Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Moderator: Moderatoren Forum 3

Senexx

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Europa2050 hat geschrieben:(20 Jul 2018, 08:29)

Weiß nicht.

Also (nur zum Beispiel) ich würde mich von einem Liberalen aus Portugal besser vertreten fühlen, als von einem Linken aus Berlin.
Vorausgesetzt, der genannte Politiker wäre in erster Linie Liberaler und nicht Portugiese.
Der Liberale aus Portugal weiß im Zweifel noch nicht einmal, wo Ihr Wahkreis liegt und welche Problem der hat. Diese Vorstellung ist Traumtänzerei.
Benutzeravatar
H2O
Beiträge: 48828
Registriert: Sonntag 13. September 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(20 Jul 2018, 08:26)

Europa-Listen fördern die Entfremdung zwischen EU und Bürgern. Wenn da irgendwelche Abgeordnete aus Randregionen draufstehen, die man nicht kennt, die man nicht verstehen kann, die man nicht einschätzen kann. Eine Pesönlichkeitswahl wie in den USA ohne Landeslisten wäre viel sinnvoller.

Aber die EU setzt ja darauf, die Entfremdung immer weiter zu vergrößern.
Das ist auch meine Befürchtung. Man müßte die Parteilisten weiterhin mit nationalen Bewerbern national wählen können, aber die europaweite Partei müßte für ein gemeinsam verabschiedetes Programm stehen, das die nationalen Bewerber dann i ihren Ländern vertreten.

Die Folge davon wird die degressive Stimmenzuordnung je Partnerstaat bleiben: Ein EU-Abgeordneter aus Malta vertritt im Parlament (Spielzahl!) 100.000 Bewohner Maltas, ein deutscher Abgeordneter über 800.000. Dafür gibt es nur wenige Abgeordnete aus Malta., aber immerhin gibt es sie. Bei 1 Wahlberechtigter gleich 1 Stimmgewicht wäre das vermutlich nicht mehr gesichert. Ich meine, wenn das klar erkannt ist, dann kann man mit den unterschiedlichen Stimmengewichten leben.
Benutzeravatar
H2O
Beiträge: 48828
Registriert: Sonntag 13. September 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Senexx hat geschrieben:(20 Jul 2018, 08:35)

Der Liberale aus Portugal weiß im Zweifel noch nicht einmal, wo Ihr Wahkreis liegt und welche Problem der hat. Diese Vorstellung ist Traumtänzerei.
So gerne ich dem Kollegen Europa2050 zustimmen würde... da hat der Kollege Senexx wohl Recht.
Aber wer oder was hindert den Kollegen Europa2050, einen liberalen Bewerber aus Deutschland ins EU-Parlament zu entsenden?

Der Plan des Kollegen Europa2050 könnte sich eines sehr fernen Tages erfüllen, wenn man auf 1 Mann gleich 1 Stimmgewicht mit europaweiten Parteien übergehen könnte. Warum soll dann nicht ein sehr freundlicher Liberaler aus Portugal viel Zustimmung in Deutschland finden. Dann müssen die Wähler aber auch diesen Abgeordneten verstehen, in Finnland, Griechenland und Ungarn so wie in Portugal und Irland... die gemeinsame Umgangssprache fehlt uns Europäern eben. Das bleibt noch für Jahrhunderte unsere Besonderheit, die uns zu besonderen politischen Gemeinschaftslösungen nötigt.
Welfenprinz
Beiträge: 8710
Registriert: Sonntag 6. Juli 2008, 19:55
user title: Nec aspera terrent
Wohnort: wo eigentlich die marienburg stehen sollte

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Welfenprinz »

Ihre Behauptungen sind falsch
Genauso wie H2O das erklärt,hab ich das mal auf einer Versammlung vom EU -Referenten der LWK Hannover gehört. Also ,der Mann vor Ort hat uns mal so von ganz klein auf für dummies erzählt,wie so ein EU Gesetz ,über das nachher alle schimpfen :D ,überhaupt entsteht.

Initiative Nationalregierungen,Umsetzungen Kommission.
Der hat das Bild eines “schwarzen Brettes“ gebraucht,an dem jeder(Nationalstaat) einen quasi Wunschzettel :p dran pinnt,und dann werden die Zettel (von der Kommission) abgenommen und ausgewertet.
Sterben kann nicht so schlimm sein,sonst würden es nicht so viele tun.
Lt. griinpissstudien stirbt eine Ratte, wenn ihr ein 200l-Fass Glyphosat auf den Kopf fällt.
Benutzeravatar
H2O
Beiträge: 48828
Registriert: Sonntag 13. September 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Welfenprinz hat geschrieben:(20 Jul 2018, 09:07)

Genauso wie H2O das erklärt,hab ich das mal auf einer Versammlung vom EU -Referenten der LWK Hannover gehört. Also ,der Mann vor Ort hat uns mal so von ganz klein auf für dummies erzählt,wie so ein EU Gesetz ,über das nachher alle schimpfen :D ,überhaupt entsteht.

Initiative Nationalregierungen,Umsetzungen Kommission.
Der hat das Bild eines “schwarzen Brettes“ gebraucht,an dem jeder(Nationalstaat) einen quasi Wunschzettel :p dran pinnt,und dann werden die Zettel (von der Kommission) abgenommen und ausgewertet.
Vermutlich wird heute der Präsident des Ministerrats, derzeit Herr Tusk, diese Wunschzettel einsammeln und auswerten. Denn ohne gemeinsame Beratung im Ministerrat geht doch kein Wunsch nach einem Gesetz an die Kommission. Herr Tusk wird also zu einer Sitzung des EU-Ministerrats einladen und die Tagesordnung dafür anhand der Wunschzettel zusammenstellen. Danach kann der Ministerrat die Kommission beauftragen, einen Gesetzestext an zu fertigen.
Benutzeravatar
Julian
Beiträge: 9704
Registriert: Dienstag 5. Januar 2016, 00:38

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Julian »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 08:38)
Die Folge davon wird die degressive Stimmenzuordnung je Partnerstaat bleiben: Ein EU-Abgeordneter aus Malta vertritt im Parlament (Spielzahl!) 100.000 Bewohner Maltas, ein deutscher Abgeordneter über 800.000. Dafür gibt es nur wenige Abgeordnete aus Malta., aber immerhin gibt es sie. Bei 1 Wahlberechtigter gleich 1 Stimmgewicht wäre das vermutlich nicht mehr gesichert. Ich meine, wenn das klar erkannt ist, dann kann man mit den unterschiedlichen Stimmengewichten leben.
Man kann damit nur leben, wenn man auf demokratische Prozesse nicht so viel Wert legt. Es ist höchst undemokratisch, wenn die Stimme eines Bürgers zehnmal so viel Gewicht hat wie die eines anderen.

Es wurde ja immer wieder bestritten, dass die EU ein demokratisches Defizit habe. Das unterschiedliche Stimmengewicht ist ein Beispiel dafür.
Victrix causa deis placuit, sed victa Catoni
watisdatdenn?
Beiträge: 4370
Registriert: Donnerstag 19. Juni 2008, 15:08

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von watisdatdenn? »

Brainiac hat geschrieben:(20 Jul 2018, 07:52)
Dann verstehe ich dich recht, dass du für echte europaweite Listen / Parteien und Wahlkämpfe eintrittst, die dann ein EU-Parlament wählen, aus dem dann wiederum eine echte, solcherart vom europäischen Volk gewählte EU-Regierung resultiert? Mit allen aktiven legislativen Befugnissen beim EU-Parlament analog zum deutschen Bundestag für Deutschland?
Genau!

Eine kleine Geschichte dazu:
Ich habe vor etwa einem Jahr mit Engländern gesprochen die für Brexit gestimmt haben.
Neben der Angst Flüchtlinge aufzunehmen und die Nettokosten für UK war auch der Ärger über die undemokratische Struktur der EU (EU Kommission) genau ein Argument, welches sie zu ihrer Wahl veranlasst hat.
Ich konnte das sehr gut nachvollziehen..
watisdatdenn?
Beiträge: 4370
Registriert: Donnerstag 19. Juni 2008, 15:08

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von watisdatdenn? »

Welfenprinz hat geschrieben:(20 Jul 2018, 09:07)
Initiative Nationalregierungen,Umsetzungen Kommission.
Der hat das Bild eines “schwarzen Brettes“ gebraucht,an dem jeder(Nationalstaat) einen quasi Wunschzettel :p dran pinnt,und dann werden die Zettel (von der Kommission) abgenommen und ausgewertet.
Ich finde das bildliche Beispiel gut.
Ich hab das so verstanden:

Das gute ist: Es darf nicht nur die ein Nationalstaat seine Wunschzettel dran pinnen, sondern auch das EU Parlament und sogar EU Bürger in einer europäischen Bürgerinitiative.
Soweit so gut!

Das Problem ist nun: Die EU Kommission kann mit den Wunschzetteln auf der Pinnwand machen was sie will!
Sie kann sich damit das schmutzige Hinternteil säubern, darüber philosophieren, oder eben darauf basierend einen konkreten Gesetzesvorschlag erarbeiten und zur Abstimmung bringen.

Das Problem für den europäischen Rat, für das Parlament und die europäischen Bürger ist, dass sie nur Wunschzettel schreiben können um ein neues EU Gesetz zu starten, die ebenso verbindlich für die EU Kommission wie echte Wunschzettel sind!
Welfenprinz
Beiträge: 8710
Registriert: Sonntag 6. Juli 2008, 19:55
user title: Nec aspera terrent
Wohnort: wo eigentlich die marienburg stehen sollte

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Welfenprinz »

watisdatdenn? hat geschrieben:(20 Jul 2018, 10:12)



Das Problem ist nun: Die EU Kommission kann mit den Wunschzetteln auf der Pinnwand machen was sie will!
Sie kann sich damit das schmutzige Hinternteil säubern, darüber philosophieren, oder eben darauf basierend einen konkreten Gesetzesvorschlag erarbeiten.

!

Gut,das kann ich nicht beurteilen. Berücksichtigen muss man wohl ,dass am Ende 27 Vorstellungen untergebracht sein wollen.Da mag wohl mancher konstatieren,dass von seinen eigenen Vorstellungen doch gar nix mehr zu erkennen ist.

Eine Schwäche mag weiterhin sein,dass die Kommissionsbesetzung durch die Person(Nation) eine Amtszeit sehr stark richtungsprägt. Ein EU Agrarkommissar(sorry,aber Agrar ist nun mal DAS gemeinsame Politikfeld der EU seit 1963) Fischler aus Österreich (ciolos,Rumänien) setzen tatsächlich ganz andere Akzente und Richtungen als der Holländer Andriesen oder der Ire Hogan. Darunter leiden natürlich langfristig Kontinuität und Verlässlichkeit. Hier könnte ich mir schon en detail eine Verbesserung vorstellen dahingehend,dass Grundsätze formuliert werden,die über der Person(Nation) stehen.

Auch die Kritik an der Rolle des EU-Parlaments finde ich grundsätzlich berechtigt. Es war 1979,ich war stolzer Erstwähler und ich habe(war es im Juni?) das erste EU Parlament mitgewählt. :p

Das ist 40Jahre her. Gut,dass es am Anfang eine reine Statistenveranstaltung war,war irgendwie hinnehmbar. Hauptsache ein Anfang.

Aber inzwischen muss man sagen,dass da in der Entwicklung einer starken Funktion des Parlaments in 40 Jahren durchaus hätte mehr passieren müssen.
Gerade wegen der Erweiterungen auf 27 Staaten. Für deren gemeinsame Willensbildung ist die Konstruktion aus Rat und Kommission nicht mehr so gut geeignet.
Sterben kann nicht so schlimm sein,sonst würden es nicht so viele tun.
Lt. griinpissstudien stirbt eine Ratte, wenn ihr ein 200l-Fass Glyphosat auf den Kopf fällt.
Humelix33
Beiträge: 420
Registriert: Sonntag 28. Mai 2017, 21:37

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Humelix33 »

Die EU Kommission tut nur Dienst nach Vorschrift, von daher wäre eine Reform gleichbedeutend mit dem Ende der Vereinigten Staaten von Europa. Es ist seit dem Lissabonvertrag nunmal vorgesehen, dass die Kommission stetig neue Gesetze prüft und zur Beschlussvorlage vorlegt, die mehr und mehr nationalen Gesetze damit aushebeln werden.

Die Bevölkerung der EU muss entscheiden was sie will, Viele wissen einfach nicht, dass nationale Parlamente irgendwann vollständig unnütz sein werden, und alles in Brüssel entschieden werden soll.

Der Zuspruch, der, trotz sinkender Zahlen, immer noch halbwegs da ist, beruht daher auch bei nicht wenigen Leuten auf das alte EU Bild oder die "alte" EU, vor dem Lissabonvertrag z.B. . Wenn man mit den Menschen darüber spricht, was da wirklich zukommt, ist die Zustimmung an einer Hand abzuzählen.

Das, was jetzt an Kritik und Widerstand zu sehen ist wird in naher Zukunft, als Kindergeburtstag gelten, es wird erst richtig losgehen.
Benutzeravatar
H2O
Beiträge: 48828
Registriert: Sonntag 13. September 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Immer wieder der gleiche Irrtum: Die EU-Kommission ist der Befehlsempfänger des EU-Ministerrats, hat also keinerlei Befugnis, ein Gesetz vor zu schlagen, das nicht im EU-Ministerrat besprochen und beauftragt wurde. Auftragnehmer für die vertragsgerechte Formulierung ist die EU-Kommission. Die allermeisten Gesetze werden durch Ratifizierung zu nationalen Gesetzen, schon damit Gerichtsurteile in den Mitgliederstaaten so ungefähr die selben Grundlagen haben.

Ich bin verblüfft, mit wie wenig Kenntnissen dieser Abläufe hier so verärgert über die EU gesprochen wird. Ich gehe davo aus, daß hier noch eine hinsichtlich solcher Kenntnisse besonders gut aufgestellte Teilnehmerschaft versammelt ist. So gesehen verstehe ich auch die Empfänglichkeit vieler Mitbürger für sinnbefreites Geschimpfe auf die EU.
Benutzeravatar
Orbiter1
Beiträge: 9111
Registriert: Freitag 23. Februar 2018, 13:25

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Orbiter1 »

Humelix33 hat geschrieben:(20 Jul 2018, 10:37)

Die EU Kommission tut nur Dienst nach Vorschrift, von daher wäre eine Reform gleichbedeutend mit dem Ende der Vereinigten Staaten von Europa. Es ist seit dem Lissabonvertrag nunmal vorgesehen, dass die Kommission stetig neue Gesetze prüft und zur Beschlussvorlage vorlegt, die mehr und mehr nationalen Gesetze damit aushebeln werden.

Die Bevölkerung der EU muss entscheiden was sie will, Viele wissen einfach nicht, dass nationale Parlamente irgendwann vollständig unnütz sein werden, und alles in Brüssel entschieden werden soll.

Der Zuspruch, der, trotz sinkender Zahlen, immer noch halbwegs da ist, beruht daher auch bei nicht wenigen Leuten auf das alte EU Bild oder die "alte" EU, vor dem Lissabonvertrag z.B. . Wenn man mit den Menschen darüber spricht, was da wirklich zukommt, ist die Zustimmung an einer Hand abzuzählen.

Das, was jetzt an Kritik und Widerstand zu sehen ist wird in naher Zukunft, als Kindergeburtstag gelten, es wird erst richtig losgehen.
Das ist vielleicht in ihrem Paralleluniversum so, im richtigen Universum weiß die EU dass es ein ungefragtes weiter so nicht gibt. Deswegen wurden von der EU-Kommission ja auch 5 zukünftige Szenarien zur Diskussion gestellt und man wird sehen wie sich die Mitgliedsländer entscheiden werden.

1) Weiter wie bisher:
Die Europäische Union konzentriert sich auf die Umsetzung ihrer positiven Reformagenda.

2) Schwerpunkt Binnenmarkt:
Die Europäische Union wird schrittweise wieder auf den Binnenmarkt ausgerichtet.

3) Wer mehr will, tut mehr:
Die Europäische Union ermöglicht es Mitgliedstaaten, die dies wünschen, in bestimmten Bereichen mehr gemeinsam zu machen.

4) Weniger, aber effizienter:
Die EU27 konzentriert sich darauf, in ausgewählten Politikbereichen rascher mehr Ergebnisse zu erzielen, unternimmt in anderen Bereichen aber weniger.

5) Viel mehr gemeinsames Handeln:
Die Mitgliedstaaten beschließen, auf allen Politikfeldern viel mehr gemeinsam zu machen.

Ich vermute Szenario 3 kommt zur Umsetzung, oder auch der komplette Zerfall der EU. Die Briten haben sich ja bereits für den Ausstieg entschieden und einige Länder sind nur noch auf dem Papier MItglied der EU, mißachten aber die Werte zu denen sie sich verpflichtet haben aufs Gröbste und haben deswegen in der EU auch nichts verloren.
Benutzeravatar
Julian
Beiträge: 9704
Registriert: Dienstag 5. Januar 2016, 00:38

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Julian »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 10:51)

Immer wieder der gleiche Irrtum: Die EU-Kommission ist der Befehlsempfänger des EU-Ministerrats, hat also keinerlei Befugnis, ein Gesetz vor zu schlagen, das nicht im EU-Ministerrat besprochen und beauftragt wurde. Auftragnehmer für die vertragsgerechte Formulierung ist die EU-Kommission. Die allermeisten Gesetze werden durch Ratifizierung zu nationalen Gesetzen, schon damit Gerichtsurteile in den Mitgliederstaaten so ungefähr die selben Grundlagen haben.

Ich bin verblüfft, mit wie wenig Kenntnissen dieser Abläufe hier so verärgert über die EU gesprochen wird. Ich gehe davo aus, daß hier noch eine hinsichtlich solcher Kenntnisse besonders gut aufgestellte Teilnehmerschaft versammelt ist. So gesehen verstehe ich auch die Empfänglichkeit vieler Mitbürger für sinnbefreites Geschimpfe auf die EU.
Lesen Sie doch bitte noch einmal über die Befugnisse der Europäischen Kommission nach. Neben exekutiven Funktionen hat die Kommission auch legislative Funktionen. Beispielsweise hat sie allein das Initiativrecht, d.h. nur die Kommission kann europäische Gesetzesvorhaben initiieren. Damit ist sie eine machtvolle, demokratisch nicht legitimierte Behörde.
Victrix causa deis placuit, sed victa Catoni
Benutzeravatar
H2O
Beiträge: 48828
Registriert: Sonntag 13. September 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Julian hat geschrieben:(20 Jul 2018, 11:34)

Lesen Sie doch bitte noch einmal über die Befugnisse der Europäischen Kommission nach. Neben exekutiven Funktionen hat die Kommission auch legislative Funktionen. Beispielsweise hat sie allein das Initiativrecht, d.h. nur die Kommission kann europäische Gesetzesvorhaben initiieren. Damit ist sie eine machtvolle, demokratisch nicht legitimierte Behörde.
Diesen Schwachsinn dürfen Sie gern noch öfter wiederholen. Ich werde nicht müde, Ihnen zu widersprechen. Die Behörde ist Befehlsempfänger und Rechtsabteilung des EU-Ministerrats. Sie fertigt auf seinen Befehl hin angeforderte Gesetze aus, die rechtlich zum Vertragswesen der EU passen. In Wirklichkeit sind das aber Menschen, die mit guten Umgangsformen ziemlich geräuschlos entlang bestehender Regeln ihre Arbeit machen.
watisdatdenn?
Beiträge: 4370
Registriert: Donnerstag 19. Juni 2008, 15:08

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von watisdatdenn? »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 11:45)
Die Behörde ist Befehlsempfänger und Rechtsabteilung des EU-Ministerrats.
Dieses Sachthema müsste sich doch klären lassen.
So wie ich verstanden hatte sind das keine auszuführenden Befehle sondern eben unverbindliche Wunschzettel.

Also mal schauen wer hier als erstes den entsprechenden Artikel im Vertragswerk postet und wer dadurch etwas dazulernen darf (hoffentlich wir alle :thumbup:)
watisdatdenn?
Beiträge: 4370
Registriert: Donnerstag 19. Juni 2008, 15:08

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von watisdatdenn? »

Art. 225
(ex-Artikel 192 Absatz 2 EGV)

Das Europäische Parlament kann mit der Mehrheit seiner Mitglieder die Kommission auffordern, geeignete Vorschläge zu Fragen zu unterbreiten, die nach seiner Auffassung die Ausarbeitung eines Unionsakts zur Durchführung der Verträge erfordern. Legt die Kommission keinen Vorschlag vor, so teilt sie dem Europäischen Parlament die Gründe dafür mit.
https://dejure.org/gesetze/AEUV/225.html
Art. 241
(ex-Artikel 208 EGV)

Der Rat, der mit einfacher Mehrheit beschließt, kann die Kommission auffordern, die nach seiner Ansicht zur Verwirklichung der gemeinsamen Ziele geeigneten Untersuchungen vorzunehmen und ihm entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Legt die Kommission keinen Vorschlag vor, so teilt sie dem Rat die Gründe dafür mit.
https://dejure.org/gesetze/AEUV/241.html

Hervorhebung durch mich.

Die Kommission darf sich mit der schriftlichen Aufforderung des europäischen Rates (oder des EU-Parlamentes) also den Hintern abwischen, muss aber erklären warum sie keinen Gesetzesvorschlag daraus gemacht hat.

Die Frage die sich mir dabei stellt ist, ob dafür die Begründung der Kommission "das Klopapier war aus, also mussten wir ihre schriftliche Aufforderung Zweckentfremden" an den europäischen Rat ausreichend wäre. :D

So wie ich das sehe wäre das rechtlich gesehen nach Art. 241 AEUV tatsächlich ausreichend (wenn auch sehr unhöflich).
Benutzeravatar
H2O
Beiträge: 48828
Registriert: Sonntag 13. September 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

watisdatdenn? hat geschrieben:(20 Jul 2018, 12:09)

Zack die Bohne:


https://dejure.org/gesetze/AEUV/241.html

Hervorhebung durch mich.
Ich fürchte ich behalte hier Recht, habe also nichts dazugelernt :( .

Die Kommission darf sich mit dem Vorschlag des europäischen Rates also den Hintern abwischen, muss aber erklären warum sie keinen Gestzesvorschlag daraus gemacht hat.

Die Frage die sich mit dabei stellt ist, ob dafür die Begründung "das Klopapier war aus, also mussten wir ihre schriftliche Aufforderung Zweckentfremden" an den europäischen Rat ausreichend wäre.
So wie ich das sehe wäre es das tatsächlich (wenn auch sehr unhöflich).
Auch dafür gibt es nachvollziehbare Gründe: Ein Gesetz muß natürlich dem Vertragswerk der EU entsprechen. Wenn das nicht gewährleistet ist, dann kann kein neues Gesetz gemacht werden, das bestehenden Gesetzen widerspricht. Das werden Kommission und Ministerrat sicher einvernehmlich klären.

Noch einmal: Die Kommission macht aus Gesetzesvorschlägen des Ministerrats (nicht aus einzelnen Wunschzetteln einzelner Regierungschefs!) ein vertragstreues Gesetz. Dazu ist sie mit geeignetem rechtskundigem Personal aus ganz Europa ausgestattet. Solche Gesetze werden in den nationalen Parlamenten ratifiziert und damit in den nationalen Gesetzesvorrat überführt. Wo ist nun der Mangel an Demokratie?

Die Befugnisse der EU könnten nach nunmehr über 60 Jahren sicher anders verteilt werden. Dazu müßten aber unsere Nationalstaaten wesentliche Hoheitsrechte abgeben: Außenpolitik und Streitkräfte, innere Sicherheit und Grenzüberwachung an den Außengrenzen, Finanzen und Wirtschaft der Gemeinschaft könnten einer gemeinsamen Führung anvertraut werden. Das EU -Parlament könnte in diesen Bereichen als Gesetzgeber auftreten, der EU-Ministerrat als zweite Kammer zur Überprüfung der Gemeinschaftsgesetze auf Nachteile für die einzelnen Nationalstaaten mit zeitlich begrenztem Veto-Recht. Ach, könnte das alles schön sein... aber so, wie wir es heute erreicht haben, das ist doch auch nicht sooo schlecht! :)
Benutzeravatar
Julian
Beiträge: 9704
Registriert: Dienstag 5. Januar 2016, 00:38

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Julian »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 14:27)
Noch einmal: Die Kommission macht aus Gesetzesvorschlägen des Ministerrats (nicht aus einzelnen Wunschzetteln einzelner Regierungschefs!) ein vertragstreues Gesetz. Dazu ist sie mit geeignetem rechtskundigem Personal aus ganz Europa ausgestattet. Solche Gesetze werden in den nationalen Parlamenten ratifiziert und damit in den nationalen Gesetzesvorrat überführt. Wo ist nun der Mangel an Demokratie?
Sie zielen offenbar auf Richtlinien ab. Es gibt jedoch auch EU-Verordnungen; diese sind unmittelbar geltendes Recht und müssen nicht von den nationalen Parlamenten ratifiziert, sondern ohne Aufmucken umgesetzt werden. Damit werden die Demokratien in den Mitgliedsstaaten ausgehebelt.
Victrix causa deis placuit, sed victa Catoni
Benutzeravatar
Alexyessin
Ehrenpräsident
Beiträge: 97082
Registriert: Donnerstag 17. November 2011, 22:16
user title: Phönix
Wohnort: wo´s Herzal is

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Alexyessin »

Julian hat geschrieben:(20 Jul 2018, 15:28)

Sie zielen offenbar auf Richtlinien ab. Es gibt jedoch auch EU-Verordnungen; diese sind unmittelbar geltendes Recht und müssen nicht von den nationalen Parlamenten ratifiziert, sondern ohne Aufmucken umgesetzt werden. Damit werden die Demokratien in den Mitgliedsstaaten ausgehebelt.
Aber du hast eins vergessen - sie müssen durchaus von demokratisch gewählten Politikern ins Leben gerufen werden. Und - du kannst natürlich dagegen klagen. Somit ist das "ohne Aufmucken" nicht richtig.
Auf der anderen Seite kann ich durchaus deinen Einwand verstehen.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
Baier is ma ned so - Baier sei is a Lebenseinstellung
Mia glangt das i woas das i kennt wenn i woin dadat
Wähler
Beiträge: 9367
Registriert: Dienstag 25. Dezember 2012, 13:04
user title: Bürgerjournalismus
Wohnort: Bayern

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

Julian hat geschrieben:(20 Jul 2018, 15:28)
Sie zielen offenbar auf Richtlinien ab. Es gibt jedoch auch EU-Verordnungen; diese sind unmittelbar geltendes Recht und müssen nicht von den nationalen Parlamenten ratifiziert, sondern ohne Aufmucken umgesetzt werden. Damit werden die Demokratien in den Mitgliedsstaaten ausgehebelt.
http://www.bpb.de/internationales/europ ... tsbereiche
Bundesstiftung Politische Bildung 2009 Zuständigkeitsbereiche in der Europäischen Union
"In der Europäischen Union und bei den Mitgliedstaaten unterscheidet man drei Arten von Zuständigkeiten: Solche, die völlig in der Kompetenz der EU liegen, solche, die den Mitgliedstaaten vorbehalten ist, und jene, die EU und Mitgliedstaaten sich teilen."
Mit der Gesetzgebung auf europäischer Ebene ist es leider noch komplizierter. Es gibt auch in Kernbereichen der EU viele Rechtsakte, vor allem Verträge zwischen den EU-Mitgliedsstaaten, die gar kein Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene durchlaufen, sondern nur von den nationalen Parlamenten abgesegnet werden, zum Beispiel der ESM. Man bräuchte eine statistische Übersicht, welche Verfahren bei Rechtsakten und Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene bisher wie oft angewandt wurden.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
Benutzeravatar
H2O
Beiträge: 48828
Registriert: Sonntag 13. September 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Julian hat geschrieben:(20 Jul 2018, 15:28)

Sie zielen offenbar auf Richtlinien ab. Es gibt jedoch auch EU-Verordnungen; diese sind unmittelbar geltendes Recht und müssen nicht von den nationalen Parlamenten ratifiziert, sondern ohne Aufmucken umgesetzt werden. Damit werden die Demokratien in den Mitgliedsstaaten ausgehebelt.
Auch EU-Verordnungen sind kein welterschütterndes Ding, wie Sie hier nachlesen können:

https://europa.eu/european-union/eu-law/legal-acts_de

Sie werden dort finden, welche Art von Gesetz das ist... und vor allem, daß der Rat der EU zustimmen muß.

Ich finde, daß Sie nicht im luftleeren Raum herum fuchteln sollten, sondern ein besonders empörendes Beispiel nennen sollten, das nun wirklich an den Rechten der Nationalstaaten herum fuhrwerkt.

Um beim Beispiel der genannten Quelle zu bleiben: Es ist natürlich doof, die EU für die Gemeinschaft mit Handelsvereinbarungen zu beauftragen, wenn diese Verhandlungen nicht mit einem verbindlichen Rechtsakt für die Gemeinschaft enden dürfen. Dann hätte ja auch jeder Mitgliedsstaat selbst verhandeln können und auf seine Weise den gemeinsamen Markt steuern können. Mir fällt auf, daß diese Vorstellung etwas abwegig ist. Natürlich legt die EU-Kommission dem EU-Ministerrat das Verhandlungsergebnis vor. Wenn der dann kalte Füße bekommt, dann war die EU-Verordnung eben großer Käse. In einem Fall wollte die Wallonie maßgeblich darüber entscheiden, was für den EU-Binnenmarkt für 550 Mio Mitbürger verbindlich gelten sollte. Na, daraus wurde nichts... gar nichts.. TTIP wurde 3. Klasse beerdigt.

Also, wenn wir meckern, dann sollte das Gemeckere auch auf einen sachlichen Grund zurück gehen. Den kann ich aus eigener Kraft bei EU-Verordnungen nicht erkennen. Da muß ich um Mitarbeit bitten.

Unser Thema kann auch nicht sein, die bestehenden Regeln ungeprüft in allen Fällen gut zu heißen. Die Regeln sind zu ihrer Glanzzeit sicher in bester Absicht für die Gemeinschaft ersonnen worden. Aber in der Praxis setzen sie dann Rost an und führen zu Reibungsverlusten. Oder die EU getraut sich nicht, ihre eigenen Regeln an zu wenden, weil sie einem heftigen Streit ausweichen möchte. Das Vorgehen halte ich für einen Fehler. Der Umgang mit den Visegrad-Staaten ist dafür ein trauriges Beispiel, daß bestehende Verträge ganz schlicht nicht eingeklagt werden, und daß man hinnimmt, daß gültige Voraussetzungen für eine EU-Mitgliedschaft kaltschnäuzig im Nationalstaat kassiert werden. Kein Wunder, daß nun weitere "Unbotmäßigkeiten" zum gern geübten Regelbruch werden.

Der EU Ministerrat ist schlicht zu feige, die Gemeinschaft beherzt gegen ihre Zerstörer zu verteidigen. Die EU-Kommission kann nur auf Vertragsbrüche hinweisen und auch den EuGH als "Verfassungsorgan" um ein Urteil bitten. Wer hätte vor 20 Jahren auch an solche Quertreibereien gedacht und entsprechende Abwehrwerkzeuge der Gemeinschaft überlegen sollen?
Benutzeravatar
Julian
Beiträge: 9704
Registriert: Dienstag 5. Januar 2016, 00:38

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Julian »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 16:53)

Auch EU-Verordnungen sind kein welterschütterndes Ding, wie Sie hier nachlesen können:

https://europa.eu/european-union/eu-law/legal-acts_de

Sie werden dort finden, welche Art von Gesetz das ist... und vor allem, daß der Rat der EU zustimmen muß.

Ich finde, daß Sie nicht im luftleeren Raum herum fuchteln sollten, sondern ein besonders empörendes Beispiel nennen sollten, das nun wirklich an den Rechten der Nationalstaaten herum fuhrwerkt.
Sie hatten behauptet, dass die nationalen Parlamente die Gesetze ratifizieren müssten. Nein, das müssen sie nicht; auf nationaler Ebene reicht es, wenn Frau Merkel die Verordnung abnickt.

Die europäischen Prozesse sind höchst komplex und intransparent; das zeigt ja auch unsere Diskussion hier. Es gibt keine europäische Öffentlichkeit, die diese Prozesse begleitet. Das Europäische Parlament ist an Bürgerferne und Verantwortungslosigkeit nicht zu übertreffen; es stellt eher eine Versorgung von Politikern dar, die man in den jeweiligen Nationalstaaten nicht mehr braucht oder die schlicht zu unqualifiziert sind.

Bei europäischen Gesetzesvorhaben merken die Bürger deswegen erst, was los ist, wenn es zu spät ist.
Victrix causa deis placuit, sed victa Catoni
Benutzeravatar
Julian
Beiträge: 9704
Registriert: Dienstag 5. Januar 2016, 00:38

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Julian »

Alexyessin hat geschrieben:(20 Jul 2018, 15:36)

Aber du hast eins vergessen - sie müssen durchaus von demokratisch gewählten Politikern ins Leben gerufen werden. Und - du kannst natürlich dagegen klagen. Somit ist das "ohne Aufmucken" nicht richtig.
Auf der anderen Seite kann ich durchaus deinen Einwand verstehen.
Die EU-Kommission ist nicht demokratisch gewählt. Und zustimmen muss auf nationaler Ebene in der Regel nur Frau Merkel.

Von der europäischen Judikative erwarte ich mir nichts, die sind so abgehoben und ideologisch gefestigt, dass sie im Zweifelsfall immer für eine Ausdehnung der Macht der europäischen versus der nationalen Institutionen kämpfen werden, und immer für mehr als für weniger Bürokratie.

Vom undemokratisch gewählten, bürgerfernen Europäischen Parlament brauchen wir wohl nicht zu sprechen. Welcher Bürger würde sich denn von denen repräsentiert fühlen? Gibt es hier einen einzigen im Forum, der die Debatten in jenem Parlament erfolgt oder mit seiner Arbeitsweise vertraut ist?

Man sieht ja, wie es bei der Datenschutzverordnung gegangen ist. Eine einzige Katastrophe. Diese völlig bürgerfernen Leute in Brüssel und Straßburg meinen wohl, jeder kleine Betrieb hätte die Zeit, den ganzen ideologischen Mist, der da fabriziert wurde, zu lesen und umzusetzen.
Victrix causa deis placuit, sed victa Catoni
Benutzeravatar
Tom Bombadil
Beiträge: 81789
Registriert: Samstag 31. Mai 2008, 16:27
user title: Non Soli Cedit

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Tom Bombadil »

Das Kernproblem der EU ist mMn., dass sie als reine Wirtschaftsunion an den Start ging und sie sich mit höchstkomplizierten Verfahren mit Trippelschrittchen in eine politische Union umwandeln will. Das wird glaube ich nicht gelingen, es braucht eine "große Lösung" mit Paukenschlag. Die USA fingen auch kleiner an, am Anfang 1776 waren es auch "nur" 13 Bundesstaaten, die die föderale Republik mit einer gewissen Unabhängigkeit der einzelnen Gliedstaaten ausriefen. Das sollte imho die Blaupause für die Vereinigten Staaten von Europa sein, mit einem demokratisch gewählten "Kongress" und einer demokratisch gewählten Regierung. Ich bin immer noch der Meinung, dass Frankreich, Benelux, Deutschland und evtl. noch Dänemark, die Keimzelle dieser Föderation sein sollten.
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
---
- Don't feed the trolls
- AgD=Alternative gegen Deutschland
- Diffamierer der Linken
Benutzeravatar
H2O
Beiträge: 48828
Registriert: Sonntag 13. September 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Julian hat geschrieben:(20 Jul 2018, 17:22)

Sie hatten behauptet, dass die nationalen Parlamente die Gesetze ratifizieren müssten. Nein, das müssen sie nicht; auf nationaler Ebene reicht es, wenn Frau Merkel die Verordnung abnickt.

Die europäischen Prozesse sind höchst komplex und intransparent; das zeigt ja auch unsere Diskussion hier. Es gibt keine europäische Öffentlichkeit, die diese Prozesse begleitet. Das Europäische Parlament ist an Bürgerferne und Verantwortungslosigkeit nicht zu übertreffen; es stellt eher eine Versorgung von Politikern dar, die man in den jeweiligen Nationalstaaten nicht mehr braucht oder die schlicht zu unqualifiziert sind.

Bei europäischen Gesetzesvorhaben merken die Bürger deswegen erst, was los ist, wenn es zu spät ist.
In der augenblicklichen Verfassung kann die EU gar nicht anders; was es bedeutet, wenn auf einem Seitenweg ein Nationalstaat mit seinen innenpolitischen Interessen in solche Verhandlungen für die Gemeinschaft hinein funkt, das haben die TTIP-Verhandlungen gezeigt: Ein voller Schuß in den Ofen. Aber der andere Egomane hätte dem ohnehin ein Ende gesetzt. Da pfeife ich auf Trauer!

Es klingt mir auch zu abwertend, daß die Kanzlerin "abnickt". Die könnte auch ihre Bedenken vortragen und mit dem Kopf schütteln. Dann gibt es die EU-Verordnung nicht.

Entweder wollen wir, daß die Gemeinschaft ein Erfolg wird, oder wir müssen darauf pfeifen. Ich bin klar jemand, der die Gemeinschaft voran bringen will. Sie offenbar nicht. Beides ist zugelassen und unterliegt einer Mehrheitsentscheidung unserer Mitbürger. Bisher sind mindestens 2/3 aller Mitbürger für die Fortentwicklung der EU. Das kann sich ändern, aber in beiden Richtungen.

Auf dem Wege sind konstruktive Vorschläge sicher willkommen.

Ich erinnere an die Antrittsrede von Herrn Tusk, als er als polnischer Ministerpräsident vor fast 10 Jahren die polnische EU-Präsidentschaft für ½ Jahr übernahm: "Pflegen wir diesen Schatz, unsere EU, damit wir nicht eines Tages beweinen, was wir zerstört haben." Die Briten nähern sich diesem Ereignis schon in großen Schritten.
Wähler
Beiträge: 9367
Registriert: Dienstag 25. Dezember 2012, 13:04
user title: Bürgerjournalismus
Wohnort: Bayern

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 18:20)
Entweder wollen wir, daß die Gemeinschaft ein Erfolg wird, oder wir müssen darauf pfeifen. Ich bin klar jemand, der die Gemeinschaft voran bringen will. Sie offenbar nicht. Beides ist zugelassen und unterliegt einer Mehrheitsentscheidung unserer Mitbürger. Bisher sind mindestens 2/3 aller Mitbürger für die Fortentwicklung der EU. Das kann sich ändern, aber in beiden Richtungen.
Mehr Integration zwischen den EU-Mitgliedsstaaten setzt ein mühsames Beackern geeigneter Politikfelder voraus: In der Sicherheits- und Verteidigungspolitik könnte es etwas vorangehen. Bei der Finanzpolitik gibt es eine intensive Auseinandersetzung um Begrenzung von Bankenrisiken und öffentliche Investitionsfonds. Bei der Flüchtlingspolitik hat der Handlungsdruck deutlich zugenommen. Die Handelspolitik, traditionelle eine Domaine von Brüssel, muss sich sinnvoll zwischen China und den USA positionieren.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
Benutzeravatar
Brainiac
Beiträge: 9240
Registriert: Donnerstag 30. Juni 2011, 11:41

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Brainiac »

watisdatdenn? hat geschrieben:(20 Jul 2018, 09:51)

Genau!

Eine kleine Geschichte dazu:
Ich habe vor etwa einem Jahr mit Engländern gesprochen die für Brexit gestimmt haben.
Neben der Angst Flüchtlinge aufzunehmen und die Nettokosten für UK war auch der Ärger über die undemokratische Struktur der EU (EU Kommission) genau ein Argument, welches sie zu ihrer Wahl veranlasst hat.
Ich konnte das sehr gut nachvollziehen..
Das ist jetzt ein Witz, oder.
Welches Land hat sich denn all die Jahre gegen jegliche Kompetenzabgabe und insbesondere gegen die Befugnisse des EU-Parlaments gewehrt.
Denn das EU-Parlament hat in Großbritannien nicht viele Freunde. Für die Euroskeptiker ist es der lebende Beweis, dass sich Brüssel Kompetenzen anmaßt, die allein dem britischen Unterhaus gehören sollten.
https://www.welt.de/politik/ausland/art ... hnung.html

Und jetzt kritisiert und verlässt man die EU, weil den dortigen Institutionen demokratisch legitimierte Kompetenzen fehlen, die man ihnen jahrelang nicht zugestehen wollte? Cooler Trick. :dead:

Davon ab, schön, dass wir hier mal einer Meinung sind.
History doesn't repeat itself, but it often rhymes (Twain). Unfortunately, we can't predict the rhyme.
Benutzeravatar
H2O
Beiträge: 48828
Registriert: Sonntag 13. September 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(20 Jul 2018, 18:31)

Mehr Integration zwischen den EU-Mitgliedsstaaten setzt ein mühsames Beackern geeigneter Politikfelder voraus: In der Sicherheits- und Verteidigungspolitik könnte es etwas vorangehen. Bei der Finanzpolitik gibt es eine intensive Auseinandersetzung um Begrenzung von Bankenrisiken und öffentliche Investitionsfonds. Bei der Flüchtlingspolitik hat der Handlungsdruck deutlich zugenommen. Die Handelspolitik, traditionelle eine Domaine von Brüssel, muss sich sinnvoll zwischen China und den USA positionieren.
Das alles ist nur zu wahr! Aber was tun, wenn die persönliche Eitelkeit von Politikern dazu führt, daß 27 Regierungschefs mit Herrn Trump oder Herrn Putin oder dem Oberchinesen in Privataudienz sprechen wollen und sie auf jeden Fall auch auf der G20 und der G7 (8) in Person anwesend sein müssen? In einer Mannschaft muß schon jeder Mitspieler mannschaftsdienlich spielen. 28 Mittelstürmer, das haut nicht so richtig hin.

Ich stelle mir jetzt einmal einen EU Ministerrat vor, der die von Ihnen angesprochenen Politikfelder vereinbaren soll. Dann kommen sie mehrheitlich (qualifizierte Mehrheit) zu einem Beschluß, und dann büxt irgendein besonders eitler... oder gleich mehrere davon... aus, macht sein eigenes Ding. Auf diese Hackordnung müßte der Hühnerhaufen sich erst einmal einigen. Is nich wegen geht nich.

Die erste gute Tat wäre doch, daß der Ministerrat einen Obersten Chef für vielleicht 4 Jahre wählt, der für sie überall vorturnt, dessen Amtszeit sie bei Eignung immer weiter ausdehnen können. Warum also nicht Frau Merkel oder Herrn Macron mit ihrer Hausmacht im Rücken? Und eben keinen Herrn Junker mit dem Großherzogtum Luxemburg als Hausmacht. So viel Abgeklärtheit und Vertrauen muß schon sein.

Fromme Wünsche...
watisdatdenn?
Beiträge: 4370
Registriert: Donnerstag 19. Juni 2008, 15:08

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von watisdatdenn? »

Brainiac hat geschrieben:(20 Jul 2018, 18:57)
Welches Land hat sich denn all die Jahre gegen jegliche Kompetenzabgabe und insbesondere gegen die Befugnisse des EU-Parlaments gewehrt.

[...]

Davon ab, schön, dass wir hier mal einer Meinung sind.
Ich seh es mal positiv:

Wenn jetzt die UK draußen sind, sollte es ja kein Problem mehr sein auf europäischer Ebene endlich(!) das Parlament zu stärken (Gesetzesinitiativrecht, Ausschüsse).
Wenn die vorhandenen europäischen Bürgerinitiativen dann auch noch verpflichtend werden wie in der Schweiz und zur europäischen Volksabstimmung führt, werde ich wieder zum glühenden Europäer!

Die demokratisch nicht legitimierte EU Kommission könnte man dann endlich auf den Müllhaufen der Geschichte entsorgen.
Wähler
Beiträge: 9367
Registriert: Dienstag 25. Dezember 2012, 13:04
user title: Bürgerjournalismus
Wohnort: Bayern

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(20 Jul 2018, 18:31)
Mehr Integration zwischen den EU-Mitgliedsstaaten setzt ein mühsames Beackern geeigneter Politikfelder voraus: In der Sicherheits- und Verteidigungspolitik könnte es etwas vorangehen. Bei der Finanzpolitik gibt es eine intensive Auseinandersetzung um Begrenzung von Bankenrisiken und öffentliche Investitionsfonds. Bei der Flüchtlingspolitik hat der Handlungsdruck deutlich zugenommen. Die Handelspolitik, traditionelle eine Domaine von Brüssel, muss sich sinnvoll zwischen China und den USA positionieren.
H2O hat geschrieben:(20 Jul 2018, 19:08)
Die erste gute Tat wäre doch, daß der Ministerrat einen Obersten Chef für vielleicht 4 Jahre wählt, der für sie überall vorturnt, dessen Amtszeit sie bei Eignung immer weiter ausdehnen können. Warum also nicht Frau Merkel oder Herrn Macron mit ihrer Hausmacht im Rücken? Und eben keinen Herrn Junker mit dem Großherzogtum Luxemburg als Hausmacht. So viel Abgeklärtheit und Vertrauen muß schon sein.
Mit Herrn Tusk, Frau Mogherini und dem Euro-Gruppenchef Herrn Centeno gibt es bereits drei Vorsitzer für jeweils 2 1/2 Jahre. Frankreich und Deutschland achten sehr genau darauf, wichtige Posten im Brüssler Maschinenraum zu besetzen. Die Möglichkeiten des Lissabon-Vertrages müssen nicht unbedingt erweitert werden, solange Frankreich und Deutschland ihrer gemeinsame Führungsaufgabe nicht ausreichend nachkommen. Dier Rolle der EU-Kommission ist ja eher vermittelnder Natur. Die Entscheidungen werden in den Ministerräten und im Parlament getroffen.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
Benutzeravatar
H2O
Beiträge: 48828
Registriert: Sonntag 13. September 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Wähler hat geschrieben:(21 Jul 2018, 07:37)

Mit Herrn Tusk, Frau Mogherini und dem Euro-Gruppenchef Herrn Centeno gibt es bereits drei Vorsitzer für jeweils 2 1/2 Jahre. Frankreich und Deutschland achten sehr genau darauf, wichtige Posten im Brüssler Maschinenraum zu besetzen. Die Möglichkeiten des Lissabon-Vertrages müssen nicht unbedingt erweitert werden, solange Frankreich und Deutschland ihrer gemeinsame Führungsaufgabe nicht ausreichend nachkommen. Dier Rolle der EU-Kommission ist ja eher vermittelnder Natur. Die Entscheidungen werden in den Ministerräten und im Parlament getroffen.
Mein Ansatz war schon, daß die EU wichtige Außenkontakte mit einer einzigen Schnittstelle bedient, nicht mit 3 Oberkommissaren, einer Superkommissarin und 27 (28) Staatschefs. So kann man natürlich die EU sehr schön in 31 Parteien zerlegen. Halt, ich widerrufe. 27 Außenminister gibt es da ja auch noch, die die Binnenkontakte in der EU beackern. Macht also 58 aktive Schnittstellen! Ein allein der Eitelkeit von Politikern geschuldeter Wahnsinn! Damit sollte schleunigst Schluß gemacht werden.

Das war der EU auch klar, als sie die Funktion der Oberkommissarin
für Außenbeziehungen schuf. Die müßte aber von einem gestandenen Politiker mit Hausmacht ausgefüllt werden, und nicht mit einer höheren Verwaltungsbeamtin. Dieser Politiker muß die einzige aktive Schnittstelle der EU und ihrer Mitgliedsstaaten zur "Außenwelt" gelten. Das ist hier nicht als Kritik an der Kommissarin Mogherini zu verstehen. Das ist Kritik an der Aufstellung der EU und ihrer Nationalstaaten, die sich gegenseitig auch noch mit militärischen Ehren begrüßen... ein Operettenverein wie er im Buche steht!
Senexx

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Julian hat geschrieben:(20 Jul 2018, 17:31)
Von der europäischen Judikative erwarte ich mir nichts, die sind so abgehoben und ideologisch gefestigt, dass sie im Zweifelsfall immer für eine Ausdehnung der Macht der europäischen versus der nationalen Institutionen kämpfen werden, und immer für mehr als für weniger Bürokratie..
Wes' Brot ich fress', des' Lied ich sing.
Senexx

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Senexx »

Tom Bombadil hat geschrieben:(20 Jul 2018, 17:55)

Das Kernproblem der EU ist mMn., dass sie als reine Wirtschaftsunion an den Start ging und sie sich mit höchstkomplizierten Verfahren mit Trippelschrittchen in eine politische Union umwandeln will. Das wird glaube ich nicht gelingen, es braucht eine "große Lösung" mit Paukenschlag. Die USA fingen auch kleiner an, am Anfang 1776 waren es auch "nur" 13 Bundesstaaten, die die föderale Republik mit einer gewissen Unabhängigkeit der einzelnen Gliedstaaten ausriefen. Das sollte imho die Blaupause für die Vereinigten Staaten von Europa sein, mit einem demokratisch gewählten "Kongress" und einer demokratisch gewählten Regierung. Ich bin immer noch der Meinung, dass Frankreich, Benelux, Deutschland und evtl. noch Dänemark, die Keimzelle dieser Föderation sein sollten.
Ziemlich unausgegorenes und widersprüchliches, ahistorisches und realitätsfernes Gebräu haben Sie da angerührt. So schwer zu entwirren, dass mir die Kraft fehlt, dies im Einzelnen zu zerpflücken.

Sie sind auf dem Holzweg. Gleich auf mehreren.
Benutzeravatar
unity in diversity
Beiträge: 10327
Registriert: Sonntag 21. Dezember 2014, 09:18
user title: Links oben, unten rechts
Wohnort: Deutschland drunter & drüber

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von unity in diversity »

Senexx hat geschrieben:(21 Jul 2018, 09:16)

Ziemlich unausgegorenes und widersprüchliches, ahistorisches und realitätsfernes Gebräu haben Sie da angerührt. So schwer zu entwirren, dass mir die Kraft fehlt, dies im Einzelnen zu zerpflücken.

Sie sind auf dem Holzweg. Gleich auf mehreren.
Die Vereinigten Staaten sind wirtschaftlich, from coast to coast, nicht gerade einheitlich stark. Was sie verbindet, ist die Sprache und die Währung.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
Aus den USA.
Wähler
Beiträge: 9367
Registriert: Dienstag 25. Dezember 2012, 13:04
user title: Bürgerjournalismus
Wohnort: Bayern

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Wähler »

Wähler hat geschrieben:(21 Jul 2018, 07:37)
Mit Herrn Tusk, Frau Mogherini und dem Euro-Gruppenchef Herrn Centeno gibt es bereits drei Vorsitzer für jeweils 2 1/2 Jahre. Frankreich und Deutschland achten sehr genau darauf, wichtige Posten im Brüssler Maschinenraum zu besetzen. Die Möglichkeiten des Lissabon-Vertrages müssen nicht unbedingt erweitert werden, solange Frankreich und Deutschland ihrer gemeinsame Führungsaufgabe nicht ausreichend nachkommen. Dier Rolle der EU-Kommission ist ja eher vermittelnder Natur. Die Entscheidungen werden in den Ministerräten und im Parlament getroffen.
H2O hat geschrieben:(21 Jul 2018, 08:28)
Das war der EU auch klar, als sie die Funktion der Oberkommissarin
für Außenbeziehungen schuf. Die müßte aber von einem gestandenen Politiker mit Hausmacht ausgefüllt werden, und nicht mit einer höheren Verwaltungsbeamtin. Dieser Politiker muß die einzige aktive Schnittstelle der EU und ihrer Mitgliedsstaaten zur "Außenwelt" gelten. Das ist hier nicht als Kritik an der Kommissarin Mogherini zu verstehen. Das ist Kritik an der Aufstellung der EU und ihrer Nationalstaaten, die sich gegenseitig auch noch mit militärischen Ehren begrüßen... ein Operettenverein wie er im Buche steht!
Die deutsche Außenpolitik wird vor allem von der Schnittstelle BundeskanzlerIn gestaltet. Auf EU-Ebene übertragen bräuchte es dann einen Regierungschef, dessen Regierung vom EU-Parlament gewählt würde, sozusagen Herr Tusk und Herr Juncker in einer Person mit einer eigenen Regierungsmannschaft. Die EU-Kommission und die anderen hohen Kommissare bräuchte es dann nicht mehr. Eine solche tiefgreifende Reform der EU-Institutionen wären ohne einen Nachfolgevertrag für den Lissabon-Vertrag und Voksabstimmungen in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten nicht durchführbar. Ich sehe auf absehbare Zeit auch nicht eine breite europäische Öffentlichkeit oder gar eine politische Bewegung, die einen solchen historischen Prozess anstoßen könnte. Vielleicht muss die Krise noch tiefer werden, wie es in der Geschichte oft der Fall war.
siehe auch:
https://www.politico.eu/article/emmanue ... pe-future/
Zuletzt geändert von Wähler am Samstag 21. Juli 2018, 11:34, insgesamt 1-mal geändert.
Zeitungstexte bei Genios mit Bibliotheksausweis kostenlos: https://www.wiso-net.de/login?targetUrl=%2Fdosearch (Zugang auch bundesweit)
Benutzeravatar
unity in diversity
Beiträge: 10327
Registriert: Sonntag 21. Dezember 2014, 09:18
user title: Links oben, unten rechts
Wohnort: Deutschland drunter & drüber

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von unity in diversity »

Pulse of Europe, wäre eine Idee.
Aber solange die Mitgliedschaft nur aus zerstreuten Prozessoren besteht, kann man es in den Skat drücken.
Für jedes Problem gibt es 2 Lösungsansätze:
Den Falschen und den Unsrigen.
Aus den USA.
Benutzeravatar
Tom Bombadil
Beiträge: 81789
Registriert: Samstag 31. Mai 2008, 16:27
user title: Non Soli Cedit

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Tom Bombadil »

Senexx hat geschrieben:(21 Jul 2018, 09:16)

Gleich auf mehreren.
Wenn du das sagst :D
The tree of liberty must be refreshed from time to time with the blood of patriots and tyrants. It is its natural manure.
---
- Don't feed the trolls
- AgD=Alternative gegen Deutschland
- Diffamierer der Linken
Benutzeravatar
Alexyessin
Ehrenpräsident
Beiträge: 97082
Registriert: Donnerstag 17. November 2011, 22:16
user title: Phönix
Wohnort: wo´s Herzal is

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Alexyessin »

Julian hat geschrieben:(20 Jul 2018, 17:31)


Vom undemokratisch gewählten, bürgerfernen Europäischen Parlament brauchen wir wohl nicht zu sprechen.
Was ist an der Wahl des EU-Parlaments denn undemokratisch. Bitte dies mal genauer ausführen, danke.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
Baier is ma ned so - Baier sei is a Lebenseinstellung
Mia glangt das i woas das i kennt wenn i woin dadat
Benutzeravatar
Julian
Beiträge: 9704
Registriert: Dienstag 5. Januar 2016, 00:38

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Julian »

Alexyessin hat geschrieben:(21 Jul 2018, 11:34)

Was ist an der Wahl des EU-Parlaments denn undemokratisch. Bitte dies mal genauer ausführen, danke.
Das unterschiedliche Stimmgewicht, auch degressive Proportionalität genannt. Ein maltesischer Wähler hat ein größenordnungsmäßig zehnmal größeres Stimmgewicht als ein deutscher Wähler; das heißt die Wahl ist ungleich. Das ist mit einer demokratischen Wahl nicht vereinbar. Eine demokratische Wahl hat allgemein, unmittelbar, frei, geheim und gleich zu sein.
Victrix causa deis placuit, sed victa Catoni
Benutzeravatar
JJazzGold
Beiträge: 59902
Registriert: Montag 25. Mai 2009, 01:34
user title: L'État, c'est moi

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von JJazzGold »

Alexyessin hat geschrieben:(21 Jul 2018, 11:34)

Was ist an der Wahl des EU-Parlaments denn undemokratisch. Bitte dies mal genauer ausführen, danke.

So gänzlich unrecht hat er nicht, die degressive Proportionalität ist schon länger in Diskussion.
Die hat aber nichts mit “geheimen, oder freien Wahlen“ zu tun, sondern soll sicher stellen, dass die Parteienvielfalt auch kleiner Staaten im EU Parlament abgebildet werden kann, insofern wieder ein demokratischer Prozess. Trotz langjähriger Diskussion scheint bisher niemandem eine bessere Lösung eingefallen zu sein.
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.
Alexander Freiherr von Humboldt

https://www.youtube.com/watch?v=9FBu2rVuXGI
Benutzeravatar
Alexyessin
Ehrenpräsident
Beiträge: 97082
Registriert: Donnerstag 17. November 2011, 22:16
user title: Phönix
Wohnort: wo´s Herzal is

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Alexyessin »

Julian hat geschrieben:(21 Jul 2018, 11:41)

Das unterschiedliche Stimmgewicht, auch degressive Proportionalität genannt. Ein maltesischer Wähler hat ein größenordnungsmäßig zehnmal größeres Stimmgewicht als ein deutscher Wähler; das heißt die Wahl ist ungleich. Das ist mit einer demokratischen Wahl nicht vereinbar. Eine demokratische Wahl hat allgemein, unmittelbar, frei, geheim und gleich zu sein.
Nun, dann werfe mal einen Blick auf die USA oder unseren Bundesrat. Delawere hat genauso viele Stimmen im Senat wie Kalifornien. Und Bremen ist Bevölkerungstechnisch stärker vertreten als Nordrhein-Westfalen.
Natürlich ist aber dein Ansinnen nicht ganz von der Hand zuweisen, hat aber wirklich nichts mit undemokratisch zu tun. Gleich bedeutet bei einer Wahl was?
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
Baier is ma ned so - Baier sei is a Lebenseinstellung
Mia glangt das i woas das i kennt wenn i woin dadat
Benutzeravatar
Julian
Beiträge: 9704
Registriert: Dienstag 5. Januar 2016, 00:38

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Julian »

Alexyessin hat geschrieben:(21 Jul 2018, 13:33)

Nun, dann werfe mal einen Blick auf die USA oder unseren Bundesrat. Delawere hat genauso viele Stimmen im Senat wie Kalifornien. Und Bremen ist Bevölkerungstechnisch stärker vertreten als Nordrhein-Westfalen.
Natürlich ist aber dein Ansinnen nicht ganz von der Hand zuweisen, hat aber wirklich nichts mit undemokratisch zu tun. Gleich bedeutet bei einer Wahl was?
Das Europäische Parlament entspricht weder dem Bundesrat (der nicht einmal gewählt wird) noch dem Senat, sondern dem Bundestag bzw. dem Repräsentantenhaus.

Der Europäische Rat ist das Vertretungsorgan der Länder, in dem jedes Land eine Stimme hat, und der wie der Bundesrat ebenfalls nicht gewählt ist. Das Europäische Parlament ist dagegen die Vertretung des Volkes und sollte daher in gleicher Wahl bestimmt werden - was aber nicht der Fall ist.
Victrix causa deis placuit, sed victa Catoni
Benutzeravatar
Alexyessin
Ehrenpräsident
Beiträge: 97082
Registriert: Donnerstag 17. November 2011, 22:16
user title: Phönix
Wohnort: wo´s Herzal is

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Alexyessin »

Julian hat geschrieben:(21 Jul 2018, 14:57)

Das Europäische Parlament entspricht weder dem Bundesrat (der nicht einmal gewählt wird) noch dem Senat, sondern dem Bundestag bzw. dem Repräsentantenhaus.
.
Der Bundesrat entsendet Mitglieder nach Wahlen ( der dort gebildeten Regierung ) ergo hat eine Stimme von Bremen mehr Gewicht als eine von Nordrhein-Westfalen. Das kannst du nicht außer Acht lassen,
Julian hat geschrieben:(21 Jul 2018, 14:57)
Der Europäische Rat ist das Vertretungsorgan der Länder, in dem jedes Land eine Stimme hat, und der wie der Bundesrat ebenfalls nicht gewählt ist. Das Europäische Parlament ist dagegen die Vertretung des Volkes und sollte daher in gleicher Wahl bestimmt werden - was aber nicht der Fall ist.
Was du meinst ist die gleiche Stimmengewichtung, hat aber mit dem Gleich aus der Demokratie nur bedingt zu tun. Es ist ja nicht so, das ich dieses Gefälle ebenfalls kritisch betrachtet - nur mach ich darauf nicht ein "undemokratisch - Mimimi" Gereine.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
Baier is ma ned so - Baier sei is a Lebenseinstellung
Mia glangt das i woas das i kennt wenn i woin dadat
Benutzeravatar
Julian
Beiträge: 9704
Registriert: Dienstag 5. Januar 2016, 00:38

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Julian »

Alexyessin hat geschrieben:(21 Jul 2018, 15:02)

Der Bundesrat entsendet Mitglieder nach Wahlen ( der dort gebildeten Regierung ) ergo hat eine Stimme von Bremen mehr Gewicht als eine von Nordrhein-Westfalen. Das kannst du nicht außer Acht lassen,
Natürlich haben Wahlen in den Bundesländern Einfluss auf die Zusammensetzung des Bundesrates, aber er wird eben trotzdem nicht direkt, sondern sehr indirekt gewählt. Er setzt sich aus den Regierungsvertretern der jeweiligen Länder zusammen, nicht aus den Länderparlamenten, und ist damit die Vertretung der Länder, und nicht die des Volkes.

Natürlich hat ein Land wie Bremen anteilig mehr Einfluss als Bayern, wenn man die Bevölkerungsgröße zugrundelegt. Da es aber hier um die Repräsentation der Bundesländer geht, ist das ohne Belang - ganz wie im Europäischen Rat.
Alexyessin hat geschrieben:(21 Jul 2018, 15:02)
Was du meinst ist die gleiche Stimmengewichtung, hat aber mit dem Gleich aus der Demokratie nur bedingt zu tun. Es ist ja nicht so, das ich dieses Gefälle ebenfalls kritisch betrachtet - nur mach ich darauf nicht ein "undemokratisch - Mimimi" Gereine.
Doch, genau das wird unter Gleichheit verstanden: Dass jede Stimme gleiches Stimmgewicht hat, und nicht die Stimme eines Wählers zehnmal so viel wie die eines anderen Wählers.

Dieses Prinzip wird bei den Wahlen zum Europäischen Parlament verletzt, und zwar absichtlich. Daran erkennt man, dass es kein europäisches Volk gibt, sondern nur eine Ansammlung von Einzelstaaten, die sich entschlossen haben, zusammenzuarbeiten, aber immer noch getrennt repräsentiert sind. Eine legitime Volksvertretung ist das Europäische Parlament damit keinesfalls.
Victrix causa deis placuit, sed victa Catoni
Benutzeravatar
Alexyessin
Ehrenpräsident
Beiträge: 97082
Registriert: Donnerstag 17. November 2011, 22:16
user title: Phönix
Wohnort: wo´s Herzal is

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Alexyessin »

Julian hat geschrieben:(21 Jul 2018, 15:12)


Dieses Prinzip wird bei den Wahlen zum Europäischen Parlament verletzt, und zwar absichtlich. Daran erkennt man, dass es kein europäisches Volk gibt, sondern nur eine Ansammlung von Einzelstaaten, die sich entschlossen haben, zusammenzuarbeiten, aber immer noch getrennt repräsentiert sind. Eine legitime Volksvertretung ist das Europäische Parlament damit keinesfalls.
Absichtlich? Kannst du mir den Beleg für diesen Absichtlichkeit mal darlegen? Oder ist da jetzt auch Frau Dr. Merkel schuld?
Und nein, es gibt natürlich kein europäisches Volk. Die Idee des europäischen Bundesstaates würde ich sogar bevorzugen.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
Baier is ma ned so - Baier sei is a Lebenseinstellung
Mia glangt das i woas das i kennt wenn i woin dadat
Benutzeravatar
Julian
Beiträge: 9704
Registriert: Dienstag 5. Januar 2016, 00:38

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Julian »

Alexyessin hat geschrieben:(21 Jul 2018, 15:23)

Absichtlich? Kannst du mir den Beleg für diesen Absichtlichkeit mal darlegen? Oder ist da jetzt auch Frau Dr. Merkel schuld?
Und nein, es gibt natürlich kein europäisches Volk. Die Idee des europäischen Bundesstaates würde ich sogar bevorzugen.
Es geschieht absichtlich, um die kleinen Länder zu bevorteilen und ihnen proportional mehr Gewicht einzuräumen. Wer könnte das bestreiten?
Victrix causa deis placuit, sed victa Catoni
Benutzeravatar
Alexyessin
Ehrenpräsident
Beiträge: 97082
Registriert: Donnerstag 17. November 2011, 22:16
user title: Phönix
Wohnort: wo´s Herzal is

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Alexyessin »

Julian hat geschrieben:(21 Jul 2018, 15:26)

Es geschieht absichtlich, um die kleinen Länder zu bevorteilen und ihnen proportional mehr Gewicht einzuräumen. Wer könnte das bestreiten?
Soso, und dafür kann ich von dir welche Belege bekommen?
Nebenbei ist das durchaus verständlich, schließlich würden sonst die kleinen Staaten überrumpelt werden. Mag jetzt nicht ganz im Sinne deiner nationalen Ausrichtung sein, auf in Bedenken auf die historischen Gründe kann ich das durchaus nachvollziehen.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin kein Nazi, aber...
Baier is ma ned so - Baier sei is a Lebenseinstellung
Mia glangt das i woas das i kennt wenn i woin dadat
Benutzeravatar
frems
Beiträge: 47708
Registriert: Samstag 4. April 2009, 14:43
user title: Hochenergetisch
Wohnort: Hamburg, Europa

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von frems »

Herje, da hat wohl jemand zum ersten mal von der degressiven Proportionalität gehört, die völlig normal in (kon-)föderalen Strukturen ist, z.B. im Schweizer Nationalrat. Da hat Zürich (Kanton) auch nicht 100x so viele vom Volk gewählte Vertreter wie Appenzell Innerrhoden. Aber bei den üblichen Doppelstandards und der fehlenden Nähe zur Politologie ist das wohl nur bei der EU zu bemängeln, weil einem sonst nichts einfällt. Zum Glück kennen diese Leute nicht das Wahlsystem des geliebten Vereinigten Königreichs, sonst würden sie ja nur noch laut weinen.
Labskaus!

Ob Mailand oder Madrid -- Hauptsache Europa.
Benutzeravatar
H2O
Beiträge: 48828
Registriert: Sonntag 13. September 2015, 13:49
Wohnort: Zachodniopomorze

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von H2O »

Das EU-Parlament wurde mit den Stimmen des EU-Ministerrats so und nicht anders aufgestellt. Jedes Mitgliedsland ist darin so vertreten, daß es überhaupt noch gehört werden kann. Ich empfinde diese freiwillige Vereinbarung unter den Mitgliedsstaaten als eine vernünftige Lösung. In diesen Rahmen hinein wählen wir Land für Land unsere Abgeordneten in freier und geheimer Wahl aus den Bewerbern der nationalen Parteien. Was in sich erst einmal makellos demokratisch ist.

Das Parlament bildet vermutlich zu seiner eigenen Überraschung transnationale Fraktionen, in denen die Landeszugehörigkeit keine entscheidende Rolle spielt. Insofern gibt das EU-Parlament so ungefähr die Parteienverteilung wieder, die in der EU eine Rolle spielen. Auch das halte ich für demokratisch zugelassen.

Die EU ist noch immer der stetig enger werdende Zusammenschluß von Nationalstaaten zu einem künftigen Ganzen; wie soll das gehen, wenn in dem Abstimmungsorgan die kleineren Partner kein Gehör mehr finden? Die Stimmengewichte haben also praktische Gründe, die im Konzept und völlig freiwillig von den Partnern so entschieden wurden. Auch deshalb ist das Verfahren demokratisch, ja macht überhaupt erst demokratische Verfahren bei der Abstimmung möglich, die kleinen Partnerstaaten eine faire Teilhabe am europäischen Prozeß sichern. Das soll nicht demokratisch sein?

Dann ist eine Besteuerung auch höchst ungerecht. Jeder nicht etwa nach Einkommensverhältnissen, sondern brav je Kopf. Alle Menschen gleich... das ist bestimmt keine Demokratie, sondern der Schutz der Schwachen vor der Übermacht der Starken macht sie möglich. Eines noch sehr fernen Tages, wenn wir nicht vor lauter Bosheit das europäische Projekt an die Wand gefahren haben, wird man diese Stimmengleichheit vielleicht einmal einführen können. Dann muß die europäische Einheit aber längst vollzogen und täglich gelebt worden sein und täglich gelebt werden.

Da sind wir aber noch lange nicht, brauchen aber demokratisch austarierte Entscheidungen.

Alle Kritiker an den degressiven Stimmrechten sind freundlich aufgerufen, ihre Vorstellungen von einem demokratisch ermittelten EU-Parlament dar zu legen, bei dem nicht sämtliche kleineren Staaten sofort abspringen würden.
Benutzeravatar
Julian
Beiträge: 9704
Registriert: Dienstag 5. Januar 2016, 00:38

Re: Sammelstrang: Quo vadis, Europa und EU?

Beitrag von Julian »

frems hat geschrieben:(21 Jul 2018, 15:45)

Herje, da hat wohl jemand zum ersten mal von der degressiven Proportionalität gehört, die völlig normal in (kon-)föderalen Strukturen ist, z.B. im Schweizer Nationalrat. Da hat Zürich (Kanton) auch nicht 100x so viele vom Volk gewählte Vertreter wie Appenzell Innerrhoden. Aber bei den üblichen Doppelstandards und der fehlenden Nähe zur Politologie ist das wohl nur bei der EU zu bemängeln, weil einem sonst nichts einfällt. Zum Glück kennen diese Leute nicht das Wahlsystem des geliebten Vereinigten Königreichs, sonst würden sie ja nur noch laut weinen.
Das stimmt so nicht. Im Schweizer Nationalrat ist die Zahl der Sitze eines jeden Kantons proportional zur Wohnbevölkerung und wird abhängig vom Wachstum oder Schrumpfen der Bevölkerung auch immer wieder neu verteilt. Die einzige Einschränkung dazu ist, dass es bei der Gesamtzahl von 200 Sitzen zu Rundungen kommen muss, und dass jeder Kanton mindestens einen Vertreter entsendet.

Wenn man sich die Bevölkerung pro Sitz anschaut, sieht die Verteilung im Nationalrat deswegen auch ganz anders als im Europäischen Parlament. Der Großteil der Kantone hat ein sehr ähnliches Stimmgewicht, das sich nur durch die praktisch notwendige Rundung der Sitze auf diskrete Zahlen unterscheidet. Die einzige Abweichung davon ist der Halbkanton Appenzell Innerrhoden, der nach Rundung eigentlich gar keinen Sitz bekäme, aber stattdessen einen Sitz zugesprochen bekommt.

Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalrat_(Schweiz)

Eine degressive Proportionalität sieht dagegen ganz anders aus, siehe hier:
http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-u ... verteilung
Victrix causa deis placuit, sed victa Catoni
Antworten