Ärztedilemma

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KratzeKatze
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Ärztedilemma

Beitrag von KratzeKatze »

Hallo Zusammen,

ich wollt mal was allgemeines zur Patientenaufnahme fragen.
Ich wohne in einem Ort mit ca 30.000 Leuten (umgehende Gemeinden mal nicht mit eingerechnet). Nun ist es so, das auf diese Bevölkerungsdichte nur 10 Allgemein/Hausärzte gibt. Wo man hinkommt hängen Schilder in den Praxen, "Derzeit keine Aufnahme von neuen Patienten".
Jetzt hat einer der Ärzte von heute auf morgen zu gemacht. Es gab keinen Hinweis an die Patienten, das sie sich in der nächsten Zeit einen neuen Arzt suchen sollen, oder ein Datum zu wann die Praxis geschlossen wird. Dieser Arzt ist mein Arzt gewesen. In der Stadt wird gemunkelt, das er die Klamotten gepackt hat, weil das Wohnhaus auch von heute auf morgen leer stand. Selbst die Helferin soll nichts gewußt haben....
Jedenfalls war ich jetzt bei den Ärzten hier in der Stadt, weil ich auch dringend Medikamente benötige. Teilweise wird man recht unfreundlich behandelt. Ich meine bei so vielen Menschen die behandelt werden wollen ist es klar, das die Ärzte irgendwann ihre Grenzen erreichen, aber muss man deshalb unfrendlich behandelt werden?

Ich weiß das Ärzte im Notfall immer behandeln müssen. Nur wann ist ein Notfall erreicht? Ich bekomme Herztabletten, ohne die würde es ein Notfall werden, innerhalb einer Woche. Ist das jetzt schon ein Notfall? Kann man im Krankenhaus auch die Medikamente verschrieben bekommen? Ich müsste, um einen anderen Arzt zu erreichen über 2 Stunden investieren, inklusive Bahnfahrt. Ich würde entweder morgens zu spät zur Arbeit kommen, oder nachmittags müsste ich was abknappsen um das zu schaffen. Ist die Frage ob mein Arbeitgeber das mitmacht, weils ja regelmäßig ist. Auch stelle ich mir vor, bei Fieber oder Magen-Darm Problemen ne Bahnfahrt aufzunehmen, das ist unzumutbar.

Meine Frage, darf das Krankenhaus Medikamnte verschreiben, oder muss ich wirklich die Lange fahrt auf mich nehmen? Ich bin am hin und her überlegen wie ich mich weiter verhalten soll. Meine Tabletten reichen noch gut 2 Wochen....
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Milady de Winter
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Milady de Winter »

Du warst bei 9 Ärtzen und KEINER hat sich bereit erklärt, Dir Dein Medikament zu verschreiben oder Dir einen Termin zu geben?
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jack000
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von jack000 »

KratzeKatze » Mo 19. Mär 2012, 08:47 hat geschrieben:Ich würde entweder morgens zu spät zur Arbeit kommen, oder nachmittags müsste ich was abknappsen um das zu schaffen. Ist die Frage ob mein Arbeitgeber das mitmacht, weils ja regelmäßig ist.
jaja, genau das ist das Problem ... und dann kommen wieder diejenigen, die die Gesamtöffnungzeiten des Arztes addieren und so vorrechnen, dass man ja genug Zeit hätte...

Speziell diese Problematik wird auch hier diskutiert: http://politik-forum.eu/viewtopic.php?f ... &p=1122788&
Zuletzt geändert von jack000 am Montag 19. März 2012, 10:47, insgesamt 1-mal geändert.
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ToughDaddy
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von ToughDaddy »

Das kenne ich, habe jetzt auch 4 Monate nach neuen Hausarzt gesucht. Alte Ärztin ist in Rente gegangen. Was für ein Theater, bin dann nur durch alte Beziehungen meiner Mutter, weil sie Krankenschwester war, zu neuen Hausarzt gekommen. :|
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Quatschki
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Quatschki »

Da helfen nur fortwährende Beschwerdebriefe an die Krankenkassen, Gesundheitsministerium, Abgeordnete und an die Presse. Öffentlichen Druck erzeugen!
Solange dieser Druck nicht kommt, und die Leute ihr gutes Recht nicht einfordern, werden die Schrauben weiter angezogen.
Drauf so sprach Herr Lehrer Lämpel:
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palulu
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von palulu »

Wo wohnt ihr denn bitteschön? Mit den umliegenden Dörfern kommen wir hier auf ca. 10.000 Einwohner. Wir haben hier ca. 8 Allgemeinmediziner, 3 Zahnärzte, mehrere Heil- und Physiotherapeuten, einen Chirurgen, 2 Kinderärzte, darunter finden sich auch Sportmediziner und weiß der Geier noch was. Im Umkreis von 20 km sind es sicherlich noch mehr. Ich stelle gerade fest, dass mein Immo-Kauf ein goldrichtig war. :D
Zuletzt geändert von palulu am Montag 19. März 2012, 19:16, insgesamt 1-mal geändert.
Adam Smith
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Adam Smith »

Ärzte sollen doch gerne Medikamente verschreiben. Ich sehe da überhaupt kein Problem. Wenn man jetzt nur Medikamente will.
Zuletzt geändert von Adam Smith am Montag 19. März 2012, 19:00, insgesamt 2-mal geändert.
Das ist Kapitalismus:

Die ständige Wahl der Bürger bestimmt das Angebot.
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Milady de Winter
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Milady de Winter »

Sebastian Hauk » Mo 19. Mär 2012, 18:59 hat geschrieben:Ärzte sollen doch gerne Medikamente verschreiben. Ich sehe da überhaupt kein Problem. Wenn man jetzt nur Medikamente will.

Das Problem ist hierbei allerdings, dass Dir nicht jeder Arzt ungesehen einfach ein Medikament verschreibt. Schon gar nicht, wenn es ein starkes ist. Da muss er Dich im Grunde erst mal untersuchen...
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Camarasaurus
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Camarasaurus »

Milady de Winter » Mo 19. Mär 2012, 19:01 hat geschrieben: Das Problem ist hierbei allerdings, dass Dir nicht jeder Arzt ungesehen einfach ein Medikament verschreibt. Schon gar nicht, wenn es ein starkes ist. Da muss er Dich im Grunde erst mal untersuchen...
Nicht zu vergessen die Budgetierung der Medikamente. Gerade ein chronisch Kranker birgt da Risiken für den Arzt und dem einen oder anderen ist vielleicht sein Einkommen wichtiger als die Gesundheit seiner Patienten. :s
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John Galt
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von John Galt »

Das wahre Dilemma ist, dass man die Medikamente in Schränken versteckt.

Man könnte einfach ne Datenbank machen, wo man Freigaben für Medikamente erteilen kann. Dann könnte sich der Patient selber die Medikamente kaufen und müsste nicht ständig zum Arzt rennen.
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Camarasaurus
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Camarasaurus »

Karl Murx » Mo 19. Mär 2012, 23:10 hat geschrieben:Dann könnte sich der Patient selber die Medikamente kaufen und müsste nicht ständig zum Arzt rennen.
Sinn der Verschreibungspflicht ist ja, dass manche Medikamente nur unter ärztlicher Kontrolle eingenommen werden sollen.
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von KratzeKatze »

palulu » Mo 19. Mär 2012, 13:40 hat geschrieben:Wo wohnt ihr denn bitteschön? Mit den umliegenden Dörfern kommen wir hier auf ca. 10.000 Einwohner. Wir haben hier.....
Erstmal Danke für eure Antworten :thumbup:
Es kommt nicht darauf an wo man wohnt. In einer Reportage sagten sie einmal, das es auf dem Land immer weniger Ärzte geben soll. Wir sind hier aber nicht auf dem Land, das ist das Problem. Ich bin vor 4 Jahren hier her gezogen, vom Lande. In meiner alten Stadt/Dorf gabs für 6000 Leute um die 20 Hausärzte.

Wir haben hier auch Augenärzte, Psychologen, Zahnärzte, Frauenärzte. Die Wartezeiten für einen Termin liegen hier bei einem halben Jahr und länger. Kinderärzte haben wir 2. Die eine ist ausgefallen für ein dreiviertel Jahr. Da brach Panik aus. Vor allen unter den Leuten, die ALG II bezogen. Wenn die zB ein Kleinkind haben, und dieses krank wird verlangen die im Kindergarten eine Gesundschreibung, also ein Schriebs vom Arzt, das das Kind frei von ansteckenden Krankheiten ist und Schule/Hort/Kita wieder besuchen kann. Da der zweite Kinderarzt keine Kinder mehr aufgenommen hat, sind die Kinder teilweise Monate lang nicht in die Einrichtungen gegangen, weil die Eltern es sich nicht leisten können in die nächste Stadt zum Arzt zu fahren. Das führte bei einigen soweit, das nach einigen Monaten einige Kinder von der Polizei abgeholt wurden, erst zum Arzt gebracht und dann in die Schule, weil ja Schulpflicht ist.

Es ist einfach nur ätzend hier. Sie haben zu mir gesagt, komm hier her, hier gibts Arbeit. Stimmt. In meinem Job kann man sich hier die besten Stellen raussuchen. Aber die ärztliche Versorguung hier ist unter aller Sau...(sorry wegen der Wortwahl) Wir sind Kreisstadt, die nächste größere Stadt die wieder Ärzte hat liegt mit Bus und Bahn ca 2 Std. entfernt. Mit dem Auto würds schneller gehen, aber ich hab keins. Zwischen meiner Stadt und der nächsten liegen kleinere Dörfer, teilweise nur so Siedlungs-Bauernhöfe, da verirrt sich kein Arzt hin. Oder ich fahre in die Landesshauptstadt, die ist auch nur 2 Stunden in die andere Richtung entfernt. Die 2 Stunden kommen zusammen, weil an den Bus und S-Bahnhöfen Wartezeiten entstehen, und man an jedem kleinen Dorf anhält. Würde man mit dem Auto fahren dauert es nur halb so lang.

Ich werde jetzt erstmal in der kommenden Woche einen Tag freinehmen müssen :mad2: und damit einen Urlaubstag vergeuden nur um Herztabletten zu holen. Gesundheit ist da wichtiger. Aber ich denke ich werde die Zelte hier wieder abbrechen. Was nützt die beste Arbeit, wenn man gesundheitlich nicht versorgt ist? Das heißt Bewerbungen schreiben und und und....
Zuletzt geändert von KratzeKatze am Dienstag 20. März 2012, 08:23, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Thomas I »

jack » Mo 19. Mär 2012, 10:46 hat geschrieben: jaja, genau das ist das Problem ... und dann kommen wieder diejenigen, die die Gesamtöffnungzeiten des Arztes addieren und so vorrechnen, dass man ja genug Zeit hätte...

Speziell diese Problematik wird auch hier diskutiert: http://politik-forum.eu/viewtopic.php?f ... &p=1122788&
Zeit ist da nicht das Problem, aber wir sind kurz vor Quartalsende, vermutlich haben alle Ärzte ihr Budget verbraucht.
Wenn die jetzt nochmal (vermutlich nicht ganz billige) Medikamente verschreiben, dann wird ihnen das von ihrem Einkommen abgezogen.
Das macht natürlich keiner.
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Thomas I »

Sebastian Hauk » Mo 19. Mär 2012, 18:59 hat geschrieben:Ärzte sollen doch gerne Medikamente verschreiben. Ich sehe da überhaupt kein Problem. Wenn man jetzt nur Medikamente will.
Noch nie was von Budgetierung bim Gesundheitswesen gehört?

"Ausführungsbestimmungen regeln genau, was der Kassenarzt verschreiben darf. Diese beziehen sich zum einen auf die Art der Verschreibung (Arznei-und Heilmittelrichtlinien), als auch auf die Menge an Verschreibungen je Praxis (Budgets).
Weicht der Arzt bei der Verschreibung von den Richtlinien ab oder überschreitet er das Budget, so werden zwei Jahre später Strafzahlungen (Regresse) gegen ihn ausgesprochen." (Quelle: http://www.praxis-wuelfel.de)

Also selbst wenn ein Arzt einem Patienten etwas verschreibt was nach den Arznei-und Heilmittelrichtlinien angemessen und erforderlich ist hat er dennoch ein Problem wenn er dabei sein Budget überschreitet.
Camarasaurus » Mo 19. Mär 2012, 23:01 hat geschrieben: Nicht zu vergessen die Budgetierung der Medikamente. Gerade ein chronisch Kranker birgt da Risiken für den Arzt und dem einen oder anderen ist vielleicht sein Einkommen wichtiger als die Gesundheit seiner Patienten.
Ich möchte mal irgeneinen anderen Beruf erleben von dem man erwarten würde, dass er bitte zu Ende des Quartals nicht nur umsonst seine Arbeits erbringt sondern den Kunden gefälligst auch noch die verbrauchten Materialien aus eigener Tasche finanziert.
Auch der werte Camarasaurus würde so ein Ansinnen in seinem Beruf sicher empört ablehnen - was iihn hier aber nicht daran hindert heuchlerisch die Fehler im System auf die vermeintliche Gier der Ärzte zu reduzieren.
Zuletzt geändert von Thomas I am Dienstag 20. März 2012, 13:18, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Camarasaurus »

Thomas I » Di 20. Mär 2012, 13:18 hat geschrieben: Auch der werte Camarasaurus würde so ein Ansinnen in seinem Beruf sicher empört ablehnen - was iihn hier aber nicht daran hindert heuchlerisch die Fehler im System auf die vermeintliche Gier der Ärzte zu reduzieren.
Wo habe ich das denn getan? Brennt dir deine Phantasie öfter durch?
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Thomas I »

Camarasaurus » Di 20. Mär 2012, 13:22 hat geschrieben: Wo habe ich das denn getan? Brennt dir deine Phantasie öfter durch?

Ich zitiere: "Gerade ein chronisch Kranker birgt da Risiken für den Arzt und dem einen oder anderen ist vielleicht sein Einkommen wichtiger als die Gesundheit seiner Patienten. "
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Camarasaurus »

Thomas I » Di 20. Mär 2012, 13:23 hat geschrieben:

Ich zitiere: "Gerade ein chronisch Kranker birgt da Risiken für den Arzt
Sicher nicht falsch, oder ist es etwa kein finanzielles Risiko für den Arzt, wenn er sein Budget aufgebraucht hat und dennoch etwas verschreibt/verschreiben muss? Dass die Ursache das unsinnige Gesundheitssystem ist, weiß ich selbst.
und dem einen oder anderen ist vielleicht sein Einkommen wichtiger als die Gesundheit seiner Patienten. "
Dass die große Mehrheit der niedergelassenen Ärzte ihren Patienten die nötigen Medikamente trotz drohender Budgetüberschreitung verschreiben, steht außer Frage. Darum ja auch explizit die Beschränkung auf "dem einen oder anderen". Vielleicht kennst du die Bedeutung dieser Floskel ja nicht.

Bezweifelst du etwa die Richtigkeit dieser Aussage? Willst du dem hier versammelten Publikum etwa vermitteln, dass alle niedergelassenen Ärzte ausnahmslos sich nur ihrer Berufsehre verpflichtet fühlen und ihre privaten Finanzen völlig unterordnen?

Naja, es muss auch Träumer geben.
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Milady de Winter
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Milady de Winter »

KratzeKatze » Di 20. Mär 2012, 08:20 hat geschrieben:
Erstmal Danke für eure Antworten :thumbup:
Es kommt nicht darauf an wo man wohnt.
Scheinbar schon. Du scheinst in einer merkwürdigen Gegend zu sein, wenn Du mit Bus und Bahn 2 Stunden zum nächsten Arzt brauchst.
Wir haben hier auch Augenärzte, Psychologen, Zahnärzte, Frauenärzte. Die Wartezeiten für einen Termin liegen hier bei einem halben Jahr und länger. Kinderärzte haben wir 2. Die eine ist ausgefallen für ein dreiviertel Jahr. Da brach Panik aus. Vor allen unter den Leuten, die ALG II bezogen. Wenn die zB ein Kleinkind haben, und dieses krank wird verlangen die im Kindergarten eine Gesundschreibung, also ein Schriebs vom Arzt, das das Kind frei von ansteckenden Krankheiten ist und Schule/Hort/Kita wieder besuchen kann. Da der zweite Kinderarzt keine Kinder mehr aufgenommen hat, sind die Kinder teilweise Monate lang nicht in die Einrichtungen gegangen, weil die Eltern es sich nicht leisten können in die nächste Stadt zum Arzt zu fahren. Das führte bei einigen soweit, das nach einigen Monaten einige Kinder von der Polizei abgeholt wurden, erst zum Arzt gebracht und dann in die Schule, weil ja Schulpflicht ist.
Das klingt ja nach verheerenden Zuständen!

Es ist einfach nur ätzend hier. Sie haben zu mir gesagt, komm hier her, hier gibts Arbeit. Stimmt. In meinem Job kann man sich hier die besten Stellen raussuchen. Aber die ärztliche Versorguung hier ist unter aller Sau...(sorry wegen der Wortwahl) Wir sind Kreisstadt, die nächste größere Stadt die wieder Ärzte hat liegt mit Bus und Bahn ca 2 Std. entfernt. Mit dem Auto würds schneller gehen, aber ich hab keins. Zwischen meiner Stadt und der nächsten liegen kleinere Dörfer, teilweise nur so Siedlungs-Bauernhöfe, da verirrt sich kein Arzt hin. Oder ich fahre in die Landesshauptstadt, die ist auch nur 2 Stunden in die andere Richtung entfernt. Die 2 Stunden kommen zusammen, weil an den Bus und S-Bahnhöfen Wartezeiten entstehen, und man an jedem kleinen Dorf anhält. Würde man mit dem Auto fahren dauert es nur halb so lang.
Selbst EINE Stunde Fahrt zum nächsten Arzt erscheint mir unterirdisch...

Ich werde jetzt erstmal in der kommenden Woche einen Tag freinehmen müssen :mad2: und damit einen Urlaubstag vergeuden nur um Herztabletten zu holen. Gesundheit ist da wichtiger. Aber ich denke ich werde die Zelte hier wieder abbrechen. Was nützt die beste Arbeit, wenn man gesundheitlich nicht versorgt ist? Das heißt Bewerbungen schreiben und und und....
Brauchst Du wirklich einen ganzen Tag? Ich gebe zu, ich bin mir da nicht sicher, aber kann ein Arztbesuch nicht unter Umständen auch auf die Arbeitszeit angerechnet werden? Oder alternativ: kannst Du die Stunden, die Du versäumst, nicht wieder reinarbeiten? Die meisten Leute haben doch ein paar Überstunden auf dem Konto. Aber den Job aufgeben, weil man keinen Arzt findet? Das klingt schon eigenartig. Ich gehe allerdings davon aus, dass Du (leider) nicht privat versichert bist, richtig? Da hättest Du ggf. weniger Probleme, so unfair das ist.
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Thomas I »

Camarasaurus » Di 20. Mär 2012, 13:35 hat geschrieben:
Sicher nicht falsch, oder ist es etwa kein finanzielles Risiko für den Arzt, wenn er sein Budget aufgebraucht hat und dennoch etwas verschreibt/verschreiben muss? Dass die Ursache das unsinnige Gesundheitssystem ist, weiß ich selbst.
Sicher - nur bei dir klingt das so nach 'Nur weil der Arzt mal weniger verdienen würde...' dabei geht es hier nicht um weniger Einkommen sondern bereits darum nach getaner Arbeit ohne Einkommen auch noch draufzahlen müssen.

Im Extremfall kann das dazu führen das ein Arzt mehr Regress zahlen muss als er im Quartal überhaupt eingenommen hat - und ja, solche Fälle gab es und gibt es.

Da mit einer Phrase wie der von 'Ärzten denen ihr Einkommen wichtiger als die Gesundheit der Patienten ist' anzukommen ist dann schon starker Tobak.

Camarasaurus » Di 20. Mär 2012, 13:35 hat geschrieben: Dass die große Mehrheit der niedergelassenen Ärzte ihren Patienten die nötigen Medikamente trotz drohender Budgetüberschreitung verschreiben, steht außer Frage. Darum ja auch explizit die Beschränkung auf "dem einen oder anderen". Vielleicht kennst du die Bedeutung dieser Floskel ja nicht.
Es kommt wohl auch immer darauf an wie stark das Budget überschriten wird. Ei paar Grippemittel mag ein Arzt da noch verkraften können, ein teures Herzmittel womöglich eben aber auch nicht mehr.

Mich stört aber schon die in solchen Aussagen implizierte Erwartungshaltung das Ärzte gefälligst im Zweifel auch die Gesundheit ihrer Kunden auf eigene Kosten herzustellen haben.

Mal abgesehen davon, dass Ärzte die diesem Ansinnen regelmäßig nachkommen bald in den roten Zahlen sitzen und irgendwann ihre Praxis schliessen müssen und dann ist die Versorgung für die dort lebenden Menschen auch nicht besser.
Camarasaurus » Di 20. Mär 2012, 13:35 hat geschrieben: Bezweifelst du etwa die Richtigkeit dieser Aussage? Willst du dem hier versammelten Publikum etwa vermitteln, dass alle niedergelassenen Ärzte ausnahmslos sich nur ihrer Berufsehre verpflichtet fühlen und ihre privaten Finanzen völlig unterordnen?
Nein. Ich finde es schon eine Sauerei es zu eine Frage von Ehre zu machen dass du erwartest das ein Fremder im Zweifel für deine Gesundheit auf sein Einkommen verzichtet und womöglich sogar noch aus seinem Privatvermögen bezahlt.

Von keinem anderen Beruf würde man derartiges auch nur ansatzweise erwarten.

Stelle dir mal vor ich erwarte wegen der Berufsehre dass der KFZ-Meister das Auto der geringverdienenden Mutter von zwei Kindern mal bitte auf eigene Kosten repariert? Der Aufschrei wäre grandios und der Mann hätte vermutlich wenn er das öfter macht noch Probleme wegen unlauterem Wettbewerb...
Zuletzt geändert von Thomas I am Dienstag 20. März 2012, 14:18, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Olifant »

Thomas I » Di 20. Mär 2012, 14:18 hat geschrieben:
Noch nie was von Budgetierung bim Gesundheitswesen gehört?

"Ausführungsbestimmungen regeln genau, was der Kassenarzt verschreiben darf. Diese beziehen sich zum einen auf die Art der Verschreibung (Arznei-und Heilmittelrichtlinien), als auch auf die Menge an Verschreibungen je Praxis (Budgets).
Weicht der Arzt bei der Verschreibung von den Richtlinien ab oder überschreitet er das Budget, so werden zwei Jahre später Strafzahlungen (Regresse) gegen ihn ausgesprochen." (Quelle: http://www.praxis-wuelfel.de)

Also selbst wenn ein Arzt einem Patienten etwas verschreibt was nach den Arznei-und Heilmittelrichtlinien angemessen und erforderlich ist hat er dennoch ein Problem wenn er dabei sein Budget überschreitet.



Ich möchte mal irgeneinen anderen Beruf erleben von dem man erwarten würde, dass er bitte zu Ende des Quartals nicht nur umsonst seine Arbeits erbringt sondern den Kunden gefälligst auch noch die verbrauchten Materialien aus eigener Tasche finanziert.
Auch der werte Camarasaurus würde so ein Ansinnen in seinem Beruf sicher empört ablehnen - was iihn hier aber nicht daran hindert heuchlerisch die Fehler im System auf die vermeintliche Gier der Ärzte zu reduzieren.
Diese Unwägbarkeit wird durch das durschnittliche Jahreseinkommen - allein aus gesetzlichen Kassen - nach Abzug aller Kosten von über 160.000 Euro locker kompensiert. Zudem handelt es sich um eine Art Fixgehalt, das sehr leicht unabhängig von konjunkturellen Schwankungen erzielt wird. Wenn sich ein Arzt diesem System, das ein sehr hohes Jahreseinkommen garantiert, nicht unterwerfen will, soll er's halt lassen.
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Thomas I »

Olifant » Di 20. Mär 2012, 16:13 hat geschrieben: Diese Unwägbarkeit wird durch das durschnittliche Jahreseinkommen - allein aus gesetzlichen Kassen - nach Abzug aller Kosten von über 160.000 Euro locker kompensiert. Zudem handelt es sich um eine Art Fixgehalt, das sehr leicht unabhängig von konjunkturellen Schwankungen erzielt wird. Wenn sich ein Arzt diesem System, das ein sehr hohes Jahreseinkommen garantiert, nicht unterwerfen will, soll er's halt lassen.
Das Geld hast du aber nur wenn du min. 50 Stunden die Woche arbeitest und das Budget immer schön einhälst.
Im übrigen ist das kein Jahreseinkommen sondern eine Jahreseinnahme. Davon will zunächst auch der Praxisvermieter, die Arzthelferin, die Putzfrau und der Energieversorger etwas ab und auch Verbrauchsmaterialen, Geräte und Gerätewartung wollen bezahlt sein.

Und ja, immer mehr Ärzte lassen es ja auch - das verbessert nur nichts an den Problemen die der Strangeröffner in seine Fall hatte, das verschärft sie nur noch.

Im übrigen stammt diese Zahl ohnehin aus der Propagandabateilung der GKV.

Realistisch verdient ein Arzt in eigener Praxis an den GKV-Patienten garnichts, die Einnahmen aus diesen decken gerade die Kosten der Praxis - wenn er das Budget einigermaßen halten kann.
Zuletzt geändert von Thomas I am Dienstag 20. März 2012, 16:23, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Olifant »

Thomas I » Di 20. Mär 2012, 17:23 hat geschrieben:
Das Geld hast du aber nur wenn du min. 50 Stunden die Woche arbeitest und das Budget immer schön einhälst.
Ja und? Wo ist das das Problem?

Thomas I » Di 20. Mär 2012, 17:23 hat geschrieben:
Im übrigen ist das kein Jahreseinkommen sondern eine Jahreseinnahme. Davon will zunächst auch der Praxisvermieter, die Arzthelferin, die Putzfrau und der Energieversorger etwas ab und auch Verbrauchsmaterialen, Geräte und Gerätewartung wollen bezahlt sein.
Nein, es handelt sich um das persönliche Einkommen der Ärzte vor Steuern, also nach Abzug aller Praxiskosten.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 87,00.html
Thomas I » Di 20. Mär 2012, 17:23 hat geschrieben: Realistisch verdient ein Arzt in eigener Praxis an den GKV-Patienten garnichts, die Einnahmen aus diesen decken gerade die Kosten der Praxis - wenn er das Budget einigermaßen halten kann.
Diese völlig unsinnige Behauptung kannst Du sicher empirisch belegen!
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Thomas I »

Olifant » Di 20. Mär 2012, 16:28 hat geschrieben: Nein, es handelt sich um das persönliche Einkommen der Ärzte vor Steuern, also nach Abzug aller Praxiskosten.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 87,00.html
Diese völlig unsinnige Behauptung kannst Du sicher empirisch belegen!
Lies' den Artikel doch mal, da steht nämlich auch ganz deutlich drinne was die Ärzte im Schnitt an Zahlungen von den GKVen bekommen - selbst laut GKV.
Und da wird auch klar, dass die Zahlen der GKVen nicht unumstritten sind. Da die GKVen ein natürliches Interesse haben bei den Ärzten zu sparen anstatt bei ihren bürokratischen Wasserköpfen muß man die Zahl mit Vorsicht geniessen...

Natürlich verdienen Ärzte mit Praxis am Ende auch Geld - eben weil sie ja im Schnitt noch 10% Privatpatienten haben.

Ein Arzt der aber in seiner Praxis NUR GKV-Patienten hat, kann das auf Dauer wirtschaftlich nicht überleben.

Laut deinem Artikel bekam ein Praxiasrzt im Jahr 2007 im Schnitt 108.000 EUR aus den GKVen während die Betriebskosten so eines Arztes sich im selben Jahr auf durchschnittlich 102.000 EUR beliefen.
Zieh von mir aus da noch 10% an Betriebskosten für die PKV-Patienten ab, bleiben 91. 800 EUR an Betriebskosten.

Jo, 9000 EUR brutto im Jahr für eine 50-Stundenwoche, Ärzte mit eigener Praxis und nur GKV-Patienten haben echt beneidenswertes Durchschnittseinkommen...

Der eigentliche Skandal ist, dass die GKVen versuchen sogar noch eine Art verdeckter Quersubventionierung von den PKVen zu bekommen in dem sie alleine diese mit dem legitimen Wunsch der Ärzte auch ein angemessenes Einkommen zu erwirtschaften belasten während die eigenen Versicherten möglichst zum Nulltarif durchgeschleust werden sollen...
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Olifant »

Thomas I » Di 20. Mär 2012, 17:44 hat geschrieben:
Und da wird auch klar, dass die Zahlen der GKVen nicht unumstritten sind. Da die GKVen ein natürliches Interesse haben bei den Ärzten zu sparen anstatt bei ihren bürokratischen Wasserköpfen muß man die Zahl mit Vorsicht geniessen...
Ich neige immer stark dazu, den Zahlen der GKVen mehr zu trauen, als denen der Ärzteschaft mit ihrer üblen Lobby-Mafia. Man betrachte nur die derzeitigen Entwicklungen bei den Gehältern der KVen.

Thomas I » Di 20. Mär 2012, 17:44 hat geschrieben: Natürlich verdienen Ärzte mit Praxis am Ende auch Geld - eben weil sie ja im Schnitt noch 10% Privatpatienten haben.

Ein Arzt der aber in seiner Praxis NUR GKV-Patienten hat, kann das auf Dauer wirtschaftlich nicht überleben.
Auch das ist eine zu belegende Behauptung. Es gibt sehr viele Regionen in D, in denen es so gut wie keine Privatpatienten gibt. Wäre Deine These korrekt, gäbe es dort keine nidergelassenen Ärzte.

Thomas I » Di 20. Mär 2012, 17:44 hat geschrieben: Jo, 9000 EUR brutto im Jahr für eine 50-Stundenwoche, Ärzte mit eigener Praxis und nur GKV-Patienten haben echt beneidenswertes Durchschnittseinkommen...
Für Dich nochmal der entscheidende Satz aus dem Artikel.
"Demnach wird jeder Praxisinhaber im laufenden Jahr einen durchschnittlichen Reinertrag von 164.000 Euro einfahren."
Entweder, Du kannst diese Zahl empirisch wiederlegen, oder nicht. Derlei Konstruktionen wie Deine helfen da nicht weiter und sind eigentlich schlicht lächerlich.
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von John Galt »

Olifant » Di 20. Mär 2012, 16:51 hat geschrieben:
Für Dich nochmal der entscheidende Satz aus dem Artikel.
"Demnach wird jeder Praxisinhaber im laufenden Jahr einen durchschnittlichen Reinertrag von 164.000 Euro einfahren."
Entweder, Du kannst diese Zahl empirisch wiederlegen, oder nicht. Derlei Konstruktionen wie Deine helfen da nicht weiter und sind eigentlich schlicht lächerlich.
Der Reinertrag ist höchstens mit dem Arbeitgeberbrutto zu vergleichen.
Also 17-20% abziehen, dann ist es mit dem Bruttlohn eines Arbeitnehmers zu vergleichen.

Denn der Arzt bekommt keine Sozialversicherungen zur Hälfte bezahlt.

Ein Allgemeinmediziner mit 116.000 Euro Reinertrag, hat umgerechnet 93.000 Euro Brutto. Nicht schlecht, aber immerhin wurde er auch 13+6+5=24 Jahre ausgebildet.
Zuletzt geändert von John Galt am Dienstag 20. März 2012, 16:59, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Olifant »

Karl Murx » Di 20. Mär 2012, 17:58 hat geschrieben: Ein Allgemeinmediziner mit 116.000 Euro Reinertrag, hat umgerechnet 93.000 Euro Brutto. Nicht schlecht, aber immerhin wurde er auch 13+6+5=24 Jahre ausgebildet.
...und erzielt zusätzliche Leistungen aus der PKV, von der Pharma-Industrie, deren Produkte er verschreibt, aus IGEL-Leistungen und und und...
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Thomas I »

Olifant » Di 20. Mär 2012, 17:25 hat geschrieben:
...und erzielt zusätzliche Leistungen aus der PKV, von der Pharma-Industrie, deren Produkte er verschreibt, aus IGEL-Leistungen und und und...
Und seit wann kann A als Kunde erwarten dass B für ihn umsonst oder gar auf Bs Kosten tätig wird nur weil B an den Kunden C und D schon Geld verdient?????
Bei so einer Erwartung muss A sich nicht wundern wenn B ihn als sein Kunde nachrangig oder garnicht behandelt...
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Olifant »

Thomas I » Di 20. Mär 2012, 18:32 hat geschrieben:
Und seit wann kann A als Kunde erwarten dass B für ihn umsonst oder gar auf Bs Kosten tätig wird nur weil B an den Kunden C und D schon Geld verdient?????
Bei so einer Erwartung muss A sich nicht wundern wenn B ihn als sein Kunde nachrangig oder garnicht behandelt...
Und jetzt wieder zum Thema bitte. Die Ärzte binden sich freiwillig vertraglich an die KVen und bekommen für ihre Leistungen ein entsprechendes Honorar. Wem das zu gering ist, der kann aus der Bindung aussteigen. Komischerweise tun das die armen Ärzte gar nicht und die Zahl der Kassenzulassungen steigt stetig. Du solltest jetzt mal mit harten Fakten kommen und nicht immer irgendwas herumkonstruieren.
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von John Galt »

Olifant » Di 20. Mär 2012, 17:25 hat geschrieben:
...und erzielt zusätzliche Leistungen aus der PKV, von der Pharma-Industrie, deren Produkte er verschreibt, aus IGEL-Leistungen und und und...
Nein.
Aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) flossen den Ärzten im Jahr 2007 jeweils 100.800 Euro zu, 2003 waren es noch 85.000 Euro je Mediziner.
Wie kann man im Durchschnitt 164.000 Euro verdienen, wenn die GKV nur im Durschnitt 100.800 Euro zahlt?

Wiki hilft:
http://de.wikipedia.org/wiki/Vertragsarzt

Erste Tabelle:
Umsatz und Einkommen der Vertragsärzte und Psychologischen Vertrags-Psychotherapeuten aus der GKV im Jahr 2006 in Euro

Zweite Tabelle:
Zudem berücksichtigen die Zahlen (AUS DER ERSTEN TABELLE) nicht die Einnahmen von Privatversicherten und Selbstzahlerleistungen (individuelle Gesundheitsleistung), sodass der zu versteuernde Gewinn aus dem Praxisbetrieb signifikant höher liegt. Diese Werte werden alle vier Jahre vom Statistischen Bundesamt erhoben und in der Fachserie 2, Reihe 1.6.1 veröffentlicht, zuletzt (Stand Oktober 2009) für das Jahr 2007:

Die zweite Tabelle beinhaltet alle Einnahmen und das deck sich auch ungefähr mit den Zahlen aus dem Artikel, der übrigens mal wieder sauschlecht geschrieben ist und alles durcheinander wirft.
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Olifant »

@Murx

Ja, hast Recht.
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Thomas I »

Olifant » Di 20. Mär 2012, 16:51 hat geschrieben: Ich neige immer stark dazu, den Zahlen der GKVen mehr zu trauen, als denen der Ärzteschaft mit ihrer üblen Lobby-Mafia. Man betrachte nur die derzeitigen Entwicklungen bei den Gehältern der KVen.
Ja, ja, die Kassenvorstände darben ja seit Jahren gell? Ich neige allerdings dazu den Zahlen der GKVen auch nicht zu trauen, denn deren Lobby ist nicht minder übel und mafiös.

Olifant » Di 20. Mär 2012, 16:51 hat geschrieben: Auch das ist eine zu belegende Behauptung. Es gibt sehr viele Regionen in D, in denen es so gut wie keine Privatpatienten gibt. Wäre Deine These korrekt, gäbe es dort keine niedergelassenen Ärzte.
Weil meine These korrekt ist, sind das genau die Regionen in denen die Anzahl der niedergelassenen Ärzte 1. sehr gering ist und 2. massiv abnimmt.


Olifant » Di 20. Mär 2012, 16:51 hat geschrieben: Für Dich nochmal der entscheidende Satz aus dem Artikel.
"Demnach wird jeder Praxisinhaber im laufenden Jahr einen durchschnittlichen Reinertrag von 164.000 Euro einfahren."
Entweder, Du kannst diese Zahl empirisch wiederlegen, oder nicht. Derlei Konstruktionen wie Deine helfen da nicht weiter und sind eigentlich schlicht lächerlich.
Zum Thema Reinertrag hat ein anderer User etwas beigetragen. Weiterhin ist dass der Reinertrag den der Arzt insgesamt erwirtschaftet, nicht den, den er aus Behandlung der GKV-Patienten erwirtschaftet.
Das Argument der GKVen nicht anständig für Leistungen ihrer Versicherten zahlen zu wollen weil die Ärze ja für ihr Einkommen bitte die PKVler ausplündern können ist absurd.
Zuletzt geändert von Thomas I am Dienstag 20. März 2012, 17:40, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von KratzeKatze »

Und seit wann kann A als Kunde erwarten dass B für ihn umsonst oder gar auf Bs Kosten tätig wird nur weil B an den Kunden C und D schon Geld verdient?????
Bei so einer Erwartung muss A sich nicht wundern wenn B ihn als sein Kunde nachrangig oder garnicht behandelt...
Ich als A erwarte garnichts, ausser vielleicht, das ich Unterstützung bekomme gesund zu werden, oder am Leben zu bleiben. Und ich erwarte nicht umsonst behandelt zu werden, oder auf Kosten des Arztes. Ich erwarte aber, das das ganze Geld was monatlich in die Kasse läuft dann auch mal genutzt wird. Das die 10 Euro die man dort lässt nicht im Sande verlaufen und die 8 Euro Zusatzbeitrag ebensowenig. Ich zahle als Patient drei verschiedene Beträge. Ich als Patient erwarte das der Arzt von der Kasse gut bezahlt wird, denn für mich wurde eingezahlt, jahrelang, ohne das ich zum Arzt ging, denn ich war viele Jahre nicht beim Arzt, hatte weder Grippe noch Unfälle, Krankenhausaufenthalte oder ähnliches, in die das Geld hätte fließen können. Und das die vielen Tausend Euro die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben, und monatlich weiter ansammeln, im Verwaltungsakt aufgebraucht wurden kanns ja auch nicht sein.

Aber um mal etwas vom Thema wegzukommen.... was bekommt ein Arzt für folgende Tätigkeiten?

- Versichertenkarte abgeben
- ca 40 Minuten Wartezimmernutzung
- Begrüssung des Arztes (simples Händeschütteln und der Satz "Guten Tag Frau Mustermann")
- 10 Euro einkassieren
- Fragen wo der Schuh drückt
- 2-3 Minuten Beschreibung der Symptome abwarten
- Blutdruck messen / oder abhören, je nach Erkrankung
- Überweisung/Rezept drucken
- Verabschiedung

Das Treffen mit dem Arzt dauert selten mehr als 5 Minuten. Derjenige, der die Überweisung bekam, der hatte mehr mit mir zu tun, von dem wurde ich nen ganzen Vormittag in die Mangel genommen. Untersuchungen ohne Ende mit Einsatz modernster Techniken. Nach einem Vormittag ist man dann gerädert, aber man weiß wenigstens was man hat. Dann wird man wieder in die Obhut des Hausarztes übergeben und man unterliegt wieder Schema F.
Und ich muss sagen, ich hab nicht erlebt, das es mir als Privatpatient besser ergangen ist. Es gab eine Zeit, da war ich durch meine Eltern noch Privat versichert. Auch dort gibts nur Schema F, nur das dieses teurer ist. Ich hätte einmal erleben wollen, das ich länger beim Arzt drin war als im Wartezimmer, aber egal ob Privat oder nicht Privatpatient, länger als 8 Minuten waren es nie.

Trotzdem erwarte ich nicht das ich auf die Kosten vom Arzt oder anderen behandelt werde. Ich erwarte das der Arzt gut bezahlt wird, damit er sich und seine Angestellten bezahlen kann und die Praxis erhalten kann. Das Problem sind nicht die Ärzte sondern die Kassen, die Unsummen verschlingen. So wie oben geschildert gehts doch vielen. Solang sie jung sind und gesund, zahlen sie viel ein, Monat für Monat. Das Geld wird aber nicht für sie zurück gelegt sondern die machen sonstwas damit, und wenn derjenige das dann benötigt ist nix mehr da. Man müsste den Kassen den Vorwurf machen und nicht den Ärzten. Vielleicht liegts ja auch an was ganz anderem....
Zuletzt geändert von KratzeKatze am Freitag 23. März 2012, 09:00, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Olifant »

KratzeKatze » Fr 23. Mär 2012, 09:57 hat geschrieben:Das Problem sind nicht die Ärzte sondern die Kassen, die Unsummen verschlingen.
Nein, allen Akteuren im gesundheitsbereich geht's eigentlich blendend. Der Verteilungskampf geht immer nur um die Frage, wie die in jedem Jahr immensen Zuwächse verteilt werden.
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Olifant »

Wie ich bereits sagte... Die Ärzte jammern auf höchstem Niveau...

http://www.spiegel.de/karriere/berufsst ... 59,00.html
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Re: Ärztedilemma

Beitrag von Mark7 »

Da gebe ich "olifant" recht!! :thumbup:
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