Zwei aktuelle Veröffentlichungen dürften die Diskussionen rund um Israel, Judentum und Zionismus momentan einigermaßen befeuern. "Am Scheideweg. Judentum und die Kritik am Zionismus" der amerikanisch-jüdischen Philosophin Judith Butler und "Warum ich aufhöre, Jude zu sein. Ein israelischer Standpunkt." des israelisch-jüdischen Historikers Shlomo Sand.
Während Butler ihren antizionistischen Standpunkt
aus dem Judentum selbst heraus zu entwickeln versucht und sich dabei auf berühmte Persönlichkeiten wie Hannah Arendt, Emmanuel Lévinas, Walter Benjamin oder Primo Levi beruft, stellt Sand ethnische und religiöse Identitäten als den eigentlichen Kern allen Übels heraus.
Bemerkenswert finde ich vor allem die Konsequenz Butlers in der Frage einer möglichen politischen Entwicklung in einem nicht mehr jüdisch dominierten Israel. Es sei zwar denkbar, dass sich die Rollen einfach nur umkehrten und auf die jüdische eine palästinensische Dominanz folgen könnte, aber damit müsse man leben. Denn
Judith Butler hat geschrieben:
Kein demokratisches Gemeinwesen hat das Recht, für die demografische Überlegenheit einer bestimmten ethnischen oder religiösen Gruppe zu sorgen.
Demokratie auf der einen und ein bestimmter ethnisch oder religiös gebundener Staatscharakter auf der anderen schließen sich gegenseitig aus.
Auf dradio gabs letzte Woche in "Andruck" eine Rezension zu beiden Büchern.
http://www.deutschlandfunk.de/israel-ju ... _id=270869
Es wird dort die berechtigte Frage gestellt,
mit wem ein ethnisch nicht von irgendeiner Gruppe dominiertes Israel denn wohl aufgebaut werden solle. Es fänden sich auf beiden Seiten so gut wie keine Anhänger nichtidentitärer Staatsphilosophien und das Ganze sei somit ein rein akademisches Projekt. Kann sein. Aber Recht hat die Autorin dennoch.
Was mich an der Reflexion zu solchen Publikationen ziemlich nervt, ist die vorausschaubare Pseudo-Argumentation, Antisemiten würden mit Vorliebe gerade jüdische Kritiker als "Kronzeugen" zitieren.
Ich habe nie in meinem Leben irgendein Volk oder Kollektiv geliebt ... ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig (Hannah Arendt)