko versucht, das Oligarchenproblem, das er als Präsident von seinem Vorgänger und dessen Vorgängern geerbt hat zu lösen, ohne eine Staatskrise heraufzubeschwören. Das scheint mir angesichts der aktuellen Lage als weise. Ob er Erfolg hat, steht dabei auf einem anderen Blatt. Untätig, oder gar förderlich für die Oligarchen ist er jedenfalls nicht.
Von seiner eigenen Person und seiner Familie mal abgesehen ... sein Medienunternehmen verteidigt er mit Zähnen und Klauen, seinen ältesten Sohn hievte er ins Parlament.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

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Provokateur » Do 26. Mär 2015, 15:00 hat geschrieben:In Demokratien verhaftet der Präsident nicht irgendwen und lässt auch niemanden verhaften. Wenn regelrecht Anklage gegen den Mann erhoben wird, kann die Polizei ihn festnehmen. So läuft das in Rechtsstaaten.
Danke für die Belehrung.
Stellt sich die Frage, warum bisher niemand gegen ihn Anklage erhoben hat.
Stellt sich eine zweite Frage, wie man ihn dann verhaften will, wenn Anklage erhoben wurde und er sich von seiner bewaffneten Privatarmee schützen läßt.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

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Cobra9 » Do 26. Mär 2015, 15:01 hat geschrieben: Hast Du Zugriff auf die Ermittlungen der Polizei und Staatsanwaltschaft in der Ukraine ? Wenn ja dann sag mir mal wegen was ermittelt wird. Ermittlungen in Straftaten können dauern.
Ja sicher, zumal wenn es gegen ehemals befreundete Oligarchen geht.
Kolomoiski wurde am Montag aus dem Amt entlassen, heute ist Donnerstag. Da was von einem Gerichtsverfahren jetzt schon zu reden ist etws weltfremd. Ist im überigen Sache der Polizei und Justiz erstmal zu ermitteln. Aber einige Verhaftungen haben schon angefangen, mehr sollen ja folgen.
Und warum kann man ihn nicht wegen offensichtlichen dringenden Tatverdachts in U-Haft nehmen?
Wie gehabt in einer Kleptokratie, die Kleinen fängt man, die Großen läßt man laufen. :x
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Cobra9 »

Doktor Schiwago » Do 26. Mär 2015, 14:23 hat geschrieben: Danke für die Belehrung.
Stellt sich die Frage, warum bisher niemand gegen ihn Anklage erhoben hat.
Stellt sich eine zweite Frage, wie man ihn dann verhaften will, wenn Anklage erhoben wurde und er sich von seiner bewaffneten Privatarmee schützen läßt.
Natürlich die Rambos schützen vor Verhaftung. Wann klappte das den bitte jemals ? Der Staat kann mehr Feuerkraft aufbieten und danach alles zerschlagen sowie beschlagnahmen was dem Menschen gehörte. Ich behaupte der böse Oligarch verhält sich da mit mehr Hirn als Du meinst.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

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Haegar » Do 26. Mär 2015, 15:11 hat geschrieben:
Du kannst doch unsere Putinisten mit solchen "lächerlichen Petitessen" wie ein rechtsstaatliches Verfahren nicht beeindrucken. Putin hätte die bei der Sitzung des Polit...ähm...Regierungssitzung persönlich festgenommen. Oberkörperfrei natürlich.
Ach so, dann hat Awakow wohl einfach Putin nachgeahmt, bis auf den freien Oberkörper natürlich. :D
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

Beitrag von Cobra9 »

DS
Ja sicher, zumal wenn es gegen ehemals befreundete Oligarchen geht.
Ach Du hast doch Zugriff auf die Ermittlungen ? Welcher Staatsanwalt ist den so mit dem Oligarchen befreundet ? Der Präsident hat sich bei Ermittlungen rauszhalten und wird das auch. Er hat auch einiges zu verlieren.
DS
Und warum kann man ihn nicht wegen offensichtlichen dringenden Tatverdachts in U-Haft nehmen?
Unterstell nicht das dringender Tatverdacht vorliegt. Du weisst weder welchen Beschuldigten nun Straftaten zur Last gelegt werden oder wie die Beweislage ist. Noch hast Du irgendwelche Einblicke wer was wann getan hat. Wenn doch- ruf in Kiew an und teile deine Beweise mal mit.
DS
Wie gehabt in einer Kleptokratie, die Kleinen fängt man, die Großen läßt man laufen. :x

Es wird versucht etwas zu tun. Abwarten was dabei rauskommt. Was erwartest Du ? Schnellgerichte mit Scheinurteilen ? Sowas gibt es nicht mehr. Im überigen von welcher Regierung hat man den so einen Sauladen überlassen bekommen- Janukowitsch. Der ja zufällig in Russland gut lebt. Auslieferung nach Spanien wäre ein guter Schritt.
Zuletzt geändert von Cobra9 am Donnerstag 26. März 2015, 14:35, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

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schokoschendrezki » Do 26. Mär 2015, 15:17 hat geschrieben:
Von seiner eigenen Person und seiner Familie mal abgesehen ... sein Medienunternehmen verteidigt er mit Zähnen und Klauen, seinen ältesten Sohn hievte er ins Parlament.
... und den Sohn seines amerikanischen Freundes hievte er in eine führende Position eines ukrainischen Gasunternehmens.
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Re: Krise in der Ukraine III: (Re)Aktionen der Ukraine

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Cobra9 » Do 26. Mär 2015, 15:29 hat geschrieben: Ich behaupte der böse Oligarch verhält sich da mit mehr Hirn als Du meinst.
Korrekt, und genau deswegen hat er ja auch mit seiner bewaffneten Privatarmee diese Firmen besetzen lassen. Weil er mehr Hirn hat als ich meine.
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