Keoma » So 8. Sep 2013, 19:14 hat geschrieben:Ich weiß nicht, warum manche Politiker so blöd sind, dass sie solche Aussagen als Friedensbotschaft auslegen.
Da wird heftig abgefeiert "der offizielle Iran leugnet den Holocaust nicht mehr".
Verstehen müsste man auch können - der Holocaust wird zum Massaker verharmlost und mit einem angeblich ebensolchen an den Palästinensern gleichgesetzt.
Friedensangebote sehen anders aus.
Nun ein Friedensangebot an Israel wird es vom Iran sicherlich nicht geben. Die Feindseligkeit gegenüber Israel ist ideologisch vorgesehen, worüber man sich nicht hinwegsetzen kann, weil das sofort die ultra-konservativen Kräfte auf den Plan ruft die schon Khatami und die Reformbewegung politisch und teilweise auch physisch ausgeschaltet haben, und man sieht es wohl auch im eigenen außenpolitischen Interesse sich als Vorkämpfer gegen den Zionismus in der Region zu positionieren.
Die Aussage ist vielmehr als Teil der angekündigten Abwendung vom "Extremismus" zu verstehen. Und da die Holocaust-Leugnung im Iran lange Zeit keineswegs zur politischen Folklore gehörte, wie es in weiten Kreisen von arabischen Ländern der Fall ist, und weil es ja letztlich auch diese Leugnungen waren, welche zur Eskalation und damit zu den Sanktionen gegen Iran führten.
Es ist natürlich kein Friedensangebot an Israel sondern es ist eine Geste an die zukünftigen westlichen Verhandlungspartner, dass man nunmehr bereit ist sich berechenbar und eben gemäßigt zu verhalten.
Die Aussagen des iranischen Außenministers zum Holocaust entsprechen in etwa dem, was in der Region zu diesem Thema von denjenigen die den Holocaust leugnen zum üblichen Ton gehört. Sie erkennen die historische Existenz an, verweisen jedoch an die Nakba bzw. verurteilen sowohl Nationalsozialismus, Rassismus und Zionismus in einem Zug. Wir erinnern uns an die Aussagen von Erdogan vor einigen Monaten.
Dies zeigt die eigentliche Blockade in der Wahrnehmung des Holocaust in der Region. Denn der Holocaust wird nicht erstmal für sich, wie das in Deutschland z.B. der Fall ist, sondern immer durch die "Israel-Brille" wahrgenommen. Der Holocaust ist demnach vor allem eine Legitimation Israels und des Zionismus und damit eine Legitimation der anhaltenden Unterdrückung und Vertreibung der Palästinenser. Der Holocaust erweckt Mitgefühl für den Feind, er legitimiert ihn und er sorgt für Unterstützung - was ja von den Israelischen Regierungen durchaus politisch genutzt wird und wurde, wenn der jeweilige Hauptfeind als "Neuer Hitler" verunglimpft wird, sei es nun Nasser, Saddam, Arafat oder Achmadinejad. Auch gibt es entsprechende Rhetorik in den Reden Netanyahus vor der AIPAC z.B. wenn es um das iranische Atomprogramm geht.
Aus diesem Grund versucht man irgendwie eine Position einzunehmen, welche auch nur den Hauch oder die Möglichkeit der Legitimation Israels durch den Holocaust vermeidet. Der Holocaust wird entweder ganz oder teilweise geleugnet und wenn man das nicht machen will betont man im selben Atemzug die Verbrechen der Zionisten und versucht sie nach Möglichkeit damit zu vergleichen (in dem Sinne das sie entweder schlimmer oder zumindest ebenso schlimm sind, was natürlich der hiesigen Rezeption des Holocaust ziemlich widerspricht). Eine weitere Variante ist die Vorstellung die Erfahrung des Holocausts mache die Verübung eigener Verbrechen nur noch schlimmer usw. usf.
Die vom Iranischen Außenminister geäußerte Beurteilung des Holocausts als "Massaker an den Juden", während gleichzeitig der Zionismus verurteilt wird, liegt also im Rahmen dessen, was im antizionistischen Lager an Aussagen über den Holocaust möglich ist.
Sie unterscheiden sich auch gar nicht so wahnsinnig von den Aussagen von Achmadinejad, welche ja auch keine offenen Holocaust-Leugnungen waren, sondern kryptische Formulierungen im oben dargestellten Geist. Er hat den Holocaust regelmäßig als "Mythos" beschrieben, welche von den Zionisten in die Welt gesetzt und ausgenutzt worden wäre. Man sollte z.B. "unabhängige" Forschung zu den Ereignissen zulassen, die dann ohne zionistischen Druck arbeiten könnten - ein Argument das man wohl von europäischen Holocaust-Leugnern übernommen hat. Die Leugnung war also eher implizit und je nach Interview mehr oder weniger doppeldeutig formuliert, die eigentliche Botschaft war immer ein Vorwurf und Angriff gegen Israel. Im Westen hat man das dann als reine Holocaust-Leugnung wahrgenommen und war entsprechend empört.
In der neuen Aussage des Außenministers wird nun der Angriff auf Israel beibehalten, man setzt sich aber von jeder Holocaustleugnung ab, um die eine Position einzunehmen, welche die Empörung im Westen zu vermeiden versucht.
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