Gedichte von Heinrich Heine

Moderator: Moderatoren Forum 5

Antworten
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Nachtgedanken
Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.

Die Jahre kommen und vergehn!
Seit ich die Mutter nicht gesehn,
Zwölf Jahre sind schon hingegangen;
Es wächst mein Sehnen und Verlangen.

Mein Sehnen und Verlangen wächst.
Die alte Frau hat mich behext.
Ich denke immer an die alte,
Die alte Frau, die Gott erhalte!

Die alte Frau hat mich so lieb,
Und in den Briefen, die sie schrieb,
Seh ich, wie ihre Hand gezittert,
Wie tief das Mutterherz erschüttert.

Die Mutter liegt mir stets im Sinn.
Zwölf lange Jahre flossen hin,
Zwölf Jahre sind verflossen,
Seit ich sie nicht ans Herz geschlossen.

Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land!
Mit seinen Eichen, seinen Linden
Werd ich es immer wiederfinden.

Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär;
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.

Seit ich das Land verlassen hab,
So viele sanken dort ins Grab,
Die ich geliebt - wenn ich sie zähle,
So will verbluten meine Seele.

Und zählen muß ich - Mit der Zahl
Schwillt immer höher meine Qual,
Mir ist, als wälzten sich die Leichen
Auf meine Brust - Gottlob! sie weichen!

Gottlob! durch meine Fenster bricht
Französisch heitres Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
Und lächelt fort die deutschen Sorgen.

Heinrich Heine (1797-1856)
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Tantris
Beiträge: 37991
Registriert: Sonntag 22. Juni 2008, 09:13
user title: Sihanoukville

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Tantris »

DAnke. Vielleicht merkt sich der eine oder andere, dass heines tränen in der nacht, nicht dem schicksal deutschlands gelten, sondern seiner mutter.


Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Sie saßen und tranken

Sie saßen und tranken am Teetisch,
Und sprachen von Liebe viel.
Die Herren , die waren ästhetisch,
Die Damen von zartem Gefühl.

Die Liebe muß sein platonisch,
Der dürre Hofrat sprach,
Die Hofrätin lächelt ironisch,
Und dennoch seufzet sie:Ach!

Der Domherr öffnet den Mund weit:
Die Liebe sei nicht so roh,
Sie schadet sonst der Gesundheit.
Das Fräuleins lispelt:Wieso?

Die Gräfin spricht wehmütig:
Die Liebe ist eine Passion!
Und präsentieret gütig
Die Tasse dem Herren Baron.

Am Tische war noch ein Plätzchen;
Mein Liebchen, da hast du gefehlt.
Du hättest so hübsch, mein Schätzchen,
Von deiner Liebe erzählt.
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Den höchsten Begriff von Lyriker hat mir Heinrich Heine gegeben.
Ich suche umsonst in allen Reichen der Jahrtausende nach einer gleichsüßen
und leidenschaftlichen Musik.
Er besaß jene göttliche Bosheit, ohne die ich mir
das Vollkommene nicht zu denken vermag.

Friedrich Nietzsche
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Philipo Neri
Beiträge: 551
Registriert: Montag 11. August 2014, 17:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Philipo Neri »

Tantris » So 21. Sep 2014, 01:28 hat geschrieben:DAnke. Vielleicht merkt sich der eine oder andere, dass heines tränen in der nacht, nicht dem schicksal deutschlands gelten,....
dann würde mancher Zeitgenosse merken,dass das wohl die am meisten missverstandene Zeit des grossen Dichters ist.
Ebenso falsch ist es,wenn Ewiggestrige meinen ihre Grossdeutschland-Phantasien mit Hoffmannsthals "Deutschlandlied" begründen zu können.
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

„Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön, und wenn man in der Ferne an sie denkt, und zufällig dort geboren ist, wird einem wunderlich zu Muthe. Ich bin dort geboren und es ist mir, als müsste ich gleich nach Hause gehn. Und wenn ich sage nach Hause gehn, dann meine ich die Bolkerstraße und das Haus, worin ich geboren bin …“

– Heinrich Heine 1827 in Ideen. Das Buch Le Grand.[1]
http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Heine
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
von Grimm
Beiträge: 4527
Registriert: Dienstag 3. Juni 2008, 20:16

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von von Grimm »

Die schlesischen Weber

Im düstern Auge keine Thräne,
sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne;
Deutschland, wir weben dein Leichentuch.
Wir weben hinein den dreyfachen Fluch –
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
In Winterkälte und Hungersnöthen;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt –
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt
Und uns wie Hunde erschießen läßt –
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Und Fäulniß und Moder den Wurm erquickt –
Wir weben, wir weben!

Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht –
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreyfachen Fluch,
Wir weben, wir weben!
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Heinrich Heine
Almansor
Eine Tragödie
(1821)


Glaubt nicht, es sei so ganz und gar phantastisch
Das hübsche Lied, das ich euch freundlich biete!
Hört zu: es ist halb episch und halb drastisch,
Dazwischen blüht manch lyrisch zarte Blüte;
Romantisch ist der Stoff, die Form ist plastisch,
Das Ganze aber kam aus dem Gemüte;
Es kämpfen Christ und Moslem, Nord und Süden,
Die Liebe kommt am End und macht den Frieden.
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

CAPUT I
Im traurigen Monat November war's,
Die Tage wurden trüber,
Der Wind riß von den Bäumen das Laub,
Da reist ich nach Deutschland hinüber.
Und als ich an die Grenze kam,
Da fühlt ich ein stärkeres Klopfen
In meiner Brust, ich glaube sogar
Die Augen begannen zu tropfen.

Und als ich die deutsche Sprache vernahm,
Da ward mir seltsam zumute;
Ich meinte nicht anders, als ob das Herz
Recht angenehm verblute.

Ein kleines Harfenmädchen sang.
Sie sang mit wahrem Gefühle
Und falscher Stimme, doch ward ich sehr
Gerühret von ihrem Spiele.

Sie sang von Liebe und Liebesgram,
Aufopfrung und Wiederfinden
Dort oben, in jener besseren Welt,
Wo alle Leiden schwinden.

Sie sang vom irdischen Jammertal,
Von Freuden, die bald zerronnen,
Vom jenseits, wo die Seele schwelgt
Verklärt in ew'gen Wonnen.

Sie sang das alte Entsagungslied,
Das Eiapopeia vom Himmel,
Womit man einlullt, wenn es greint,
Das Volk, den großen Lümmel.

Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
Ich kenn auch die Herren Verfasser;
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser.

Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.

Wir wollen auf Erden glücklich sein,
Und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,
Was fleißige Hände erwarben.

Es wächst hienieden Brot genug
Für alle Menschenkinder,
Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
Und Zuckererbsen nicht minder.

Ja, Zuckererbsen für jedermann,
Sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen.

Und wachsen uns Flügel nach dem Tod,
So wollen wir euch besuchen
Dort oben, und wir, wir essen mit euch
Die seligsten Torten und Kuchen.

Ein neues Lied, ein besseres Lied!
Es klingt wie Flöten und Geigen!
Das Miserere ist vorbei,
Die Sterbeglocken schweigen.

Die Jungfer Europa ist verlobt
Mit dem schönen Geniusse
Der Freiheit, sie liegen einander im Arm,
Sie schwelgen im ersten Kusse.

Und fehlt der Pfaffensegen dabei,
Die Ehe wird gültig nicht minder –
Es lebe Bräutigam und Braut,
Und ihre zukünftigen Kinder!

Ein Hochzeitkarmen ist mein Lied,
Das bessere, das neue!
In meiner Seele gehen auf
Die Sterne der höchsten Weihe –

Begeisterte Sterne, sie lodern wild,
Zerfließen in Flammenbächen –
Ich fühle mich wunderbar erstarkt,
Ich könnte Eichen zerbrechen!

Seit ich auf deutsche Erde trat,
Durchströmen mich Zaubersäfte –
Der Riese hat wieder die Mutter berührt,
Und es wuchsen ihm neu die Kräfte.

http://gutenberg.spiegel.de/buch/deutsc ... chen-383/1
Zuletzt geändert von Adlerauge am Sonntag 21. September 2014, 16:41, insgesamt 1-mal geändert.
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
von Grimm
Beiträge: 4527
Registriert: Dienstag 3. Juni 2008, 20:16

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von von Grimm »

[youtube][/youtube]
Benutzeravatar
Ammianus
Beiträge: 6403
Registriert: Samstag 17. Dezember 2011, 22:05

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Ammianus »

Elisabeth von Österreich-Ungarn, verkitscht und verklärt als Sisi, verehrte Heine. In ihrer Villa, dem Achilleion auf Korfu, ließ sie eine Statue des Dichters aufstellen.

Als später Wilhelm II. dort einzog ließ er das Kunstwerk entfernen...
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
Libanesin Anfang August 2020
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Ammianus » So 21. Sep 2014, 18:02 hat geschrieben:Elisabeth von Österreich-Ungarn, verkitscht und verklärt als Sisi, verehrte Heine. In ihrer Villa, dem Achilleion auf Korfu, ließ sie eine Statue des Dichters aufstellen.

Als später Wilhelm II. dort einzog ließ er das Kunstwerk entfernen...
Wurde denn die Villa an den Säbelrassler verkauft?
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Ammianus
Beiträge: 6403
Registriert: Samstag 17. Dezember 2011, 22:05

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Ammianus »

Adlerauge » So 21. Sep 2014, 18:32 hat geschrieben:
Wurde denn die Villa an den Säbelrassler verkauft?
Ja, 1907 hat er sie verkauft. Ich bin da gestern zufällig drauf gestoßen. Bei meinen Recherchen zu ganz was anderem ging es mir um seine Rolle als Hobby-Archäologe. Da fiel mir ein, dass er ja eine Villa in Griechenland hatte usw.
Nun weiss ich, dass Sisi Heine verehrte - wieder was dazugelernt. Auch bezeichnend, dass die Kaiserin den sterbenden Achill in den Vordergrund rückte, während Wilhelm natürlich einen "siegreichen" brauchte.
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
Libanesin Anfang August 2020
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Wurde denn die Villa an den Säbelrassler verkauft?
Ja, 1907 hat er sie verkauft. Ich bin da gestern zufällig drauf gestoßen. Bei meinen Recherchen zu ganz was anderem ging es mir um seine Rolle als Hobby-Archäologe. Da fiel mir ein, dass er ja eine Villa in Griechenland hatte usw.
Nun weiss ich, dass Sisi Heine verehrte - wieder was dazugelernt. Auch bezeichnend, dass die Kaiserin den sterbenden Achill in den Vordergrund rückte, während Wilhelm natürlich einen "siegreichen" brauchte.
Ich wußte, dass Sisi Heine verehrte.
Ich verehre ihn auch.
Ich finde, er ist in einem Atemzug mit Goethe zu nennen.

Und fast immer war Heine unglücklich verliebt, das schlägt sich in vielen seiner Gedichte nieder.
Zuletzt geändert von Adlerauge am Sonntag 21. September 2014, 21:51, insgesamt 1-mal geändert.
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Ein Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit
Andrerseits war Heine jedoch auch ein Kämpfer für Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit und für Brot für alle Hungernden.

Damals hatten die Fürsten, der Adel und die reichen Fabrikanten viel mehr Besitz und sehr viel mehr politische Rechte als das gewöhnliche Volk. Heine griff die Aristokraten deshalb in seinen Schriften scharf an, z.B. in seinen Reisebeschreibungen. Er forderte gleiches Recht für alle Menschen. Manchmal übertrieb er auch dabei und wurde verletzend und ungerecht. Er verspottete in geistvoller und ironischer Weise alles Unnatürliche und Unechte im Zusammenleben der Menschen.

Die Kirchen unterstützten zu Heines Zeit oft den Adel und die Reichen. Sie kümmerten sich nicht darum, daß in den Städten Millionen von Fabrikarbeitern große Not litten. Viele Geistliche predigten so von Gott, als wenn Gott ein Freund der Reichen wäre; was aber nicht stimmt; denn Jesus war ein Freund der Armen und nicht der Reichen.

Deshalb griff Heine auch die Kirchen an. Er kritisierte und verspottete sogar Gott, so wie die Kirchen Gott predigten: als einen Freund der Reichen.
http://www.derweg.org/mwberdeu/heine.htm

Er hatte Mut!
Ich habe sein Grab am Friedhof von Montmartre besucht, um ihm die Ehre zu erweisen.
Zuletzt geändert von Adlerauge am Sonntag 21. September 2014, 21:56, insgesamt 1-mal geändert.
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Marmelada
Beiträge: 9474
Registriert: Montag 2. Juni 2008, 01:30
user title: Licht & Liebe

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Marmelada »

"Gott wird mir verzeihen, das ist sein Beruf."
Benutzeravatar
Tantris
Beiträge: 37991
Registriert: Sonntag 22. Juni 2008, 09:13
user title: Sihanoukville

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Tantris »

Täglich ging die Wunderschöne
Sultanstochter auf und nieder
Um die Abendzeit am Springbrunn,
wo die weißen Wasser Plätschern.

Täglich stand der junge Sklave
Um die Abendzeit am Springbrunn,
wo die weißen Wasser plätschern;
täglich ward er bleich und bleicher.

Eines Abends trat die Fürstin
Auf ihn zu mit raschen Worten:
" Deinen Namen will ich wissen,
deine Heimat, deine Sippschaft!"

und der Sklave sprach: "Ich heiße
Mohamed, ich bin aus Yemen,
und mein Stamm sind jene Asra,
Welche sterben, wenn sie lieben."
Kehrmann

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Kehrmann »

Adlerauge » So 21. Sep 2014, 20:51 hat geschrieben:


Ich finde, er ist in einem Atemzug mit Goethe zu nennen.
öh - na wenn Sie meinen... :?

Bei allem Respekt vor Heines Werk:
Seine Lyrik hat mich noch nie vom Hocker gerissen. Weder sprachlich noch vom dichterischen Gehalt - ebensowenig wie die Gedichte von Brecht.
Zuletzt geändert von Kehrmann am Dienstag 23. September 2014, 00:08, insgesamt 3-mal geändert.
Benutzeravatar
Marmelada
Beiträge: 9474
Registriert: Montag 2. Juni 2008, 01:30
user title: Licht & Liebe

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Marmelada »

Mich haut zuvorderst seine Gesellschaftskritik vom Hocker. :thumbup:
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Luther erschütterte Deutschland - aber Francis Drake beruhigte es wieder: Er gab uns die Kartoffel.

Heinrich Heine
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Deutschland. Ein Wintermärchen, Caput III

Zu Aachen, im alten Dome, liegt
Carolus Magnus begraben.
(Man muß ihn nicht verwechseln mit Karl
Mayer, der lebt in Schwaben.)

Ich möchte nicht tot und begraben sein
Als Kaiser zu Aachen im Dome;
Weit lieber lebt’ ich als kleinster Poet
Zu Stukkert am Neckarstrome.

Zu Aachen langweilen sich auf der Straß’
Die Hunde, sie flehn untertänig:
»Gib uns einen Fußtritt, o Fremdling, das wird
Vielleicht uns zerstreuen ein wenig.«

Ich bin in diesem langweil’gen Nest
Ein Stündchen herumgeschlendert.
Sah wieder preußisches Militär,
Hat sich nicht sehr verändert.

Es sind die grauen Mäntel noch
Mit dem hohen, roten Kragen -
(Das Rot bedeutet Franzosenblut,
Sang Körner in früheren Tagen.)

Noch immer das hölzern pedantische Volk,
Noch immer ein rechter Winkel
In jeder Bewegung, und im Gesicht
Der eingefrorene Dünkel.

Sie stelzen noch immer so steif herum,
So kerzengerade geschniegelt,
Als hätten sie verschluckt den Stock,
Womit man sie einst geprügelt.

Ja, ganz verschwand die Fuchtel nie,
Sie tragen sie jetzt im Innern;
Das trauliche Du wird immer noch
An das alte Er erinnere.

Der lange Schnurrbart ist eigentlich nur
Des Zopftums neuere Phase:
Der Zopf, der ehmals hinten hing,
Der hängt jetzt unter der Nase.

Nicht übel gefiel mir das neue Kostüm
Der Reuter, das muß ich loben,
Besonders die Pickelhaube, den Helm
Mit der stählernen Spitze nach oben.

Das ist so rittertümlich und mahnt
An der Vorzeit holde Romantik,
An die Burgfrau Johanna von Montfaucon,
An den Freiherrn Fouqué, Uhland, Tieck.

Das mahnt an das Mittelalter so schön,
An Edelknechte und Knappen,
Die in dem Herzen getragen die Treu
Und auf dem Hintern ein Wappen.

Das mahnt an Kreuzzug und Turnei,
An Minne und frommes Dienen,
An die ungedruckte Glaubenszeit,
Wo noch keine Zeitung erschienen.

Ja, ja, der Helm gefällt mir, er zeugt
Vom allerhöchsten Witze!
Ein königlicher Einfall war’s!
Es fehlt nicht die Pointe, die Spitze!

Nur fürcht ich, wenn ein Gewitter entsteht,
Zieht leicht so eine Spitze
Herab auf euer romantisches Haupt
Des Himmels modernste Blitze! - -

Zu Aachen, auf dem Posthausschild,
Sah ich den Vogel wieder,
Der mir so tief verhaßt! Voll Gift
Schaute er auf mich nieder.

Du häßlicher Vogel, wirst du einst
Mir in die Hände fallen;
So rupfe ich dir die Federn aus
Und hacke dir ab die Krallen.

Du sollst mir dann, in luft’ger Höh’,
Auf einer Stange sitzen,
Und ich rufe zum lustigen Schießen herbei
Die rheinischen Vogelschützen.

Wer mir den Vogel herunterschießt,
Mit Zepter und Krone belehn ich
Den wackern Mann! Wir blasen Tusch
Und rufen: »Es lebe der König!«
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

An August Wilhelm Schlegel


Zufrieden nicht mit deinem Eigentume,
Sollt noch des Rheines Niblungshort dich laben,
Nahmst du vom Themsestrand die Wundergaben,
Und pflücktest kühn des Tago-Ufers Blume.

Der Tiber hast du manch Kleinod entgraben,
Die Seine mußte zollen deinem Ruhme -
Du drangest gar zu Brahmas Heiligtume,
Und wolltst auch Perlen aus dem Ganges haben.

Du geizger Mann, ich rat dir, sei zufrieden
Mit dem was selten Menschen ward beschieden,
Denk ans Verschwenden jetzt statt ans Erwerben.

Und mit den Schätzen, die du ohn Ermüden
Zusammen hast geschleppt aus Nord und Süden,
Mach reich den Schüler jetzt, den lustgen Erben.

Heinrich Heine
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Blasphemist
Beiträge: 3396
Registriert: Donnerstag 17. Januar 2013, 13:30
user title: Gott ist tot
Wohnort: Pfalz

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Blasphemist »

Die Wanderratten, gefällt mir am besten!

Es gibt zwei Sorten Ratten:
Die hungrigen und satten.
Die satten bleiben vergnügt zu Haus,
Die hungrigen aber wandern aus.

Sie wandern viel tausend Meilen,
Ganz ohne Rasten und Weilen,
Gradaus in ihrem grimmigen Lauf,
Nicht Wind noch Wetter hält sie auf.

Sie klimmen wohl über die Höhen,
Sie schwimmen wohl durch die Seen;
Gar manche ersäuft oder bricht das Genick,
Die lebenden lassen die toten zurück.

Es haben diese Käuze
Gar fürchterliche Schnäuze;
Sie tragen die Köpfe geschoren egal,
Ganz radikal, ganz rattenkahl.

Die radikale Rotte
Weiß nichts von einem Gotte.
Sie lassen nicht taufen ihre Brut,
Die Weiber sind Gemeindegut.

Der sinnliche Rattenhaufen,
Er will nur fressen und saufen,
Er denkt nicht, während er säuft und frißt,
Daß unsre Seele unsterblich ist.

So eine wilde Ratze,
Die fürchtet nicht Hölle, nicht Katze;
Sie hat kein Gut, sie hat kein Geld
Und wünscht aufs neue zu teilen die Welt.

Die Wanderratten, o wehe!
Sie sind schon in der Nähe.
Sie rücken heran, ich höre schon
Ihr Pfeifen - die Zahl ist Legion.
O wehe! wir sind verloren,
Sie sind schon vor den Toren!
Der Bürgermeister und Senat,
Sie schütteln die Köpfe, und keiner weiß Rat.

Die Bürgerschaft greift zu den Waffen,
Die Glocken läuten die Pfaffen.
Gefährdet ist das Palladium
Des sittlichen Staats, das Eigentum.

Nicht Glockengeläute, nicht Pfaffengebete,
Nicht hochwohlweise Senatsdekrete,
Auch nicht Kanonen, viel Hundertpfünder,
Sie helfen Euch heute, Ihr lieben Kinder!

Heut helfen Euch nicht die Wortgespinste
Der abgelebten Redekünste.
Man fängt nicht Ratten mit Syllogismen,
Sie springen über die feinsten Sophismen.

Im hungrigen Magen Eingang finden
Nur Suppenlogik mit Knödelgründen,
Nur Argumente von Rinderbraten,
Begleitet mit Göttinger Wurst-Zitaten.

Ein schweigender Stockfisch, in Butter gesotten,
Behaget den radikalen Rotten
Viel besser als ein Mirabeau
Und alle Redner seit Cicero.
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

:thumbup: :thumbup:
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Dort wo man Bücher
verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.«
Heinrich Heine
(Almansor, 1821)
Was für ein Prophet!
Zuletzt geändert von Adlerauge am Dienstag 23. September 2014, 19:17, insgesamt 1-mal geändert.
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

"Den höchsten Begriff vom Lyriker hat mir Heinrich Heine gegeben ... Er besaß jene göttliche Bosheit, ohne die ich mir das Vollkommene nicht zu denken vermag ... Man wird einmal sagen, daß Heine und ich bei weitem die ersten Artisten der deutschen Sprache gewesen sind ..."
Friedrich Nietzsche
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Ich hatte einst ein schönes Vaterland.
Der Eichenbaum
Wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft.
Es war ein Traum.

Das küßte mich auf deutsch und sprach auf deutsch
(Man glaubt es kaum Wie gut es klang)
das Wort: „Ich liebe dich!“
Es war ein Traum.

Heinrich Heine
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Tantris
Beiträge: 37991
Registriert: Sonntag 22. Juni 2008, 09:13
user title: Sihanoukville

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Tantris »

Fragt Sie jemand wie ich mich hier befinde, so sagen Sie: wie ein Fisch im Wasser. Oder vielmehr, sagen Sie den Leuten; daß, wenn im Meere ein Fisch den anderen nach seinem Befinden fragt, so antwortet dieser: ich befinde mich wie Heine in Paris

...auch damals gab es schon stars.
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

König David
Text by Heinrich Heine (1797-1856)



Lächelnd scheidet der Despot,
Denn er weiß, nach seinem Tod
Wechselt Willkür nur die Hände,
Und die Knechtschaft hat kein Ende.
Armes Volk! wie Pferd und Farr'n
Bleibt es angeschirrt am Karr'n,
Und der Nacken wird gebrochen,
Der sich nicht bequemt den Jochen.

Sterbend spricht zu Salomo
König David: »Apropos,
Daß ich Joab dir empfehle,
Einen meiner Generäle.

Dieser tapfre General
Ist seit Jahren mir fatal,
Doch ich wagte den Verhaßten
Niemals ernstlich anzutasten.

Du, mein Sohn, bist fromm und klug,
Gottesfürchtig, stark genug,
Und es wird dir leicht gelingen,
Jenen Joab umzubringen.«
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

"Gott wird mir verzeihen, das ist sein Beruf." - Letzte Worte auf dem Totenbett.
Heinrich Heine
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Tantris
Beiträge: 37991
Registriert: Sonntag 22. Juni 2008, 09:13
user title: Sihanoukville

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Tantris »

Adlerauge » Do 13. Nov 2014, 00:32 hat geschrieben:"Gott wird mir verzeihen, das ist sein Beruf." - Letzte Worte auf dem Totenbett.
Heinrich Heine
...die er allerdings nicht auf deutsch gesprochen hat.

Dass heine bis zum letzten atemzug eine ironische haltung gegenüber religionen hatte, ist leider nicht so ganz wahr.
odiug

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von odiug »

Goettinger Frauenfuesse :p
Aber das ist auch schoen:
"Die deutschen Censoren − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − −
− − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − −
− − − − − − − − − − − − − − − − − − Dummköpfe − − − − − − − − − −
− − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − −"
Heinrich Heine

Das ist ein japanisches Heiku im deutschen Vor-Maerz. :p
Zuletzt geändert von odiug am Donnerstag 13. November 2014, 00:38, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

odiug » Do 13. Nov 2014, 00:36 hat geschrieben:Goettinger Frauenfuesse :p
Aber das ist auch schoen:
"Die deutschen Censoren − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − −
− − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − −
− − − − − − − − − − − − − − − − − − Dummköpfe − − − − − − − − − −
− − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − −"
Heinrich Heine

Das ist ein japanisches Heiku im deutschen Vor-Maerz. :p
Da hatte er wohl recht.
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Heinrich Heine Gedichte (Weihnachtsgedichte)

Altes Kaminstück

Draußen ziehen weiße Flocken
Durch die Nacht, der Sturm ist laut;
Hier im Stübchen ist es trocken,
Warm und einsam, still vertraut.

Sinnend sitz ich auf dem Sessel,
An dem knisternden Kamin,
Kochend summt der Wasserkessel
Längst verklungne Melodien.

Und ein Kätzchen sitzt daneben,
Wärmt die Pfötchen an der Glut;
Und die Flammen schweben, weben,
Wundersam wird mir zu Mut.

Dämmernd kommt heraufgestiegen
Manche längst vergessne Zeit,
Wie mit bunten Maskenzügen
Und verblichner Herrlichkeit.

Schöne Frauen, mit kluger Miene,
Winken süßgeheimnisvoll,
Und dazwischen Harlekine
Springen, lachen, lustigtoll.

Ferne grüßen Marmorgötter,
Traumhaft neben ihnen stehen
Märchenblumen, deren Blätter
In dem Mondenlichte wehen.

Wackelnd kommt herbei geschwommen
Manches alte Zauberschloss;
Hintendrein geritten kommen
Blanke Ritter, Knappentross.

Und das alles zieht vorüber,
Schattenhastig übereilt -
Ach! da kocht der Kessel über,
Und das nasse Kätzchen heult.
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
odiug

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von odiug »

Adlerauge » Do 13. Nov 2014, 14:15 hat geschrieben: Da hatte er wohl recht.
Zeitlos.
Da hat er immer noch recht.
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Das Glück ist eine leichte Dirne
und weilt nicht gern am gleichen Ort.
Sie drückt den Kuß dir auf die Stirne
und lächelt sanft und flattert fort.

Frau Unglück hat im Gegenteile
dich liebevoll ans Herz gedrückt.
Sie sagt, sie habe keine Eile,
setzt sich zu dir ans Bett und strickt.
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Meinen schönsten Liebesantrag
suchst du ängstlich zu verneinen;
frag ich dann: Ob das ein Korb sei?
Fängst du plötzlich an zu weinen.

Selten bet ich, drum erhör mich,
lieber Gott! Hilf dieser Dirne,
trockne ihre süßen Tränen
und erleuchte ihr Gehirne.
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Heine Heinrich

Nachtgedanken

Denk' ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen.
Und meine heißen Tränen fließen.

Die Jahre kommen und vergehn!
Seit ich die Mutter nicht gesehn,
Zwölf Jahre sind schon hingegangen;
Es wächst mein Sehnen und Verlangen.

Mein Sehnen und Verlangen wächst.
Die alte Frau hat mich behext,
Ich denke immer an die alte,
Die alte Frau, die Gott erhalte!

Die alte Frau hat mich so lieb,
Und in den Briefen, die sie schrieb,
Seh ich, wie ihre Hand gezittert,
Wie tief das Mutterherz erschüttert.

Die Mutter liegt mir stets im Sinn.
Zwölf lange Jahre flossen hin,
Zwölf lange Jahre sind verflossen,
Seit ich sie nicht ans Herz geschlossen.

Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land;
Mit seinen Eichen, seinen Linden,
Werd ich es immer wiederfinden.

Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär;
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.

Seit ich das Land verlassen hab,
So viele sanken dort ins Grab,
Die ich geliebt - wenn ich sie zähle,
So will verbluten meine Seele.

Und zählen muß ich - Mit der Zahl
Schwillt immer höher meine Qual,
Mir ist, als wälzten sich die Leichen
Auf meine Brust - Gottlob! sie weichen!

Gottlob! durch meine Fenster bricht
Französisch heitres Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
Und lächelt fort die deutschen Sorgen.
Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land;

Da muss ich ihm heutzutage widersprechen!
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Heinrich Heine:

Ich seh im Stundenglase schon
Ich seh im Stundenglase schon

Den kargen Sand zerrinnen.

Mein Weib, du engelsüße Person!

Mich reißt der Tod von hinnen.



Er reißt mich aus deinem Arm, mein Weib,

Da hilft kein Widerstehen

Er reißt die Seele aus dem Leib –

Sie will vor Angst vergehen.



Er jagt sie aus dem alten Haus,

Wo sie so gerne bliebe.

Sie zittert und flattert – wo soll ich hinaus?

Ihr ist wie dem Floh im Siebe.



Das kann ich nicht ändern, wie sehr ich mich sträub’,

Wie sehr ich mich winde und wende;

Der Mann und das Weib, die Seel’ und der Leib,

Sie müssen sich trennen am Ende.
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Marmelada
Beiträge: 9474
Registriert: Montag 2. Juni 2008, 01:30
user title: Licht & Liebe

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Marmelada »

odiug » Mi 10. Dez 2014, 02:44 hat geschrieben: Zeitlos.
Da hat er immer noch recht.
Das ist bei ihm ganz oft so. Für Pegida:
Die Wahl-Esel

Die Freiheit hat man satt am End,
Und die Republik der Tiere
Begehrte, daß ein einzger Regent
Sie absolut regiere.

Jedwede Tiergattung versammelte sich,
Wahlzettel wurden geschrieben;
Parteisucht wütete fürchterlich,
Intrigen wurden getrieben.

Das Komitee der Esel ward
Von Alt-Langohren regieret;
Sie hatten die Köpfe mit einer Kokard,
Die schwarz-rot-gold, verzieret.

Es gab eine kleine Pferdepartei,
Doch wagte sie nicht zu stimmen;
Sie hatte Angst vor dem Geschrei
Der Alt-Langohren, der grimmen.

Als einer jedoch die Kandidatur
Des Rosses empfahl, mit Zeter
Ein Alt-Langohr in die Rede ihm fuhr,
Und schrie: Du bist ein Verräter!

Du bist ein Verräter, es fließt in dir
Kein Tropfen vom Eselsblute;
Du bist kein Esel, ich glaube schier,
Dich warf eine welsche Stute.

Du stammst vom Zebra vielleicht, die Haut
Sie ist gestreift zebräisch;
Auch deiner Stimme näselnder Laut
Klingt ziemlich ägyptisch-hebräisch.

Und wärst du kein Fremdling, so bist du doch nur
Verstandesesel, ein kalter;
Du kennst nicht die Tiefen der Eselsnatur,
Dir klingt nicht ihr mystischer Psalter.

Ich aber versenkte die Seele ganz
In jenes süße Gedösel;
Ich bin ein Esel, in meinem Schwanz
Ist jedes Haar ein Esel.

Ich bin kein Römling, ich bin kein Slav;
Ein deutscher Esel bin ich,
Gleich meinen Vätern. Sie waren so brav,
So pflanzenwüchsig, so sinnig.

Sie spielten nicht mit Galanterei
Frivole Lasterspiele;
Sie trabten täglich, frisch-fromm-fröhlich-frei,
Mit ihren Säcken zur Mühle.

Die Väter sind nicht tot! Im Grab
Nur ihre Häute liegen,
Die sterblichen Hüllen. Vom Himmel herab
Schaun sie auf uns mit Vergnügen.

Verklärte Esel im Gloria-Licht!
Wir wollen Euch immer gleichen
Und niemals von dem Pfad der Pflicht
Nur einen Fingerbreit weichen.

O welche Wonne, ein Esel zu sein!
Ein Enkel von solchen Langohren!
Ich möcht es von allen Dächern schrein:
Ich bin als ein Esel geboren.

Der große Esel, der mich erzeugt,
Er war von deutschem Stamme;
Mit deutscher Eselsmilch gesäugt
Hat mich die Mutter, die Mamme.

Ich bin ein Esel, und will getreu,
Wie meine Väter, die Alten,
An der alten, lieben Eselei,
Am Eseltume halten.

Und weil ich ein Esel, so rat ich Euch,
Den Esel zum König zu wählen;
Wir stiften das große Eselreich,
Wo nur die Esel befehlen.

Wir alle sind Esel! I-A! I-A!
Wir sind keine Pferdeknechte.
Fort mit den Rossen! Es lebe, hurra!
Der König vom Eselsgeschlechte!

So sprach der Patriot. Im Saal
Die Esel Beifall rufen.
Sie waren alle national,
Und stampften mit den Hufen.

Sie haben des Redners Haupt geschmückt
Mit einem Eichenkranze.
Er dankte stumm, und hochbeglückt
Wedelt' er mit dem Schwanze.
Und hier nochmal göttlich vorgetragen von Lutz Görner:

Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Heinrich Heine zum Neuen Jahr

"Noch ein kleiner Fußtritt, und das alte böse Jahr rollt hinunter in den Abgrund der Zeit ... Das neue steht vor der Türe. Möge es minder grausam sein als seine Vorgänger! Ich sende meinen wehmütigsten Glückwunsch zum Neujahr über den Rhein. Ich wünsche den Dummen ein bißchen Verstand und den Verständigen ein bißchen Poesie. Den Frauen wünsche ich die schönsten Kleider und den Männern sehr viel Geduld. Den Reichen wünsche ich ein Herz und den Armen ein Stückchen Brot. Vor allem aber wünsche ich, daß wir in diesem neuen Jahr einander so wenig als möglich verleumden mögen."
Heinrich Heine
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Wartet nur.

Weil ich so ganz vorzüglich blitze,
Glaubt Ihr, daß ich nicht donnern könnt’!
Ihr irrt Euch sehr, denn ich besitze
Gleichfalls für’s Donnern ein Talent.



Es wird sich grausenhaft bewähren,

Wenn einst erscheint der rechte Tag;
Dann sollt Ihr meine Stimme hören,
Das Donnerwort, den Wetterschlag.

Gar manche Eiche wird zersplittern


An jenem Tag der wilde Sturm,

Gar mancher Palast wird erzittern
Und stürzen mancher Kirchenturm!
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Elvis Domestos

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Elvis Domestos »

Wo?

Wo wird einst des Wandermüden
letzte Ruhestätte sein?
Unter Palmen in dem Süden?
Unter Linden an dem Rhein?

Werd' ich wo in einer Wüste
eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh' ich an der Küste
eines Meeres in dem Sand?

Immerhin mich wird umgeben
Gottes Himmel dort wie hier,
und als Totenlampen schweben
nachts die Sterne über mir.
Benutzeravatar
paradoxx
Beiträge: 1193
Registriert: Freitag 29. Juni 2012, 13:42

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von paradoxx »

Elvis Domestos » Fr 9. Jan 2015, 15:26 hat geschrieben:Wo?

Wo wird einst des Wandermüden
letzte Ruhestätte sein?
Unter Palmen in dem Süden?
Unter Linden an dem Rhein?

Werd' ich wo in einer Wüste
eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh' ich an der Küste
eines Meeres in dem Sand?

Immerhin mich wird umgeben
Gottes Himmel dort wie hier,
und als Totenlampen schweben
nachts die Sterne über mir.
Sie hatten einander ganz schrecklich lieb, Spitzbübin war sie und er ein Dieb
... und wenn er Schelmenstreiche machte, warf sie sich aufs Bett, und lachte

Sie lebten die Tage in Freude & Lust, des Nachts lag sie an seiner Brust
Als man ins Gefängnis ihn brachte, stand sie am Fenster und lachte

Er ließ ihr sagen: Oh komm zu mir, ich sehne mich so sehr nach Dir
Ich dürste nach Dir, ich schmachte, sie schüttelt´ das Haupt & lachte

Um sechs in der Früh´ward er gehenkt, um sieben ward er ins Grab gesenkt
Sie aber schon um achte, trank roten Wein & lachte. Ein Weib
Willensbildung ist demokratisch-repräsentativ oder totalitär, eins schließt das andere aus (s. Art. 137 GG)
Elvis Domestos

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Elvis Domestos »

Alte Rose
Eine Rosenknospe war
Sie, für die mein Herze glühte;
Doch sie wuchs, und wunderbar
Schoss sie auf in voller Blüte.
Ward die schönste Ros' im Land,
Und ich wollt die Rose brechen,
Doch sie wusste mich pikant
Mit den Dornen fortzustechen.
Jetzt, wo sie verwelkt, zerfetzt
Und verklatscht von Wind und Regen –
»Liebster Heinrich« bin ich jetzt,
Liebend kommt sie mir entgegen.
Heinrich hinten, Heinrich vorn,
Klingt es jetzt mit süßen Tönen;
Sticht mich jetzt etwa ein Dorn,
Ist es an dem Kinn der Schönen.
Allzu hart die Borsten sind,
Die des Kinnes Wärzchen zieren –
Geh ins Kloster, liebes Kind,
Oder lasse dich rasieren!
mrbrown
Beiträge: 5
Registriert: Sonntag 1. Februar 2015, 18:32

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von mrbrown »

Das Ende versteh ich nicht ganz aber der Anfang gefällt mir gut.

Geh ins Kloster Oder lasse dich rasieren? :?:
Benutzeravatar
Adlerauge
Beiträge: 2953
Registriert: Samstag 4. Februar 2012, 20:46

Re: Gedichte von Heinrich Heine

Beitrag von Adlerauge »

Heinrich Heine, 1822 (1799-1856)

1. Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin,
Ein Märchen aus uralten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt,
Im Abendsonnenschein.

2. Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar,
Ihr gold'nes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar,
Sie kämmt es mit goldenem Kamme,
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewalt'ge Melodei.

3. Den Schiffer im kleinen Schiffe,
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh'.
Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn,
Und das hat mit ihrem Singen,
Die Loreley getan.
Recht muss Recht bleiben, dem Unrecht muss das Recht entzogen werden!
Antworten